Titel: Ueber elektromagnetische Tragkraft.
Fundstelle: Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XXXII., S. 131
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XXXII. Ueber elektromagnetische Tragkraft. Ueber elektromagnetische Tragkraft. Herr Prof. Dr. A. v. Waltenhofen in Prag übersandte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien eine Abhandlung: „Ueber elektromagnetische Tragkraft.“ Bei den bisherigen Untersuchungen über die Tragkraft hufeisenförmiger Elektromagnete fand man die Tragkräfte bald in demselben Verhältnisse wie die Stromstärken, bald in einem rascheren, bald wieder in einem langsameren Verhältnisse wachsen. Man hat diese scheinbar widersprechenden Resultate später mit den seither bekannt gewordenen Gesetzen der magnetischen Sättigung in Einklang zu bringen gesucht, indem man angenommen hat, daß ein Zurückbleiben der Tragkräfte erst bei Stromstärken eintrete, welche die Grenzen der Gültigkeit des Lenz-Jacobi'schen Gesetzes schon bedeutend überschreiten, daß jedoch innerhalb dieser Grenzen eine raschere Zunahme der Tragkräfte im Vergleiche mit den Stromstärken stattfinde. Um diese nicht weiter bewiesene Annahme durch directe Versuche zu prüfen, hat der Verfasser Tragkraftbestimmungen in der Art angestellt, daß zwei gleich lange und gleich dicke und mit ganz gleichen Spiralen versehene Eisenstäbe, deren einer einen hufeisenförmig gebogenen, der andere aber einen geraden Elektromagnet bildete, gleichzeitig durch denselben Strom magnetisirt wurden, wodurch die Möglichkeit erzielt war, für jede Stromstärke die Tragkraft des hufeisenförmig gebogenen und das gleichzeitige magnetische Moment des geraden Stabes zu messen. Mit den angewendeten Stromstärken wurde so weit gegangen, bis der gerade Elektromagnet die Hälfte des seinem Gewichte entsprechenden magnetischen Maximums erreicht hatte, bis zu welcher Grenze, wie der Verfasser bereits durch frühere Untersuchungen nachgewiesen, das Lenz-Jacobi'sche Gesetz in der Regel zutrifft. In der That blieben innerhalb des ganzen Umfanges dieser Versuche die magnetischen Momente des geraden Elektromagneten den Stromstärken proportional. Dagegen blieben die Tragkräfte schon bei viel geringeren Stromstärken hinter denselben zurück und näherten sich einem Maximum, welches, wie aus den Versuchen hervorgeht, die bei der halben Sättigung des geraden Elektromagneten am hufeisenförmigen beobachtete Tragkraft nicht viel übersteigen kann. Eine raschere Zunahme der Tragkraft im Vergleiche mit der Stromstärke wurde nur bei den geringsten Magnetisirungen, bei welchen der angewendete Apparat überhaupt noch eine Messung der Tragkraft gestattete, beobachtet. Hierauf folgte eine nahezu proportionale Zunahme, welche jedoch – bei Versuchen mit verschiedenen Ankern – in keinem Falle bis zur Hälfte des Tragkraftmaximums andauerte. Bei einer Versuchsreihe wurde ein dem untersuchten Elektromagneten vollkommen gleicher und durch denselben Strom erregter Elektromagnet als Anker angewendet. Die beobachteten Tragkräfte sielen dabei zwar durchwegs größer aus, als bei den nicht elektromagnetisirten Ankern von gleichem oder auch größerem Gewichte, – scheinen aber gegen dasselbe Maximum zu convergiren. Alle Versuche führen übereinstimmend zu dem Resultate, daß das Zurückbleiben der Tragkräfte schon bei Stromstärken eintritt, für welche das Lenz-Jacobi'sche Gesetz noch volle Geltung hat, – daß dagegen ein Voreilen der Tragkräfte ungefähr auf das Bereich jener verhältnißmäßig sehr geringen Stromstärken beschränkt ist, für welche die bei beginnender Magnetisirung auftretende raschere Zunahme des freien Magnetismus stattfindet. Auch bezüglich der Rückwirkung des Ankers auf die magnetische Erregung des geschlossenen Hufeisens hat der Verfasser aus seinen Versuchen Folgerungen abgeleitet, welche, indem sie die ungleich raschere Zunahme der Sättigung im geschlossenen Hufeisen darthun, eine ganz befriedigende Erklärung der angeführten Thatsachen an die Hand geben. Schließlich bespricht der Verfasser noch die von Müller aufgestellte Formel für die Tragkraft und deren Verhältniß zu dessen Formel für den freien Elektromagnetismus eines Eisenstabes. (Anzeiger der Wiener Akademie der Wissenschaften vom 12. Mai 1870.)