Titel: Neue Methode zur Fabrication und Reinigung des Zuckers; von Fr. Margueritte.
Fundstelle: Band 192, Jahrgang 1869, Nr. XXXVI., S. 153
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XXXVI. Neue Methode zur Fabrication und Reinigung des Zuckers; von Fr. Margueritte. Aus Les Mondes, t. XIX p. 315; Februar 1869. Margueritte, Verf. zur Fabrication und Reinigung des Zuckers. Bekanntlich gestattet das jetzige Fabricationsverfahren, trotz der in den letzten Jahren vorgenommenen vielfachen Verbesserungen, bei weitem nicht die Gewinnung des gesammten Zuckers der Runkelrübe, indem der letzte Syrup noch 50 Proc. seines Gewichtes an Zucker enthält. Die Verbindungen des Zuckers mit Kalk und Baryt, nach Peligot und Dubrunfaut, und die Dialyse nach Dutrochet und Graham, haben mancherlei Verfahren hervorgerufen, um den Zucker aus der Melasse zu gewinnen; wir haben jedoch einen anderen Weg eingeschlagen, und hierzu zunächst die Melasse selbst näher analytisch untersucht. Man kennt einen Theil ihrer Bestandtheile: in der Asche ist Kali, Natron und Kalk nachgewiesen worden; von den Säuren, Farb- und Extractivstoffen weiß man aber nur sehr wenig. Um die organischen Säuren zu erhalten, verfährt man gewöhnlich nach einer der beiden folgenden Methoden: 1) Man fällt die organischen Salze mittelst Bleiessig und zersetzt den Bleiniederschlag mit Schwefelwasserstoff, welcher die Säuren in Freiheit setzt. 2) Man behandelt die Kalisalze mit einem Gemisch von Alkohol und Schwefelsäure; es entsteht unlösliches schwefelsaures Kali und die verdrängte organische Säure kommt in Lösung. Letztere, auch von uns befolgte Methode, wurde von Liebig, Gmelin und ZeisePoggendorff's Annalen, 1822 —1825. zur Darstellung verschiedener Säuren angegeben. Sie ist sehr einfach, immer wirksam und liefert das gesuchte Product in ganz unverändertem Zustand, was man nicht von der Zersetzung der Bleiverbindung durch Schwefelwasserstoff sagen kann. Demnach haben wir Melasse mit einem Ueberschuß von mit Schwefelsäure versetztem Alkohol behandelt und so nach hinreichendem Umschütteln einerseits einen sehr beträchtlichen Niederschlag, andererseits eine sehr gefärbte Flüssigkeit erhalten. In letzterer fanden wir: Metapectin-, Parapectin-, Milch- und Aepfelsäure, Mannit, Assamar und verschiedene Farbstoffe. Im Niederschlage waren nachzuweisen: Zucker, Metapectin, Parapectin, Apoglucinsäure, die schwefelsauren Salze von Kali, Natron und Kalk.Die HHrn. Fischmann und Mendes sind mit dieser Untersuchung beschaftigt und werden die Resultate bald veröffentlichen. Der Verf., in dessen Laboratorium diese Arbeiten ausgeführt werden, dankt den Genannten für ihre Unterstützung bei diesen langwierigen und mühsamen Untersuchungen. Man sieht, daß zwar viele fremde Stoffe in Lösung bleiben, aber auch noch einige mit dem Zucker gefällt werden, daher diese Methode nicht technisch zur Gewinnung reinen Zuckers benutzt werden kann. Dennoch ist das Gemisch von Alkohol mit verschiedenen Säuren öfter zum Behandeln der Producte der Zuckerfabrication vorgeschlagen worden und ein hierauf gegründetes System (von Paulet) ist schon vor längerer Zeit (1837–1838), jedoch erfolglos, zum Entfärben der Rohzucker versucht worden.Man sehe auch das Verfahren von H. Schwarz im polytechn. Journal Bd.CLXXIII S. 227; ferner im Jahresbericht für Zuckerfabrication, Bd. IV S. 274,wo darauf hingewiesen ist, daß dieses Verfahren schon früher von Payen zur Bestimmung des Gehaltes der Rohzucker vorgeschlagen wurde.A. d. Red. Man sieht aus dem Vorstehenden, warum dieses Verfahren keinen günstigen Erfolg haben konnte. Wir suchten daher, um das Ziel zu erreichen, den Zucker von den ihn begleitenden Unreinigkeiten dadurch zu befreien, daß wir ihn in 70—80procentigem Alkohol auflösten. Die erzielten Resultate sind vollkommen befriedigende gewesen. Diese Art zu arbeiten, bietet jedoch einige Schwierigkeiten in der Ausführung dar: in der Kälte erfordert der Zucker zur Lösung zu viel Zeit und zu viel Alkohol; in der Wärme aber ist die Anwendung einer flüchtigen, entzündlichen Flüssigkeit bedenklich. Die Versuche, ein praktischeres und einfacheres Verfahren zu finden, haben uns auf eine ganz andere Methode geführt: Statt den Zucker durch einen Ueberschuß concentrirten Alkohols zu fällen, haben wir denselben durch verdünnteren Alkohol (von 85 Proc.) in Lösung gehalten, die Flüssigkeit zur Abscheidung der schwefelsauren Salze und des größten Theiles der unlöslichen Stoffe filtrirt und nun erst eine zweite Portion Alkohol von 95 Proc. zugesetzt. Unter diesen Umständen müßte der Zucker eigentlich sofort krystallisiren, aber er scheidet sich nur außerordentlich langsam ab, so daß man Zeit genug hat, alle fremden Stoffe erst vollkommen zu entfernen und dann den Zucker in sehr reinem Zustande zu erhalten. Die alkoholische Flüssigkeit hält hierbei mehr Zucker zurück, als ihrem normalen Lösungsvermögen entspricht und ist also eine sogen, übersättigte, in welcher man leicht durch Zusatz von etwas Zuckerkrystallen oder Zuckerpulver die Krystallisation hervorrufen kann. Dadurch bewirkt man in sehr kurzer Zeit die Ausscheidung des sämmtlichen Zuckers, welchen sie abgeben kann; diese Ausscheidung ist nach fünf Stunden beendigt, während sie ohne den Zuckerzusatz über acht Tage beanspruchen würde. Man verfährt demnach wie folgt: Man mischt 1 Kilogrm. Melasse von 47° Baumé kalt mit 1 Liter Alkohol von 85 Proc., dem vorher 5 Proc. Schwefelsäure von 66° Baumé zugesetzt worden sind, und erhält so eine Auflösung, welche nach dem Filtririren und dem Zusatz von einem weiteren Liter 95procentigen Alkohols in Berührung mit 500 Grammen Zuckerpulver eine Mehrabscheidung von 350 Grammen reinem Zucker,Man braucht der alkoholischen Flüssigkeit nur 0,006 Chlorcalcium oder Chlorbaryum zuzusetzen, um die letzten Spuren geloster Schwefelsäuresalze zu zersetzen; man erhält dann den Zucker frei von diesen und von Chlorverbindungen.Der Verf. d. h. 35 Proc. vom Gewicht der Melasse oder 70 Proc. des darin enthaltenen Zuckers (50 Proc.) liefert. Das mit seinem gleichen Volumen Alkohol von 95 Proc. ausgedeckte Product hat im trockenen Zustande folgende Zusammensetzung: krystallisirbarer Zucker 99,50 unkrystallisirbarer Zucker Spur Asche 0,50 Dieses einfache Verfahren, auf die Anwendung einer rein wissenschaftlichen Beobachtung gegründet, hat zur Bearbeitung von etwa 10000 Kilogrammen verschiedener Producte (Melasse und Nachproducte) gedient und dabei stets die erwartete Mehrauslieferung erreichen lassen. Diese Versuche sind in der Zuckerfabrik Laverdines, Hrn. Sourdeval gehörend, ausgeführt worden. Diesen allgemeinen Angaben fügen wir aus der ausführlichen Abhandlung des VerfassersJournal des fabricants de sucre, Jahrg. IX, Nr, 48 und 49. noch folgende nähere Mittheilungen hinzu. Die charakteristischen Seiten des Verfahrens, welche zugleich dessen Neuheit ausmachen, bestehen in Folgendem: 1) Anwendung des angesäuerten Alkohols bei einer Verdünnung und einer Temperatur, welche für Auflösung des Zuckers und Fällung der Unreinigkeiten angemessen sind; 2) weiterer Zusatz von 95 procentigem Alkohol zum Ausfällen des Zuckers; 3) Zusatz von Zuckerkrystallen zur Beschleunigung der vollkommenen Ausscheidung des Zuckers; 4) directe Herstellung krystallisirten und reinen Zuckers in einer sauren Flüssigkeit; 5) Abscheidung, in Alkohol, der sauren, gefärbten und zerfließlichen Stoffe. Durch specielle Versuche hat der Verfasser nun folgende wesentliche Punkte aufgeklärt: 1. Die Unveränderlichkeit des Zuckers in der alkoholischen sauren Flüssigkeit. 2. Die zweckmäßigsten Temperaturen und Concentrationsgrade. 3. Den Einfluß des zugesetzten Zuckers auf die Krystallisation. Zu 1. Es könnte scheinen, als ob der Zusatz der Schwefelsäure zum Alkohol den Zucker verändern müßte; dieser befindet sich hier aber nur in Berührung mit schwachen organischen, durch die Schwefelsäure verdrängten Säuren und es entstehen daher selbst in Zeit von 6 Stunden nur Spuren veränderten Zuckers; sogar nach 20 Tagen ist der Zucker noch größtentheils in krystallisirbarem Zustande vorhanden. Zu 2. Das ganze Verfahren besteht aus drei Operationen: Fällung der unlöslichen Verbindungen durch den verdünnten, des Zuckers durch den concentrirten Alkohol, und Gelöstbleiben der löslichen zerfließlichen Stoffe in der Flüssigkeit. Die Fällung muß so rasch wie möglich geschehen, erfolgt jedoch für den Zucker nur unvollkommen. Je weniger die Melasse und der Alkohol Wasser enthalten, desto mehr Zucker wird natürlich niedergeschlagen und somit gewonnen werden; allein man darf eine gewisse Grenze nicht überschreiten, da man bei zu concentrirten Flüssigkeiten Zucker mit den fremden Stoffen niederschlägt und somit in dem gemischten Producte verliert. Man könnte zwar mit stärkerem Alkohol bei 30–40° C. arbeiten, doch scheint dieß, zur Vermeidung jeder Veränderung des Zuckers, nicht gerathen. Zu 3. Verschiedene directe Versuche haben die Wirkung des Zuckerzusatzes aufgeklärt; sie besteht darin, daß die Krystallisation alles überhaupt zu erhaltenden Zuckers in weniger als fünf, statt in 18 Stunden hervorgerufen wird. Der Alkoholgrad der Flüssigkeit liefert einen genauen Gradmesser für die Ausscheidung, welche im Ganzen auf 1 Kilogramm Melasse1350 Grammebeträgt, wenn man1000 GrammeZuckerpulver zugesetzt hat, so daß350 Grammeals aus der Melasse ausgefällt, bleiben. Die Ausscheidung ist eine so rasche, daß man sie mit dem Auge verfolgen kann. Gepulverter Zucker zeigt sich rascher wirkend als Krystallzucker. Die zugesetzten Zuckerkrystalle vergrößern sich regelmäßig, ohne ihre Durchsichtigkeit und ihren Glanz zu verlieren; obgleich die Zunahme in einer sehr dunkeln Flüssigkeit vor sich geht so bleibt die Farbe der Krystalle doch kaum gelblich, so daß man sie direct auflösen und auf Brodzucker verarbeiten kann. In diesem Falle wird der gewaschene Zucker in einen geschlossenen Kessel gebracht, um durch Kochen den anhängenden Alkohol wieder zu gewinnen. Soll der Rohzucker als solcher verkauft werden, so wird der Alkohol beim Trocknen oder durch Ausdecken wieder erhalten. In diesem Falle setzt man auch zweckmäßig der alkoholischen Flüssigkeit 0,006 Chlorcalcium zu, um die letzten Spuren schwefelsaurer Salze niederzuschlagen; man erhält dann einen salzfreien Zucker, welcher im Werthe den besten Zuckern des Handels gleich steht. Als Nebenproduct des Verfahrens erhält man auf 100 Thle. Melasse 14–15 Thle. schwefelsaure Salze, wovon 10 Thle. schwefelsaure Alkalien. Man erhitzt diesen Niederschlag mit wenig Wasser in geschlossenen Gefäßen zum Kochen, um den Alkohol zu gewinnen, und erhält dann das schwefelsaure Kali rein daraus. Die Hauptausgabe bei dem ganzen Verfahren besteht in derjenigen für die Wiedergewinnung des Alkohols; diese Kosten kennt man hinlänglich, um sie in Rechnung ziehen zu können. Die Verluste an Alkohol dagegen während der Arbeit selbst können sich nur durch die Erfahrung ergeben; jedenfalls sind sie bei gut eingerichteten Apparaten nicht groß (?), da bekanntlich auch bei der industriellen Anwendung anderer flüchtiger Flüssigkeiten, wie z. B. des Schwefelkohlenstoffes, des Holzgeistes u. s. w. die Verluste hinter den Voraussetzungen zurückbleiben. Schließlich stellt der Verfasser die Vorzüge seines Verfahrens wie folgt zusammen: 1) Gewinnung von 35–38 Proc. Zucker vom Melassengewicht, d. h. Erhöhung der Ausbeute um 24–26 Proc.; 2) Gewinnung dieses Zuckers in directer Weise, d. h. im reinsten Zustande in vier Operationen; 3) Verminderung der Arbeit bei den Nachproducten der Raffinerien; 4) fast vollständiger Wegfall der Knochenkohle in Zuckerfabriken und Raffinerien. An Operationen begreift das Verfahren nur folgende: a) Mischung der Melasse mit 85procentigem Alkohol unter Zusatz von 5 Proc. Schwefelsäure, Zusatz von 95 procentigem Alkohol mit 0,006 Chlorcalcium; Filtration; b) Krystallisation durch Zuckerzusatz, Waschen mit Alkohol, Auflösung, Kochen auf Brode oder Trocknen des Rohzuckers; c) Wiedergewinnung des Alkohols; d) Verarbeitung der zuckerhaltigen Rückstände auf Alkohol; e) Gewinnung und Reinigung der Schwefelsäuresalze. Alle Melassen, Rohzucker und Zuckerfabricationsproducte jeder Art können nach diesem Verfahren verarbeitet werden.