Titel: Die Schießbaumwolle als Sprengmittel.
Fundstelle: Band 192, Jahrgang 1869, Nr. XXXIX., S. 166
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XXXIX. Die Schießbaumwolle als Sprengmittel. Ueber die Schießbaumwolle als Sprengmittel. Unter der Ueberschrift „eine neu entdeckte Eigenschaft der Schießbaumwolle“ bringt das am 31. März 1869 zu Berlin erschienene „Militär-Wochenblatt folgende, eine neue Anwendung dieses interessanten Präparates ermöglichende Mittheilung: Bisher hatte man eine Explosion der Schießbaumwolle nur in stark zusammengedrücktem Zustande für möglich gehalten. Es gehörte daher Zu den gewöhnlichen Experimenten bei Vorträgen über die Eigenschaften der Schießbaumwolle, daß man ein Stückchen derselben auf die flache Hand oder auf eine Waagschale legte und dann anzündete. Die Hand wurde nicht verbrannt, die Waagschale kam nicht im mindesten aus ihrem Gleichgewicht, während dieselbe Quantität Schießbaumwolle, in eine starke Kapsel hineingepreßt und dann angezündet, mit einer Kraft explodirte, welche diejenige des Pulvers sechsfach übertrifft. Mehrfache Experimente im Laboratorium zu WoolwichChemical News vol. XVIII p. 273; December 1868 haben neuerdings aber gezeigt, daß auch nicht zusammengepreßte Schießbaumwolle mit einer Kraft explodirt, welche derjenigen des Nitroglycerins gleichkommt, diejenige des Pulvers aber zehnmal übertrifft, wenn man die Schießbaumwolle auf dieselbe Weise wie Nitroglycerin entzündet, d. h. mittelst Explosion einer kleinen Quantität Knallpulvers, in Folge eines Schlages oder Stoßes. Während nichtzusammengepreßte Schießbaumwolle, auf gewöhnliche Weise entzündet, nicht die mindeste Wirkung auf die Unterlage ausübt, vermag dieselbe Quantität gleichfalls frei liegender, aber durch Stoß entzündeter Schießbaumwolle Granitblöcke zu zerschmettern und dicke eiserne Platten zu zerbrechen. Durch diese Entdeckung werden Sprengungen aller Art zu friedlichen und kriegerischen Zwecken außerordentlich erleichtert und dürfte die Schießbaumwolle hierbei sowohl dem Nitroglycerin, als auch dem Dynamit bei weitem vorzuziehen seyn, da bei ihr die gefährliche Operation der Ladung mit diesen beiden letzteren Sprengmitteln fortfällt. Aber auch für Torpedo's und im Allgemeinen bei Sprengungen unter Wasser wird diese Entdeckung von besonderem Nutzen seyn. Es erscheint nicht mehr nothwendig, die Schießbaumwolle zu diesem Zwecke in starke eiserne Kapseln einzuschließen; eine jede leichtere, nur wasserdichte Kapsel wird vollständig genügen. Neuere Versuche bei Chatham haben erwiesen, welch' mächtiges Zerstörungsmittel die durch Stoß entzündete Schießbaumwolle beim Umreißen von Mauern und Pallisaden ist. Es überraschte, starke Pallisadenpfähle mittendurch gespalten zu sehen, wie mit einem Wesser durchschnitten, einzig und allein in Folge der Explosion eines langgestreckten Satzes von Schießbaumwolle. Stade, im April 1869. Darapsky.