Titel: Ueber die Umwandlung der Stärke durch Malzdiastase; von Dr. A. Schwarzer, Professor an der landwirthschaftlichen Lehranstalt zu Tabor in Böhmen.
Autor: A. Schwarzer
Fundstelle: Band 198, Jahrgang 1870, Nr. LXXXI., S. 321
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LXXXI. Ueber die Umwandlung der Stärke durch Malzdiastase; von Dr. A. Schwarzer, Professor an der landwirthschaftlichen Lehranstalt zu Tabor in Böhmen. Schwarzer, über Umwandlung der Stärke durch Malzdiastase. Ueber den vorgenannten Gegenstand sind Untersuchungen von Payen, Musculus und Reischauer veröffentlicht worden; aber die gefundenen Resultate zeigen so wenig Uebereinstimmung, und die differenten Angaben sind so wenig aufgeklärt, daß der Gegenstand als ein noch sehr mangelhaft erkannter bezeichnet werden muß. Der Verf. unternahm daher eine eingehende Untersuchung darüber, deren Resultate er – im Journal für praktische Chemie, neue Folge, Bd. I S. 212 – nachstehend mittheilt. 1) Die Umwandlung des Stärkekleisters findet um so rascher statt, je mehr Diastase angewendet wird, und je höher im Allgemeinen die Temperatur ist, bei welcher die Diastase einwirkt. Bei der Temperatur von etwa 60° C., sicher nachweisbar bei 65°, findet eine Schwächung der Malzdiastase statt, welche um so stärker wird, je höher die Temperatur steigt, und je länger die hohe Temperatur einwirkt. Durch hinreichend lange fortgesetzte Erhitzung eines Malzauszuges bei 70° C. könnte derselbe ohne Zweifel unwirksam gemacht werden. Diese allmählich sich vollziehende Schwächung der Diastase bewirkt von 65° C. an eine Abänderung des oben ausgesprochenen Gesetzes. Es erfolgt nämlich bei diesen Temperaturen die Reaction nur dann rascher als bei niederen Temperaturen, wenn größere Mengen Diastase angewendet werden, und die Reaction so rasch verläuft, daß die inzwischen eintretende Schwächung sich weniger geltend machen kann. Wenn dagegen geringere Mengen Diastase angewendet werden, so schreitet die Reaction anfangs rascher vorwärts, als etwa bei 50° C., bleibt aber späterhin, wegen der fortschreitenden Schwächung, zurück und wird von jener bei 50° C. überholt. Wird der Malzauszug, bevor man ihn dem auf 70° C. erwärmten Stärkekleister zusetzt, ebenfalls auf 70° C. erwärmt, so wird schon dadurch eine sehr bemerkbare Verzögerung der Reaction herbeigeführt; die Verzögerung wird um so bedeutender, je länger die vorgängige Erwärmung andauert. Die durch diese Erwärmung verursachte Schwächung des Malzauszuges bezieht sich nicht bloß auf dessen Wirksamkeit bei 70° C., sondern auch auf diejenige bei anderen Temperaturen; denn ein solcher Malzauszug zeigt auch bei 50° C. eine schwächere Wirkung, als ein vorher nicht erwärmter. Daraus läßt sich schließen, daß ein Theil der diastatisch wirkenden Stoffe durch die hohe Temperatur unwirksam gemacht wird. Die Menge der unwirksam gewordenen Diastase läßt sich in jedem angegebenen Falle abschätzen, wenn man eine gemessene Menge des geschwächten Auszuges auf eine bestimmte Menge Stärkekleister bei 50° C. einwirken läßt und die Zeit bis zum Verschwinden der Jodreaction beobachtet, und wenn man andererseits die Menge desselben ungeschwächten Malzauszuges ermittelt, welche in derselben Zeit bei derselben Temperatur eine gleiche Menge Stärkekleister in derselben Weise umwandelt, der Wirkung nach also mit ersterer Menge gleichwerthig ist. Man wird finden, daß man immer mit einer geringeren Menge des ungeschwächten Malzauszuges ausreicht. Später wird gezeigt werden, daß die Umänderung des Malzauszuges nicht bloß auf dessen Quantität, sondern auch auf seine Qualität sich bezieht. Das theilweise Unwirksamwerden des Malzauszuges hat wahrscheinlich seinen Grund in dem Coaguliren der diastatisch wirkenden Stoffe; denn wenn man einen ganz klaren Malzauszug erwärmt, so findet bereits bei 50° C. ein schwaches Opalisiren, bei 60° C. aber schon eine deutliche Trübung desselben statt; diese Trübung steigert sich bis 70° C. zu vollkommener Undurchsichtigkeit. Der die Trübung veranlassende Niederschlag ist nach den Untersuchungen Dubrunfaut's Polytechn. Journal, 1868, Bd. CLXXXVII S. 491. unwirksam und enthält 15 Proc. Stickstoff. Aus diesen Erscheinungen schließt derber Verf., daß die Schwächung, wenn auch schwer nachweisbar, mit der Trübung beginnt. Durch den Versuch hat er die Schwächung nach vorgängiger 3/4 stündiger Erwärmung des Malzauszuges bei 60° C. nicht nachweisen können, sehr bemerkbar aber bereits bei 65° C. Er läßt nun die Versuche folgen, aus welchen das vorstehend Gesagte abgeleitet wurde. Tabelle I. Textabbildung Bd. 198, S. 323 Versuchsgruppe; Extract des Malzauszuges in Procenten der trockenen Stärke; Derselbe vorher erwärmt bei der Temperatur; Dauer der vorgängigen Erwärmung; Temperatur der Einwirkung nach C.; Jodreaction; violett nach; roth nach; keine nach; nicht; M.; St.; noch etwas orange nicht beob., nach 18 St. jedoch keine; (mehr röthlich); (mehr orange); nicht beobachtet. Die Versuchsgruppe I. zeigt, daß die Diastase bei allen Temperaturen von 70° bis 0° auf Stärke einwirkt, und zwar, wenn hinreichend große Mengen verwendet werden, desto schneller, je höher die Temperatur ist. Die Gruppe II. zeigt den Einfluß verschiedener Mengen des Malzauszuges bei gleicher Temperatur. Die Gruppen III. und IV. zeigen die Verzögerung der Reaction durch eine vorhergegangene Erwärmung. Zugleich sieht man aus IV., daß die Erwärmung bei 60° keine bemerkbare Verzögerung bewirkt. Die Gruppe V. gestattet eine Abschätzung der quantitativen Schwächung. Man sieht, daß 2 Proc. eines ungeschwächten Malzauszuges rascher wirken, als 8 Proc. eines durch eine Stunde bei 65° und als 20 Proc. eines bei 70° geschwächten Auszuges, daß also im letzteren Falle weniger als ein Zehntel der Diastase bloß wirksam blieb. Die Gruppe VI. zeigt endlich, daß bei geringen Mengen Diastase die Reaction bei 70° anfangs rasch verläuft, später aber von jener bei 50° überholt wird. Bemerkungen zu den Versuchen. Die angewendete Stärke – feine Kartoffelstärke – wurde im Wasserbade mit dem 12-, mitunter dem 17fachen Gewichte Wasser zu einem gleichförmigen Kleister gekocht, dieser auf die verlangte Temperatur gebracht, und dann die voraus berechnete Menge eines klar filtrirten Malzauszuges, der nöthigenfalls vorgewärmt wurde, hinzugesetzt. Zu allen Versuchen wurde dasselbe Gersten-Darrmalz verwendet, welches auch für die nachfolgenden Versuche diente. Der Malzauszug wurde mit kaltem Wasser bereitet. Die Jodreaction wurde nach je 5 oder 10 Minuten, je nach dem mehr oder minder raschen Verlaufe der Reaction, beobachtet, und die Farbentöne wurden bei den Versuchen derselben Gruppe, mit Ausnahme der mit Sternchen bezeichneten, unmittelbar an einander verglichen. Es sey hier noch bemerkt, daß der Zeitpunkt des Verschwindens der Jodreaction nicht genau wahrzunehmen ist, da bei dem sehr allmählichen Uebergange der rothen Färbung in die ursprüngliche der Jodlösung eine geringe Bräunung der Jodlösung nicht leicht erkannt werden kann, besonders wenn aufgelöste Stärkekörner, die man immer mittelst des Mikroskopes unter den sogenannten Tegumenten erkennt, eine grünliche Färbung veranlassen. Besser vergleichbar ist der rothe Thon der Jodreaction. 2) Nach dem vollständigen Verschwinden der Jodreaction ist die Zuckerbildung der Hauptsache nach vollendet, indem eine längere Einwirkung der Diastase nur noch geringe Mengen Zucker zu bilden vermag. Zu demselben Resultate ist auch Musculus gelangt.Polytechn. Journal, Jahrg. 1860, Bd. CLVIII S. 424, und Jahrg. 1862, Bd. CLXIV S. 150. Die Angabe Payen's,Polytechn. Journal, 1865, Bd. CLXXVIII S. 69. daß die durch viermaliges Fractioniren in Zeiträumen von 2 1/2 Stunden erhaltenen Producte 17,9, 20,9, 25,8, 26 Proc. der Trockensubstanz Zucker enthielten, widerspricht nicht dem eben angeführten Resultate, da Payen nicht angibt, ob bei seinem Versuche die Jodreaction verschwand, und wann. Dieser Versuch zeigt bloß, daß die Reaction unter Umständen welche im ersten Abschnitte dieser Abhandlung erörtert wurden, sehr in die Länge gezogen werden kann. Die von dem Verf. in dieser Richtung gemachten Versuche sind in der folgenden Tabelle II zusammengestellt: Tabelle II. Bezeichnungder Versuche I. II. III. IV. A. B. A. B. A. B. A. B. Verschwindender Jodreaction 3/4 St. 1 St. 65 M. 1 3/4 St. Dauer der Einwirkungfür jeden Antheil imGanzen 3/4 St. 1 3/4 St. 1 St. 2 1/4 St. 65 M. 4 1/4 St. 1 3/4 St. 2 3/4 St. Temperatur derEinwirkung nach C. 50 50 50 50 40 40 70 70 Zuckerprocente vomgesammten Extract 47,9 47,7 47,6 49,1 49,8 52 35,7 36,4 Bemerkungen. Die Materialien für diese Versuchsreihe waren dieselben, wie für die erste. Der Zuckergehalt wurde mittelst der Fehling'schen Kupferlösung unter Beobachtung der in Fresenius' quantitativer Analyse angegebenen Versuchsmaßregeln bestimmt. Der Extractgehalt wurde aus der Dichte nach der Balling'schen Tafel berechnet. In derselben Weise geschahen die gleichen Bestimmungen auch in den später angeführten Versuchen. Die in der Tabelle mit B bezeichneten Antheile wurden nach dem Verschwinden der Jodreaction von A abgegossen und weiter erwärmt. Bei der Berechnung der Zuckerprocente wurde der Zuckergehalt des zugesetzten Malzextractes nicht in Anrechnung gebracht, da es sich hier nicht um die Ermittelung des aus der Stärke entstandenen Zuckers handelte, sondern nur um die Zunahme des Zuckers nach fortgesetzter Einwirkung. Die Ursache der geringen Zuckerbildung nach dem Verschwinden der Jodreaction ist nicht in einer Erschöpfung der Diastase zu suchen, da neu zugesetzte Stärkemengen mit derselben Diastase rasch umgewandelt wurden. 3) Bei allen Temperaturen von etwa 60° C. bis Null herab entstehen bei Anwendung sehr verschiedener Mengen Diastase stets 50 bis 53 Proc. Zucker von dem aus der Stärke gewonnenen (saccharometrisch bestimmten) Extracte. Nimmt man an, daß die Stärke in 1 Aeq. Zucker und 1 Aeq. Dextrin umgewandelt wird, so ergibt die Rechnung 52,6 Proc. Zucker vom gewonnenen Producte. Von dieser Zahl weichen die gefundenen Zuckermengen nur so wenig ab, daß die geringen Unterschiede theils in den Versuchsfehlern der Haikien Zuckertitrirung, theils in nicht hinreichend lange fortgesetzter Einwirkung der Diastase liegen können. Auch Payen gibt an, daß er bis 52,7 Proc. Zucker im Producte aus der Stärke erhalten habe, führt aber die Umstände nicht an, unter welchen dieß stattfindet.Die Angabe Payen's, daß bei 5 und 10° unter Null bloß 38,2 Proc. Zucker entstehen, hält der Verf. für unwahrscheinlich. Bei einem Versuche, welchen er in einer Kältemischung anstellte, gefror ein Theil des Wassers; der flüssig gebliebene Theil zeigte Null Grad, und die nach dem Verschwinden der Jodreaction geprüfte Lösung enthielt 52,7 Proc. Zucker. Wenn demnach Payen's Angabe richtig ist, so findet eine Ausnahme von der allgemeinen Regel erst unter Null statt. In der Tabelle III. sind die bezüglichen Versuchsresultate zusammengestellt. Tabelle III. Textabbildung Bd. 198, S. 326 Stärke in Grammen, lufttrocken; Gramme Wasser auf 1 Grm. Stärke; Gesammt-Extract in Grammen; Extract des Malzauszuges in Grm.; Malzextract in Procenten Stärke; Ganzer Zucker in Grammen; Zucker des zugesetzten Malzauszuges; Temperatur der Einwirkung nach C.; Dauer der Einwirkung; Verschwinden der Jodreaction; Zuckerprocente vom Stärke-Extract; getr.;  nicht beob.; M.; St.; nicht beob., nach 18 St. keine Bemerkungen. Nach geschehener Einwirkung wurden die Lösungen sogleich auf ihren Zuckergehalt geprüft, damit die Wirkung der Diastase, welche auch während des Versuches bei gewöhnlicher Temperatur, obwohl langsam, fortschreitet, auf das Resultat so wenig als möglich Einfluß habe. Die Berechnung der Zuckerprocente in der letzten Rubrik geschah in folgender Weise: Vom Gesammtextract wurde das Extract des zugesetzten Malzauszuges subtrahirt, und so das aus der Stärke entstandene Extract gefunden; ebenso wurde der aus der Stärke entstandene Zucker gefunden, indem man vom ganzen Zucker den des Malzauszuges subtrahirte. Durch eine parallel gehende Erwärmung der Malzauszüge hat man sich überzeugt, daß die Zuckermenge derselben während der Einwirkung auf Stärke sich nicht änderte. Diese Vorsichtsmaßregel wurde durch den Umstand geboten, daß in den frischen Malzauszügen der Zuckergehalt allmählich zunimmt. So zeigte ein klar filtrirter Malzauszug nach 5 Stunden 25,6 Proc., am anderen Tage 26,7 und am dritten Tage 31,2 Proc. Zucker. Um denselben Malzauszug länger benutzen zu können, bewahrte der Verf. die Auszüge bei 2 bis 5° auf, da sie bei gewöhnlicher Zimmertemperatur sich schnell trüben, sauer und unwirksam wurden. Mit dem aus der Zerlegung der Stärke in 1 Aeq. Zucker und 1 Aeq. Dextrin berechneten Werthe stimmen diejenigen Versuche am besten überein, bei denen entweder wegen der bedeutenden Menge angewendeter Diastase oder wegen der lange dauernden Einwirkung die Wirkung derselben am vollständigsten war. Der Versuch I weicht vom Mittelwerthe am meisten ab, da die Temperatur von 65° etwa die Grenze bezeichnet, bei welcher eine andere Wirkungsweise der Diastase beginnt. 4) Bei Temperaturen über 60° C. werden geringere Zuckermengen gebildet, als bei niederen Temperaturen. Wenn hier die Temperatur von 60° C. als die Grenztemperatur bezeichnet wird, so ist dieß nicht in aller Strenge zu nehmen, da es sehr schwer ist, durch den Versuch die Grenze genau zu fixiren. Es ist bereits gesagt worden, daß von 60° C. an aufwärts die Diastase wahrscheinlich durch Coagulirung theilweise unwirksam wird. Die Annahme einer Schwächung bloß der Quantität nach reicht nicht aus zur Erklärung der Thatsache, daß bei diesen Temperaturen nach dem Verschwinden der Jodreaction weniger Procente Zucker gefunden werden. Es ist dieß vielmehr eine qualitativ verschiedene Wirkung der Diastase bei hohen Temperaturen. Die bei der Temperatur von 70° C. nach dem Verschwinden der Jodreaction gebildete Zuckermenge kann bis auf etwa 27 Proc. sinken, und sorgt man dafür, daß der Malzauszug vor dem Zusatze zum Stärkekleister auf 70° vorgewärmt, und jede Abkühlung während des Versuches vermieden wird, so erhält man stets Werthe, welche von 27 Proc. sich nicht weit entfernen. Wird jedoch diese Vorsicht nicht angewendet, so erhält man sehr verschiedene Zuckermengen, welche zwischen 27 und 53 Procent liegen. Der Verf. hat bei den hierauf bezüglichen Versuchen, wenn er die Einwirkung der Diastase unterbrechen wollte, dieselbe durch Aufkochen vernichtet, und erst dann die Lösung abgekühlt und weiter untersucht. Erwägt man, daß bei sehr verschiedenen Mengen Diastase gleiche, nahe an 27 Proc. liegende Zuckermengen gebildet werden, und daß die Flüssigkeit bei diesem Procentgehalte nicht mehr auf Jod reagirt, während bei den Temperaturen unter 60° C. die Jodreaction erst bei einem Zuckergehalte von etwa 52 Proc. verschwindet, so erscheint die Annahme vollkommen erwiesen, daß die Wirkung der Diastase bei Temperaturen über 60° C. eine specifisch andere ist, als bei Temperaturen unter 60° C. Die als Minimum angegebene Zuckermenge von 27 Procent, bei welcher noch ein völliges Verschwinden der Jodreaction eintritt, entspricht genau der Umwandlung der Stärke in 1 Aeq. Zucker und 3 Aeq. Dextrin. Bemerkenswerth ist der Umstand, daß in dem geringen Temperatur-Intervall von etwa 5° C., nämlich von 65 bis 70° C., die Zuckermenge einen Sprung von mehr als 20 Procent macht. Diese Thatsache ist gewiß der Annahme günstig, daß die Umwandlung der Stärke nach Aequivalenten stattfindet. Nachstehende Versuchsresultate bestätigen das eben Gesagte. Tabelle IV. Textabbildung Bd. 198, S. 328 Kartoffelstärke, lufttrocken, in Grm.; Wasser auf 1 Grm. Stärke; Malzextract, in Procenten der Stärke; Dauer der vorhergegangenen Erwärmung bei 70°; Temperatur der Einwirkung; Dauer der Einwirkung; Verschwinden der Jodreaction; Zuckerprocente vom Stärkeextract; keine; St.; nicht beob.; M.; nur auf 70° vorgewärmt Bemerkungen. In der Versuchsgruppe I wurde beim ersten Versuche die Temperatur nicht sorgsam eingehalten, und beim zweiten Versuche wurde der kalte Malzauszug in den heißen Kleister gebracht, wodurch ein wiewohl nur kurz andauerndes geringes Sinken der Temperatur erfolgte, welches aber bei der raschen Reaction, bewirkt durch die große Menge Diastase, dennoch auf das Resultat von Einfluß war. Deßhalb differiren die Zuckerprocente in dieser Versuchsgruppe so sehr von denen in den nachfolgenden Versuchen. In den Versuchsgruppen II, III und IV sind die Unterschiede in den Zuckerprocenten unbedeutend, obwohl die Versuche unter so sehr verschiedenen Verhältnissen stattfanden. Man sieht, daß die Resultate unabhängig sind von der Menge der angewendeten Diastase und von der Dauer der vorangegangenen Schwächung. Im Allgemeinen dürften die hier gefundenen Zuckerprocente eher etwas zu hoch als zu niedrig seyn, da in der hierzu angewendeten Fehling'schen Lösung bei der directen Bestimmung des Kupfers durch Reduction mittelst Zink in 10 Kubikcentimet. statt 0,34639 Grm. nur 0,345 Grm. Kupfervitriol gefunden wurden. Der Verf. hat die Resultate nicht darnach corrigirt, da die kleine Differenz im Kupfervitriolgehalt auch in den Versuchsfehlern der Analyse ihren Grund haben kann. An diese Versuche reihen sich die Versuche von Musculus, welche ebenfalls bei der Temperatur von 70 bis 75° C. angestellt wurden, und durch welche derselbe fand, daß stets doppelt so viel Dextrin als Zucker gebildet werde. Musculus hat somit etwas mehr Zucker gefunden, als die Versuche des Verfassers ergeben. Entweder hat Musculus die Temperatur von 70° C. nicht genau eingehalten, oder er hat das Dextrin nicht vollständig in Zucker übergeführt, und, da er die Dextrinmenge aus der daraus mittelst Schwefelsäure erzeugten Zuckermenge berechnet, eine geringere Menge Dextrin gefunden, oder das, was aus der Stärke neben Zucker entsteht, und was man als Dextrin bezeichnet, ist nicht ganz oder ohne Verlust durch SO³ in Zucker überführbar. Letztere Annahme ist nach den Versuchen von O. Philipp (Zeitschrift für analytische Chemie, 1867 S. 471) die wahrscheinlichste. Der bereits früher angeführte Versuch von Payen, in welchem derselbe nach 10 stündiger Einwirkung 26 Proc. Zucker fand, stimmt mit den Versuchen des Verfassers überein. 5) Durch längere Einwirkung der Temperatur von 70° C. wird der Malzauszug so verändert, daß er auch bei niederer Temperatur nur so wenig Zucker bildet, wie bei 70° C. So wurden bei einem Versuche, bei welchem der Malzauszug eine halbe Stunde lang auf 70° C. erhalten wurde, als man denselben bei 50° C. einwirken ließ, nach dem Verschwinden der Jodreaction 41 Proc. Zucker gefunden, während bei einem anderen Versuch, bei welchem ein eine Stunde lang bei 70° C. erhitzter Malzauszug bei 50° C. einwirkte, nach dem Verschwinden der Jodreaction nur 28,7 Proc. Zucker erhalten wurden. 6) Eine bei 70° C. bereitete Stärkelösung, welche etwa 27 Proc. Zucker enthält, kann durch Anwendung ungeschwächter Diastase bei niedrigeren Temperaturen leicht auf etwa 52 Proc. Zucker gebracht werden. Davon hat der Verfasser sich durch Versuche mehrfach überzeugt. Es kann somit, wie dieß auch Payen nachwies, das Dextrin durch Diastase in Zucker übergeführt werden. 7) Die äußeren Erscheinungen bei der Umwandlung der Stärke bei verschiedenen Temperaturen sind einigermaßen verschieden. Bei höheren Temperaturen, so namentlich bei 70° C., scheiden sich die unaufgelösten Stärkereste, die sogenannten Tegumente, in einzelnen zusammengeballten, bräunlich gefärbten Flocken ab, während bei niederen Temperaturen (etwa von 50° C. an) zarte weiße Flocken erscheinen, welche sich von der ganz klaren Flüssigkeit in einer Schicht am Boden absetzen. 8) Es ist allgemein bekannt, daß eine bestimmte Menge Diastase nur eine begrenzte Menge Stärke umzuwandeln vermag, daß also mit der Umwandlung der Stärke eine parallel gehende Umwandlung der Diastase stattfindet, wodurch diese unwirksam gemacht wird. Die Reaction ist den gewöhnlichen chemischen Vorgängen vergleichbar, bei denen die aufeinander wirkenden Stoffe in neue Verbindungen eingehen. Die umgewandelte, unwirksam gewordene Diastase scheint eine besondere Neigung zu haben, sich in Flocken abzuscheiden. Diese Erscheinung kann man in folgender Weise beobachten: Läßt man Diastase auf Stärkekleister bei 70° C. so lange einwirken, bis die Lösung mit Jod rothbraun reagirt, und kocht dann auf, um die weitere Wirkung der Diastase zu unterbrechen, so kann man durch Filtriren eine vollkommen klare Flüssigkeit erhalten, welche noch viel in Zucker überführbares Dextrin enthält. Wird diese klare Flüssigkeit mit ganz klarem Malzauszug zusammen gebracht, so findet Zuckerbildung statt, welche man. bei jeder Temperatur bewirken kann. Läßt man nun die Zuckerbildung bei Temperaturen unter 50° C., bei welchen der Malzauszug für sich nicht getrübt wird, sich vollziehen, so bemerkt man nach einigen Stunden, daß sich eine geringe Menge eines flockigen Niederschlages von der ganz klaren Flüssigkeit am Boden absondert, während dieß unter ganz gleichen Umständen weder in dem Malzauszuge, noch in der Stärkelösung für sich stattfindet. Dieser Niederschlag ist vielleicht das durch Abgabe von Wasser an das Dextrin umgewandelte und dadurch zum Coaguliren geneigte diastatische Albuminat. Anfangs glaubte der Verfasser, daß der Niederschlag während der Zuckerbildung entstehe; doch konnte er dieß nie sicher beobachten. Eine deutlich wahrnehmbare Abscheidung des Niederschlages findet jedenfalls erst nach Vollendung der Zuckerbildung statt. Diese Erscheinung dürfte einiges Interesse für die Pflanzenphysiologie haben, indem dieselbe sich da, wo im Pflanzenkörper eine Verflüssigung der Stärke stattfindet, geltend machen muß, und vielleicht zum Zellenbildungsprocesse eine Beziehung hat. Bisher hat man bloß auf die Umwandlungsproducte der Stärke die Aufmerksamkeit gelenkt und das Umwandlungsproduct der Diastase ganz außer Acht gelassen, weil man es ebenso wenig wie die Diastase selbst abscheiden und untersuchen konnte. Vielleicht gelingt es auf dem eben bezeichneten Wege, durch die Untersuchung des Niederschlages etwas Näheres über die so wenig bekannte Diastase zu erfahren. 9) Da das Gewicht des Zuckers in dem Umwandlungsproducte der Stärke unter sehr verschiedenen Umständen ein constantes ist, so könnte man dadurch veranlaßt werden, der Ansicht von Musculus beizutreten, daß die Stärke nach Art der Glucoside nach Aequivalenten in Zucker und Dextrin sich spalte. Dieser Annahme steht aber der Umstand entgegen, daß man bei Temperaturen unter 60° C. eine Spaltung in 1 Aeq. Zucker und 1 Aeq. Dextrin, bei Temperaturen über 70° C. dagegen eine solche in 1 Aeq. Zucker und 3 Aeq. Dextrin annehmen müßte; ferner die Thatsache, daß eine bei 70° C. bereitete zuckerärmere Lösung durch Diastase in eine an Zucker reichere umgewandelt werden kann. Guérin-Vary und später Payen haben nachgewiesen, daß, wenn der Zucker durch Gährung in Alkohol verwandelt wird, das zurückbleibende Dextrin wieder theilweise und so allmählich ganz in Zucker übergeführt werden kann. Hält man nun Alles zusammen, so hat man mehr Grund, anzunehmen, daß der Zucker erst aus dem Dextrin durch Aufnahme von Wasser entstehe, welches die Diastase abgibt, indem sie dadurch unwirksam wird, daß aber die bei hoher und die bei niederer Temperatur entstehenden verschiedenen Umwandlungsproducte der Diastase sich mit verschiedenen Zuckermengen in's Gleichgewicht setzen, welches Gleichgewicht stets wieder hergestellt wird, wenn es durch Entfernung des Zuckers gestört wurde. Dieses Verhalten ist wohl eigenthümlich, doch aber nicht ganz vereinzelt. Der Verf. deutet hier auf die Ozonbildung hin. Bekanntlich ist es nicht möglich, eine gewisse Menge Sauerstoff ganz in Ozon umzuwandeln, wenn das gebildete Ozon nicht fortgeschafft wird. Nutzanwendungen. Die Umwandlung der Stärke mittelst Diastase ist die Grundlage der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei; es ist daher die vollständige Kenntniß dieser Umwandlung für diese Gewerbe von Wichtigkeit. Die Verschiedenheit der Biere ist zunächst durch die Art der Würzebereitung bedingt, und letztere veranlaßt neben anderen minder bekannten Verschiedenheiten in der Zusammensetzung der Würze auch ein variables Verhältniß des Zuckers zum Dextrin. Nach den Versuchen von Gschwändler enthalten nach verschiedenen Methoden – Decoction-, Bock-, Satzverfahren, sogenanntem englischen Verfahren, mit Stärkezusatz, Infusion – bereitete Würzen auf 1 Gewichtstheil Zucker 1,17 bis 1,74 Dextrin, das ist 46,1 bis 36,5 Proc. Zucker im Umwandlungsproducte der Stärke. Man sieht daraus, daß bei keiner Methode die größtmögliche Zuckermenge gebildet wird. Uebrigens ist der Verf. der Ansicht, daß bei derselben Bereitungsweise das Resultat ein verschiedenes seyn wird, wenn die Temperatur, die Dauer ihrer Einwirkung und die Menge der wirksamen Diastase abgeändert wird. Und gerade in diesen Punkten erlaubt man sich häufig Abweichungen; so werden beim Dickmaischverfahren bisweilen zwei, bisweilen drei Maischen gekocht; es wird bei verschiedenen Temperaturen abgemaischt, und die Endtemperatur wird durch verschieden abgestufte Steigerung der Temperatur erreicht; so wird beim Infusionsverfahren Wasser von verschiedenen Temperaturen angewendet. Deßhalb ist es höchst wahrscheinlich, daß die von Gschwändler gefundenen Zahlen für die verschiedenen Methoden der Würzebereitung nicht charakteristisch sind, sondern nur für die ganz speciellen Bereitungsweisen der Versuche gelten, welche Gschwändler leider in seiner Arbeit nicht näher beschrieben hat. Wollte man die variablen Zuckermengen der Würze auf ihren Grund zurückführen, so müßte man nicht so sehr der Methode als vielmehr den während des Processes vorkommenden Temperaturen, der Zeit ihrer Einwirkung und den wirksamen Mengen der Diastase die Aufmerksamkeit zuwenden. In welcher Weise die grüßte und die kleinste Menge Zucker in der Würze erzeugt werden könne, läßt sich aus der Wirkungsweise der Diastase leicht angeben. Da es aber noch nicht ermittelt ist, welchen Einfluß die Zuckermenge auf die Güte des Bieres hat, und welches Verhältniß das günstigste ist, so erscheint es als zwecklos, auf diesen Gegenstand weiter einzugehen. Wenden wir uns nun zu der Betrachtung der Wirkungsweise der Diastase bei der Alkoholbereitung. Hier handelt es sich einzig und allein darum, daß sämmtliche Stärke des verwendeten Materiales in Alkohol übergeführt werde, und dieß kann doch nur durch eine mit der Gährung Schritt haltende Nachwirkung der Diastase erreicht werden. Seit Reischauer und Gschwändler nachgewiesen haben, daß das Dextrin bei der Biergährung theilweise in Alkohol übergehe, hat sich die Ansicht verbreitet, daß das Dextrin vergährbar sey, während Payen auf Grund seiner Versuche das Dextrin als unvergährbar erklärt. Dieser Widerspruch wird gehoben, wenn man annimmt – und bei der ungekochten Branntweinmaische ist es gewiß der Fall – daß die Diastase während der Gährung fortwirkt und das ihrer Wirkungsweise entsprechende Verhältniß zwischen Zucker und Dextrin immer wieder herstellt, wenn es durch Umwandlung des Zuckers in Alkohol gestört wurde, wodurch allmählich sämmtliches Dextrin in Zucker und dieser in Alkohol umgewandelt wird. Bei der gekochten Bierwürze ist zwar die Malzdiastase unwirksam geworden; bei der allgemeinen Verbreitung diastatisch wirkender Stoffe ist aber die Annahme keineswegs gewagt, daß die sprossende Hefe, wenn auch in geringem Grade, diastatisch wirken und so bei der langen Dauer der Biergährung einen Theil des Dextrins in Zucker und Alkohol umwandeln könne. Diese Annahme ist um so wahrscheinlicher, da Hallier nachwies, daß Schimmelsporen (von Pinicillium crustaceum), aus denen sich Hefe bildet, Stärkekleister zu verflüssigen vermögen. Wenn die vollständige Vergährung der Maische hauptsächlich von der Nachwirkung der Diastase abhängt, so ist es wohl von der größten Wichtigkeit, jede Schwächung der Diastase zu vermeiden. Es ist gezeigt worden, daß bei 60° C. wahrscheinlich, bei 65° aber bestimmt eine Schwächung der Diastase stattfindet, daß ein eine Stunde lang bei 65° erhitzter Malzauszug bei niederen Temperaturen langsamer wirkt, als ein Viertel eines ungeschwächten Auszuges, und daß bei 70° der Auszug sogar eine solche Veränderung erleiden kann, daß er bei niederen Temperaturen, statt mit 52, nur mit 27 Proc. Zucker sich in's Gleichgewicht setzt. Daraus ist ersichtlich, daß es hauptsächlich darauf ankommt, beim Gahrbrennen der Maische eine möglichst niedrige, 65° C. nicht übersteigende Temperatur einzuhalten. Die Praxis hat sich auch bereits in diesem Sinne ausgesprochen. So sagt Dr. Jul. Otto in seiner Branntweinbrennerei: „Die meisten Erfahrungen stimmen darin überein, daß eine Temperatur von 48 bis 50° R. eine größere Ausbeute ermögliche. Die größere Ausbeute wird durch die stärkere Vergährungsfähigkeit einer bei niederen Temperaturen gahrgebrannten Maische bedingt.“ Diese Erfahrungen stimmten mit den Versuchen des Verfassers vollkommen überein. Weiter sagt Otto: „Die Temperatur von 52 bis 53° R. ist die gewöhnlichste Maischtemperatur.“ Diese Temperaturen dürften jedoch schon zu hoch seyn, besonders wenn sie länger einwirken. Wenn auch bei diesen Temperaturen gute Resultate erzielt werden, so ist dieß dem Umstande zuzuschreiben, daß stets mehr Malz angewendet wird als absolut nothwendig ist, und daß somit trotz der erfolgten Schwächung doch hinreichend viel Diastase für die Gährung wirksam bleibt. Da bei höheren Temperaturen die Verflüssigung der Stärke besser vor sich geht, so wäre es vielleicht angezeigt, die Temperatur anfänglich auf 52° R. zu bringen und nach erfolgter Verflüssigung der Stärke durch kaltes Wasser auf 48° R. herabzusetzen, oder einen Theil des Malzschrotes bei 52° R. und den Rest bei 48 bis 50° R. einwirken zu lassen. Darüber können nur sorgfältig angestellte Einmaischversuche entscheiden. Wie lange die Maische dem Zuckerbildungsprocesse überlassen bleiben soll, zeigt die Jodreaction am sichersten an. Nach dem Verschwinden der Jodreaction ist ein längeres Stehen von wenig Erfolg und nicht im Verhältniß zu der Zeitverschwendung, besonders da, wo es aus Rücksichten der Besteuerung, wie in Oesterreich, darauf ankommt, die Zeit möglichst wirtschaftlich zu verwenden. Je höher die Temperatur ist, bei welcher die Gährung stattfindet, desto rascher verläuft die Gährung, aber desto rascher erfolgt auch die Umwandlung des Dextrins. Bei Temperaturen von 30° C. und darüber, wie sie bei kräftigen Gährungen vorkommen, wirkt die Diastase noch sehr energisch ein (s. Tabelle I). Damit die Umwandlung des Dextrins in Zucker während der Gährung von der Alkoholbildung nicht überholt werde, wird je nach der Temperatur bei der Gährung und je nach der Raschheit des Verlaufes derselben eine größere oder geringere Menge Diastase erforderlich seyn, die für gegebene Fälle durch Versuche zu ermitteln seyn wird, damit mit dem Malze weder zu sparsam noch zu verschwenderisch umgegangen werde. Nachdem nun die Hauptrücksichten angegeben sind, um deren willen die Wirksamkeit der Diastase möglichst ungeschwächt erhalten werden soll, deutet der Verf. zum Schlusse noch auf einen Umstand hin, der auch von einiger Wichtigkeit für die Vergährbarkeit der Maische zu seyn scheint. Es ist gesagt worden, daß ein klarer Malzauszug bei 60° C. sich deutlich trübt, und daß er desto mehr getrübt wird, je höher die Temperatur steigt. Es gehen da lösliche Albuminate in die unlösliche Form über. Da aber ohne Zweifel gelöste Albuminate besser als Nahrungsstoffe von der Hefe assimilirt werden können, als coagulirte, so dürfte auch aus diesem Grunde eine niedrigere Einmaischtemperatur für die Vergährbarkeit der Maische von Nutzen seyn. Bei der Fabrication der Preßhefe erhält man die größte Ausbeute an Hefe, wenn unter sonst gleichen Umständen beim Einmaischen die Temperatur von 60 bis 63° C. eingehalten wird. Welchen Antheil an der Mehrausbeute die wirksam gebliebene Diastase hat, läßt sich nicht wohl angeben.