Titel: Verwendung von Strohstoff in der Papierfabrication; nach F. G. Hahn.
Fundstelle: Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LXXXIX., S. 322
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LXXXIX. Verwendung von Strohstoff in der Papierfabrication; nach F. G. Hahn. Hahn, über Verwendung von Strohstoff zur Papierfabrication. Der Strohstoff, als feine gebleichte Papiermasse, wurde zuerst in Belgien und England fabricirt und mit Erfolg dort zu guten weißen Papieren verarbeitet; auch deutsche Fabriken bezogen von Belgien gebleichten Strohstoff und verarbeiteten denselben zu Kanzlei-, Schreib- und Druckpapieren, selbst zu gewöhnlichen Briefpapieren. Manche Fabriken sind jedoch davon zurückgekommen, indem der belgische Stoff nicht gleichmäßig gut war und bei der Verarbeitung zu manchem Ausschuß Veranlassung gab. Papierfabriken, welche sich auf die Verarbeitung des belgischen Strohstoffes gut eingerichtet hatten, bezogen denselben trotz seines bedeutend hohen Preises, à Ctr. lufttrocken ab Hamburg für 9 Thlr., und machten dabei noch ein gutes Geschäft in doppelter Hinsicht; einmal vermehrten dieselben ihre Production um 20 bis 30 Proc., ohne ihre Betriebskraft zu vergrößern, andererseits kauften sie einen Stoff welcher sich von Hadern auf 12 bis 14 Thlr. calculirte, bis in die Bütte vor der Papiermaschine gerechnet. Der belgische Stoff wird nach den Mittheilungen, welche Ingenieur Fr. G. Hahn in Potschappel bei Dresden im „Centralblatt für die Papierfabrication“ über diesen Gegenstand gibt, in Pappform versendet, wird in Holländern aufgelöst, in Mischholländern mit Haderstoff gemischt und geht so unmittelbar auf die Maschine. Das Auflösen des Stoffes geschieht aber auf Kosten der Fasern; dieselben werden kürzer und verlieren somit an ihrer Verfilzungsfähigkeit, bei dem Auflösen aber geht der Stoff in seiner Weiße etwas zurück und muß in Folge dessen mit Chlorkalk etwas nachgebleicht werden; somit erhält der Stoff eine zu starke Bleiche und die Faser verliert an ihrer Elasticität. Ein anderer wesentlicher Uebelstand des belgischen Strohstoffes, welchen Hahn bei der Verarbeitung wahrnahm, ist der, daß derselbe nicht knotenfrei war; die Knoten waren zwar nicht im Stoff selbst zu erkennen, zeigten sich aber später im Papier, wenn dasselbe stark satinirt wurde. Die Beschaffenheit dieses Stoffes läßt auf die Fabrication desselben schließen. Nachdem Hahn durch Versuche nicht dahin kommen konnte, die Knoten durch eine mechanische Manipulation zu zerstören, ohne die Faser todt zu mahlen, gelang es ihm, diese Knoten ziemlich (in Stoff fast nicht erkennbar) zu beseitigen, indem er das Stroh auf einem Patentholländer (Centrifugalstoffmühle) mahlen und die Scheiben ganz dicht zusammenstellen ließ; dadurch aber wurde noch immer eine sehr kurze Faser erhalten. Die sich noch zeigenden Knötchen wurden dann bei einer Chlorkalkbleiche anscheinend beseitigt, kamen aber im Papier als feine Pünktchen wieder zum Vorschein. Dieser so erzeugte Stoff hat mit dem belgischen die größte Aehnlichkeit; ein solcher Stoff ist aber todt gemahlen und todt gebleicht, ist nicht im Stand, dem Papier einen soliden Griff und Klang zu geben und neigt sich mehr den Eigenschaften der Baumwolle zu; das Papier wird weich und erhält durch die Satinage nicht den Glanz, welchen es erhalten sollte. Die Herstellung eines guten, festen, faserreichen und knotenfreien Strohstoffes erfordert eine von Anfang bis zum Ende sehr gewissenhafte Arbeit und zerfällt in drei Theile: 1. die chemische Behandlung des Strohes, um dasselbe zu „entkieseln“; 2. die mechanische Manipulation des entkieselten Strohes zur Zerlegung in Fasern; 3. das Bleichen des Stoffes. 1. Die chemische Behandlung des Strohes besteht im Wesentlichen in der Behandlung desselben mit caustischer Lauge und Wasserdampf. Um das Stroh genügend zu entkieseln, kocht man dasselbe unter Einwirkung der caustischen Lauge mit Wasserdampf eine ganz bestimmte Zeit. So einfach dieß nun auch klingt, so waren doch viele Erfahrungen zu sammeln, bevor man alle Einrichtungen treffen konnte, um auf dem möglichst billigen Wege ganz zuverlässig zu operiren. Bei bestimmten Gradgehalten der Lauge und Spannungsverhältnissen des Dampfes gibt es ganz bestimmte Normen, welche zum sicheren Resultat führen. Hieraus geht wohl auch hervor, daß es nicht gut möglich ist, in Einem Kocher bald Hadern, bald Stroh kochen zu können, und daß man sich nicht der Täuschung hingeben darf, in jeder gut eingerichteten Papierfabrik auch ohne Weiteres Strohstoff produciren zu können. Bei der Strohstofffabrication ist es auch wesentlich, sich die caustische Lauge aus Soda selbst zu bereiten; die Erfahrung hat ergeben, daß man sich dieselbe unter Berücksichtigung des hier ganz bestimmten Zweckes billiger erzeugt, als wenn man sie kauft. Besonders günstig würde eine Strohstoffanlage in der unmittelbaren Nähe einer Sodafabrik seyn, wenn man aus derselben sogleich die Mutterlauge verarbeiten kann. Von der vollkommenen und richtigen chemischen Behandlung des Strohes hängt die Güte des Stoffes zunächst ab; ist das Stroh nicht vollständig frei von Kieselsäure, so ist es nicht möglich, eine gleichmäßige Faser zu gewinnen, die Knoten zu entfernen und gut zu bleichen. Wichtig ist es ferner, nicht mit gesättigtem Wasserdampf, sondern mit überhitzten Dämpfen zu kochen. Die Erfahrung hat ergeben, daß das Kochen einer bestimmten Menge Stroh mit gesättigtem Wasserdampf theurer zu stehen kommt, als mit überhitzten Dämpfen, und zwar brauchte man pro 1 Ctr. Stoff an Kohlen bei gesättigtem Wasserdampf 1 1/3 Ctr., bei überhitztem Wasserdampf nur 1 Ctr., wobei außerdem auch an Zeit nicht unbedeutend erspart wird. 2. Der mechanische Theil der Stoffbereitung besteht zuerst darin, daß das gekochte Stroh in geeigneten Vorrichtungen ganz rein ausgewaschen wird. Bleibt ein nur geringer Theil von kieselsaurem Natron in dem Stroh zurück, so gelingt es nicht, den Stoff gehörig weiß zu bleichen. Das rein ausgewaschene Stroh geht nun durch Pumpen und Röhrwerke auf die sogen. Feinmahler, eine Maschine welche für diesen Zweck besonders construirt und für Sachsen und Oesterreich patentirt ist. Das Mahlen des Strohes zu Papierstoff ist für die Brauchbarkeit und Güte des Stoffes von größter Bedeutung. Man kann auf dem hier erwähnten Apparat die Knoten vollständig beseitigen, ohne den Stoff todt zu mahlen, hat auch bei der gehörigen Aufmerksamkeit nicht zu befürchten, einen ungleichmäßigen Stoff zu erhalten. Nothwendig ist es, den Stoff bei dem Verlassen des Feinmahlers immer zu beobachten und kann man durch eine bequeme Stellung sehr leicht den Stoff länger oder kürzer werden lassen. Den Stoff läßt man in Abseihekästen laufen, wo derselbe sein Wasser abgibt, und von da in die Bleichholländer eintragen, in welchen derselbe mit Chlorkalk gebleicht wird. – So einfach nun auch dieser zweite Theil der Strohstofferzeugung erscheint, so ist es doch gerade derjenige, welcher so lange nicht vollkommen gelang. – Zum Betrieb einer guten Strohstofffabrik, welche auf 25 Ctr. Stofferzeugung pro 24 Stunden eingerichtet werden soll, sind 2 Kessel von je 400 Quadratfuß Heizfläche nöthig, von denen der eine zum Kochen, der andere zum Betrieb einer 15 pferdigen Dampfmaschine dient. An Arbeitern sind bei Tage 13, bei Nacht 7 Mann nöthig. Die Herstellung von 1 Ctr. trockenem Strohstoff berechnete sich 1. für eine Fabrik in Böhmen im Jahr 1869 und 2. für eine Fabrik in Schlesien im Jahr 1870 wie folgt: 1. 2. Thlr. Ngr. Pf.       Thlr. Ngr. Pf. Stroh 1 10  – Stroh 1  5 Soda 1 16  8 Soda 1 16 8 Kalk  2  4 Kalk  2 Kohlen 12  – Kohlen 10 Arbeitslöhne  9  – Arbeitslöhne 10 Chlorkalk 1  5  6 Chlorkalk 1  7 8 –––––––––––– –––––––––––– 4 25  8 4 21 6 Das Anlagecapital beläuft sich, excl. Gebäude, auf 15,000 Thlr.; berechnet man hiervon die Zinsen zu 5 Proc., Amortisation zu 10 Proc., Verwaltungs- und Handlungsunkosten, so stellt sich der Preis pro 1 Ctr. lufttrockenen Strohstoff auf 5 1/4 bis 5 1/2 Thlr. Dieses Resultat ist der Praxis und mehrjährigen Erfahrungen entnommen. Die drei übrigen Fabriken, welche nach dem hier beschriebenen System eingerichtet sind, haben fast dieselben hier aufgeführten Resultate erhalten. – Im Allgemeinen stellt Hahn noch folgende Grundsätze auf: Man soll Strohstofffabriken errichten: 1) in stroh- und kohlenreichen Gegenden; 2) in Gegenden welche einen Absatz an nahe gelegene Papierfabriken gestatten, damit der Stoff in nassem Zustand versendet werden kann, ohne durch unnütze Frachterhöhung den Stoff zu vertheuern; 3) jede Papierfabrik, welche in strohreicher Gegend gelegen ist, wird durch die Anlage einer Stofffabrik sich nicht nur einen billigen Stoff erzeugen, sondern sie wird auch mit Aufwendung eines im Verhältniß geringen Capitales ihre Production verdoppeln können; 4) Strohstoff ist nur für gute, weiße Papiere zu verwenden; für geringere thut es der Holzstoff. Zu jeder weiteren Auskunft erklärt sich Hr. Hahn bereit. (Deutsche Industriezeitung, 1871, Nr. 14).