Titel: Ueber die Temperatur der Flammen und ihre Beziehungen zum Drucke; von H. Sainte-Claire Deville.
Fundstelle: Band 192, Jahrgang 1869, Nr. LXXXI., S. 288
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LXXXI. Ueber die Temperatur der Flammen und ihre Beziehungen zum Drucke; von H. Sainte-Claire Deville. Aus den Comptes rendus, t. LXVII p. 1089; November 1868. Deville, über die Temperatur der Flammen und ihre Beziehungen zum Drucke. Frankland hat durch seine neuesten Untersuchungen nachgewiesen, daß die in einer comprimirten Atmosphäre brennende Flamme eines Hydrooxygengas-Löthrohres (Knallgasgebläses), welche unter gewöhnlichen Druckverhältnissen kaum sichtbar ist, um so glänzender und um so leuchtender wird,Soll eine Flamme glänzend seyn, so ist dazu nur erforderlich, daß die von ihr ausgehenden einfachen und einem monochromatischen Lichte angehörenden Strahlen eine große Intensität besitzen. Soll aber eine Flamme hell oder leuchtend (im gewöhnlichen Wortsinne) seyn, so müssen ihr fast sämmtliche Strahlen des Sonnenspectrums angehören; sie muß vollkommen oder doch möglichst weiß seyn, und dem Sonnenlichte nahe kommen. je mehr man den Druck verstärkt, so daß man bei genügend hohem Drucke eine Flamme erhält, welche derjenigen einer Kerze zu vergleichen ist. Frankland sucht die beste Erklärung dieser bedeutungsvollen Thatsache zu geben und findet sie einfach in der mit der Compression der Gase nothwendiger Weise verbundenen Vermehrung der Dichtigkeit derselben. Auch zieht er aus derselben Schlußfolgerungen, welche die von Humphry Davy in die Wissenschaft eingeführten Anschauungen entkräften zu müssen scheinen und der Theorie der Flamme die bisherige Grundlage entziehen. Ich gestehe, daß ich in letzterer Beziehung Frankland's Ansichten nicht theile; ich stütze meine Meinung auf gewisse Thatsachen, welche ich nach gründlicher Untersuchung bald veröffentlichen werde. Hinsichtlich des Einflusses der Dichtigkeit auf die Leuchtkraft der Flammen begnüge ich mich, eine Idee zu entwickeln, zu welcher ich den Keim in den letzten Sätzen von Frankland's Mittheilung finde. Er erklärt den Mangel an Leuchtkraft bei der Flamme des in Chlor brennenden Phosphors aus der geringen Temperaturerhöhung, welche ein von einer so geringen Wärmeentwickelung begleiteter Verbrennungsproceß offenbar hervorbringen muß. Ich glaube, daß dieß der wahre, der einzige Grund der angedeuteten Erscheinung ist. Suchen wir zunächst die Hauptbedingung zu ermitteln, welcher eine Flamme entsprechen muß, um hell oder leuchtend zu seyn. Wenn man in eine dunkle und heiße Flamme, wie die eines Bunsen'schen Brenners, Kochsalz einführt, so erhält man bekanntlich ein monochromatisches Licht von geringer Intensität, weil das Prisma dasselbe nicht zu einem Spectrum zerlegt und darin nur eine glänzende Linie zeigt. Erhöhen wir aber die Temperatur dieser Flamme, z. B. durch Zuführen von Sauerstoff, so wird der Glanz derselben sofort lebhafter, die Zahl der glänzenden Linien vervielfältigt sich und somit kommt man einem vollständigen Spectrum näher. In dieser Hinsicht verweisen wir auf die Versuche von Fizeau und die von Wolf und Diacon. Wenden wir aber den Apparat von Debray an, welcher für spectroskopische Versuche die außerordentlich hohe Temperatur von 2500° C. zu entwickeln gestattet, so entfaltet sich in einer solchen Flamme das Spectrum des Natriums vollständig; man kann dann annehmen, daß die in diesem Spectrum enthaltenen zahlreichen glänzenden Linien sich vermischen und ein continuirlich scheinendes Ganzes bilden. Eine analoge Beobachtung macht man, wenn man große Massen Natrium in atmosphärischer Luft oder in Sauerstoff verbrennen läßt, oder wenn man Lithium verbrennt; die gewöhnlich monochromatische gelbe Natriumflamme und die gewöhnlich rothe Lithiumflamme werden beide weiß; sie enthalten dann alle Strahlen oder, wenn man will, alle glänzenden Linien von jeder Brechbarkeit. Sie werden also leuchtend, wenn das Metall bei hoher Temperatur verbrennt. Diese Beobachtung gilt selbst für die unsichtbaren Strahlen, für die chemisch wirkenden Strahlen der Flammen, deren Linien sich im Spectrum um so mehr zusammendrängen und vervielfältigen, je höher die Temperatur der sie erzeugenden Lichtquellen ist. Diese Beobachtung, welche wir Mascart verdanken, ist von größter Wichtigkeit. So wächst die Anzahl der Linien im Verhältniß mit der Temperaturzunahme der sie erzeugenden Flammen, und wenn diese Temperatur eine gewisse Intensität erreicht hat, so vermischen sich diese Linien und geben ein continuirliches Spectrum. Dann wird die Flamme nothwendiger Weise weiß, glänzend und leuchtend. Eine Erscheinung derselben Art zeigt sich bei dem Versuche von Frankland. In der Wasserstoffflamme nehmen die Linien an Anzahl und Intensität in demselben Verhältnisse zu, in welchem der auf das Gasgemisch außerhalb und innerhalb des Löthrohres ausgeübte Druck wächst. Muß man hieraus nicht schließen, daß mit dem Drucke auch die Temperatur der Flamme zunimmt? Auf die Verfahrungsarten, welche ich zur Constatirung dieser Folgerung anzuwenden gedenke, werde ich später zurückkommen; indessen möchte ich gleich hier zeigen, daß die bedeutende Leuchtkraft des Arsenwasserstoffes — welche duch die Davy'sche Theorie nicht erklärt werden kann — sich mittelst der aus der Spectralanalyse gezogenen Folgerungen sehr wohl erklären läßt. Offenbar geben die Gase beim Verbrennen Linien; sind diese Linien (nach der Natur der beobachteten Substanzen) glänzend und zahlreich, so muß nothwendig die Flamme dieser Gase glänzend und um so leuchtender seyn, je verschiedenere Brechbarkeit die in ihrem Spectrum enthaltenen Linien haben. Eine solche Erscheinung findet auch bezüglich des in der Arsenwasserstoffflamme enthaltenen Arsendampfes statt und meiner Ansicht nach ist Es unnöthig, zur Erklärung dieser Thatsache die Dichtigkeit in's Spiel zu ziehen. Die Ansicht von Frankland, daß in den gewöhnlichen Flammen sehr dichter Kohlenwasserstoff erzeugt wird, dürfte sich übrigens auf experimentellem Wege nur schwierig nachweisen lassen; denn bekanntlich zersetzen sich alle diese Kohlenwasserstoffe schon bei niedrigen Temperatur-graden in Wasserstoff und Kohlenstoff, welcher letztere zwar Wasserstoffhaltig, aber undurchsichtig ist.In einer Vorlesung über die Dissociation (das Zerfallen) der Gase (Leçons de la Société chimique, 1866 p. 317, Paris, Hachette) habe ich nachgewiesen, daß das Kohlenoxydgas bei starkem Erhitzen zerfällt in Sauerstoff und eine gelbe, pulverförmige und leichte Kohle, welcher allem Anscheine nach die blaue Farbe der Flamme zuzuschreiben ist. Ich glaube demnach, daß die Davy'sche Theorie ganz aufrecht erhalten bleibt. Ich sagte, daß, wenn die Wasserstoffflamme bei hohem Druck leuchtend wird, dieß daher rührt, daß die Temperatur der Flamme in dem Maaße höher wird, als der Druck, wobei die Verbrennung stattfindet, selbst zunimmt. Wir gehen nun auf die Folgerungen dieser ThatsacheTbatsache über, indem wir dieselbe als wohl erwiesen annehmen. Debray und ich haben nachgewiesen, daß die Verbindungstemperatur des Wasserstoffes und Sauerstoffes, bei dem gewöhnlichen Druck, 2500° C. ist. Wir haben diesen fixen Punkt bestimmt, indem mir 1 Kilogrm. geschmolzenes und auf die höchste in einem Ofen aus Kalk erreichbare Temperatur erhitztes Platin in Wasser gossen, und mittelst der Temperaturerhöhung dieses Wassers, der specifischen Wärme des platins etc. die Berechnung ausführten. Wir hätten gewünscht, ein so wichtiges Resultat durch eine große Anzahl von Proben controliren und feststellen zu können, und waren mit den Vorbereitungen hierzu beschäftigt, als Bunsen seine schätzbare Abhandlung über die Verbrennungstemperaturen (über die Temperatur der Flammen des Kohlenoxyds und des Wasserstoffes) veröffentlichte.Poggendorff's Annalen, 1867, Bd. CXXXI S. 161. Die von dem deutschen Physiker erfundene vortreffliche Methode überhob uns neuer Versuche nach unserem so mühsamen und (wegen möglicher fürchterlicher Explosionen) gefährlichen Verfahren, um so mehr als die von Bunsen erhaltenen Zahlen mit den unserigen vollkommen übereinstimmen.So wie wir den Sinn des Originals auffassen, erklärt Deville hiermit, Bunsen habe bewiesen daß die Formel W/w richtig sey (d. h. daß die Temperatur wirklich der Quotient aus der producirten Wärme durch die specifische Wärme der Producte sey) und ihn daher dieses Beweises überhoben. Nun hat aber Bunsen dieses keineswegs bewiesen, sondern alle seine Inductionen beruhen bloß auf der Annahme daß jene Formel richtig sey.A. d. Red. Bunsen gibt 2800° C. als Verbindungstemperatur der beiden Gase an, welche er gereinigt und im Zustande absoluter Trockenheit in sein Explosionsgefäß einführte. Bei Berücksichtigung des Feuchtigkeitsgehaltes der bei unseren Versuchen angewendeten Gase, und des Stickstoffes welcher durch das zum Verdrängen der Gase dienende Wasser in unsere Gasometer eingeführt wurde, gelangt man zu einer Zahl, die 2800° C. sehr nahe kommt; ich adoptire dieselbe von nun an als die dieser Erscheinung entsprechende wahre Temperatur. Bei Annahme der Zahl 2500° C. erhielt ich den Bruch 0,44 als Ausdruck für den Antheil der Gase, welche sich wirklich verbinden in dem Zeitpunkt, wo bei der Maximalhitze des Gemisches das dieser Temperatur entsprechende Zerfallen des Wassers die vollständige Vereinigung seiner Elemente verhindert.Man s. Leçons de la Société chimique (de la Dissociation,), 1866 p. 290. Bei Annahme der neuen Zahl 2800° C. beträgt der verbundene oder nicht zerfallene Theil der Wasserstoff-Sauerstoffflamme wirklich 0,50 oder die Hälfte der Gesammtmasse. Um aber hinsichtlich der Verbindungstemperatur (und des Herganges) bei einem höheren als atmosphärischen Drucke eine absolute Sicherheit zu erlangen, muß man entweder Platin in einer künstlich verdichteten Atmosphäre schmelzen, oder in einer solchen Bunsen's Versuche mit dem Explosionsgefäß wiederholen. Diese Versuche bin ich im Begriffe zu beginnen, und zwar in einem Laboratorium mit eisernen Wänden, welche einem Druck von mindestens drei Atmosphären zu widerstehen vermögen, der für den menschlichen Organismus ganz unschädlich ist, wovon man sich beim Bau der Rheinbrücke bei Kehl überzeugte. Eine Reihe von Versuchen, welche unter Druck mit den gewöhnlich angewandten Brennmaterialien ausgeführt werden, wird voraussichtlich Resultate ergeben, welche die Praktiker veranlassen dürften, Proben mit Feuerungen anzustellen, welche mit Luft von einer Pressung gespeist werden, die dem Dampfdruck im Generator gleichkommt. Diese Feuerungen, besonders wenn sie mit Mineralölen gespeist werden, welche nach ihrer Verbrennung keinen Rückstand hinterlassen, diese Kessel, worin die auf z. B. fünf Atmosphären comprimirten Verbrennungsproducte sich mit einer fünfmal geringeren Geschwindigkeit als in unseren gegenwärtigen Apparaten durch die Röhren bewegen würden, müßten ohne Zweifel eine beträchtliche Verminderung der Heizfläche ermöglichen. Derartige Untersuchungen, welche den Marine-Ingenieuren die zur Berechnung der Resultate erforderlichen Daten liefern werden, sollen auf Anordnung des Kaisers Napoleon im Laboratorium der École normale ausgeführt werden. Eine große cylindrische Kammer von Eisenblech, welche den Experimentirenden mit seinen Apparaten aufnehmen kann und einen beträchtlichen, durch eine Dampfpumpe erzeugten Luftdruck auszuhalten vermag, wird dort ein Laboratorium bilden, worin alle Manipulationen, welche zur Bestimmung der durch die Flammen und die festen Brennstoffe erzeugten Temperaturen erforderlich sind, ohne Gefahr ausgeführt werden können. Wenn, wie dieß schon jetzt fast zweifellos erwiesen ist, die Verbrennungstemperatur mit der Zunahme des Druckes eine höhere wird, so werden dadurch die zahlreichen Analogien zwischen den Verbindungs- und Zersetzungserscheinungen einerseits, und den Erscheinungen der Condensation und Verflüchtigung der Dämpfe andererseits, um eine weitere vermehrt. Man kann nämlich Maximal-Condensationstemperatur des Dampfes nennen, was man uneigentlich mit dem Namen Siedepunkt einer Flüssigkeit bezeichnet. Diese Temperatur ist lediglich diejenige, von welcher an ein Dampf sich nicht mehr an der Oberfläche eines (kalten) Thermometers condensirt, welches sich einzig mittelst der latenten Wärme erhitzt, die ihm der Dampf abgibt, in welchen Es getaucht ist. Der Siedepunkt (oder die Condensationstemperatur) steigt bekanntlich, wenn man den Druck über der den Dampf erzeugenden Flüssigkeit erhöht. Die Erscheinung ist dem Anscheine nach complicirter, aber dem Vorgange bei der Condensation der Dämpfe ganz analog, wenn man die Verbindung der Körper, insbesondere die des Sauerstoffes und Wasserstoffes, im Knallgas-Löthrohr betrachtet. Angenommen die Verbindungstemperatur des Wasserstoffes und Sauerstoffes sey 2800° C., so wird die bei dem Druck von 760 Millimeter in der Flamme, am heißesten Punkte, gebildete Wassermenge seyn:Man s. Leçons de Chimie professées en 1864 et 1865 devant la Société chimique, p. 290 (Leçons sur la Dissociation).Hachette, 1866. 637 + (2800 – 100) 0,475/3833 = 0,5 d. h. nur die Hälfte des Sauerstoffes und Wasserstoffes werden bei dem Drucke von 760 Millimeter verbunden seyn. Da aber, wenn wir den Druck vermehren, die Temperatur der Flamme ebenfalls erhöht wird, so muß, wie nach der vorhergehenden Formel ersichtlich, die Menge verbundener Gase oder gebildeten Wasserdampfes nach Maaßgabe der Druckzunahme sich steigern; genau wie die Spannung eines gesättigten Dampfes in dem Maaße zunimmt, als man die Temperatur erhöht. Endlich nimmt die Verbindungstemperatur eines Gasgemisches wie die Maximal-Condensationstemperatur (der Siedepunkt) eines Dampfes mit dem Drucke zu. Die verbundene Substanz (das gebildete Wasser) in der Flamme spielt dieselbe Rolle wie die condensirte Substanz in einem dampferfüllten Raume, dessen Temperatur und Druck man so abändert, daß der Dampf stets gesättigt ist. Es ist hiernach klar, daß die Menge nicht verbundener oder zerfallener Substanz in der Flamme sich in dem Maaße vermindert als der Druck zunimmt. Es läßt sich daher ein Druck berechnen, wobei ein Gemisch von Wasserstoff und Sauerstoff, indem Es sich verbindet, die imaginäre Temperatur von 6800° C. erzeugen wurde, welche einer gänzlichen Verbindung entspricht.