Titel: Die Chemie des Hohofens nach L. Bell's Untersuchungen; von C. Schinz.
Autor: C. Schinz
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXXII., S. 111
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XXXII. Die Chemie des Hohofens nach L. Bell's Untersuchungen; von C. Schinz. Schinz, über Bell's Chemie des Hohofens. Unter dem Titel „die Chemie des Hohofens“ veröffentlichte Hr. J. Lowthian Bell im Journal of the Chemical Society Juniheft 1869, eine Reihe von Experimenten, welche er über den Reductionsproceß der Eisenerze im Hohofen angestellt hat und mit denen er beweisen will, daß diese Reduction bei viel niedrigerer Temperatur stattfinde als von Scheerer, Ebelmen und Tunner gesunden wurde. Als Einleitung stellt er Betrachtungen an, über die Unregelmäßigkeit mit welcher die Gichten im Ofen niederrücken und glaubt daraus schließen zu dürfen, daß der Ofenraum nicht in gewisse Zonen getheilt werden könne. In dieser Hinsicht ist vor Allem zu bemerken, daß es von vornherein fehlerhaft ist, wenn man die Stoffe mit denen der Ofen beschickt wird, in allzu ungleichförmig großen Stücken aufgiebt, wodurch allerdings eine ungleichförmige Reduction und ein unregelmäßiges Sinken der Gichten befördert wird. Wenn aber dieser Fehler in England öfter begangen wird, so folgt daraus keineswegs, daß nicht bei sorgfältigerer Beschickung die Temperatur im Ofen gleichmäßig schichtweise abnehme, so daß mit aller Sicherheit Zonen angenommen werden können, welche durch gewisse Temperaturen begrenzt sind; ja selbst bei ungleichförmiger Beschickung ist nicht nothwendig auch eine Ungleichheit der Temperatur die Folge, da die heißen Gase an große wie an kleinere Stücke die Wärme gleich schnell abgeben, weil dieses einfach von der Wärmeleitungsfähigkeit des Materiales abhängt. Es müßten sonst schon große Differenzen in der Lockerheit der Stücke stattfinden, so daß die Gase auf einer Seite des Ofens viel schneller emporströmen würden als auf der anderen. Große Erzstücke werden allerdings weniger schnell und weniger vollkommen reducirt werden als kleinere, dennoch werden die großen wie die kleinen je nach der vorhandenen Temperatur von dem aufströmenden Kohlenoxyd afficirt werden und sinken sie in eine solche Tiefe des Ofens, wo das Schlackenmaterial anfängt breiartig zu werden, so hört eben alle Reduction auf und diese kann dann erst später bei noch höherer Temperatur durch festen Kohlenstoff aus den eisenoxydhaltigen Schlacken nachträglich bewerkstelligt werden. Dadurch wird aber z.B. die Leistung einer Reductionszone durchaus nicht in Frage gestellt, denn die Reduction durch festen Kohlenstoff ist eine ganz andere, von anderen Phänomenen begleitete und besonders zu betrachtende. Wenn nun die angeführten Experimentatoren die Grenzen ihrer Zonen in sehr verschiedene Tiefen des Ofens legen, so kommt dieß einerseits davon her, daß dieselben fehlerhaft die Ofentiefen als Grenzmarken angenommen haben, während der Kubikinhalt der Zonen maaßgebend ist, andererseits daher, daß diesen Experimentatoren nur sehr unzuverlässige Mittel zu Gebot standen, um die Temperaturen zu bestimmen. Hr. Bell hat nun das zu reducirende Erz mehr oder weniger lange Zeit in die eisernen Rohre gelegt, welche die Gase aus dem Hohofen ableiten, und zwar in die Rohre von Oefen verschiedener Größe, welche Gase verschiedener Temperaturen abführen, und dabei gefunden, daß selbst beim Schmelzpunkte des Wismuthes (257° C.) noch Reduction stattfindet, woraus er schließt, daß alle früheren Angaben über die zur Reduction nothwendige Temperatur irrig seyen. Wenn Hr. Bell seine Temperaturen wirklich richtig gemessen hat, so ist er zu diesem Schlusse anscheinend berechtigt; es fragt sich aber, ob seine Messung der Temperatur nicht auf einer Täuschung beruht. Alle compacten Metalle haben eine viel größere Leitungsfähigkeit für die Wärme als die Erze. Legt man nun auf den Boden einer Gasleitungsröhre Erzstücke und ein Stück Metall, so kann letzteres nicht zum Schmelzen kommen, da die äußere Luft die Röhrenwand von unten abkühlt und dem damit in Berührung stehenden Metallstücke stets die Wärme entzieht deren es zum Schmelzen bedürfte, während die weniger leitenden Erzstücke einer merklich höheren Temperatur ausgesetzt sind. Setzen wir aber den Fall, die Temperatur der Erzstücke sey dieselbe gewesen wie die der Metallstücke, welche zur Temperatur-Bestimmung dienten, so ist der von Hrn. Bell gezogene Schluß dennoch nur scheinbar richtig, denn bei der von ihm gewählten Operirmethode sind die Bedingungen andere als die im Hohofen existirenden. Die Quantität der durchströmenden Gase im Verhältnisse zu der Erzmenge ist in der Gas-Ableitungsröhre eine viel größere als im Schacht selbst. Meine eigenen Versuche (s. meine „Documente betreffend den Hohofen“) haben bewiesen, daß die Reduction ebensosehr durch die verhältnißmäßige Menge der Gase als durch deren Reichthum an Kohlenoxyd befördert wird, und daß daher die Intensität der Reduction von Temperatur, Menge und Reichthum an CO zugleich abhängt, und ohne Berücksichtigung und Bestimmung aller dieser drei Factoren keine vergleichbaren Resultate erlangt werden können. Daß der Gehalt der Gase auf den Reductionsproceß Einfluß habe, vermuthete Hr. Bell, daher er dann noch besondere Versuche mit Gasen anstellte, welche die Gase des Ofens in Wrbna und in Clarence repräsentirten. Erstere gibt er an als zusammengesetzt aus Volumtheilen 13 CO + H, 16 CO², 71 N; letztere aus 32 CO + H, 6 CO², 62 N. Eine solche Zusammensetzung von Hohofengasen ist aber kaum möglich, denn wenn nicht directe Reduction durch festen Kohlenstoff stattfindet, so müssen in den Gasen auf 100 Vol. Stickstoff 26,6 Vol. Kohlendampf und 26,6 Vol. Sauerstoff enthalten seyn, plus derjenige Sauerstoff welcher durch die Reduction der Erze hinzukam. Nun enthalten die Gase des Wrbna-Ofens: 13 CO und 16 CO²   6,5   „ 16 = 22,5 O auf 100 N = 31,69 O; der Ueberschuß an Sauerstoff, aus den Erzen stammend, wäre also bloß 31,69 – 26,51 = 5,18; woraus sollten dann die 16 Volumprocente CO² entstanden seyn? Ferner enthalten 13 CO und 16 CO² 65   8 Vol. = 14,5 C, was auf 100 N = 20,42 Kohlenstoff gibt, statt 26,51. Es ist also dieses Resultat der Analyse von Tunner offenbar falsch. Ebenso falsch ist das für die Zusammensetzung der Gase des Clarence-Ofens gefundene Resultat, welches 32 CO, 6 CO², 62 N gibt. Diese enthalten 22 Vol. O auf 62 N, also auf 100 N = 35,48 O; ferner 19 Kohlenstoff auf 62 N, auf 100 N also 30,64 Kohlenstoff. Ueberschuß an O = 8,88 Volumprocente, an C = 4,04 Proc. Nach Hrn. Bell's eigener Berechnung mühten die Gase von Clarence Ironworks bei kaltem Winde die Zusammensetzung haben: Gewicht Kohlenstoff 32,70 = Vol.   30,48      „      Sauerstoff 50,22    „     35,11      „      Stickstoff 142,60    „   113,48    per 100 N = 26,86 C 30,94 O und bei heißem Winde: Gewicht Kohlenstoff 23,34 = Vol.  21,76      „       Sauerstoff 35,82    „   25,04      „       Stickstoff 92,73    „   60,74    per 100 N = 35,82 C 41,22 O Der Ueberschuß an Sauerstoff wäre im ersteren Falle 4,43 und im letzteren 14,71 Volumprocente; der Ueberschuß an Kohlenstoff im ersteren Falle 9,31 und im letzteren 0,35 Volumprocente. Dieß stimmt aber nicht mit der Analyse, welche 8,88 Ueberschuß an O und 4,04 an C gibt. Ich theile diese Controlle der Analysen nur mit, um zu zeigen wie leicht man solche Analysen zu Schlußfolgerungen verwendet, ohne zu prüfen, ob solche auch richtig seyn können. Bei der Anwendung welche Hr. Bell von diesen Analysen machte, hat deren Unrichtigkeit keinen Einfluß. Er wollte mit dem ersteren Gasgemisch zeigen, daß auch bei kleinem Gehalte an CO² noch Reduction stattfindet, und dieß ist auch der Fall gewesen; aber damit ist nicht das Mindeste bewiesen, denn Eisenoxyd, bei hinreichender Temperatur mit Gasen in Berührung gebracht, die auch nur eine Spur von CO enthalten, wird diese Spur immer in CO² umwandeln, wenn nicht eben so leicht, so doch eben so vollständig wie Kupferoxyd, welches man ja gerade benutzt um den Gehalt an CO in Gasen durch Verbrennung zu bestimmen. Es werden ferner Betrachtungen angestellt über die Frage, wie sich die Kohlen-Ersparniß durch heißen Wind erklären lasse. Unter diesen ist besonders die Bemerkung hervorzuheben, daß bei kaltem Gebläse durch Vermehrung des Brennstoffes stets ein an Kohlenstoff und Graphit reicheres Product erzeugt werde, während eine Vermehrung der Temperatur durch heißen Wind diesen Erfolg nie herbeiführe. Diese Thatsache allein hätte schon längst den Eisenhüttenmännern über den wahren Grund der Wirkung des heißen Windes die Augen öffnen sollen; denn wenn durch Anwendung heißen Windes an Brennstoff im Ofen abgebrochen wird, so tritt natürlich auch weniger Kohlenoxyd auf und die Reduction durch dieses Agens wird beeinträchtigt, so wie die Kohlung des Productes. Da nun aber bei Anwendung heißen Windes dennoch alles oder fast alles Eisen aus den Erzen gewonnen wird, so muß nothwendig die Reduction, welche nicht mehr vollständig durch Kohlenoxyd stattfinden kann, theilweise durch festen Kohlenstoff bewerkstelligt werden. Dieß ist die Lösung des Problemes betreffend die wundersame Wirkung des heißen Windes. Die Diaphragmen welche Hr. Bell gibt und welche zeigen, daß bei Anwendung kalten Windes schon 5 Fuß über den Düsen nur CO auftritt, während dieß mit heißem Winde erst bei 9 1/2 Fuß stattfindet, führen zu einer ganz irrigen VorstellungVorstelllung von der Sache. Obgleich diese Ebelmen'schen Resultate beide in Clerval gewonnen wurden, so sind doch die Oefen in ihrer Construction ganz verschieden gewesen. Der Ofen mit heißem Winde von 1839 hatte nur eine Capacität von 11,27 Kubikmeter, der Ofen mit kaltem Winde von 1841 dagegen eine solche von 23,98 Kubikmeter, und doch waren die totalen Höhen derselben nur 8,67 und 10 Meter. Berechnet man nun den Kubikinhalt der einzelnen Ofensectionen, so ergibt sich daß im einen Ofen wie im anderen, bei heißem Winde wie bei kaltem, Kohlenoxyd allein vorhanden ist, nachdem der Wind ein Fünftel der totalen Ofencapacität durchlaufen hat. Bei heißem Winde ist das Gewicht an Kohle, welches per Stunde verbrannt wird = 113 Kilogr., welche 3880 Kil. Luft zu ihrer Verwandlung in CO erfordern. Werden nun diese 3880 Kilogr. auf 182° C. erhitzt, so führen wir 3880 . 0,24 . 182 = 169478 Wärme-Einheiten in den Ofen ein, welche aequivalent sind mit 169478/2400 = 70,6 Kilogr. Kohle. Die im Ofen auftretende Wärme entspricht also einem Kohlenquantum von 113 + 70,6 = 183,6 Kil. Bei kaltem Winde werden stündlich 153,5 Kil. Kohle consumirt. Somit ist die auftretende Wärmemenge bei heißem Winde um das Aequivalent von 183,6 – 153,5 = 30,1 Kil. Kohks größer. Dagegen producirt der heiße Wind per Stunde nur 85 Kil. Roheisen und der kalte 119 Kil. Der Consum per 1 Kil. Product an im Ofen verbrannter Kohle ist also bei heißem Winde = 113/85 = 1,33 und bei kaltem Winde = 153,5/119 = 1,29. Letzterer Betrieb ist folglich der vortheilhaftere und es fällt in dem vorliegenden Falle die günstige Wirkung des heißen Windes ganz weg. Dieß beruht aber einzig darauf, daß der Ofen bei kaltem Winde eine mehr als zweimal so große Capacität hat, da diese Vermehrung der Capacität denselben Erfolg hat wie der heiße Wind. Auf ganz anderem Wege sucht nun Hr. Bell dasselbe zu beweisen; dabei begeht er aber von vornherein den Irrthum, daß er annimmt gleiche Wärmemengen müßten gleiche Resultate geben, daher seine Experimente in dieser Richtung werthlos sind. Ebenso kann nicht zugegeben werden, daß eine Erhöhung des Ofens unter allen Umständen dieselbe Ersparniß an Brennstoff gewähre wie der heiße Wind. Bei sonst gleichen Proportionen wird eine Erhöhung des Ofens auch einen höheren Manometerstand des Windes erfordern und dann wächst der Kraftverbrauch und mit ihm der Brennstoffverbrauch zu dessen Erzeugung sehr schnell. Er hätte also sagen müssen, eine Erhöhung der Capacität (statt eine Erhöhung des Ofens) bewirkt Ersparniß. Aber auch eine vermehrte Ofen-Capacität bringt nur dann wie in Clerval eine dem heißen Winde aequivalente Brennstoff-Ersparniß hervor, wenn der stündliche Consum an Kohle im größeren Ofen nicht viel größer gemacht wird als im kleineren Ofen, wie dieß in Clerval geschah, wo das Verhältniß des Consums 113/153,5 und das Verhältniß der Capacität 11,27/23,98 war. Nur in diesem Falle wird die Capacität der Reductionszone im Verhältnisse zum durchgehenden Erze erhöht und dieß ist es, was erstrebt werden muß, um wohlfeiles und zugleich gutes Roheisen zu produciren. Straßburg, 1. October 1869.