Titel: Maschinen für die Schuhfabrication.
Fundstelle: Band 199, Jahrgang 1871, Nr. CXX., S. 446
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CXX. Maschinen für die Schuhfabrication. Maschinen für die Schuhfabrication. Wie die Anwendung von Maschinen in den verschiedensten Gewerbzweigen immer mehr um sich greift, so hat sie auch in der Schuhfabrication seit einigen Jahren in nicht unbedeutendem Maaße Eingang gefunden, zuerst in den Vereinigten Staaten, dann aber auch in Europa. Die Nähmaschine zur Herstellung der Schuhschäfte, der Anwurf zum Ausstoßen der Sohlen sind in manchen Werkstätten für Schuhfabrication eingeführt worden; brauchbare Apparate, um die schwierigere Arbeit der Befestigung der Sohle am Oberleder zu verrichten, sind in Europa erst in den letzten Jahren in Anwendung gebracht worden. Die Nachahmung des Aufnähens der Sohle mittelst der gebogenen Schusterahle durch eine automatisch wirkende Nähmaschine schien auf unüberwindliche Schwierigkeiten zu stoßen. Eine amerikanische Gesellschaft, die Black sole sewing machine Comp., wendet schon seit etwa 8 Jahren Schuhsohlennähmaschinen an; es sollen solche Maschinen auch in England verbreitet seyn und in den letzten Jahren haben die Vertreter des amerikanischen, Hauses Otto Herz und Comp. in Mainz dieser Maschine auch in Deutschland Eingang verschafft. Mit dieser Maschine können mit Leichtigkeit und Sicherheit in einem Tag die Sohlen von 150 bis 250 Paar Schuhen oder Stiefeln von den verschiedensten Größen oder Dicken aufgenäht werden. Bei dieser Leistungsfähigkeit eignet sich selbstverständlich die Maschine nur für größere Gewerbebetriebe. Die Bedingungen, unter welchen die Verfertiger dieser Maschine dieselbe an Dritte zur Benutzung überlassen, sind ganz eigenthümlich; die Maschine kann nämlich nicht käuflich erworben, sondern bloß gemiethet werden. Bei Uebernahme derselben hat man ein Angeld von 107 Pfd. Sterl. und weiter für die Benutzung pro Jahr eine Miethe von 60 Pfd. Sterl. zu entrichten. Nach Rückgabe der Maschine, welche dem Miether jederzeit freisteht, werden von dem ersten Angelde wieder 80 Pfd. Sterl. zurückerstattet. Das auf dieser Maschine erzeugte Fabricat, in seiner Art vorzüglich, hat den Nachtheil daß die Brandsohle des Stiefels an das Oberleder mit Eisenstiften angenagelt ist und durch eine im Inneren des Stiefels sowohl als auf der Außenseite der Sohle sichtbare Naht schließlich Oberleder, Brandsohle und die eigentliche Sohle mit einander verbindet. Ist diese Naht somit an ihrer Außenseite durchgetreten, so bietet die Erneuerung der Sohle Schwierigkeiten. Fabricate dieser Art kommen vielfach im Handel vor. Einem früher in Amerika ansässigen Deutschen, H. C. Gros aus Giengen a. d. B., ist es gelungen, eine Schuhsohlen-Nähmaschine zu erfinden, welche die seither angewendete Handarbeit vollständig nachzuahmen und zu ersetzen im Stand ist. Seine Maschine arbeitet mit einer stark gekrümmten, halb kreisförmigen Nadel, welche um ihren eigenen Mittelpunkt oscillirt. Die Construction der Maschine gestattet es, daß der Schuh auf den Leisten gesohlt wird, während letzterer bei der ersterwähnten Maschine beim Sohlen herausgenommen seyn muß. Der Schuh kann deßhalb unter dem Sohlen seine Form nicht verlieren. Mittelst dieser Maschine wird zuerst die Brandsohle mit dem Oberleder und dem sogen. Rahmen durch eine Rahmennaht verbunden und dann erst die Außensohle angeheftet und durch eine zweite Naht mit dem Rahmen zusammengenäht. Hier ist also die Verbindung des Oberleders mit der Brandsohle, weil von der Sohle geschützt, der Abnutzung nicht preisgegeben. Nutzt sich aber an der Außensohle die Naht durch das Ablaufen ab, so kann, wie bei allen anderen Rahmensohlen, immer wieder eine neue Sohle an die Rahmen angenäht werden. Diese Maschine kann sowohl die Rahmennaht als die Doppelnaht, sowie die Naht für umgewendete Arbeit herstellen. Hr. Gros hat sich zum Zweck der fabrikmäßigen Herstellung dieser Maschinen mit Hrn. Albert Voigt in Kappel bei Chemnitz in Verbindung gesetzt und wird seine Maschinen von dort aus vertreiben. Eine solche Maschine ist im Musterlager in Stuttgart aufgestellt und wurde kürzlich im Beiseyn einer großen Anzahl württembergischer Schuhfabrikanten in Thätigkeit gesetzt. Sie steht auf einer auf dem Fußboden aufgeschraubten eisernen Säule, der Arbeiter steht daran und leitet den auf dem Leisten aufgespannten Schuh; der Betrieb erfolgt mittelst eines ohne Anstrengung von Hand zu treibenden Schwungrades. Während schon einige Tage vor der öffentlichen Probe die mitgebrachten Schuhe von Hrn. Gros mit Leichtigkeit genäht werden konnten und die Maschine dabei mit Sicherheit functionirte, traten bei der Hauptprobe, bei welcher freilich ein eingeübter Arbeiter die Maschine hätte bedienen sollen, einige Störungen durch Nadelbrüche ein, die sonst äußerst selten vorkommen sollen, was seinen Grund übrigens hauptsächlich darin hatte, daß die von eingeübten Leuten aufgezwickten Schuhe, welche Hr. Gros für die Probearbeit mitgebracht hatte, vorher schon verarbeitet worden waren und nun andere, in einer Stuttgarter Werkstätte, welche mit dieser Arbeit bisher nichts zu thun hatte, gefertigte, verarbeitet werden sollten. Gleichwohl überzeugten sich die Anwesenden, daß mit der Maschine ein großer Fortschritt erzielt ist. Die in Stuttgart aufgestellte Gros'sche Nähmaschine dient zur Fabrication der Rahmenschuhe und vermag so die seither nur von Hand zu verrichtende Arbeit zu ersetzen. Hierzu sind aber zwei den: Princip nach übereinstimmende Maschinen erforderlich. Die eine bis jetzt in Stuttgart ausgestellte sogen. Einstechmaschine macht die umgewendete Arbeit an Damenschuhen, auch näht sie die Brandsohle, Nahmen und Oberleder zusammen. Zum schließlichen Aufnähen der Sohle an den Rahmen ist sodann eine zweite, von ersterer nur wenig verschiedene, sogen. Doppelmaschine erforderlich. Beide Maschinen arbeiten, wie erwähnt, mit einer stark gekrümmten kreisförmigen Nadel, welche um ihren eigenen Mittelpunkt schwingt, und der Schuh wird auf dem Leisten gesohlt, wodurch derselbe seine Form behält. Hierin liegt ein wesentlicher Vorzug gegenüber der oben erwähnten Nähmaschine, welche Schuhe ohne Rahmen näht. Die Vorrichtung der Arbeit für die Maschine ist nahezu dieselbe wie für Handarbeit. Das Aufzwecken erfolgt mit kupfernen Stiften; das Reißen der Brandsohle für die Naht kann von Hand, genauer aber mittelst eines besonderen Canellirmaschinchens bewerkstelligt werden. Bei Beobachtung des Ganges der Maschine konnte man sich überzeugen, daß die Handhabung derselben einen ganz gewandten und aufmerksamen Arbeiter erheischt, daß ihre Leistung dann aber sowohl in quantitativer als qualitativer Hinsicht wenig zu wünschen übrig läßt. Zwei andere Mechanismen für das Besohlen von Schuhen und Stiefeln verdienen hier noch Erwähnung. Die seither bestandene Schwierigkeit des Annähens der Sohlen mittelst Maschinen führte zu dem in Frankreich viel verbreiteten System von Lemercier,Beschrieben im polytechn. Journal, 1861, Bd. CLXI S. 180. bei welchem die Sohlen mit Messingschrauben festgemacht werden. (A. v. Gasteiger in Graz verfertigt diese Maschinen, welche loco Paris 1100 Frcs. ohne Zoll und Fracht kosten, für 300 fl. ö. W. von tadelloser Güte.) In Amerika und Rußland hat man sich begnügt, die Sohlen mit Holznägeln von Hand aufzunageln; auch in Deutschland hat diese Productionsweise Verbreitung gefunden und man erzielt durch dieselbe bei nicht zu dünnen Sohlen eine ganz haltbare Arbeit. Zur ebenso raschen als dauerhaften Ausführung dieser Arbeit ist in neuester Zeit von Amerika aus ein Maschinchen in den Handel gebracht worden, das weiter bekannt und angewendet zu werden verdient, die amerikanische Schuhpflockmaschine (zu beziehen von Biernatzky u. Comp. in Hamburg zum Preis von 75 Thlrn). Das compendiöse Maschinchen ist für Handbetrieb eingerichtet und so leicht, daß es von einem Mann mit der linken Hand gehalten werden kann, während mit der rechten die Kurbel getrieben wird. Der zu sohlende Schuh wird auf einen eisernen Leisten in bequemer Höhe über einem verschiebbaren Stativ aufgestellt. Das Maschinchen wird so auf den Stiefel aufgelegt, daß der daran angebrachte Führer sich am Rand der Sohle befindet und die Maschine mit ihrem ganzen Gewicht auf der Sohle ruht. Bei jeder Kurbelumdrehung des Maschinchens gehen fünf Operationen von statten und zwar bohrt die Ahle ein Loch in die Sohle, ein Messerchen schneidet den Holzstift in passender Stärke und steckt denselben an seinen Platz, der Stift wird in die Sohle eingeschlagen und das Maschinchen schiebt sich weiter für den zweiten Stift. Der Hauptbestandtheil des Maschinchens ist eine Treibstange, welche vom Kopf bis zum Fuß desselben geht und die Ahle und den Pflocktreiber führt; erstere wird durch das Drehen der Kurbel gehoben und durch eine starke Spiralfeder wieder herabgeschlagen; an ihrem oberen Ende ist sie durch zwei starke Muttern mit Unterlagen von Lederscheiben festgehalten, welche als Buffer dienen und die übrige Kraft des Schlages aufnehmen. Das Pflockholz ist an einer Stelle aufgewickelt und an der anderen Seite schräg abgespitzt; es wird während des Arbeitens der Maschine nach und nach vor das Messer gerückt, welches jedesmal die zu einem Stift erforderliche Größe abschneidet. Zum Zuführen dickeren oder dünneren Holzes je nach der Dicke der Sohle sind zwei Zahnrädchen mit 22 oder 26 Zähnen vorhanden. Um die Pflockreihen dem Rande der Sohle näher oder entfernter zu bringen, oder die Entfernung der Pflockreihen zu einander zu reguliren, ist ein besonderer Führer an der Maschine angebracht, dessen Stellung zu der Ahle verändert werden kann. Ebenso gestattet die Maschine, die Entfernung der einzelnen Pflöcke von einander enger oder weiter zu stellen, so daß auf einen Zoll Entfernung je nach Belieben 4 bis 7 Pflöcke eingeschlagen werden können. Man sieht, daß die Maschine für jede Arbeit, sowie für jede Verschiedenheit des Sohlleders paßt und leicht zu handhaben ist. Wie bei allen Maschinen, so ist auch bei dieser einige Uebung erforderlich, um gute und fehlerfreie Arbeit zu erzielen; für den Lernenden ist es rathsam, erst mit der Maschine auf Stücken Sohlleder, die auf einen Leisten gespannt sind, zu operiren, bis er durch Uebung eine vollkommene Handhabung der Maschine erlangt hat. Ein geübter Arbeiter kann mit Leichtigkeit 60 Paar Sohlen pro Tag mittelst des Maschinchens befestigen, während ein anderer Arbeiter nebst einem Lehrling die Vorarbeiten besorgt. (Württembergisches Gewerbeblatt.)