Titel: Zur Chemie des Hohofens nach J. L. Bell's Untersuchungen; von C. Schinz.
Autor: C. Schinz
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XCIX., S. 485
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XCIX. Zur Chemie des Hohofens nach J. L. Bell's Untersuchungen; von C. Schinz. Schinz, über Bell's Chemie des Hohofens. Herr J. L. Bell hat im Engineering vom 12. November d. J. (S. 317) eine Entgegnung auf meine Kritik seiner die Chemie des Hohofens betreffenden Untersuchungen veröffentlicht, worin er gegen Alles protestirt, was ich vorgebracht habe und behauptet, daß ich durchaus im Unrecht sey. Hr. Bell gibt zwar zu, daß einige Gleichförmigkeit in der Größe der Stücke, welche in den Gichten aufgegeben werden, wünschenswerth und rationell wäre, aber er spreche nicht von der Ursache, sondern von der Wirkung, d.h. er behauptet, daß die Unregelmäßigkeit der Stücke es unmöglich mache, den Raum im Hohofen in durch gewisse Temperatur-Grenzen bezeichnete Zonen zu theilen. Diese Behauptung ist aber eine durchaus unbegründete, da die im Ofenschachte aufsteigende Wärme gleichmäßig von großen wie von kleinen Stücken absorbirt wird. Hr. Bell sagt: er habe anderswo dargethan, daß da, wo die theuren Holzkohlen als Brennstoff dienen, einige Vorsicht in dieser Hinsicht stattfinde und er überlasse es den praktischen Eisenhüttenmännern zu entscheiden, ob bei Anwendung dieser Sorgfalt eine den Mehrkosten entsprechende Brennstoff-Ersparniß eintreten würde. Es ist weder von mir noch sonst irgend Jemanden als Hrn. Bell behauptet worden, daß gleichmäßige Größe der Stücke der aufgegebenen Erze Brennstoff-Ersparniß zur Folge habe, es könnte vielmehr das Gegentheil behauptet werden; aber große Unregelmäßigkeit in der Größe der Erzstücke hat zur Folge, daß die Qualität der Producte schlechter wird, indem die zu großen Stücke nicht mehr schnell genug reducirt werden, weil das reducirende CO nicht eben so schnell in größere als in kleinere Stücke eindringt, wodurch dann der innere nicht reducirte Kern zu früh in diejenige Ofenregion gelangt, in welcher vermöge ihrer Temperatur das Schlackenmaterial breiartig wird und ein Eindringen der reducirenden Gase unmöglich macht; das nicht reducirte Eisenoxyd wird dann in den Schlacken aufgelöst und erst unten im Ofen durch feste Kohle und vermöge einer noch höheren Temperatur aus der Schlacke reducirt und ausgeschieden, wobei dann gleichzeitig auch fremde Bestandtheile, welche die Qualität des Productes beeinträchtigen, in dasselbe gelangen. Ob nun ein Mittel diese Verunreinigung des Productes zu beschränken, dessen Kosten lohne, werden dem Hrn. Bell gewisse seiner Kollegen in Süd-Staffordshire am besten sagen können. Wer Experimente veröffentlicht, vermittelst welcher er irgend Etwas beweisen will, muß, wenn er wünscht daß dieser Beweis als genügend erkannt werde, auch die Methode angeben, wie er seine Experimente ausgeführt hat, damit der Leser sich überzeugen kann, ob dabei hinreichende Vorsichtsmaßregeln beobachtet worden sind. Dieß hat nun Hr. Bell bei der Beschreibung seiner Reductions-Experimente in Gas-Ableitungsröhren nicht gethan, daher ich wohl vermuthen konnte, daß die nöthigen Vorsichtsmaßregeln nicht angewandt worden seyen, und gegen diese Vermuthung schützten ihn die anderen von ihm angewandten pyrometrischen Hülfsmittel auf keine Weise. Die specifische Wärme der Metalle ist überhaupt als pyrometrisches Mittel ganz zu verwerfen, so lange man nicht genau deren specifische Wärme bei allen Temperaturen kennt. Ebenso verhält es sich mit den Pyrometern welche auf der Ausdehnung der Metalle beruhen, da einerseits diese Ausdehnung mit Zunahme der Temperatur nach einem noch unbekannten Gesetze zunimmt und andererseits die Metalle durch öftere Temperatur-Veränderungen andere moleculare Zustände annehmen, so daß ihr Ausdehnungs-Coefficient ein anderer wird. Das Luft-Pyrometer endlich, welches Hr. Bell anwandte, konnte Wohl Variationen der Temperatur, nicht aber die wirklichen Temperaturen angeben. Hr. Bell sagt, daß er noch vor dem Erscheinen meiner Kritik, eine Mittheilung über den Einfluß von Quantität, Qualität und Temperatur der Gase auf den Reductionsproceß in einem in der Versammlung des Iron and Steel Institute in Middlesborough gehaltenen Vortrage gemacht habe. Davon kann ich weder in dem vom Engineer, noch in dem vom Engineering vom 12. November veröffentlichten Berichte über diese Verhandlungen ein Wort finden. Hat indeß Hr. Bell wirklich nachträglich den Einfluß dieser Factoren erkannt, so hätte er daraus schließen müssen, daß seine früheren Experimente unter Bedingungen angestellt sind, wie sie im Hohofen nicht vorkommen, daher auch nicht zu dem Schlusse berechtigen, daß die Angaben Ebelmen's, Tunner's und Scheerer's unbegründet seyen. Sehr zu bedauern habe ich, durch einen Irrthum im Abschreiben der von Hrn. Bell gegebenen synthetischen Zusammensetzung von Hohofen-Gasen, zu einem ganz falschen Resultate gekommen zu seyn. Hätte Hr. Bell, nachdem er diesen Abschreibungsfehler entdeckt, denselben corrigirt und darnach die Rechnung ausgeführt, so wäre er zu dem Resultate gekommen: Gewichts-Einheiten C =   32,70 = Vol. 30,48O =   50,22 =        35,11N = 124,60 =        99,16 per 100 N =   30,78 Vol. C  35,41        O100,00        N Somit Ueberschuß C      30,78 – 26,51 = 4,27 Vol. C O      35,11 – 26,51 = 8,90 Vol. O. Was also mit der Zusammensetzung 6 CO², 32 CO, 62 N stimmt, da diese die Ueberschüsse 4,43 Vol. C und 8,88 Vol. O gibt. Hätte Hr. Bell dieses Resultat vorgeführt, so hätte er der vielen Berechnungen nicht bedurft, welche die Hälfte seiner Reclamation ausfüllen, und er wäre nicht in den Fall gekommen, mir vorzuwerfen, daß ich den Kohlensäuregehalt der Gichten übersehen habe, wodurch er beweist, daß er diese Controlle der Hohofengas-Analysen gar nicht versteht. Nun sagt uns aber Hr. Bell, daß die Gas-Zusammensetzung CO² 6, CO 32, N 62 nicht das Resultat einer Analyse sey, sondern bloß eine Annahme; hierbei ist kein Anlaß sich zu verwundern, wenn Synthese und Analyse mit einander stimmen. Da uns nun die Zusammensetzung der Gichten fehlt, welche für die Clarence-Hohofengas-Analyse = 5,88 CO², 31,86 CO, 62,26 N gelten, so können wir letztere auch nicht einer genauen Controlle unterwerfen, aber wir können sehen, wie diese Controlle sich ausführt, wenn wir für die Zusammensetzung der Gichten eine Annahme machen: Vol. 5,88 CO² geben   2,94 Vol. C und   5,88 Vol. O       31,86 CO      „ 15,93   „ C und 15,93    „   O ––––– ––––––––––– 18,87 C und 21,81    „   O mit   62,26 N und für 100 N: 30,31 C 35,03    „   O mit 100 N. Wenn nun der Stickstoff uns anzeigt, wie viel O in den Ofen eingeblasen worden ist, um CO zu bilden, und wir wissen, daß auf 100 Vol. N 26,51 Vol. O kommen, welche 26,51 Vol. O gerade 26,51 Vol. C in CO überführen, so folgt daraus, daß in den Gasen 30,31 – 26,51 = 3,80 Vol. C und 35,03 – 26,51 = 8,52 Vol. O im Ueberschusse vorhanden sind. Dieser Ueberschuß von 3,80 Vol. C kann nun theils aus der Kohlensäure stammen, welche in den Gichten enthalten ist, theils aus festem C, welcher von dem Sauerstoffe in den Erzen direct oxydirt wurde. Ebenso stammt der O-Ueberschuß von der Kohlensäure in den Gichten und von dem O in den Erzen her. Nehmen wir nun an, die Gichten zu einer Tonne Product enthalten: Tonnen 1,60 Kohlenstoff   Vol. C = 1,49       „    0,70 kohlensauren Kalk 0,31 CO² = 0,08 C0,39 CaO = 0,23 O Vol. C = 0,07; Vol. O = 0,16       „    0,43 Sauerstoff in Erze = 0,30 –––––––––––––––––––––––––––––––––– Volumina C     1,56           O    0,46 Der Gesammt-Kohlenstoff in den Gichten verhält sich aber zu dem in den Gasen wie 1,56 : 30,31 und wir haben 1,56 : 30,31 = 0,07 : x = 1,36 Vol. C aus Kohlensäure stammend. Diese von dem gefundenen Ueberschusse abgezogen (3,80 – 1,36), bleiben 2,44 C-Ueberschuß, welcher also direct von unreducirtem Erze verbrannt worden ist. Jenen 1,36 C Vol. aus CO²   entsprechen 2,72 Vol. O aus Kohlensäure; diesen 2,44 C Vol. entsprechen 2,44 Vol. O aus Erz und der Rest 3,36 Vol. O aus Erz durch CO reducirt –––––––––– ––––––––––––– 3,80 Vol. C. 8,52 Vol. O-Ueberschuß den die Analyse zeigt. Unter der gemachten Annahme würden also 42 Proc. des Productes durch festen Kohlenstoff reducirt seyn und 58 Proc. durch die Gase. Unter keinen Umständen aber kann die Gas-Analyse auf 100 Vol. N weniger als 26,51 Vol. C geben. Die Tunner'sche Analyse der Gase von Wrbna gibt aber auf 100 N nur 20,42 Vol. C und weist also einen Manco von nicht weniger als 6,09 Vol. C aus; es kann daher nicht bestritten werden, daß sie evident falsch ist. Hr. Bell glaubt als einen Beweis, daß eine theilweise Reduction des Erzes durch festen Kohlenstoff nicht stattfinde, anführen zu können, daß er seit 25 Jahren in seinen Hütten bei einer jährlichen Production von 120,000 Tonnen Roheisen, trotz beständiger Beobachtung und unausgesetztem Studium, nichts derartiges bemerkt habe. Ich bin der Ansicht, dieß beweise daß seine Studien nicht tief gegangen sind, sonst würde er wohl eine Thatsache nicht übersehen haben, welche schon lange vor Beginn seiner Carrière durch Ebelmen auf eine unwiderlegbare Weise bewiesen wurde; Hr. Bell kann aber nicht sagen, daß er die Schriften Ebelmen's nicht kenne, da er ja denselben sowohl über Ofen-Zonen als über Reductions-Temperatur zurecht weisen will. Ob Ofen-Höhe und Ofen-Capacität ein und dasselbe sind, und ob man Hrn. Bell verstehe, wenn er den Ausdruck „Höhe des Ofens“ für „Capacität“ substituirt, mögen die Leser dieses Journals selbst entscheiden. Straßburg, im November 1869.