Titel: Ueber die Anwendung des Natronsalpeters in der Metallurgie des Nickels, nach Prof. Rudolph Wagner in Würzburg.
Fundstelle: Band 197, Jahrgang 1870, Nr. CVIII., S. 430
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CVIII. Ueber die Anwendung des Natronsalpeters in der Metallurgie des Nickels, nach Prof. Rudolph Wagner in Würzburg. Aus der deutschen Industriezeitung, 1870, Nr. 30. Wagner, über Anwendung des Natronsalpeters in der Metallurgie des Nickels. Die Anwendung des Nitrats der Alkalimetalle ist bis auf die neueste Zeit bei metallurgischen Operationen fast unbekannt geblieben und nur bei der Aufschließung der Chromeisenerze fand eine Benutzung des Salpeters statt. Seitdem man jedoch in der Metallurgie, insbesondere in der hydrometallurgischen Ausbringung der Metalle sich bestrebt, die Erkenntnisse und Erfahrungen der analytischen Chemie in die Praxis zu übertragen, ist man auch im Hüttenwesen auf die schätzbaren Eigenschaften des Salpeters aufmerksam geworden, und hat dieselben bei der Darstellung verschiedener Metalle anzuwenden versucht. Von großer Tragweite ist bereits die Verwendung des Natriumnitrats zur Ueberführung des Roheisens in Stahl und Stabeisen geworden. Nachdem im Jahre 1858 Knobles schon Vorschläge in dieser Richtung gemacht, sind in der neuesten Zeit in England von Hargreaves und von Heaton Patente genommen worden, welche die Umwandlung von Roheisen in Stahl mit Hülfe von Salpeter zum Gegenstand haben und auch H. Bessemer, der bekannte Reformator in der Geschichte der Stahlindustrie, hat sich des Principes des Salpeterfrischens bemächtigt. Nachdem es sich herausgestellt, daß mit Hülfe von schmelzendem Salpeter aus Roheisen Kohlenstoff, Schwefel und Phosphor mit Vortheil zu entfernen sind, lag der Gedanke nahe, den Salpeter auch bei dem metallurgischen Ausbringen anderer Metalle, zwar nicht aus ihren Erzen selbst, sondern aus den bei der Verarbeitung derselben fallenden Zwischenproducten, zu verwenden. An Beispielen von der Benutzung des Salpeters zum Reinigen und Trennen gewisser Metalle im Laboratorium der Präparatenchemiker und Analytiker fehlt es indessen nicht; schon längst ist eine theilweise Entfernung des Arsens aus dem Antimonregulus durch ein solvirendes Schmelzen mit Salpeter ausgeführt worden, und noch immer gehört die von Wöhler vorgeschlagene Trennung des Arsens von anderen Metallen durch Schmelzen der betreffenden Verbindung mit einem Gemenge von Salpeter und Soda zu den besten analytischen Scheidungsmethoden, und noch gegenwärtig nimmt seit den Zeiten von Berzelius und Plattner der Salpeter unter den chemischen Hülfsmitteln des Löthrohrchemikers eine der ersten Stellen ein. Seitdem der Chilisalpeter in der Menge von 3 1/2 Mill. Ctrn. jährlich aus den südamerikanischen Häfen der Westküste ausgeführt wird, seitdem auch die Einfuhr von ostindischem Salpeter in Europa von Jahr zu Jahr um Tausende von Tonnen zunimmt, ist die ökonomische Anwendung in der Metallurgie vieler Metalle um so eher zu erwarten, je mehr die metallurgische Operation den Charakter einer chemischen Arbeit annehmen, und man die Nebenproducte welche aus dem Salpeter entstehen, als chemische Präparate zu verwerthen suchen wird. Der aus den Salpeterwerken Peru's nach Europa kommende Rohsalpeter enthält gewöhnlich 90 Proc. Nitrat und häufig gegen 8 bis 10 Proc. Wasser. Da es an einer genauen Analyse des rohen Natronsalpeters fehlt, so sah sich Prof. Wagner – berg- und hüttenmännische Zeitung, 1870 S. 134 – veranlaßt, eine bei 100°C. getrocknete Probe einer Untersuchung zu unterwerfen. Die Analyse ergab: Natriumnitrat 94,03 Natriumnitrit   0,31 Chlornatrium   1,52 Chlorkalium   0,64 Natriumsulfat   0,92 Natriumjodat (mit Jod 0,18 Proc.Der Jodgehalt des rohen Chilisalpeters ist ein sehr beachtenswerther. In Tarapaca stellt man jährlich aus den Mutterlaugen vom Raffiniren des Salpeters gegen 300 Ctr. Jod dar, welches zum größten Theil nach Europa gelangt.)   0,29 Chlormagnesium   0,96 Borsäure      Spuren Wasser mit kleinen Mengen von Humussubstanzen   1,96 ––––––– 100,63. Zu den von Prof. Wagner a. a. O. beschriebenen Versuchen diente dagegen ein raffinirtes Product, welches 98,6 bis 99,2 Proc. Natriumnitrat enthielt. Die Versuche über Verwendung des Salpeters zur Darstellung des Nickels wurden ausgeführt: 1. mit einem Concentrationssteine, aus nickel- und kupferkieshaltigen Pyriten gewonnen, der in 100 Thln. Nickel 25,32 Kupfer 37,65 Eisen 10,58 Schwefel 26,45 enthielt; 2. mit einer aus dem sächsischen Erzgebirge stammenden Nickelspeise, welche in 100 Thln. in nachstehender Weise zusammengesetzt war: Nickel 48,20 Kobalt 1,63 Wismuth 2,44 Eisen 0,65 Kupfer 1,93 Arsen 42,08 Schwefel 3,07 –––––– 100,00 1. Der Concentrationsstein wurde durch Verblasen von dem größten Theile des Eisens befreit und der entstandene Raffinationsstein nach dem Pulvern mit 15 Proc. seines Gewichtes eines Gemenges von gleichen Theilen Natriumnitrat und calcinirter Soda geschmolzen. Die entstandene Nickel-Kupferlegirung bestand in 100 Thln. aus Nickel 40,93 Kupfer 58,64 Eisen 0,25 Schwefel 0,18 ––––– 100,00 Aus dem Gemenge der Alkalisalze, das hierbei als Schlacke auftritt, kann durch Auslaugen Natriumsulfat gewonnen werden. Ein anderer Versuch lehrte, daß auch aus dem Concentrationssteine durch Natriumnitrat alles Eisen und aller Schwefel entfernt werden konnte. Ueberschüssiges Nitrat gab eine nickelhaltige Schlacke; Kupfer wurde dagegen durch selbst längere Zeit fortgesetztes Schmelzen mit Natriumnitrat nicht in die Schlacke geführt. 2. Die Behandlung der Nickelspeise (von obiger Zusammensetzung) durch Rösten mit Kohle gibt bekanntlich nur ein sehr unbefriedigendes Resultat, wenn es sich um Entfernung des Arsens handelt. Die Ueberführung des Arsens in flüchtiges Chlorarsen, aus welchem durch Wasser arsenige Säure niedergeschlagen werden kann, ist zwar öfter schon im Kleinen versucht worden, doch vor der Hand beim hüttenmännischen Betriebe unausführbar. Ein chlorirendes Rösten der gepochten Speise mit Tachhydrit, Carnallit oder Chlormagnesiumhydrat, kurz mit allen solchen Substanzen welche bei höherer Temperatur Chlorwasserstoff entwickeln, dürfte jedoch den praktischen Metallurgen sehr zu empfehlen seyn. Daß aus mit Zink legirter Nickelspeise durch überhitzte Wasserdämpfe das Arsen in Form von Arsenwasserstoff entfernt werden kann, sey nur beiläufig bemerkt. Weit rationeller ist es, mit der Entfernung des Arsens aus der Nickelspeise die Darstellung von Natriumarseniat zu verbinden, welches Salz in neuerer Zeit im Kattundruck als Reservebeize, als Fixirmittel der Thonerde und des Eisenoxydes, und als Kuhkothsalz ausgedehnte Anwendung findet. Im Jahre 1855 machte schon Patera den Vorschlag, die Nickelspeise mit 15 Proc. calcinirter Soda und 1 Proc. Chilisalpeter innig gemengt in einem Flammofen zu glühen und die geglühte Masse mit Wasser auszulaugen, welches Natriumarseniat auflöst. Sonderbarer Weise sind diese Vorschläge auf keiner Nickelhütte realisirt worden. Und doch geben sie ein gutes Resultat, wenn man die Menge des Salpeters vergrößert und auf 100 Theile Speise 3 bis 5 Theile Nitrat verwendet. Als ein Gemenge von gepochter Nickelspeise mit 5 Proc. Natriumnitrat und 10 Proc. Soda geschmolzen wurde, zeigte sich, daß fast alles Arsen als Arseniat und mit ihm alle übrigen Bestandtheile in der Schlacke sich befanden. Der resultirende Regulus war in folgender Weise zusammengesetzt: Nickel 90,67 Kupfer   4,05 Kobalt   0,30 Arsen   0,62 Verlust und nicht bestimmte Substanzen   0,36 ––––––––    100,00 (?) Wenn man anstatt des Natriumnitrats Baryumsalpeter verwendet oder besser ein Gemenge beider Nitrate, so wird man wahrscheinlich die entstandene Arsensäure in Form von in Wasser unlöslichem Baryumarseniat erhalten können, aus welchem mittelst Schwefelsäure die Arsensäure isolirt werden kann. Die Entfernung der letzten Antheile des Arsens aus der Nickelspeise scheint durch Natriumnitrat, selbst bei längere Zeit fortgesetzter Einwirkung, nicht ausgeführt werden zu können. Der Grund davon liegt darin, daß aus dem Arseniat, welches dem Nitrat beigemengt ist, fortwährend Arsen durch das Kupfer der Legirung gefällt wird. Kupferblech überzog sofort mit Arsen, als es in schmelzenden Salpeter getaucht wurde, zu welchem etwas Arseniat gesetzt worden war. Bei Ausführung der Arbeit im Großen in einem Flammofen wird darauf gesehen werden müssen, daß das zur Oxydation des Arsens und Eisens bestimmte solvirende Gemisch nicht völlig schmelze, was durch geeignete Zusätze, wie Calciumcarbonat und Baryumcarbonat, zu erreichen seyn dürfte. –––––––––– Wir schließen hieran die Bemerkung, daß nach der berg- und hüttenmännischen Zeitung, 1870 S. 161, bereits im Frühjahre 1869 während einer längeren Zeit auf der Nickelhütte zu St. Blassen die Fabrication von Nickelkupfer in größerem Maaßstabe unter Verwendung von Natriumnitrat versuchsweise mit sehr befriedigendem Erfolg ausgeführt worden ist. Das erlangte Product war völlig schwefelfrei, enthielt dagegen mehr Eisen als dem im verwendeten verblasenen Steine enthaltenen entsprach, was seine Begründung in der Benutzung eiserner Werkzeuge findet. Eine Durchschnittsanalyse vom Product ergab Nickel 69,9, Kupfer 27,3, Eisen 1,3, Verlust und Rückstand (vorherrschend Kieselsäure) 1,5. Weiter fortgesetzte Versuche hatten mancherlei Modificationen des Verfahrens zu Folge und schlossen damit ab, daß die Entschwefelung in unmittelbarem Anschluß an den Verblaseproceß ohne jegliche dazwischenliegende Manipulation mit Sicherheit durchgeführt wurde. Voraussichtlich wird dieses Verfahren in nicht zu ferner Zeit als integrirender Betriebstheil zu St. Blasien aufgenommen werden, nachdem die laufenden Lieferungscontracte auf eisenfreien Stein erledigt seyn werden.