Titel: Beiträge zur Chlorometrie; von Dr. Clemens Winkler.
Autor: Clemens Winkler [GND]
Fundstelle: Band 198, Jahrgang 1870, Nr. XXXIII., S. 143
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XXXIII. Beiträge zur Chlorometrie; von Dr. Clemens Winkler. Winkler, Beiträge zur Chlorometrie. Außer dem bewährten chlorometrischen Verfahren von Penot und dessen Modification durch Mohr, hat sich namentlich die von R. Wagner empfohlene Methode der ChlorkalkprüfungPolytechn. Journal, 1859, Bd. CLIV S. 146. in die Technik eingebürgert und ihrer Bequemlichkeit halber vielseitige Anerkennung gefunden. Sie hat vor dem Penot'schen Verfahren unbestritten den Vorzug, daß die Reaction, auf welche sie gegründet ist, sich in einer dem Auge sichtbaren Weise vollzieht, während bei jener keine Farbenerscheinungen auftreten und der Verlauf der Umsetzung durch die Tupfprobe bemessen werden muß. Mohr hat, wohl hauptsächlich aus diesem Grunde, das Penot'sche Verfahren derart abgeändert, daß er das als Reductionsmittel dienende arsenigsaure Natron im Ueberschuß zufügt und diesen Ueberschuß durch Jodlösung zurückmißt. Hierdurch werden die Erscheinungen zwar innerhalb der Flüssigkeit mit großer Schärfe sichtbar, doch geschieht dieß auf Kosten der Einfachheit der Methode, deren Ausführung nunmehr schon zwei Maaßflüssigkeiten erfordert. Die Uebertragung der chlorometrischen Operation in eine jodometrische, unter Anwendung des unterschwefligsauren Natrons, wie sie von R. Wagner empfohlen worden ist, hat von Seiten Mohr's wiederholt Anfechtung erlittenMohr, Lehrbuch der Titrirmethode, zweite Auflage S. 254, und Zeitschrift für analytische Chemie, Jahrg. VIII S. 311. und zwar unter Anführung von Thatsachen, die wohl geeignet sind, Aufmerksamkeit zu erregen, um so mehr, als sie so maßgebender Quelle entstammen. Wem aber das Wagner'sche Verfahren lieb geworden ist, wer es häufig und mit voller Befriedigung angewendet hat, kann sich nicht so rasch entschließen, im Einklange mit Mohr, den Stab über dasselbe zu brechen. Das Wagner'sche Verfahren der Chlorkalkprüfung beruht bekanntlich darin, daß man ein bestimmtes Volumen Chlorkalklösung mit Jodkalium versetzt und darauf, durch Ansäuern mit Salzsäure, die Ausscheidung einer, dem vorhandenen wirksamen Chlor äquivalenten Menge Jod veranlaßt, welche letztere nun durch Titriren mit unterschwefligsaurem Natron bestimmt wird. Wagner gibt für die Ausführung seines Verfahrens ganz bestimmte Regeln; er empfiehlt, auf 1 Grm. Chlorkalk in 100 Kubikcentimeter Wasser, 2,5 Grm. Jodkalium, in 25 K. C. Wasser gelöst, anzuwenden und schreibt vor, zu dem erhaltenen Gemisch so lange unter Umschwenken verdünnte Salzsäure zu setzen, bis schwachsaure Reaction eingetreten ist. Befolgt man diese ohne Mühe innezuhaltenden Regeln, so erhält man Resultate, die nicht allein unter sich, sondern auch mit den Zahlen auf das Genaueste übereinstimmen, welche die als richtig anerkannten Methoden von Penot und Mohr ergeben. 30 Grm. Chlorkalk wurden in bekannter Weise in Lösung gebracht und diese auf 3 Liter verdünnt. Hiervon wurde 1) ein bestimmtes Volumen mit 1/10 arsenigsaurem Natron versetzt, bis ein aus der Flüssigkeit genommener Tropfen auf Jodkaliumstärkepapier keine Bläuung mehr hervorbrachte (Penot). Hierbei erforderten: 100 K. C. Chlorkalklösung 64,4 K. C. 1/10 arsenigsaures Natron 100   „              „ 64,4   „       „             „              „ 100   „              „ 64,5   „       „             „              „   50   „              „ 32,2   „       „             „              „   50   „              „ 32,3   „       „             „              „   50   „              „ 32,2   „       „             „              „ 2) Ein bestimmtes Volumen Chlorkalklösung wurde absichtlich mit einem geringen Ueberschuß von 1/10 arsenigsaurem Natron versetzt und dieser Ueberschuß mit 1/10 Jodlösung zurücktitrirt (Mohr). Es verbrauchten: 100 K. C. Chlorkalk 64,5 K. C. 1/10 arsenigs. Natr. u.   0,1 K. C. 1/10 Jodlös. = 64,4 K. C. 100    „          „ 65,2    „      „         „          „     „   0,7    „      „       „ = 64,5    „ 100    „          „ 80,0    „      „         „          „     „ 15,6    „      „       „ = 64,4    „   50    „          „ 35,0    „      „         „          „     „   2,8    „      „       „ = 32,2    „ 3) Eine abgemessene Menge derselben Chlorkalklösung wurde mit der entsprechenden Menge Jodkaliumlösung (1 KJ : 10 HO) versetzt, mit Salzsäure schwach sauer gemacht und mit 2/10 unterschwefligsaurem Natron titrirt (Wagner). 100 K. C. Chlorkalkkösung und 25 K. C. Jodkaliumlös. erf. 64,3 K. C. 2/10 NaO, S²O² 100    „               „               „ 25    „         „                „ 64,4    „   „         „ 100    „               „               „ 25    „         „                „ 64,4    „   „         „   50    „               „               „ 12,5 „         „                „ 32,2    „   „         „   50    „               „               „ 12,5 „         „                „ 32,2    „   „         „   50    „               „               „ 12,5 „         „                „ 32,2    „   „         „ Man ersieht, daß diese gewissenhaft und vorurtheilsfrei nach drei verschiedenen Methoden angestellten Messungen fast auf den Tropfen mit einander übereinstimmen, daß demnach das Wagner'sche Verfahren der Vorwurf der Unzuverlässigkeit nicht treffen kann, sofern man nach Vorschrift verfährt. Nun sagt aber Mohr (a. a. O.): „Das nothwendige Einhalten bestimmter Verhältnisse, Verdünnungen und Zusätze ist immer ein Zeichen einer schlechten Methode und wenn man solche Verhältnisse genau beachtet, so kann man auch mit schlechten Methoden eine Reihe übereinstimmender Zahlen erlangen, wie sie Hr. Wagner mittheilt.“ In diesem Ausspruche liegt zweifellos Wahrheit, aber ungerecht ist es, ihn auf Wagner's chlorometrisches Verfahren anzuwenden. Wagner schreibt vor, auf 1 Thl. Chlorkalk 2,5 Thl. Jodkalium anzuwenden. Nimmt man weniger, so bleibt ein Theil des frei gewordenen Jods ungelöst, ballt sich beim Umschwenken zusammen und das unterschwefligsaure Natron kann nur langsam darauf einwirken, wodurch die Arbeit verzögert und unsicher gemacht wird. Die vorgeschriebene Menge Jodkalium reicht eben aus, das Jod in Lösung zu erhalten, sie ist das Minimum welches man anwenden muß, ohne daß damit gesagt wäre, daß man nicht auch eine größere Quantität desselben zusetzen dürfte. Als Chlorkalklösung mit wechselnden Mengen Jodkalium versetzt und nach dem Ansäuern mit unterschwefligsaurem Natron titrirt wurde, betrugen die verbrauchten Mengen auf: 10 K. C. Chlorkalklösung und   2,5 K. C. Jodkalium = 8,6 K. C. 10    „               „              „   5       „         „ = 8,5    „ 10    „               „              „ 10       „         „ = 8,5    „ 10    „               „              „ 20       „         „ = 8,6    „ eine Beschränkung im Jodkaliumzusatz ist somit nicht Erforderniß. Ebensowenig Einfluß hat der Verdünnungsgrad, mit welchem man die Chlorkalklösung unter die Bürette bringt. Dieselbe Lösung, mit verschiedenen Mengen Wasser versetzt, gab beim Titriren die gleichen Gehalte: 10 K. C. Chlorkalklösung, 2,5 K. C. Jodkalium,    – K. C. Wasser erf. 8,6 K. C. NaO, S²O² 10    „                „ 2,5    „             „   50    „        „        „ 8,6    „        „ 10    „                „ 2,5    „             „ 100    „        „        „ 8,6    „        „ 10    „                „ 2,5    „             „ 200    „        „        „ 8,5    „        „ Um den Einfluß der freien Säure kennen zu lernen, wurde eine andere Chlorkalklösung, welche für diesen Fall filtrirt worden war, nach dem Jodkaliumzusatz mit wechselnden Mengen verdünnter Salzsäure (1 HCl : 1 HO) versetzt. Es erforderten: 10 K. C. Chlorkalklösung, 2,5 K. C. Jodkalium,   1 K. C. Salzsäure = 8,0 K. C. NaO, S²O² 10    „               „ 2,5    „            „   5    „          „ = 8,0    „           „ 10    „               „ 2,5    „            „ 10    „          „ = 8,0    „           „ 10    „               „ 2,5    „            „ 20    „          „ = 8,0    „           „ Hierauf wurde umgekehrt verfahren und die Chlorkalklösung in das vorbereitete Gemisch von Jodkaliumlösung mit wechselnden Mengen verdünnter Salzsäure fließen gelassen, um zu erfahren ob Verlust durch Chlorentwickelung stattfinde. 2,5 K. C. Jodkalium,   1 K. C. Salzsäure, 10 K. C. Chlorkalklösung erf. 7,9 K. C. NaO, S²O² 2,5    „           „   5    „           „ 10    „              „              „ 7,9    „           „ 2,5    „           „ 10    „           „ 10    „              „              „ 8,0    „           „ 2,5    „           „ 20    „           „ 10    „              „              „ 7,9    „           „ In der That schien es, als ob sich beim Einlassen der Chlorkalklösung in die saure Flüssigkeit ein schwacher Chlorgeruch bemerkbar mache, doch konnte die Verflüchtigung von Chlor, wenn sie wirklich stattfand, nur eine unwesentliche seyn, wie die erhaltenen Zahlen dieß darthun. Mohr erhebt gegen einen größeren Säurezusatz hauptsächlich deßhalb Bedenken, weil er im Chlorkalk eventuell das Vorhandenseyn von chlorsaurem Kalk voraussetzt. Die diesem zugehörige Chlorsäure müßte natürlich beim Ansäuern frei werden und könnte möglicherweise zersetzend auf die gleichzeitig vorhandene Jodwasserstoffsäure wirken, wobei Jod ausgeschieden und somit ein zu hohes Resultat erhalten werden würde: ClO³ + 6 HJ = HCl + 5 HO + 6 J. Diese Befürchtung ist jedoch nur in gewissem Grade gegründet. Denn, während eine Auflösung von Jodsäure schon bei starker Verdünnung aus Jodkalium sofort eine große Menge Jod frei macht, ist die Wirkung der Chlorsäure nur in concentrirten Lösungen oder in der Wärme eine augenfällige und rasche. Bei den Verhältnissen, unter welchen die Wagner'sche Probe ausgeführt wird, hat man von einer wesentlichen Beeinflussung des Resultates durch etwa anwesende Chlorsäure wenig oder nichts zu fürchten, gleichviel, ob größere, oder geringere Säuremengen vorhanden sind. Dieß ergibt sich aus folgenden Versuchen: Je 10 K. C. Chlorkalklösung, welche, in normaler Weise titrirt, 7,9 bis 8,0 K. C. 2/10 NaO, S²O² erforderten, wurden, außer mit Jodkalium, mit einer Auflösung von 1 Thl. chlorsaurem Kali in 10 Thl. Wasser versetzt, mit wechselnden Mengen verdünnter Salzsäure (1 : 1) sauer gemacht und hierauf titrirt. Es erforderten hierbei: a) beim sofortigen Titriren, b) beim Titriren nach halbstündigem Stehen: a b 10 K. C. Chlorkalk, 2,5 K. C. Jodkalium, 10 K. C. chlors. Kali,   1 K. C. Salzsäure = 7,9 7,9 K. C. 10    „          „ 2,5    „           „ 10    „        „        „   5    „         „ = 8,0 8,0    „ 10    „          „ 2,5    „           „ 10    „        „        „ 10    „         „ = 8,0 7,9    „ 10    „          „ 2,5    „           „ 10    „        „        „ 20    „         „ = 8,0 8,0    „ Beeinträchtigte die Gegenwart von Chlorsäure in der That die Richtigkeit der chlorometrischen Probe Wagner's, so würde der Vorwurf, den man ihr in diesem Falle zu machen hätte, ebenso auf das Bunsen'sche Verfahren auszudehnen seyn, welches bekanntlich auf das gleiche Princip gegründet ist. Die Genauigkeit dieses letzteren ist aber zweifellos durch Fresenius Dessen Anleitung zur quantitativen Analyse, V. Auflage; analytische Belege, Nr. 107, S. 957. dargethan werden. Die Einwirkung der Chlorsäure auf das Jodkalium müßte fernerhin mit Jodausscheidung verbunden seyn und demgemäß würde der Gehalt des Chlorkalkes zu hoch ausfallen; alle Einwürfe aber, welche Mohr gegen die Wagner'sche Methode erhebt, beruhen auf der Beobachtung von Unregelmäßigkeiten, welche durchweg zu niedrige Zahlen zur Folge hatten. Es ist übrigens nicht zu läugnen, daß Chlorsäure bei längerer Berührung mit Jodkalium zersetzend auf dasselbe einwirkt. Aber diese Zersetzung geht, wie schon erwähnt, so langsam von Statten, daß sie als einflußlos auf die chlorometrische Probe bezeichnet werden kann. Als 10 K. C. einer zehnprocentigen Lösung von chlorsaurem Kali mit 2,5 K. C. Jodkalium versetzt und angesäuert wurden, färbte sich die Flüssigkeit nicht sichtbar gelb; auf Zusatz von Stärkelösung trat helle Blaufärbung ein, die nach Hinzufügung eines einzigen Tropfens unterschwefligsauren Natrons wieder verschwand. Bei einstündigem Stehen bläute sich die Flüssigkeit intensiv, aber auch zur Hinwegnahme dieser Bläuung genügte 0,1 K. C. des Natrondithionits. Durch eine Reihe von Versuchen, welche zahlreiche Unregelmäßigkeiten an den Tag förderten, kommt Mohr zu dem Schlusse, daß Wagner's Methode der Chlorkalkprüfung nicht allein unter gewissen Verhältnissen falsche Resultate gebe, sondern daß sie schon im Principe verfehlt sey. Nicht in der Anwendung des unterschwefligsauren Natrons als Reductionsmittel, sondern einzig im Zusatze des Jodkaliums zur Chlorkalklösung habe man die Fehlerquelle zu suchen. Die Voraussetzung, daß sich das im Chlorkalk enthaltene wirksame Chlor mit dem Jodkalium „Zug um Zug“ umsetze und 1 Aequivalent Jod frei mache, sey eine irrige, wie schon der Umstand beweise, daß beim Zusatze des Jodkaliums erst eine schwach gelbe, dann aber, beim Zusatz der Salzsäure, erst die tiefbraune Färbung der Jodlösung sich einstelle. Hierzu muß bemerkt werden, daß, wenn überhaupt ein Austausch der Bestandtheile von unterchlorigsaurem Kalk und Jodkalium stattfindet, dieser keinesfalls mit Jodausscheidung verbunden seyn kann. Höchstens könnte man annehmen, daß sich in der gemischten Flüssigkeit unterchlorigsaures Kali und Jodcalcium befänden; dieß will aber wenig sagen und ebensogut läßt sich behaupten, daß die ursprünglichen Salze unverändert neben einander zu bestehen vermögen. Soll Jod aus dem Jodkalium abgeschieden werden, so ist die Gegenwart von so viel Salzsäure nöthig, daß sowohl unterchlorige Säure, als Jodwasserstoffsäure in Freiheit gesetzt werden, welche nun sofort auf einander wirken: ClO + 2 HJ = HCl + HO + 2 J. Der gesammte Vorgang würde sich durch die Gleichung CaO, ClO + 2 HCl + 2 KJ = CaCl + 2 KCl + 2 HO + 2 J veranschaulichen lassen. Auffällig könnte es hierbei allerdings erscheinen, daß sich beim Mischen einer Chlorkalklösung mit einer solchen von Jodkalium jederzeit eine geringe Menge Jod ausscheidet, welche sich durch schwache Gelbfärbung der Flüssigkeit kund gibt. Es scheint dieselbe dem Geruch des Chlorkalkes zu entsprechen, als dessen Ursache die continuirliche Aushauchung von unterchloriger Säure, unter Einwirkung der Kohlensäure der Luft auf den Chlorkalk, angenommen wird.Graham-Otto, Lehrbuch der Chemie, IV. Auflage, Bd. II S. 540. Freie unterchlorige Säure und freies Chlor wirken bekanntlich stets jodausscheidend auf Jodkalium und wenn dieselben dem Chlorkalk anhaften, so wäre auch die partielle Zersetzung des Jodkaliums erklärlich. So lange wir über die Constitution des Chlorkalkes nicht völlig klar sind, müssen wir bei dieser Annahme stehen bleiben; eine andere Frage ist die, ob der charakteristische Chlorkalkgeruch auch wirklich von unterchloriger Säure herrührt. Dieß könnte zweifelhaft erscheinen, wenn man erwägt daß selbst ganz frisch bereiteter Chlorkalk nicht nur im pulverigen Zustande, sondern auch in Lösung, wo doch das vorhandene Kalkhydrat zur Geltung kommen müßte, diesen eigenthümlichen Geruch zeigt; daß derselbe auch dann noch an einer Chlorkalklösung wahrgenommen wird, wenn man dieselbe andauernd zum Sieden erhitzte und darauf in kohlensäurefreier Luft erkalten ließ und daß er selbst ungeschwächt fortbesteht, wenn man Chlorkalk mit einer großen Menge Aetzkali versetzt. Es widerspricht dem Gesetze der Neutralität vollständig, daß sich aus einer Lösung welche so starke Basen mit Kali- und Kalkhydrat im Ueberschuß enthält, die schwache unterchlorige Säure in freiem Zustande entwickeln soll. Die Gegenwart von Kalkhydrat erklärt auch die Erscheinung, daß die schwache Jodausscheidung, welche man beim Versetzen einer Chlorkalklösung mit Jodkalium wahrnimmt, allmählich wieder verschwindet. Man kann genau dasselbe beobachten, wenn man dünne Kalkmilch, oder auch Kalkwasser mit einem Tropfen Jodlösung versetzt. Es entsteht hierbei Jodcalcium und jodsaurer Kalk: 6 CaO + 6 J = 5 CaJ + CaO, JO⁵. Die Reaction verläuft schneller, wenn man in einem geschlossenen Glase erwärmt, wie Mohr dieß that; einen Verlust an wirksamem Jod, durch Bildung niedriger Jodsäuren, hat man jedoch keinenfalls zu befürchten, denn beim Ansäuern geht die Zersetzung glatt und einfach von Statten nach der Gleichung 5 CaJ + CaO, JO⁵ + 6 HCl = 6 CaCl + 6 HO + 6 J. Muß somit der Weg, welchen sowohl Wagner als Bunsen einschlagen, um die Ueberführung der chlorometrischen Operation in eine jodometrische zu ermöglichen, durchaus correct erscheinen und der Einwurf Mohr's, daß der Zusatz von Jodkalium zur Chlorkalklösung Fehlerquellen in sich schließe, als ungerechtfertigt bezeichnet werden, so ist doch damit die Thatsache, daß das Wagner'sche Verfahren unter Umständen falsche Resultate liefern kann, noch nicht erklärt. Mohr versetzte 10 K. C. einer Chlorkalklösung mit 2,5 K. C. Jodkalium (1 : 10), säuerte an und fügte unterschwefligsaures Natron bis zur Entfärbung zu. Da die Flüssigkeit das Jod nun wieder in Gestalt von Jodkalium (eigentlich Jodwasserstoff) enthielt, so brachte er weitere 10 K. C. Chlorkalklösung dazu, titrirte abermals mit unterschwefligsaurem Natron und wiederholte dieß noch mehrere Male. Dabei ergab sich, daß man höchst schwankende Resultate erhielt und zwar führte jede neue Messung auf eine niedrigere Zahl als die vorhergehende. Bei Wiederholung dieser Versuche gelangte ich zu ganz gleichem Ergebniß. Je 10 K. C. Chlorkalklösung in eben geschilderter Weise, fortlaufend in derselben Flüssigkeit und unter zeitweiligem Zusatz einiger Tropfen Salzsäure titrirt, erforderten an unterschwefligsaurem Natron: a b 8,0 K. C. 8,0 K. C 7,8    „ 7,7    „ 7,2    „ 7,2    „ 6,5    „ 6,4    „ 6,1    „ 6,0    „ Maaß man dagegen das ausgeschiedene Jod, statt mit unterschwefligsaurem Natron, nach Bunsen's Vorschrift mit schwefliger Säure, so traten diese Resultatsschwankungen nicht ein. Je 10 K. C. Chlorkalklösung, wie vorher wiederholt mit Hülfe ein und derselben Jodkaliummenge titrirt, erforderten an schwefliger Säure 9,6 K. C., 9,6 K. C., 9,5 K. C., 9,6 K. C., 9,6 K. C. Aus diesen vergleichenden Versuchen ließ sich schließen, daß die Fehlerquelle nicht im Jodkaliumzusatze, daß sie vielmehr in dem als Reductionsagens verwendeten unterschwefligsauren Natron zu suchen sey und daß jedenfalls dessen Oxydationsproduct, die Tetrathionsäure, hierbei eine Rolle spiele. Wenn man 10 K. C. Chlorkalklösung mit 2,5 K. C. Jodkalium und einigen Tropfen Salzsäure versetzte und nun wie gewöhnlich mit unterschwefligsaurem Natron ausmaß, so erschien die Flüssigkeit am Ende der Operation vollkommen klar; fügte man aber nun auf's Neue 10 K. C. Chlorkalklösung zu und titrirte bis zur Entfärbung, so zeigte sich ein schwaches Opalisiren, wie von ausgeschiedenem Schwefel und diese Trübung wurde immer stärker, je öfter man den Chlorkalkzusatz und das Titriren mit unterschwefligsaurem Natron wiederholte. Nahm man jetzt eine frische Chlorkalklösung und verfuhr wie vorhin, so erwies sich die Flüssigkeit nach der ersten Titration frei von Schwefelsäure; nach der zweiten aber gab Chlorbaryum eine Trübung und diese wurde mit jedem neuen Versuche auffallender. Jene Schwefelausscheidung sowohl, als die deutlich nachweisbare Bildung von Schwefelsäure bewiesen augenfällig, daß hier eine Zersetzung der aus der unterschwefligen Säure entstandenen Tetrathionsäure vorliege. Um dieß weiter zu prüfen, wurden 10 K. C. Chlorkalklösung mit 2,5 K. C. Jodkalium und 1 K. C. Salzsäure versetzt, hierauf 5 K. C. Tetrathionsäure von 13° Baumé zugefügt und mit unterschwefligsaurem Natron titrirt. Der Verbrauch betrug bei drei Versuchen, übereinstimmend mit früher, 8,0 K. C. und es zeigte sich weder Schwefeltrübung, noch war SchwefelsäureTetrathionsäure nachzuweisen. Nun wurde aber derart verfahren, daß man zuerst eine Mischung von 2,5 K. C. Jodkalium, 1 K. C. Salzsäure und 5 K. C. Tetrathionsäure herstellte und in diese 10 K. C. obiger Chlorkalklösung pipettirte. Der Erfolg entsprach der Erwartung; man verbrauchte bis zum Verschwinden der Jodfarbe, statt 8,0 K. C., nur 6,9 K. C., 6,9 K. C. und 7,0 K. C. unterschwefligsaures Natron, die Flüssigkeit erschien in Folge von Schwefelausscheidung opalisirend und gab mit Chlorbaryum eine starke Trübung. Die Fortsetzung dieser Versuche führte zu der gewiß interessanten Thatsache, daß Tetrathionsäure beim Zusammentreffen mit unterchloriger Säure oder unterchlorigsauren Salzen, unter Bildung von Schwefelsäure und Abscheidung von Schwefel, Schwefelwasserstoff entwickelt: 2 S⁴O⁵ + 2 ClO + 3 HO = 5 SO³ + 2 HCl + HS + 2 SS. Versetzt man eine wässerige Lösung von unterchloriger Säure mit Tetrathionsäure, so nimmt man nicht ohne Erstaunen wahr, daß sich der erstickende Chlorgeruch sofort in denjenigen des Schwefelwasserstoffes umwandelt, während die Flüssigkeit sich gleichzeitig durch reichliche Schwefelfällung trübt und Schwefelsäurereaction zeigt. Dieses eigenthümliche Verhalten der Tetrathionsäure gibt die Erklärung für die Unregelmäßigkeiten welche Mohr beobachtete, als er versuchte eine und dieselbe in einer Flüssigkeit befindliche Jodkaliummenge wiederholt zur Chlorkalkbestimmung zu verwenden. Bei jedem neuen Zufügen von Chlorkalk zu der tetrathionsäurehaltigen Lösung wird eine gewisse Quantität Schwefelwasserstoff entwickelt, die ihrerseits eine entsprechende Jodmenge zur Zersetzung beansprucht, um welche das Resultat zu niedrig ausfallen muß. In dem Maaße aber, in welchem der Tetrathionsäuregehalt der Flüssigkeit wächst, wird auch der Eintritt gedachter Reaction begünstigt und daher kommt das stetige Sinken der gefundenen Gehaltszahlen. Der Schluß, welcher sich hieraus ergibt, ist der, daß Wagner's Methode vollkommen richtige Resultate liefert, wenn man für jede einzelne Bestimmung eine besondere Menge Jodkaliumlösung abmißt und von der Verwendung der beim ersten Versuche erhaltenen Flüssigkeit zu weiteren chlorometrischen Operationen absieht. Eine Vervollkommnung des Verfahrens in dieser Richtung läßt sich jedoch nach meinen Erfahrungen erreichen, wenn man der zu untersuchenden Chlorkalklösung eine größere Menge Jodkalium zufügt, statt 2,5 Grm. z.B. 6 Grm. auf 1 Grm. Chlorkalk, wie Bunsen es für seine Methode vorschreibt. Dieser gesteigerte Jodkaliumzusatz verhindert die Einwirkung der unterchlorigen Säure auf die Tetrathionsäure und nun ist man im Stande, die von einer früheren Bestimmung herrührende Flüssigkeit zu einer neuen zu verwenden, in der Weise wie Mohr es fordert. Als z.B. 10 K. C. Chlorkalklösung mit 6 K. C. Jodkaliumlösung (1 : 10) versetzt, angesäuert und mit unterschwefligsaurem Natron titrirt wurden und man dieses Verfahren unter wiederholtem Chlorkalkzusatz fortsetzte, erhielt man vollkommen constante Resultate. Man verbrauchte nach einander:   a   b 7,9 K. C. 2/10 NaO, S²O² 8,0 K. C. 2/10 NaO, S²O² 8,0    „      „           „ 8,0    „      „           „ 7,9    „      „           „ 7,9    „      „           „ 7,9    „      „           „ 7,9    „      „           „ Die Flüssigkeit war weder von Schwefel getrübt, noch ließ sich in derselben Schwefelsäure nachweisen. Immerhin wird es, namentlich bei genauen Bestimmungen, die Vorsicht gebieten, sich für jede Messung einer frischen Jodkaliumlösung zu bedienen. Der dadurch verursachte Mehraufwand an Jodkalium kann bei der Schärfe und Bequemlichkeit der Wagner'schen Methode nicht in's Gewicht fallen, zumal es leicht ist, das verbrauchte Jod wieder zu gewinnen. Für eine rasche Regeneration fand ich folgendes Verfahren geeignet: Die von den chlorometrischen Bestimmungen herrührenden Lösungen werden mit zweifach-chromsaurem Kali und Schwefelsäure (Luchs), oder Eisenchlorid (Wagner), oder mit nitroser Schwefelsäureroher Schwefelsäure Thurmsäure der Schwefelsäurefabriken, auch durch Erhitzen von concentrirter Schwefelsäure mit Salpetersäure zu erhalten. gemischt und in einer Flasche anhaltend mit Schwefelkohlenstoff durchgeschüttelt. Man erhält so eine jodfreie Salzlösung und darunter eine dunkelviolette Schicht von jodhaltigem Schwefelkohlenstoff. Durch einen Scheidetrichter läßt sich die Trennung Beider leicht bewerkstelligen und wenn man nun den mit Jod beladenen Schwefelkohlenstoff im Wasserbade der Destillation unterwirft, so geht ein schwach jodhaltiges Destillat über, welches man für spätere Gewinnungen aufbewahrt und in der Retorte bleibt ein loser Kuchen von Jod zurück, welches man zur Sicherheit noch umsublimiren kann. Minder zweckmäßig wurde es befunden, an Stelle des Schwefelkohlenstoffes Aether, oder Petroleumäther anzuwenden. Das Vorstehende dürfte zur Genüge darthun, daß das Wagner'sche Verfahren der Chlorkalkprüfung, welches an Einfachheit und Eleganz jedes andere übertrifft, wohl verdient, in der Technik allgemein angewendet zu werden, wie denn auch von der Gerechtigkeit des hochverdienten Maaßanalytikers Mohr zu hoffen steht, daß derselbe ihm bei jetziger Sachlage seine Anerkennung nicht mehr versagen wird. Zum Schlusse sey noch erwähnt, daß die Bestimmung des Chlorkalkgehaltes sich auch auf gasvolumetrischem Wege ausführen läßt, wenn man sich dazu eines dem Knop' schen Azotometer ähnlichen Apparates bedient, wie ihn z.B. F. Schulze beschriebenZeitschrift für analytische Chemie, II. Jahrg. S. 306. und für den gleichen Zweck empfohlen hat. Während F. Schulze auf eine mit Aetznatron versetzte Chlorkalklösung allmählich eine Lösung von Salmiak wirken läßt und das entbundene Stickstoffgas mißt, kann man auch derart verfahren, daß man die zu prüfende Chlorkalklösung (z.B. 50 K. C. = 0,5 Grm. Chlorkalk) mit etwas Kobaltoxydhydrat versetzt, damit zum Sieden erhitzt und das freiwerdende Sauerstoffgas der Messung unterwirft. Wenn das Sieden einige Minuten angedauert hat, senkt man das die Flüssigkeit enthaltende Kölbchen in kaltes Wasser um es zu der Temperatur abzukühlen, welche man bei Beginn der Operation beobachtet hatte; hierauf schreitet man zur Ablesung und berechnet aus dem erhaltenen Sauerstoffvolumen, unter Berücksichtigung des Barometerstandes, der Temperatur und der Tension des Wasserdampfes den Gehalt des Chlorkalkes. Die bei mehreren hintereinander ausgeführten Messungen beobachteten Schwankungen betragen selten mehr als 0,1 K. C. und die erhaltenen Resultate stimmen nicht allein unter sich, sondern auch mit denjenigen genau überein, welche man auf maaßanalytischem Wege nach Penot oder Wagner erhält. Aber trotz der Vortheile, welche dieses Verfahren insofern haben könnte, als es rasch, bequem und ohne alle Titerflüssigkeit ausführbar ist, hat es doch keinen Werth für die Praxis, weil die lästigen Correctionen verhältnißmäßig viel Zeit und Mühe in Anspruch nehmen. Es sey daher desselben nur der Vollständigkeit halber Erwähnung gethan.