Titel: Die Kohle als Desinfectionsmittel und Antidot; von Dr. Herm. Eulenberg und Dr. Herm. Vohl in Cöln.
Autor: Hermann Eulenberg [GND]
Fundstelle: Band 198, Jahrgang 1870, Nr. CV., S. 435
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CV. Die Kohle als Desinfectionsmittel und Antidot; von Dr. Herm. Eulenberg und Dr. Herm. Vohl in Cöln. Eulenberg und Vohl, über die Kohle als Desinfectionsmittel und Antidot. Es ist eine unbestreitbare Thatsache, daß der Kohlenstoff zu den merkwürdigsten und interessantesten Körpern gehört. Im Thier- und Pflanzenleben ist er zum Aufbau und somit auch zum Fortbestehen der Organismen unentbehrlich. Bis jetzt sind nur drei verschiedene Zustände des Kohlenstoffes bekannt; es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß er auch noch in verschiedenen anderen Modificationen als Bestandtheil organischer und unorganischer Gebilde auftritt. In den verschiedenen Aggregatzuständen hat er auch verschiedene physikalische und chemische Eigenschaften. Andere einfache Stoffe, wie z.B. der Phosphor, Schwefel etc., treten ebenfalls in verschiedenen Modificationen auf, und man ist hier im Stande, die eine Modification in die andere überzuführen. Der Kohlenstoff macht jedoch hierin eine Ausnahme, da es bis jetzt nicht gelungen ist, alle Modificationen desselben beliebig aus einer Modification hervorzurufen. So kann man z.B. die Holzkohle nicht in Diamant, eben so wenig den Graphit in diesen Körper verwandeln; dagegen läßt sich die Holz- oder Kohkskohle durch Auflösen in schmelzendem Eisen theilweise in Graphit überführen. Eine der merkwürdigsten Eigenschaften des Kohlenstoffes besteht in seinem Vermögen, verschiedene Substanzen, sowohl Gase als auch flüssige und feste Körper resp. Dämpfe in sich aufzunehmen, ohne sich damit chemisch zu verbinden. Ebenso verhält sich der Kohlenstoff den organischen Verbindungen gegenüber und ist diese Eigenschaft desselben schon seit Jahrhunderten für die Technik ausgenutzt worden. Die Eigenschaft der Kohle, Gase in sich aufzunehmen, verdient eine ausführlichere Erörterung. Wenn diese Thatsache auch schon seit längerer Zeit bekannt und von vielen Physikern und Chemikern die Quantität der verschiedenen Gase, welche die Kohle aufzunehmen vermag, resp. ihr Absorptionsvermögen für Gase bestimmt worden ist, so hat man jedoch dabei auf den Gasgehalt, welcher in jeder Kohle präexistirend enthalten ist, wenig oder gar keine Rücksicht genommen. Die Kohle wirkt bei der Absorption der Gase bekanntlich durch Flächenanziehung und steht ihr Absorptionsvermögen in directem Verhältniß zu ihrer Porosität, d.h. zu ihrer Oberfläche. Diese Thatsache wurde insofern technisch ausgenutzt, als man, wie z.B. bei der Knochenkohle, welche man zur Entfärbung des Zuckersyrupes gebraucht, durch Ausziehen der phosphorsauren Kalkerde mittelst Schwefel- oder Salzsäure die Oberfläche der Kohle vermehrte resp. bloßlegte und dadurch ihre entfärbende Kraft bedeutend erhöhte. Auch wird dadurch die Absorptionsfähigkeit einer solchen Kohle für verschiedene Gase, Metalle und organische Verbindungen bedeutend gesteigert. Was nun zunächst den präexistirenden Gasgehalt der Holzkohle betrifft, so wurden hierüber folgende Versuche angestellt. 1) Wird frisch geglühte Holzkohle in einen graduirten Cylinder gebracht, welchen man vorher mit ausgekochtem Wasser gefüllt und alsdann in eine mit luftfreiem Wasser gefüllte Schale umgestürzt hat, sich selbst überlassen, so steigen nur wenig Gasblasen empor, die sich als atmosphärische Luft bei der Analyse ergeben. 2) Wird das Wasser in der Schale erhitzt und längere Zeit im Sieden erhalten, so tritt eine große Menge Gas aus der Kohle aus, welche sich im oberen Theile der Röhre ansammelt, worauf alsdann die Kohle zu Boden sinkt. Dieses Gas besteht größtentheils aus Kohlensäure, welche nur geringe Mengen von Kohlenoxyd und Spuren von Stickstoff enthält. Von 100 Vol. Gas wurden 90 Vol. durch Aetzkali absorbirt und ergaben sich somit als Kohlensäure. Die nicht absorbirten 10 Vol. wurden, nachdem sie mit Wasser gewaschen worden waren und man das Kali aus der Röhre entfernt hatte, fast vollständig von Palladiumchlorürlösung unter Bildung der bekannten schwarzen kohlenoxydhaltigen Verbindung absorbirt. Kupferchlorürlösung absorbirte ebenfalls dieses Gas, wodurch abermals bewiesen wurde, daß diese vom Aetzkali nicht absorbirten 10 Vol. Gas aus Kohlenoxyd bestanden. 3) Eine derartig behandelte Holzkohle ist noch immer nicht gasfrei und enthält eine nicht unerhebliche Menge von fast reinem Kohlenoxyd, welches auf folgende Weise nachgewiesen wurde. Die mit siedendem Wasser behandelte Kohle wurde naß, wie sie war, gröblich gestoßen und in eine kleine Retorte gefüllt, in deren Hals man ein Gasentbindungsrohr luftdicht befestigt hatte. Letzteres wurde in der Quecksilberwanne mit Quecksilber gesperrt. Durch langsames Erwärmen wurde die Retorte vollständig luftleer gemacht, indem die auftretenden Wasserdämpfe die atmosphärische Luft verdrängten und durch das Glasrohr hinausdrückten. Nach Entfernung des Wassers traten abermals bei fortwährend gesteigertem Erhitzen eine Menge Gasblasen auf, welche durch einen brennenden Span entzündet werden konnten und mit bläulicher Farbe brannten. Das Gas wurde aufgefangen und nach der oben erwähnten Methode zuerst mit Aetzkali und alsdann mit Palladiumchlorür behandelt. Das Aetzkali brachte keine Volumveränderung hervor, wodurch die Abwesenheit der Kohlensäure nachgewiesen wurde. Mit Palladiumchlorürlösung trat sofort die Reaction auf Kohlenoxydgas ein, welches schließlich vollständig von diesem Reagens absorbirt wurde. Da die zur Anwendung gekommene Kohle nach dem Auskochen zu Boden gefallen war und somit im ausgekochten luftfreien Wasser bei Abschluß der Luft erkaltete, so kann vernünftigerweise der Einwurf nicht gemacht werden, daß die Kohle atmosphärischen Sauerstoff absorbirt habe, welcher alsdann beim nachträglichen Erhitzen derselben zu einer Bildung von Kohlenoxyd Veranlassung gegeben habe. Dadurch aber, daß die Kohle noch naß in die Retorte gegeben und durch allmähliches Erhitzen resp. Erzeugen von Wasserdämpfen der atmosphärische Sauerstoff aus dem Apparat ausgetrieben wurde, kann sich auch hier unmöglich beim Erhitzen Kohlenoxyd auf Kosten von atmosphärischem Sauerstoff gebildet haben. Es geht vielmehr aus allem Diesem hervor, daß das sich entwickelnde Kohlenoxyd in der Kohle präexistirte und durch Kochen mit Wasser nicht ausgetrieben werden konnte. Wurde das zuletzt erhaltene Gas mit frischem defibrinirtem Ochsenblut behandelt, so konnte im Spectral-Apparate der Kohlenoxydgehalt desselben ebenfalls nachgewiesen werden. 4) Zum Beweise, daß nicht nur frische Holzkohlen, sondern auch solche welche schon längere Zeit mit dem atmosphärischen Sauerstoff in Berührung gekommen waren, dennoch kohlenoxydhaltig sind, wurden Buchenholzkohlen welche monatelang an der Luft gelegen hatten, gröblich gestoßen, in eine Glasretorte gegeben und alsdann mit einer Gasflamme allmählich erhitzt. Das sich entwickelnde Gas schwärzte Palladiumchlorürlösung. Außerdem wurde in einen mit Glasscheiben versehenen, dichten Zinkkasten von 3/4 Kubikfuß Inhalt eine Taube gebracht und das Gas, sowie es sich allmählich entwickelte, eingeleitet. Nach 16 Minuten wurde die Respiration der Taube etwas beschleunigt; sie hockt alsdann zusammen, schwankt, fällt auf die Seite, bekommt einzelne Zuckungen und verfällt schließlich in die heftigsten Convulsionen. Nach 18 Minuten wird sie vollständig asphyktisch aus dem Kasten genommen. An die frische Luft gebracht, treten alsbald einzelne krampfhafte Inspirationen ein, welche nach 1 Minute in ein mühsames Athmen übergehen, wobei die Herzthätigkeit vermehrt ist. Nach 2 Minuten auf die Erde gesetzt, bleibt sie unter beständigem Schwanken sitzen. Nach 3 Minuten erhebt sie sich und bleibt mit dem Vorderkörper schwankend stehen. Nach 4 Minuten geht sie ohne Schwanken wieder einher und erholt sich alsbald. Nur der verstärkte Herzschlag hält noch einige Zeit an. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß die Taube bei längerer Einwirkung des Kohlenoxydgases gestorben seyn würde. Unterwirft man den Gasgehalt der Holzkohlen einer näheren Betrachtung, so ist es unzweifelhaft, daß dadurch unter gewissen Umständen große Gefahren für das Leben der Menschen herbeigeführt werden können. Werden z.B. frische Holzkohlen in Kellern oder anderen Räumen aufgespeichert, welche Ueberschwemmungen ausgesetzt sind, so kann sich auf diese Weise Kohlenoxyd, wenn auch in geringer Menge, aus solchen Kohlen entbinden und in die darüberliegenden bewohnten Räume eindringen. Es sind Fälle vorgekommen, in welchen das Schlafen auf frischen Holzkohlen den Tod herbeigeführt hat. In holzreichen Gegenden ist es Gebrauch, beim Plätten der Wäsche die Bügeleisen auf kleinen Holzkohlenfeuerungen, welche offen brennend erhalten werden, zu erhitzen. Auch in Laboratorien sind diese offenen Holzkohlenfeuerungen sehr gebräuchlich. Gibt man nun beim Abbrennen der Kohlen allmählich frische todte Kohlen auf, so werden die in solchen Räumen sich aufhaltenden Personen sehr häufig von Kopfschmerz, Betäubung und Uebelseyn heimgesucht. Der Grund hiervon ist leicht einzusehen, wenn man bedenkt daß die frisch aufgegebenen kalten Holzkohlen mit Kohlenoxyd geschwängert resp. gesättigt sind. Durch das allmähliche Erwärmen von unten treten die in der Kohle enthaltenen Gase schon bei einer Temperatur aus, welche weit unter ihrer Entzündungstemperatur liegt. Sie müssen demnach als solche unverändert in den Raum austreten und sich hier durch ihre giftigen Eigenschaften geltend machen. Es ist fast unzweifelhaft anzunehmen, daß in solchen Fällen die Vergiftung lediglich durch das präexistirende Kohlenoxyd, welches in der Kohle enthalten war und durch die Wärme ausgetrieben wurde, bedingt ist. Ebenso verhält es sich bei Hohöfen, wenn dieselben mit Kohks beschickt werden. Andererseits ist es eine bekannte Thatsache, daß bei Anwendung von glühenden Holzkohlen, welche in einem besonderen Ofen vorher in's Glühen gebracht wurden, fast niemals eine Kohlenoxydvergiftung stattfindet. Einen schlagenden Beweis hierfür liefern die holländischen Kohlenbecken zum Erwärmen des Körpers (Stoofjas) und der Nahrungsmittel. Im Vacuum verliert die Kohle ihren Gasgehalt, resp. die in ihr präexistirenden Gase (Kohlensäure und Kohlenoxyd) nur theilweise. Zum Beweise wurde nachfolgendes Experiment angestellt. Eine starke Glasröhre, welche 5/4 Zoll weit, 30 Zoll lang und an einem Ende zugeblasen war, wurde mit luftfreiem Quecksilber gefüllt und in eine Quecksilberwanne umgestürzt. Eine cylindrische frische Holzkohle, ca. 3 Zoll lang und 1 Zoll dick, welche an einem seidenen Faden befestigt war, ließ man in die Torricelli'sche Leere aufsteigen. Nach 24 Stunden wurde die Kohle zurückgezogen und es zeigte sich, daß das Quecksilber fast um 7 Zoll gefallen war. Durch Einbringen von feuchtem Aetzkali stieg die Quecksilbersäule um ca. 6, 9 Zoll, woraus erhellt daß die Kohle im Vacuum größtentheils nur Kohlensäure abgegeben hatte. Dieselbe Kohle wurde noch mehrmals in die Torricelli'sche Leere gebracht, gab aber kein Gas mehr ab. Diese so entgaste Kohle gab beim Kochen in der Retorte mit Wasser wenig, beim stärksten Erhitzen viel Kohlenoxydgas ab. Der stets vorkommende präexistirende Gasgehalt der Kohle wird die Absorptionsfähigkeit der Kohle für andere Gase und Dämpfe beeinträchtigen, woraus alsdann mit Gewißheit hervorgeht, daß die bis jetzt gemachten Versuche, die Absorptionsfähigkeit der Kohle betreffend, keine absolut richtigen Resultate ergeben konnten. Bei den Versuchen hierüber wurden nämlich entweder die Kohlen durch Behandlung im Vacuum oder durch Ablöschen unter Quecksilber für das Experiment vorbereitet. In beiden Fällen kann jedoch die Kohle nicht gasfrei seyn, da erstens das Vacuum nicht im Stande ist, die Absorptionskraft der Kohle zu überwinden, und im zweiten Falle die von der brennenden Kohle erzeugten Gase vom Quecksilber zurückgehalten und von der Kohle wieder aufgenommen werden. Es erhellt daraus, daß alle in dieser Beziehung gemachten Beobachtungen irrelevant sind. Bezüglich der Absorptionsfähigkeit der Holzkohle für Gase stehen derselben die Torfkohle und alsdann die Braunkohlenkohks am nächsten. Auch bei diesen beiden Kohlensorten ist gleichsam die Textur der Pflanzenfaser noch vorhanden, wodurch die große Porosität bedingt wird. Je mehr sich der Torf der Braunkohle und die Braunkohle der Steinkohle nähert, um so mehr nehmen die daraus hergestellten Kohks in ihrer Absorptionsfähigkeit ab. Bei den aus der Steinkohle erzeugten Kohks ist die Absorptionsfähigkeit für Gase und Dämpfe am schwächsten; jedoch ist hierbei zu bemerken, daß diese Fähigkeit nicht mit dem Alter der Kohle Hand in Hand geht. Aus dem Anthracit, welcher fast bitumenfrei ist, erhält man Kohks welche nur eine geringe Absorptionsfähigkeit für Gase und Dämpfe besitzen; dagegen liefern die Back- oder Sinterkohlen, welche einer viel jüngeren Bildungsperiode angehören, Kohks welche fast ebenso inactiv den Gasen gegenüber sind, wie die Anthracit-Kohks, während die Sand- oder Magerkohlen derselben Periode Kohks erzeugen, welche ein nicht unbeträchtliches Gasabsorptionsvermögen besitzen. Diese Eigenthümlichkeit der Back- oder Sinterkohlen beruht offenbar auf dem Erweichen und Flüssigwerden derselben beim Verkohken. Die Oberfläche der Kohle wird dabei glänzend, hart und bietet deßhalb beim Eindringen der Gase große Schwierigkeit dar. Die Wahrheit dieser Ansicht ist leicht experimentell nachzuweisen. Wird ausgeglühte Lindenholzkohle, welche bekanntlich Gase sehr kräftig absorbirt, mit einer Zuckerlösung getränkt und alsdann nach dem Trocknen in verschlossenen Cylindern geglüht, so ist dieselbe klingend, hart und glänzend geworden. Sie hat fast ihr ganzes Absorptionsvermögen verloren. Hier ist es der Zucker, welcher in der Kohle geschmolzen beim Glühen einen glänzenden Kohlenüberzug bildete und hierdurch die Absorptionsfähigkeit beeinträchtigte. Reine Zuckerkohle, sowie die Kohle aus Gummi und Harzen absorbiren Gase schwach. Es ist deßhalb schon a priori anzunehmen, daß die Steinkohlenkohks, wie sie in der Technik zur Anwendung kommen, sowie die bei der Steinkohlengasfabrication erzeugten Kohks eine geringe Absorptionsfähigkeit für Gase im Allgemeinen besitzen werden, weil bei ihrer Erzeugung ein Erweichen und theilweises Schmelzen eintritt, wodurch die einzelnen Kohlentheilchen alle Eigenschaften der sogen. Glanzkohle (Zuckerkohle) erhalten. Zur Bestätigung der obigen Angaben wurden folgende Experimente angestellt: In eine Glasretorte wurden 1/2 Pfund haselnußgroße Steinkohlenkohks gegeben und die Retorte allmählich erwärmt. Es traten zuerst Wasserdämpfe auf und das sich condensirende Wasser war milchig getrübt. Diese Trübung rührte von ausgeschiedenem Schwefel her, welcher durch Zersetzung von Schwefelwasserstoff, der in den Kohks präexistirte, gebildet worden war. Die Gegenwart von Schwefelwasserstoff in dem erhaltenen Gasgemisch wurde außerdem noch durch Bleipapier nachgewiesen. Das in den schon erwähnten Zinkkasten geleitete Gas brachte bei einer Taube noch folgende physiologische Erscheinungen hervor: Dieselbe äußerte alsbald große Unruhe, schmeckte mit der Zunge, blinzelte mit den Augen und putzte sich den Schnabel in den Federn. Nach 7 Minuten vibrirte die ganze Halsgegend; sie sperrte den Schnabel auf und verfiel nach 8 Minuten in ein allgemeines Zittern mit Würgen und Erbrechen. Letzteres wiederholte sich mehrmals. Nach 23 Minuten sehr beschwerliche Respiration unter jedesmaligem Oeffnen des Schnabels und bei zurückgezogenem Halse. Nach 26 Minuten Herausnahme unter den genannten Erscheinungen. An der frischen Luft erholte sie sich nach kurzer Zeit. Das gesammte Krankheitsbild spricht für die Einwirkung kleiner Mengen Schwefelwasserstoff, sowie von Kohlensäure. Letztere bedingte hauptsächlich die beschwerliche Respiration. Hätte nämlich der Gehalt an HS allein diese Respirationsbeschwerden hervorgerufen, so würde die Erholung der Taube an der frischen Luft nicht so rasch erfolgt seyn. Von Kohlenoxyd waren jedenfalls nur Spuren vorhanden. Uebrigens unterliegt es keinem Zweifel, daß die Darstellungsweise der Steinkohlenkohks auf den qualitativen und quantitativen Gehalt an Gasen einen großen Einfluß haben muß. So werden die mit Wasser gelöschten Kohks gasärmer seyn, als die welche man in geschlossenen Kästen gelöscht hat. Im ersteren Falle treiben die Wasserdämpfe die Gase aus und im zweiten Falle verlöschen die Kohlen durch Mangel an Sauerstoff in einer sehr gasreichen (Kohlensäure, Kohlenoxyd, schweflige Säure enthaltenden) Atmosphäre. Bekanntlich hat die stickstoffhaltige Kohle, die Thier- und Knochenkohle, ein sehr großes Bestreben, Gase, Dämpfe, Farbstoffe, Metalle und Alkaloide in sich aufzunehmen, und es war von Interesse, auch diese Kohlensorten auf die Qualität und Quantität der in ihnen präexistirenden Gase zu prüfen. Zu dem Ende wurde frisch geglühte Knochenkohle für sich bei Luftabschluß erhitzt. Die sich entbindenden Gase wurden chemisch und physiologisch geprüft. Erster Versuch. Ein halbes Pfund pulverisirter Knochenkohle wurde in einer Retorte bei Abschluß der Luft erwärmt. Die sich entbindenden Gase wurden in einen Zinkkasten geleitet, in welchem eine Taube sich befand. Alsbald wird sie unruhig und schmeckt mit der Zunge. Nach 3 Minuten Putzen in den Federn. Nach 4 Minuten Schütteln mit dem Kopfe, frequente Respiration, Schwanken, Bauchlage, Athmen mit aufgesperrtem Schnabel. Nach 5 Minuten convulsivische Bewegungen, Hinstürzen und asphyktischer Zustand. Nach geschehener Herausnahme tritt an der frischen Luft ein krampfhaftes Respiriren ein; es zeigen sich zunächst nur 4 Inspirationen binnen 1 Minute. Nach 2 Minuten auf die Erde gesetzt, schwankt sie hin und her. Nach 3 Minuten geht sie wieder und erholt sich alsbald. Die stattgehabte Einwirkung von Kohlenoxyd ist hier gar nicht zu verkennen. Da die Knochenkohle häufig zum Entfärben wässeriger siedender Flüssigkeiten verwendet wird, so war wohl die Annahme gerechtfertigt, daß ein Theil des in den Kohlen enthaltenen Kohlenoxydes während des Siedens ausgetrieben werden würde. Um sich hierüber Gewißheit zu verschaffen, wurde folgendes Experiment angestellt. Zweiter Versuch. Ein halbes Pfund Beinschwarz oder Knochenkohle derselben Qualität wurde mit Wasser in einer Retorte erhitzt. Das sich entwickelnde Gas wurde zur Condensation des Wasserdampfes abgekühlt und in den Zinkkasten geleitet. Nach 8 Minuten wird eine Taube, welche sich darin befand, unruhig und schüttelt mit dem Kopfe. Nach 21 Minuten beschleunigt sich die Respiration und nach 23 Minuten wird sie sehr beschwerlich. Bisweilen sperrt sie dabei den Schnabel weit auf. Da sich keine weiteren Symptome zeigen, so wird sie nach 30 Minuten herausgenommen. Auf die Erde gesetzt, läuft sie alsbald umher. Die Respiration regulirt sich eben so rasch; ein Beweis daß hier nur größtentheils Kohlensäure vorwaltend war und siedendes Wasser nicht befähigt ist, die Knochenkohle zu entgasen, d.h. Kohlenoxydgas aus derselben auszutreiben. Fast der ganze Gehalt von Kohlenoxyd bleibt bei dieser Behandlung in der Knochenkohle zurück. Um nun auch die Einwirkung von Säuren bezüglich der Entgasung der Kohle zu studiren, wurde zu derselben, mit Wasser durchtränkten Knochenkohle Salzsäure bis zur sauren Reaction zugesetzt. Es erfolgte sofort unter Aufbrausen eine Entwickelung von Kohlensäure, welche größtentheils von dem Gehalte an kohlensauren Salzen in der Knochenkohle herrührte. Beigemischt sind stets je nach dem Alter der Kohle geringe Mengen von Schwefel- und Cyanwasserstoff. Dritter Versuch. Die durch den Säurezusatz sich entbindenden Gase wurden nun nach dem oben erwähnten Verfahren einer Taube zugeführt. Nach 5 Minuten tritt ein geringes Schwanken ein. Nach 12 Minuten wird die Respiration frequent und angestrengt. Schütteln des Kopfes. Nach 13 Minuten Putzen in den Federn und häufiges Schütteln des Kopfes. Geringes Schwanken und Anlehnen an die Wand des Kastens. Zunehmende beschwerliche und bisweilen aussetzende Respiration. Nach 15 Minuten angestrengte Respiration mit häufigem Aufsperren des Schnabels. Nach 20 Minuten 15 unregelmäßige Inspirationen binnen 1/4 Minute. Bei der hierauf erfolgten Herausnahme erholt sie sich an der frischen Luft rasch. Auch hier hat vorwaltend Kohlensäure eingewirkt, während das Kohlenoxyd sich zwar geltend machte, jedoch mehr in den Hintergrund trat. Daß die Wirkung von Schwefelwasserstoff und Blausäure nicht bemerkbar auftrat, ist wohl nur dem geringen Quantum der Knochenkohle, welche hier zur Anwendung kam, und dem längeren Einflusse der atmosphärischen Luft auf dieselbe zuzuschreiben. Da die frisch geglühte und bereitete Knochenkohle im ersten Versuche unzweifelhaft eine erhebliche Menge Kohlenoxyd entwickelt hatte und der Einfluß des siedenden Wassers sowohl, als auch die Wirkung der Salzsäure nur geringe Mengen von Kohlenoxyd aus der Knochenkohle ausgetrieben hatte, so war schon a priori anzunehmen, daß die Knochenkohle nach Behandeln mit siedendem Wasser und Salzsäure beinahe den ganzen Gehalt an Kohlenoxyd noch absorbirt enthielt. Um auch hierüber Aufschluß zu bekommen, wurde die mit Wasser und Salzsäure behandelte Kohle vollständig mit destillirtem Wasser ausgewaschen und in gelinder Wärme getrocknet. Das trockene Pulver wurde wie beim ersten Versuch in einer Glasretorte bei Abschluß der Luft erhitzt und die sich entbindenden Gase einer Taube in dem mehrmals erwähnten Zinkkasten zugeführt. Vierter Versuch. Die Taube wird sofort bei der Einwirkung des Gases sehr unruhig und läuft hin und her. Nach 3 Minuten ist die Respiration noch normal. Nach 5 Minuten Schwanken, Hinfallen und convulsivisches Schlagen mit den Flügeln. Da sich die Convulsionen wiederholen, so wird sie im asphyktischen Zustande aus dem Kasten entfernt. Es treten an der frischen Luft ein paar krampfhafte Inspirationen ein. Nach 1 Minute auf die Erde gelegt, versucht sie zu gehen, indem sie mit den Flügeln aufschlägt und hin und her schwankt. Nach 3 Minuten schwankt sie noch beständig beim Stehen, erholt sich aber alsdann bald. Wenn in den vorigen Versuchen die Kohlensäure Einwirkung vorherrschte, so war es hier unzweifelhaft das Kohlenoxyd, welches sich vorzugsweise in seinen Wirkungen geltend machte. Durch die vorhergehenden Manipulationen, namentlich durch die Behandlung mit dsieendem Wasser und Salzsäure, ist vorzugsweise die Kohlensäure ausgetrieben worden. Es mußte demnach diese behandelte und getrocknete Knochenkohle beim Erhitzen ein von Kohlensäure freies Kohlenoxyd, gleichsam ein concentrirtes Kohlenoxydgas liefern. Dieses Verhalten der Knochenkohle gibt in sanitätspolizeilicher Beziehung einen Fingerzeig, wie höchst schädlich die beim Wiederbeleben der Knochenkohle resp. beim Aufbrennen derselben auftretenden Gase sind. Es wird dadurch die strenge Ueberwachung der Abführung resp. der Unschädlichmachung derselben gerechtfertigt und geboten. Beim Aufbrennen des Kienrusses ist ebenfalls der Gehalt an Kohlenoxyd, welcher beim Erhitzen entweicht, zu berücksichtigen. Die Präexistenz der Gase in den Kohlen überhaupt kann ein Mittel an die Hand geben, Kohlenoxyd aus einem Gemisch von Gasen zu entfernen. Selbstverständlich müßte alsdann die zu verwendende Kohle entgast seyn. Man würde dieses erreichen, wenn man z.B. glühende Holzkohlen von leichten Hölzern in geschlossenen Cylindern mit heißen Wasserdämpfen bei Abschluß der Luft ablöschte. Eine derartige Kohle hat das größte Absorptionsvermögen für Kohlenoxyd und Kohlensäure. Die poröse Kohle, besonders die Holzkohle, Torfkohle und Kohks aus Braunkohle besitzen auch im höchsten Grade die Fähigkeit, Schwefelwasserstoff, schweflige Säure, Ammoniak resp. Schwefelammonium und andere flüchtige Riechstoffe in sich aufzunehmen. Eine merkwürdige Eigenschaft der Kohle, welche hier auftritt, besteht darin, daß sie die Oxydation dieser Substanzen einleitet und befördert. Wird von diesen genannten Kohlensorten irgend eine derselben trocken oder mit Wasser getränkt in eines von diesen Gasen gebracht, so wird ein großer Theil der letzteren absorbirt. Schwefelwasserstoffgas, welches von der Kohle aufgenommen worden ist, kann durch kein Mittel mehr als solches vollständig aus der Kohle ausgetrieben werden. Wird die mit Schwefelwasserstoff geschwängerte Kohle bei Abschluß der Luft erhitzt, so treten nur Spuren von Schwefelwasserstoff auf und man erhält im Retortenhalse kleine Tröpfchen von reinem Schwefel. Nebenbei zeigen sich auch kleine Quantitäten schwefliger Säure. Der Schwefelwasserstoff ist somit in der Kohle zersetzt worden. Wird trockene entgaste Holzkohle in trockenes Schwefelwasserstoffgas und nach der Absorption in reines Sauerstoffgas gebracht, so erfolgt in den meisten Fällen Entzündung. – Ist die Kohle mit schwefliger Säure geschwängert worden, so kann man durch geringes Erhitzen dieselbe nicht mehr austreiben. Wird sie pulverisirt und mit heißem luftfreiem Wasser ausgewaschen, so gibt der wässerige Auszug mit Chlorbaryum versetzt einen starken Niederschlag von schwefelsaurem Baryt. Es ist also offenbar die schweflige Säure in Schwefelsäure verwandelt worden und zwar auf Kosten des atmosphärischen Sauerstoffes. Ein zweiter Beweis, daß sich wirklich Schwefelsäure aus der schwefligen Säure in der Kohle gebildet hat, wird dadurch geführt, daß beim stärkeren Erhitzen der mit schwefliger Säure geschwängerten Kohle sich zuerst geringe Mengen schwefliger Säure, alsdann Kohlensäure und schließlich neben Kohlensäure wieder schweflige Säure entwickelt. Bekanntlich wird Schwefelsäure durch Kohle in höherer Temperatur reducirt und zwar unter Bildung von schwefliger Säure neben Kohlensäure und Kohlenoxyd. Es scheint nicht unwahrscheinlich zu seyn, daß auch das in der Kohle enthaltene und auch das sich momentan bildende Kohlenoxyd die Schwefelsäure unter Kohlensäurebildung reducirt, da bei diesem Experiment kein Kohlenoxyd mehr auftritt. Wird die Kohle mit Ammoniakgas behandelt und einige Zeit sich selbst überlassen, d.h. mit atmospärischem Sauerstoff in Berührung gebracht, so kann durch bloßes Erhitzen nur ein Theil des Ammoniaks aus derselben entwickelt werden. Wird diese Kohle pulverisirt und mit Wasser ausgezogen, der Auszug filtrirt und im Wasserbade abgedampft, so erhält man eine Krystallisation von salpetersaurem Ammoniak. Offenbar ist hier das Ammoniak theilweise in Salpetersäure verwandelt worden, welche sich mit dem anderen Antheil Ammoniak zu salpetersaurem Ammoniak verbunden hat. Enthält die Kohle als Aschenbestandtheile Alkalien und alkalische Erden, so bilden sich auch die diesen Basen entsprechenden salpetersauren Verbindungen. Schwefelammonium wird von der Kohle in unterschwefligsaures und zuletzt in schwefelsaures Salz verwandelt. Die meisten Riechstoffe, welche die Kohle aufnimmt, werden auch schließlich oxydirt, d.h. zerstört. Bringt man die eben erwähnten Kohlensorten mit verschiedenen Alkoholen zusammen, so bilden sich stets die diesen entsprechenden Säuren. Die Absorptionsfähigkeit für die Alkohole nimmt mit der Fluchtigkeit derselben ab, so daß der Amylalkohol als schwerflüchtig am meisten von der Kohle aufgenommen und am stärksten zurückgehalten wird. Darnach folgt der Weinalkohol. Am leichtesten wird der Holzgeist, der Methylalkohol von der Kohle wieder abgegeben. Dieses merkwürdige Verhalten der Kohle bedingt ihre Anwendung zur Entfuselung des Branntweins. Der rohe Branntwein, welcher eine schwache Auflösung von Fuselölen in Weinalkohol (Aethylalkohol) repräsentirt, gibt bei der Behandlung mit gepulverter Kohle seinen ganzen Gehalt an Fuselölen an die Kohle ab, so daß der durch Kohle filtrirte Branntwein ein fuselfreies Präparat darstellt. Die Kohle, welche mit Weinalkohol getränkt dem atmosphärischen Sauerstoff preisgegeben wird, verwandelt schließlich diesen Alkohol in Essigsäure. Der Holzgeist wird durch die Holzkohle in Ameisensäure und der Amylalkohol in Baldriansäure übergeführt. Durch diese wichtige Eigenschaft der Kohle, dem Weinalkohol gegenüber, ist dieselbe bei der Schnellessig-Fabrication mit Vortheil zur Anwendung gekommen. Die Kohle als desinficirendes Mittel. Aus dem Vorhergehenden geht zur Genüge hervor, daß die Kohle befähigt ist, in gewissen Fällen die in der Luft enthaltenen Riechstoffe in sich aufzunehmen, daher zu beseitigen und schließlich die Oxydation derselben durch den atmosphärischen Sauerstoff zu vermitteln. Ebenso wird man es erklärlich finden, daß Flüssigkeiten welche durch den Gehalt an übelriechenden Gasen oder sonstigen Substanzen für die Umgegend belästigend werden können, durch einen Kohlenzusatz zu desodorosiren sind. Die benutzte Kohle kann durch bloßes Liegen an der Luft, d.h. durch Oxydation der von ihr aufgenommenen Bestandtheile wieder brauchbar gemacht werden. Die verschiedenen Kohlenarten sind, wie schon erwähnt worden, in ihrer Absorptionskraft verschieden. Je poröser die Kohle ist, je größer somit ihre Oberfläche ist, um so leichter nimmt sie Riechstoffe auf. Die Holzkohle, besonders die von leichten Hölzern stammende, besitzt in hohem Grade die desodorosirende Kraft. Auf dieser Eigenschaft beruht auch die Anwendung der Holzkohle in unseren Küchen. So werden beim Kochen der Seefische (Stockfische) durch Zusatz von ausgeglühter poröser Holzkohle die sich entwickelnden stinkenden Gase und Dämpfe beseitigt. Fleisch, welches einen fauligen Geruch und Geschmack angenommen hat, kann während des Kochens durch Zusatz von glühenden Holzkohlenstücken davon befreit und wieder genießbar gemacht werden. Eine fast eben so große desodorosirende Kraft besitzt die aus leichtem Torf (Moostorf) erzeugte Kohle. Mit der Zunahme des specifischen Gewichtes und der Dichtigkeit des Torfes steigert sich auch die Dichtigkeit der aus ihr gewonnenen Kohle und mit ihr die desodorosirende Kraft. Die Torfkohle eignet sich vorzugsweise zum Desodorosiren, weil sie neben einer großen Porosität, die eine starke Flächenanziehung bedingt, auch noch einen hohen Aschengehalt zeigt. Letzterer besteht aus Gyps und kohlensauren Erden. Diese Substanzen haben aber schon an und für sich eine desodorosirende Kraft, weßhalb die Torfkohle in dieser Beziehung die Holzkohle weit übertrifft. Wenn man in neuerer Zeit die bei der Jodgewinnung durch Destillation verschiedener Fucus-Arten gewonnene Kohle zum Desodorosiren empfiehlt, so ist dieß begründet, weil diese Kohle gleiche Eigenschaften wie die Torfkohle zeigt. Es möchte jedoch eine allgemeine Anwendung dieser Fucuskohle nicht zu ermöglichen seyn, da eben die Destillation der Fucus-Arten nicht in der Ausdehnung betrieben wird, daß man auf eine große Menge dieser Kohle fest rechnen kann. Die Torfkohle kann dagegen in unbegrenzter Menge erzeugt werden. Die dabei abfallenden Destillationsproducte sind so werthvoll, daß dadurch die Kosten mehr als gedeckt werden. Ferner ist die Form der Torfkohle geeigneter für den Transport; da die Fucuskohle leicht verstaubt und für die Emballage Säcke und Fässer erfordert, was bei der Torfkohle wegfällt. Wird Theer-, Kreosotwasser etc. durch Torfkohle filtrirt, so läuft dasselbe vollständig geruchlos durch. Auch faules mit Wasser verdünntes Blut kann mittelst Torfkohle vollständig geruchlos gemacht werden. Aus diesen Thatsachen geht hervor, daß überhaupt die vegetabilische Kohle vorzugsweise geeignet ist, um stinkende Flüssigkeiten, Latrineninhalt, Fäcalmassen etc. geruchlos zu machen und die Anwendung derselben in dieser Hinsicht sehr zu empfehlen ist. In der That ist man auch in der neuesten Zeit vielfach auf eine derartige Benutzung der Kohle zurückgekommen. Wird die vegetabilische Kohle resp. die Torfkohle mit Kalkpulver vermischt, welches durch Zerfallen des gebrannten Kalkes an der Luft gewonnen worden ist, so besitzt man in diesem Gemisch ein sehr kräftiges desodorosirendes Mittel. Diese Mischung kann auf eine sehr zweckmäßige Weise zur Geruchlosmachung der Nachtstühle und Closets in Hospitälern etc. benutzt werden. Die vegetabilische Kohle hat nicht allein die Kraft zu desodorosiren, sondern sie ist auch ein wahres Desinfectionsmittel, was sich schon aus ihrem Verhalten gegen Schwefelwasserstoff, schweflige Säure, Ammoniak etc. ergibt. Auch hier ist ein Zusatz von Kalk von großem Vortheil. Nicht minder wichtig ist die Kohle in ihrer Anwendung als luftreinigendes Mittel. Wird die Luft z.B. eines Krankenzimmers oder eines von Menschen stark besetzten Raumes durch eine Schicht von vegetabilischer Kohle getrieben, so nimmt dieselbe einen eigenthümlichen Riechstoff auf, welcher an die widerwärtig riechende Menschenatmosphäre erinnert. Wird eine derartig geschwängerte Kohle erhitzt, so tritt dieser Riechstoff wieder hervor und charakterisirt sich dadurch, daß er an den Geruch des menschlichen Schweißes lebhaft erinnert. Ist die Kohle mit Kalk gemischt, so wird auch noch ein großer Theil der Kohlensäure gebunden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Benutzung der Kohle in dieser Hinsicht viel Vortheil bietet und praktisch verwerthet werden kann. Man könnte z.B. dieses Gemisch in eine leicht applicirbare Form bringen, wenn man grob pulverisirte Torfkohle mit Sägespänen und gelöschtem Kalk unter Zusatz der nothwendigen Wassermenge zusammenmischte, aus der homogenen plastischen Masse Formen bildete, welche dem localen Bedürfniß entsprächen, und schließlich dieselben nach dem Trocknen in geschlossenen Retorten ausglühte. Beim letzteren Processe wird durch das Abbrennen der Sägespäne die Masse sehr locker und porös. Es ist selbstverständlich, daß diese Masse sich auch dazu eignet, die Luft bei ihrem Eintritt in Krankensäle zu reinigen. Auch ein Gemisch von frischem Baggertorf und Kalkhydrat, welches man formt und brennt, gibt ein gutes Präparat zur Desinfection. Eine vorzüglich desodorosirende und desinficirende Kraft besitzt ein Gemisch von Kalk, Magnesia und Kohle. Man stellt dasselbe folgendermaaßen dar: Dolomit, ein Doppelsalz von kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia und mehr oder minder großen Beimengungen von Eisenoxyd und Manganoxyduloxyd,Dolomit bildet ganze Gebirgsformationen, z.B. in der Provinz Nassau und Hessen-Cassel. wird in gewöhnlichen Kalköfen gebrannt, alsdann mit Wasser zu einem trockenen Pulver gelöscht und mit 5–10 Proc. pulverisirter Holzkohle resp. Torfkohle vermengt. Dieses Pulver vereinigt alle Eigenschaften und Bestandtheile eines vortrefflichen desodorosirenden und desinficirenden Mittels. Der Düngerwerth der Excremente wird insofern gesteigert, als das durch die Fäulniß gebildete Ammoniak bei Gegenwart phosphorsaurer Alkalien von der Magnesia als phosphorsaure Ammoniak-Magnesia gebunden wird und nicht verdunsten kann. Alle Phosphorsäure wird ebenfalls fixirt und kann ein Verlust durch Auslaugen nicht mehr stattfinden. Gefaulter Urin, welchen man mit diesem Pulver zusammenbringt, gibt seinen ganzen Ammoniak- und Phosphorsäure-Gehalt an die Magnesia ab und das Filtrat enthält keine Spur mehr von diesen kräftigen Düngsubstanzen. Hieraus geht hervor, daß die Natur höchst einfache und überall vorkommende Mittel liefert, wodurch sich große und für das Wohl der Menschen wichtige Resultate erzielen lassen. Es ist ein Fehler unserer Zeit, daß sie bezüglich der Desinfectionsmittel das zunächst Liegende und seit Jahrtausenden Bewährte zu wenig berücksichtigt. So war eine geraume Zeit der Eisenvitriol, das Chlorzink, dann die Manganverbindungen und die Carbolsäure an der Tagesordnung. Man suchte häufig ein Uebel zu beseitigen, indem man ein anderes wieder hervorrief. Namentlich sind es die Zinksalze und die Carbolsäure, welche durch Bodeninfiltration die naheliegenden Brunnen vergiften können. Werden die Chloride von Mangan und Zink zur Desinfection von Latrinen benutzt, so wird stets unter Bildung von Chlorcalcium das Mauerwerk mehr oder weniger angegriffen resp. der Mörtel aufgelöst werden. Das Durchsickern der Flüssigkeit und die Infiltration des Bodens damit wird dadurch nur begünstigt. Die Kohle und der Kalk sind an und für sich ganz unschädliche Stoffe, weßhalb sie in jeder Beziehung als unschädliche Desinfectionsmittel zu empfehlen sind. Der Zusatz von Kohle und Kalk zu den Fäcalstoffen selbst im Ueberschuß äußert eine günstige Wirkung auf die Bodenbestandtheile, indem dadurch einestheils die Alkalien des Bodens löslich gemacht werden und der Verwitterungsproceß begünstigt wird. Alle Metallsalze sind dagegen erfahrungsgemäß mehr oder minder Feinde einer jeden Vegetation. Es wird durch ihre Anwendung der für die Cultur so nothwendige Dünger entwerthet, wodurch schließlich der Bodencultur ein bedeutender Schaden zugefügt wird. Man kann mit positiver Gewißheit annehmen, daß die Auswurfsstoffe sämmtliche mineralische Bodenbestandtheile in der Form enthalten, wie die Pflanze sie zur Assimilation verlangt, und daß man dieselben dem Boden wieder zurückgeben muß, wenn man denselben nicht erschöpfen und die nothwendigen Nahrungsmittel erzielen will. Wird aber der Dünger durch Zusatz von Metallsalzen für die Pflanzen unassimilirbar gemacht, so kann die Pflanze nicht gedeihen. Der Boden repräsentirt in diesem Zustande ein Magazin, aus welchem stets Waaren genommen, aber nicht mehr zurückerstattet werden. Es bedingt somit der Gebrauch der Metallsalze als Desinfectionsmittel die Entwerthung der Excremente und dadurch die des Grundes und Bodens. Der Zusatz von Carbolsäure zum Dünger ist nicht minder von bösen Folgen für die Vegetation; jedoch wird dieser Uebelstand in kürzerer Zeit durch Oxydation und weitere Zersetzung derselben aufgehoben. Die Erfahrung lehrt, daß Felder mit carbolsäurehaltigem Dünger gedüngt dem Keimproceß der Samen feindlich entgegentreten. Man hat vielfach, ehe man dieß kennen lernte, der Qualität des Samens die Schuld beigemessen und erst vergleichende Versuche haben die wirkliche Ursache erkennen lassen. Die Kohle als Absorbens für Farbstoffe, Metalle und Alkaloide. Es ist bekannt, daß die Kohle und namentlich die Thierkohle eine sehr große Verwendung für die Entfärbung von Flüssigkeit gefunden hat. Man darf nur an das Entfärben des Zuckersyrupes, sowie anderer organischer Substanzen in den Laboratorien erinnern. Wird eine Auflösung von essigsaurem Bleioxyd in destillirtem Wasser mit Thierkohle längere Zeit digerirt, so wird die Flüssigkeit entbleit. Die Kohle hat alsdann den größten Theil von Blei als Oxyd aufgenommen und die Flüssigkeit enthält freie Essigsäure. Quecksilber, Wismuth und Kupfer verhalten sich ähnlich. Auch nimmt die Kohle geringe Mengen von Arsen auf. Von dieser Eigenschaft der Kohle wird im Allgemeinen wenig Nutzen in der Technik gezogen; höchstens kommt sie in chemischen Laboratorien zur Geltung, wenn es sich darum handelt, organische Substanzen ohne Anwendung von Schwefelwasserstoff zu entbleien. Die Eigenschaft der Kohle, Alkaloide aufzunehmen, findet ihre Benutzung bei der Darstellung verschiedener Alkaloide und ist auch in der gerichtlichen Chemie von Bedeutung. In vielen gerichtlich-medicinischen Fällen ist es nämlich nicht zulässig, die resultirten gefärbten Flüssigkeiten durch thierische Kohle zu entfärben, weil dadurch möglicherweise vorhandene Alkaloide resp. Gifte entfernt und der Beobachtung entzogen werden können. Andererseits kann jedoch diese Eigenschaft der Kohle in Vergiftungsfällen benutzt werden, um das Gift zu fixiren, dasselbe alsdann aus der Kohle zu extrahiren und auf diese Weise den Nachweis desselben zu ermöglichen. Die Kohle als Antidot. Wenn man die zuletzt erwähnte Eigenschaft der Kohle einer näheren Betrachtung unterwirft, so ist es leicht ersichtlich, daß die Kohle auch als Antidot Anwendung finden kann. Nicht allein sind es Metalle und Alkaloide, welche man durch die Kohle fixiren kann, sondern auch der Phosphor zeigt der Kohle gegenüber ein ähnliches Verhalten. Zur Bestätigung dieser interessanten und wichtigen Thatsache wurden folgende Versuche angestellt. Oleum phosphoratum wurde bei Abschluß der Luft durch trockene Thierkohle filtrirt. Das Filtrat war vollständig phosphorfrei. In physiologischer Beziehung ergab sich Folgendes: Erster Versuch. Eine Taube erhielt am 6. Januar 1870 von Oleum phosphoratum 15 Tropfen, welche 0,03 Grm. (1/2 Gran) Phosphor enthielten. Kurz darauf wurden ihr in trockenen, mit Gummischleim zusammengebackenen Stückchen 4 Grm. Thierkohle beigebracht. Während dieses Beibringens stieg der Phosphordampf aus dem Schnabel der Taube empor. Die Taube bot zu keiner Zeit sichtbare Krankheitssymptome dar und ist bis jetzt am 1. März ganz gesund geblieben. Zweiter Versuch. Am 11. Januar erhielt ein Meerschweinchen Vormittags 30 Tropfen Oleum phosphoratum (0,06 Grm. Phosphor) und kurz darauf 6 Grm. Thierkohle, welche mit Hülfe von Traganth zu 86 Pillen geformt worden waren. In dieser Form läßt sich den Thieren eine große Menge von Kohle am besten beibringen. In den Excrementen des Thieres konnte man anfangs nur Spuren von Phosphor nachweisen. An den folgenden Tagen war dieß nicht mehr möglich. Krankheitserscheinungen traten auch hier nicht auf. Das Thier ist bis jetzt am 1. März in jeder Beziehung ganz gesund geblieben. Dritter Versuch. Um den Beweis zu liefern, daß bei unzureichender Menge des Antidots 30 Tropfen Oleum phosphoratum hinreichen, um ein Meerschweinchen zu tödten, wurde folgender Versuch gemacht. Ein ausgewachsenes Meerschweinchen erhielt am 26. December 1869 Morgens 10 Uhr 30 Tropfen Oleum phosphoratum (0,06 Grm. Phosphor) und 1/4 Stunde nachher nur 0,4 Grm. Thierkohle mit Wasser vermischt. Die am 28. December gesammelten schwarzen Excremente ergaben bei der Mitscherlich'schen Probe einen sehr deutlichen Gehalt an Phosphor. Das Allgemeinbefinden verrieth keine auffallende Störung; nur nahm der Appetit mit jedem Tage mehr ab. Am 30. Dec. verhielt es sich ganz ruhig. Am Abend verfiel es in leichte convulsivische Bewegungen, worauf der Tod gegen 7 Uhr eintrat. Section nach 20 Stunden. Die Leiche fühlte sich sehr weich an; Pupille in mittler Contraction; Gehirnhäute hyperämisch; Plex. ven. spinal. von normalem Blutgehalt. Lungen hellroth; nur der untere linke Lungenlappen ist bläulich-roth gefärbt. Auch das Parenchym ist an dieser Stelle dunkel blauroth, wenig lufthaltig und ziemlich reich an flüssigem dünnem Blute. Die übrigen Partien der Lunge sind lufthaltig und entleeren beim Zusammendrücken einen feinen weißen Schaum. Lungen- und Trachealschleimhaut nicht geröthet. Herz mit flüssigem Blute angefüllt. Dasselbe ist von schmutzig violett-rother Farbe, röthet sich aber an der Luft ziemlich lebhaft. Die Blutkügelchen haben einen ungleichen Rand, sind gekerbt oder granulirt. Die Kerne lassen sich nicht unterscheiden. Das Blut reagirt stark sauer. Der Magen enthielt wenig grünen Brei. Die Schleimhaut desselben war schwarz infiltrirt, dabei aufgelockert und etwas weich. Die Schleimhaut des übrigen Tractus intestinalis zeigte sich nach der äußeren Untersuchung unverändert. Nur der Dickdarm enthielt Kothmassen. Leber gelblichbraun mit vielen graugelben Flecken. Das Parenchym derselben blaßgelb und blutleer. Die Leberzellen vielfältig in Fettkügelchen verwandelt. Die Milz um die Hälfte größer als im Normalen. Nieren hyperämisch; Harnblase leer. Alle Muskeln blaß und weich. Nach der Mitscherlich'schen Methode konnte in der Leber und den Gedärmen, welche zusammen behandelt wurden, unverkennbar Phosphor nachgewiesen werden. Daß dieser Nachweis noch nach 4 Tagen, nachdem die Vergiftung stattgefunden hatte, möglich war, ist dadurch zu erklären, daß die Kohle einen Theil des Phosphors absorbirt und vor Oxydation geschützt hatte. Daß aber der größere Theil davon vollständig oxydirt worden war, bewies die stark saure Reaction des Blutes, auf welche wir noch besonders aufmerksam machen, ohne die Tragweite dieses Befundes hier weiter zu erörtern. Was nun die Wirkung der Thierkohle als Antidot dem Phosphor gegenüber betrifft, so verdient sie gewiß die größte Beachtung. Die Erfahrung muß weiter lehren, in welcher Form und in welchem Quantum sie am geeignetsten anzuwenden ist. Bei Thieren war die Pillenform die beste, welche sich wahrscheinlich auch bei Menschen insofern am besten bewähren wird, als die Kohle in dieser Weise mit der geringsten Menge Wasser in den Magen gelangt und deßhalb ihre Benetzbarkeit für andere Körper um so größer ist. Außerdem hält sich die Thierkohle mit Traganth in Pillenform zusammengebracht Jahre lang unverändert, wodurch sie schon vor vielen anderen Mitteln den Vorzug verdient. v. Bamberg er hat das Kupfer als Antidot des Phosphors empfohlen.Würzburger medicinische Zeitschrift, 1866, Bd. VII S. 47. Daß hierbei immer nur ein Oxyd des Kupfers gemeint seyn kann, versteht sich von selbst. v. Bamberger nimmt an, daß in der reducirenden Kraft des Phosphors den Kupfersalzen gegenüber insofern die günstige Wirkung zu suchen sey, als das niedergeschlagene metallische Kupfer die einzelnen Phosphorpartikelchen umhülle, sie vor Verdampfung schütze und dadurch eine weitere Einwirkung auf den Organismus aufhebe. Prüfe man ein solches Phosphorstückchen mittelst der Scherer'schen Methode, so zeige sich, wenn die Erwärmung 30° R. oder etwas darüber nicht übersteige, selbst nach ein paar Stunden an dem hineingehängten Papierstreifen höchstens eine Spur von Färbung. Bei der Wiederholung dieses Versuches ergab sich Folgendes. Wird ein Stück gewöhnlicher Phosphor an einem Rothkupferdraht befestigt und in eine wässerige Lösung von reinem Kupfervitriol bei gewöhnlicher Temperatur eingehängt, so ist der Phosphor nach 24 Stunden mit einer Kupferschicht umhüllt. Wird das verkupferte Phosphorstück mit kaltem destillirtem Wasser sorgfältig gewaschen und ohne Verletzung der Kupferrinde in ein reines Reagensröhrchen gebracht, in welches man ein trockenes Schönbein'sches Ozonometer-Papier gibt, alsdann lose verkorkt in ein Wasserbad gebracht, welches eine Temperatur von + 25° C. oder 20° R. hat, so ist nach 2 Stunden das Ozonometer-Papier dunkelschwarzblau gefärbt; ein Beweis, daß Phosphor verdampft ist und die Luft im Reagensröhrchen mit Ozon geschwängert war. Es kann daher die Kupferhülle den Phosphor im Thierkörper bei einer Temperatur von 28° R. vor Verdunstung nicht schützen, weßhalb jedenfalls noch eine Einwirkung, wenn auch eine geschwächte, auf den Organismus stattfinden muß. Um das Kupferoxyd in der geeigneten Form dem Organismus einzuverleiben, schlägt v. Bamberger kohlensaures Kupferoxyd, gemischt mit Essigsäure, also eigentlich essigsaures Kupferoxyd vor. Wird jedoch ein organisch-saures Kupferoxydsalz, z.B. essig-, oxal- oder weinsaures Kupferoxyd mit gewöhnlichem Phosphor und Wasser bei Abschluß von atmosphärischem Sauerstoff zusammengebracht, so bildet sich stets zuerst das entsprechende Kupferoxydulsalz neben Phosphorkupfer. Wird die Einwirkung durch Wärme unterstützt, so verschwindet schließlich das Kupferoxydul und der schwarzbraune Niederschlag enthält neben Phosphorkupfer metallisches Kupfer. Ein großer Theil des Phosphors findet sich als Phosphorsäure in Lösung. Ist dagegen das Kupferoxyd mit einer Mineralsäure, z.B. mit Schwefelsäure verbunden, so wirkt der Phosphor auf das Kupfersalz in anderer Weise ein. Es wird schließlich alles Kupfer als reines Kupfer krystallinisch ausgeschieden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch hier die Bildung des Kupferoxyduls vorausgegangen ist, und daß letzteres durch die Einwirkung der freien Schwefelsäure in metallisches Kupfer und Kupferoxyd gespalten worden ist: Cu²O + SO³ = CuO, SO³ + Cu Das gebildete Kupferoxyd wird wieder reducirt. Dieser Proceß wiederholt sich so lange, bis sich durch Spaltung von allem Oxydulsalz kein Oxyd mehr bilden kann, d.h. bis alles Kupfer metallisch ausgefällt worden ist. Aus diesem Verhalten der Kupfersalze ist ersichtlich, daß auch das Kupfer bei Phosphorvergiftung zur Anwendung kommen kann. Da das schwefelsaure Kupferoxyd zugleich ein schnell und stark wirksames Brechmittel repräsentirt, so ist seine Anwendung bei derartigen Vergiftungen um so mehr gerechtfertigt und nutzbringend. Auch auf eine Auflösung von Phosphor in fetten Oelen wirkt eine wässerige Lösung von Kupfervitriol sofort ein, indem sich Phosphorkupfer neben metallischem Kupfer niederschlägt und die Flüssigkeit durch freie Schwefelsäure und Phosphorsäure stark sauer reagirt. Jedenfalls ist aber die Einwirkung des Kupfers auf den Phosphor eine langsamere als die der Kohle, welche stets insofern einen großen Vortheil behalten wird, als sie sofort ohne weitere Zersetzung den Phosphor als solchen angreift und fixirt. Mit Vortheil kann man aber bei der Behandlung einer Phosphorvergiftung zuerst den Kupfervitriol der Kohle zufügen, da beide Substanzen eine fixirende Kraft für den Phosphor besitzen und außerdem das Kupferpräparat als Brechmittel der weiteren Indication, das Gift aus dem Magen zu entfernen, genügt. Kein anderes Brechmittel darf und kann hier substituirt werden, weil unter allen Emeticis nur dem Kupfervitriol allein die Eigenschaft eines Antidots dem Phosphor gegenüber zukommt. Nach stattgehabtem Erbrechen ist alsdann die Kohle für sich allein weiter zu reichen. Da sie in keiner Beziehung nachtheilig einwirken kann, so hat man den großen Vortheil, daß man bei der reichlichen Darreichung derselben niemals einen Nachtheil zu befürchten hat. Möchten weitere Erfahrungen diesen großen Werth der Kohle als Antidot des Phosphors immer mehr bestätigen! Diese Wirkung der Thierkohle läßt sich noch für andere Zwecke benutzen; namentlich könnten alle Arbeiter welche Phosphordämpfen ausgesetzt sind, Nutzen daraus ziehen, wenn sie während der Arbeit einen mit Thierkohle angefüllten Respirator benutzten, welcher ein Luftkohlenfilter repräsentirte. Die Thierkohle ist in dieser Beziehung unzweifelhaft dem von Letheby empfohlenen Terpenthinöl vorzuziehen, da letzteres bei vielen Menschen specifisch einwirkt und namentlich sehr häufig einen unerträglichen Kopfschmerz verursacht. Es würde sich gewiß der Mühe lohnen, hierüber in den betreffenden Fabriken die erforderlichen Versuche anzustellen. Wünschenswerth möchte es ferner seyn, durch weitere Versuche auch über die Wirkung der Thierkohle als Antidot bei Vergiftungen mit Blei, Quecksilber und Alkaloiden genauere Aufschlüsse zu erhalten.