Titel: Ueber die Wiedergewinnung der Weinsäure und Oxalsäure aus den Aetzrückständen und über die Ersetzung des Chlorkalkes durch Chlornatron beim Aetzen türkischrother Gewebe; von Armand Müller in Zürich.
Fundstelle: Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LXIV., S. 227
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LXIV. Ueber die Wiedergewinnung der Weinsäure und Oxalsäure aus den Aetzrückständen und über die Ersetzung des Chlorkalkes durch Chlornatron beim Aetzen türkischrother Gewebe; von Armand Müller in Zürich. Aus dem chemischen Centralblatt, 1871, Nr. 9. Müller, über Wiedergewinnung der Weinsäure etc. aus den Aetzküpen. 1. Wiedergewinnung der Weinsäure und Oxalsäure aus den für türkischrothe Gewebe benutzten Aetz-Küpen. Es gehen jährlich Tausende von Centnern der zum Bedrucken türkischrother Gewebe benutzten, sehr theueren Weinsteinsäure und Oxalsäure als Kalk Niederschläge in der Aetz-Küpe verloren, indem dieselben als unverwendbar, oder wenigstens ohne daß man ihnen größere Aufmerksamkeit schenkt, einfach weggeworfen werden. Der Verf. hat nun in mehreren Druckereien ein auf die wechselnde Zusammensetzung dieses Niederschlages basirtes Verfahren eingeführt, wornach die erwähnten Säuren mit sehr geringen Kosten, und, abgesehen von den gewöhnlichen technischen Verlusten, in nahezu ursprünglicher Menge wieder gewonnen werden können. Es ist allen Kattundruckern bekannt, daß nur dann eine gute Aetzung stattfindet, wenn ein ziemlicher, aber nie für alle Fälle bestimmbarer Ueberschuß von Calciumoxydhydrat in der Küpe vorhanden ist, da sonst leicht das sogenannte „Fließen,“ ein Herausätzen von unbedrucktem Grund, durch schnelle Lösung überschüssiger Säure herbeigeführt, welche dann nicht sogleich im Lösungsmoment neutralisirt wird, eintritt. Dieser schon im Chlorkalk in wechselnder Menge enthaltene und in der Küpe theilweise ungelöste Bestandtheil nun bedingt hauptsächlich die Zusammensetzung des „Niederschlages,“ d.h. der nach dem Aetz-Processe bei ruhigem Stehenlassen der Küpe sich absetzenden weißen schlammigen Masse, welche der Hauptsache nach aus den Kalksalzen der mit den Geweben (oder Garnen) hineingebrachten Säuren besteht. Die Bildung derselben ist daher nur theilweise chemischen Reactionen zuzuschreiben. Wird dieser Niederschlag nun nach einigen Aetz-Tagen schon weggebracht, so ist er weniger reichhaltig an Kalksalzen, als wenn er so lange als möglich (2 bis 3 Wochen) die Reaction mitmacht, wodurch die Küpe in ihren Haupteigenschaften nicht im mindesten beeinträchtigt wird. Das ungelöste Calciumoxydhydrat wird nämlich nach und nach aufgelöst, und es entstehen daraus neue Mengen Salze, indem es zur Reaction verwendet wird. Folgende zwei Analysen, von denen A auf einen Niederschlag, der 5 Tage lang, B auf einen solchen, der 2 Wochen lang in der Küpe war, sich bezieht, zeigen am bestell diesen für die Wiedergewinnung der Säuren sehr wichtigen Unterschied. A. Calciumtartrat (+ 4 aq) 30,49, entsprechend 16,51 Proc. Weinsäure Calciumoxalat (+ 2 aq) 7,08,   3,77    „     Oxalsäure Calciumcarbonat 2,70 Calciumoxydhydrat 59,61 PlumbumoxychlorürDie kleine Menge sogenanntes basisches Chlorblei entsteht aus dem zum Hervorbringen von Chromgelb durch nachheriges Ausfärben der Zeuge in einer Lösung von Kaliumdichromat verwendeten Plumbumnitrates, indem sich etwas überschüssiges salpetersaures Blei während des Aetzens von der Faser loslöst. 0,12 –––––– –––––––––– Niederschlag 100,00, entsprechend 20,28 Proc. Säuregehalt. B. Calciumtartrat 59,31, entsprechend 32,12 Proc. Weinsäure Calciumoxalat 13,83,   7,42    „     Oxalsäure Calciumcarbonat 3,30 Calciumoxydhydrat 23,35 Plumbumoxychlorür 0,21 –––––– –––––––––– Niederschlag 100,00, entsprechend 39,54 Proc. Säuregehalt. Natürlich können die Zahlen obiger Analysen nicht für die mittlere Zusammensetzung aller Niederschläge gelten, weder in Bezug auf das Verhältniß zwischen den Salzen und dem Kalkhydrat einerseits, noch auf dasjenige zwischen Weinsteinsäure- und Oxalsäuregehalt andererseits, indem sich dieß begreiflicherweise nach einer den Ansichten des Coloristen entsprechenden Druckfarben-Mischung richtet. Der letzte der oben erwähnten Niederschläge ist noch nicht der an werthvollen Kalksalzen reichste. Der Verf. verarbeitete voriges Jahr mehrere 100 Kilogrm. von der Zusammensetzung wie folgt: Calciumtartrat 65,5, entsprechend 37,13 Proc. Weinsäure Calciumoxalat 18,1,   9,70    „     Oxalsäure Calciumcarbonat 4,2 Calciumoxydhydrat 11,9 Plumbumoxychlorür 0,3 ––––– –––––––––– Niederschlag 100,0, entsprechend 46,83 Proc. Säuregehalt. Im Allgemeinen schwankt der Gehalt an Kalksalzen zwischen 35 und 60 Procent (25 bis 45 Procent Säuregehalt), wenn der Niederschlag alle 2 bis 3 Wochen entfernt wird. Es repräsentirt folglich jedes Kilogramm einen Durchschnittswerth von wenigstens 1 fl. 50 kr. Wie bekannt, wird bei der Weinsteinsäure-Fabrication das Kalisalz in Kalksalz verwandelt, und letzteres, indem es in Wasser suspendirt wird, mit Schwefelsäure zersetzt. Es liegt jedoch nicht im Zwecke dieser Methode, die entstandene Säure einzudampfen, um sie krystallisiren zu lassen, sondern die erhaltene Flüssigkeit wird direct als Druckfarbe benutzt, indem sie mit passenden Substanzen verdickt wird. Es ist daher vortheilhaft, die gut ausgewaschene Masse nach Zusatz von wenig Wasser, um die Heftigkeit der Reaction etwas zu schwächen, direct mit Schwefelsäure zu behandeln, um so eine concentrirtere Mischung zu erhalten. Das Auswaschen des aus der Küpe herauf geholten Niederschlages geschieht am besten in großen hölzernen, etwas erhöht stehenden Kufen, welche, wenn möglich, so eingerichtet sind, daß Dampf in dieselben strömen kann. Etwa 8 Zoll vom Boden ist eine in einem Thürchen angebrachte Oeffnung zum Ablassen der Waschwässer. Ein 2- bis 3maliges Auswaschen (bei 6° C.) genügt vollständig, um alle anhängenden Stoffe, wie Calciumhypochlorid, Calciumchlorid, Calciumoxydhydrat, Calciumnitrat, Calciumcitrat, zu entfernen. Nach diesen vorgängigen Operationen wird der dicke Teig durch das Thürchen der Kufe nach Wegnahme einer kleinen Probe fortgebracht. Es ist hierauf eine Analyse desselben nothwendig, welche man am besten volumetrisch ausführt. Man wägt 10 Grm. des ausgewaschenen Niederschlages ab, bringt ihn ohne Verlust in ein Becherglas und fügt, nachdem er in viel Wasser suspendirt wurde, nach und nach Normal-Schwefelsäure (d.h. gewöhnliche englische Schwefelsäure von 1,568 spec. Gewicht) aus einer eigens zu diesem Zwecke hergestellten Bürette zu, bis alles Calcium als Sulphat gefällt ist, was durch Chlorbaryum leicht erkannt wird. Die Bürette ist in Grade von je 0,1 Grm. obiger Säure eingetheilt; es entspricht daher jeder derselben einem Kilogrm. Schwefelsäure in Normalstärke, welches 100 Kilogrammen Niederschlag von der Probe-Qualität zuzusetzen ist. Durch Titration mit (gewöhnlicher) Normal-Alkalilösung kann nun auch die entstandene freie Säure leicht bestimmt werden, wenn in der Druckfarbe nur eine Säure, z.B. Weinsäure, angewandt wurde. Nachdem diese Maßregeln getroffen sind, wird der Niederschlag zu je 100 Kilogrm. in eiserne, mit Dampfleitung und Rührapparaten versehene Gefäße gebracht, mit circa 50 Litern Wasser gemengt, und unter Umrühren die nöthige Menge Schwefelsäure nach und nach hinzu gefügt. Es findet einige Kohlensäure-Entwickelung statt. Nach Zusatz von noch 50 Litern Wasser wird die Masse bis zur Homogenität durchgearbeitet und mit Dampf bis zum Sieden erwärmt. Zum Trennen des Calciumsulphats von der Säure werden mit Vortheil kräftige Centrifugen mit eingelegtem Filtrirtuche angewendet. Es konnten auf diese Weise mit viertelstündigem Lauf 95 bis 98 Procent der Säure gewonnen werden. Das specifische Gewicht der so erhaltenen Flüssigkeit richtet sich natürlich nach der im Niederschlage enthaltenen Menge Kalksalze; gewöhnlich zeigte sie am Baumé'schen Aräometer 20 bis 26° (1,159 bis 1,216 specifisches Gewicht). Sie wird nun, wenn sie sich vollständig geklärt hat, auf Schwefelsäure geprüft und diese eventuell durch Baryumtartrat kochend gefällt. Die aus dem basischen Chlorblei durch die Einwirkung der Schwefelsäure entstandene geringe Menge Salzsäure darf vollständig vernachlässigt werden. Die filtrirte Flüssigkeit wird entweder auf oben angegebene Art verwendet, oder man kann durch Eindampfen und fractionirte Krystallisation derselben die Säuren getrennt erhalten. 2. Anwendung des Chlornatrons statt Chlorkalk zum Aetzen der türkischrothen Gewebe. Bedeutend billiger stellt sich diese Methode, wenn zum Aetzen statt Chlorkalk die entsprechende Natronverbindung (Eau de Labarraque) angewendet wird. Dieses Chlornatron entsteht aus klarer Chlorkalkflüssigkeit durch Zufügen von Sodalösung, bis kein Carbonat mehr ausfällt. Beim Aetzen mit dieser Flüssigkeit bleiben die Säuren als Natronsalze gelöst, und es kann daher nach jedem Aetzen durch Zufügen von Chlorkalklösung sowohl die Flüssigkeit in ursprünglicher Qualität und Quantität wieder hergestellt, als auch die Säure als Kalksalz gefällt werden. Mit dieser Flüssigkeit wird auf's Neue geätzt und dieselbe durch Chlorkalk wieder hergestellt. Die gefällten Kalksalze, welche nun kein Hydrat mehr enthalten, werden nach gewöhnlicher Art der Weinsäure-Fabrication verwendet, wodurch natürlich an Schwefelsäure gespart wird. Ein fernerer Vortheil dieser Aetzmethode ist der, daß nach der Action sogleich ein blendendes Weiß erhalten wird, ohne daß das Roth so stark alterirt wird, wie durch Chlorkalk. Es müssen nämlich nach der gewöhnlichen Aetzungsart die Gewebe längere Zeit auf der Wiese liegen oder mit Bleichstoffen behandelt werden, um ein schönes Weiß zu erhalten. Durch beide Manipulationen, von denen erstere im Winter fast gar nicht anwendbar und letztere meist noch Fabrikgeheimniß ist, verliert der türkischrothe Grund bedeutend an Schönheit.