Titel: Ueber eine Nitroglycerin-Explosion, welche in einem Laboratorium vorkam; von Prof. v. Gorup-Besanez.
Fundstelle: Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LXXXVIII., S. 321
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LXXXVIII. Ueber eine Nitroglycerin-Explosion, welche in einem Laboratorium vorkam; von Prof. v. Gorup-Besanez. Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1871, Bd. CLVII S. 289. Gorup-Besanez, über eine Nitrolglycerin-Explosion. Die schweren Unglücksfälle, welche in den letzten Jahren durch Nitroglycerin veranlaßt wurden, sind noch in Jedermanns Gedächtniß. Wenn aber die Gefährlichkeit dieses explosiven Körpers als allgemein bekannt vorausgesetzt werden darf, so sucht man doch andererseits vergeblich nach Angaben über die furchtbaren Wirkungen, welche auch sehr kleine Mengen Nitroglycerin unter gewissen Verhältnissen veranlassen können, und welche diesen Körper viel gefährlicher erscheinen lassen, wie den in den Lehrbüchern der Chemie so sehr betonten Chlorstickstoff. Zur Warnung theile ich nachstehenden, in meinem Laboratorium (in Erlangen) vorgekommenen Fall einer Nitroglycerin-Explosion mit: Einer der Praktikanten stellte eine kleine Quantität Nitroglycerin nach der bekannten Methode dar, und constatirte mehrere der in den Lehrbüchern angegebenen Eigenthümlichkeiten desselben. So wurde bestätigt gefunden, daß das Nitroglycerin, in dünner Schicht flach ausgegossen, sich nur schwierig entzünden läßt und wie Schießpulver theilweise abbrennt. Etwas davon in einer Porzellanschale erwärmt und mit einem brennenden Holzspan berührt, brannte ebenfalls nur mit prasselndem Geräusch ab. Dadurch zuversichtlich gemacht, verfiel der Praktikant (ich hatte eben das Local verlassen) auf den Gedanken, etwa 10 Tropfen des Präparates in einem schmiedeeisernen Kesselchen, wie selbe als Sandbäder verwendet werden, durch eine untergestellte große Gasflamme rasch zu erhitzen. Zuerst ließ sich prasselndes Geräusch vernehmen, gleich darauf aber erfolgte eine furchtbare Detonation. Als ich auf den Knall sofort in das Laboratorium eilte, bot sich mir folgender Anblick dar. Sämmtliche 46 Fensterscheiben eines geschlossenen Arbeitsraumes, in welchem der Versuch angestellt wurde, waren zertrümmert; kaum fand sich ein größeres Stück Glasscherben vor, wie eine Erbse. Das eiserne Kesselchen war zerrissen und ein Theil desselben durch die Fenster des benachbarten Arbeitsraumes förmlich geschossen und einige Fuß davon liegend; der andere Theil war dütenförmig zusammengedreht. Der eiserne starke Träger des Bunsen'schen Lampenstativs war rechtwinkelig abgebogen und zur Hälfte scharf durchgeschnitten, der obere Theil endlich des Bunsen'schen Brenners ebenfalls zerrissen und wie ein Strohhalm ausgefalzt. Von drei anwesenden Personen erhielt durch einen glücklichen Zufall nur die unmittelbar vor dem Arbeitsraume stehende eine leichte Verletzung durch Glasscherben, während die übrigen, aber ebenfalls in unmittelbarer Nähe befindlichen, mit heiler Haut davon kamen. Offenbar war hier der Fall eingetreten, welchen E. Kopp in seiner Abhandlung über Anwendung und Eigenschaften des NitroglycerinsComptes rendus, t. LXIII p. 189; polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXXII S. 237. mit folgenden Worten beschreibt: Läßt man einen Tropfen Nitroglycerin auf eine mäßig heiße Gußeisenplatte fallen, so verflüchtigt er sich ruhig; ist die Platte rothglühend, so entzündet sich der Tropfen unmittelbar und brennt eben so wie ein Pulverkorn ohne Geräusch ab. Wenn dagegen die Platte nicht rothglühend, indessen doch so heiß ist, daß das Nitroglycerin sofort in's Kochen kommt, so zersetzt sich der Tropfen unter Detonation.