Titel: Ueber J. Stoddard's Vorschlag, betreffend die Concentration von Schwefelsäure mittelst Erwärmens und Durchblasens von atmosphärischer Luft.
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XV., S. 46
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XV. Ueber J. Stoddard's Vorschlag, betreffend die Concentration von Schwefelsäure mittelst Erwärmens und Durchblasens von atmosphärischer Luft. Ueber Stoddard's Verfahren zum Concentriren von Schwefelsäure. In diesem Journal Bd. CC S. 419 (erstes Juniheft 1871) ist nach den Chemical News ein neues Verfahren zur Concentration von Schwefelsäure auf 60° Baumé mitgetheilt, welches von I. Stoddard in seiner Mineralöl-Fabrik zu Uphall (Nordbritannien) angewendet wird und abweichend von der bisherigen Art zu concentriren, darin besteht, daß das Erhitzen der Schwefelsäure in Bleipfannen nicht bis nahe zum Siedepunkte der 60grädigen Säure, sondern nur bis 150° C. erfolgt, hierauf ein Strom atmosphärischer Luft durch die Säure geblasen und währenddem die Temperatur der Säure mit Hülfe der Pfannenfeuerung auf der angegebenen Höhe erhalten wird. Der Siedepunkt der 60grädigen Schwefelsäure (1,7 spec. Gew.) liegt zwischen 190 und 200° C. Man erhält aber unter allen Umständen eine 60grädige Säure, wenn man dieselbe aus den Pfannen mit einer Temperatur von 185 bis 190° C. abfließen läßt. Man hätte also nach Stoddard die Temperatur der Säure um etwa 40° C. weniger zu steigern, als es sonst nöthig ist. Stoddard hat nicht mitgetheilt, welchen Gewinn an Brennmaterial und etwa an Arbeitskraft das neue Verfahren gegen das bisherige mit sich bringt. Bei rationell angelegten Pfannen mit entsprechend versehener Feuerung läßt sich 1 Ctr. 60grädige Schwefelsäure von 50° Baumé ab mit einem Aufwande von 16 bis 18 Pfd. mittelguter Steinkohle herstellen. Freilich ist dem Schreiber dieser Zeilen eine große Zahl von Fällen bekannt, wo man in Folge von mangelhaften Feuerungsanlagen und ungünstiger Aufstellung der Pfannen, auch von zu geringer feuerberührter Pfannenfläche, viel über den genannten Satz — zuweilen über das Doppelte — an Brennmaterial bedarf. Es läßt sich nur mit mancherlei Umständlichkeiten ermitteln, welcher Aufgang an Brennmaterial nöthig ist, um die bereits auf 150° C. erwärmte Schwefelsäure noch weiter auf die Temperatur von 190° C. zu bringen. Das Minus an Kohlen, welches bei der Erwärmung auf 150° C. gegen eine solche auf 190° C. resultirt, würde jedoch keineswegs den Gewinn ausmachen, den das neue Verfahren etwa gegen das bisherige brächte. Zunächst muß die durch die erwärmte Säure zu blasende Luft wenn auch nur schwach comprimirt werden. Auf ihrem Wege durch die Säure wird sich die Luft erwärmen und so allerdings fähiger seyn, sich mit einer größeren Menge Wasserdampf zu sättigen, als dieß in kaltem Zustande möglich ist. Andererseits geht aber die Erwärmung der Luft mit einer Abkühlung der Säure Hand in Hand. Die Wärmeentziehung muß durch ein neues Quantum von Brennmaterial ausgeglichen werden. Ebenso bedarf es zum Durchblasen der Luft selbst einer neuen, bei dem bisherigen Verfahren gar nicht auftretenden Menge von Brennmaterial oder einer derselben äquivalenten Menge von menschlicher Arbeitskraft. Es muß jedoch bemerkt werden, daß die Wärmeentziehung seitens der durchgeblasenen Luft sich, unter gewissen Annahmen, nur ziemlich niedrig herausrechnet. Soll die einmal eingeblasene Luft sich möglichst stark mit Wasserdampf beladen können, so muß ihr Gelegenheit gegeben seyn, sich reichlich mit der Säure zu berühren und zu erwärmen. Dieß setzt eine möglichst hohe Säuresäule, welche die Luft zu Passiren hat, also möglichst große Pfannentiefe voraus. Bei Pfannen, in denen nach der bisher üblichen Weise die Verstärkung der Schwefelsäure auf 60° Baumé vorgenommen wird, geht man mit dem Stande der Säure nicht wohl über 0,35 Meter. Soll Luft durch die Säure geblasen werden, so muß ein solcher Stand als zu niedrig erscheinen. Die Aufstellung von tieferen Pfannen ist aber in mehreren Beziehungen nicht zu empfehlen. Zunächst ist man bei tiefen Pfannen mit hohem Säurestande genöthigt, dem ganzen Boden (da er aus Blei besteht, welches in der Wärme dem Druck der Säure sehr leicht nachgibt) eine Unterlage zu geben, welche häufig, obwohl nicht eben sehr zweckmäßig, aus Platten von feuerfestem Thon, besser aus gußeisernen Platten besteht. Diese Platten sind aber der Transmission der Wärme an die Pfanne und die Säure hinderlich. Sie sind nicht allein Ursache von Zersplitterung von Wärme, indem sie selbstständig für sich Wärme nicht ausschließlich an die Pfanne abgeben und ausstrahlen (was vielleicht nicht viel ausmacht); sie verlangsamen auch die Abgabe der den Feuergasen eigenthümlichen Wärme an die Pfannen und bedingen daher mit Rücksicht auf eine gewisse Leistung an 60grädiger Säure eine größere Anzahl von Pfannen oder eine größere feuerberührte Fläche. Diese Betrachtungen gelten ganz im Allgemeinen für tiefe Pfannen; ebenso auch die folgenden. Die Zerstörung der Bleipfannen bei der Concentration der Schwefelsäure auf 60° Baumé erfolgt fast ausnahmslos, wenn nicht Fehler oder fremde Beimengungen im Blei vorhanden sind, am Boden der Pfanne. Es ist kein Grund vorhanden, warum von zwei Pfannen mit gleicher Bodenfläche diejenige mit größerer Tiefe und höherem Säurestande eine längere Dauer des Bleies zeigen sollte, als die mit geringerer Tiefe. Ich wenigstens habe in dieser Beziehung noch keinen Unterschied wahrnehmen können. Muß man also die Dauer des Bleies bei tiefen und weniger tiefen Pfannen als gleich annehmen, so leuchtet ein, daß man innerhalb dieser bestimmten Dauer eine weniger tiefe Pfanne besser ausnutzt, als eine hohe, weil bei ersterer der Bleiaufwand in den Pfannenseiten viel niedriger ausfällt. Um das Verspritzen von Säure beim Austritt der Luft an die Oberfläche zu vermeiden, werden die Pfannen mit einer Bedeckung oder einer hutartigen Vorrichtung zu versehen seyn. Schon bei gewöhnlichen unbedeckten Pfannen merkt man jedesmal, wenn die Säure etwas zu stark in den Pfannen wird, leicht an der Einwirkung auf die Haut, daß mit den Wasserdämpfen auch Säurepartikelchen davongehen. Hebt man Schwefelsäure mittelst comprimirter Luft und läßt man schließlich nach Entleerung des Monte-acide die comprimirte Luft hinter der Säure im Steigrohr in's Freie nachblasen, so sieht man jedesmal, wenn der Säurestrahl abnimmt und einzelne Luftblasen bereits mit zum Austritt gelangen, wie sich ein mehr oder weniger starker Nebel um das Mundstück des Steigrohres verbreitet, der sich sehr bald durch seine Einwirkung auf Haut, Augen und Nase als aus feinen Bläschen von Schwefelsäure bestehend zu erkennen gibt und sich niedersenkend ausbreitet. Drückt man Luft durch Schwefelsäure in mit Bedeckung versehenen Pfannen, so wird ein ähnlicher Vorgang stattfinden und es wird ein großer Theil von solcher in Form von Bläschen mit fortgerissener Säure mit der Luft, welche abgeführt werden muß, zugleich zum Abzuge gelangen. Nimmt man an, daß sich die durch die Säure geblasene Luft von 0° C. auf 100° C. erwärmt, und sich, letzterer Temperatur entsprechend, vollständig mit Wasserdampf sättigt, so nimmt 1 Kubikmeter Luft 295 Gramme Wasserdampf auf, welcher der erwärmten Säure entzogen wird. Nun wiegt 1 K.M. Luft von 0° C. 1,2991 Kilogrm. und die specifische Wärme der atmosphärischen Luft ist 0,2669. Durch Erwärmung von 1 K.M. Luft von 0° auf 100° C. werden daher der Säure entzogen: 1,2991 . 100 . 0,2669 = 34,67 Wärmeeinheiten. Es mag dahin gestellt bleiben, ob nicht noch ein weiterer Verbrauch an Wärme stattfindet, indem das in flüssiger Form vorhandene Wasser in den gasförmigen Zustand übergeht. Um 1 Kilogrm. Wasser zur Verdampfung zu bringen, sind nach Obigem 1000/295 = 3,39 K.M. Luft durch die Säure zu blasen und die Wärmeentziehung beträgt mithin pro Kilogrm. verdampften Wassers: 34, 67 . 3,39 = 117,53 Calorien. Durch Entfernung von 1 Kilogrm. Wasser aus Schwefelsäure von 50° Baumé erhält man etwa 4,25 Kilogrm. Schwefelsäure von 60° Baumé und der Ersatz an entzogener Wärme pro Kilogrm. 60grädiger Säure wäre sonach: 117,53/4,25 = 27,66 Cal. Man kann nicht sagen, daß diese Zahl sehr zu Ungunsten des in Rede stehenden Verfahrens spricht. Dieß ist selbst noch nicht der Fall, wenn man von ungünstigeren Annahmen ausgeht. Findet die Erwärmung der eingeblasenen Luft nur auf 50° C. statt, so sättigt sich 1 K.M. Luft nur mit 63,6 Grammen Wasserdampf und es sind folglich zur Verdampfung von 1 Kilogrm. Wasser 1000/63,6 = 15,72 K.M. Luft anzuwenden, welche durch Erwärmung auf 50° C. der Säure an Wärme entziehen: 1,2991 . 50 . 0,2669 . 15,72 = 272,52 W.E. Der Ersatz an Wärme pro Ctr. 60grädiger Säure beträgt in diesem Falle 64,1 Calorien. Nach einer ganz gleichen Behandlung will Stoddard die Schwefelsäure in Bleigefäßen selbst bis auf 66° Baumé abdampfen, wobei der einzige Unterschied in dem Verfahren eintritt, daß die Säure bis auf 260° C. erwärmt werden muß. Man muß hier billig fragen, ob die Bleipfannen bei dieser Temperatur von 66grädiger Säure nicht rasch zerstört werden und ob die so dargestellte starke Schwefelsäure nicht so bleiisch ausfällt, daß sich ihrem Absatz Schwierigkeiten entgegenstellen, die sich in den meisten Fällen nicht bewältigen lassen. Der Erfinder des in Rede stehenden Verfahrens wird dasselbe ohne Zweifel nicht ohne vorhergegangene Versuche in die Praxis eingeführt haben. Man kann ohne dergleichen Versuche nicht wissen, wie sich in Wirklichkeit die Erwärmung der Luft und die Wasserentziehung seitens derselben gestaltet. Der Verfasser, welcher solche Versuche nicht gemacht hat, wollte hiermit nur die Bedenken mittheilen, welche dem Verfahren entgegengesetzt werden können, wenn man weiter Nichts darüber erfährt, als was die kurze, in diesem Journal aus den Chemical News mitgetheilte Notiz enthält. Würden diese Zeilen veranlassen, daß weitere Details über das Verfahren, insonderheit die Resultate desselben und der Gewinn gegen die bisherige Manipulation, zur Veröffentlichung kämen, so wäre ihr Zweck erreicht und ohne Zweifel dem Wunsche Vieler genügt, welche diesseits des Meeres sich dafür interessiren. Freiberg in Sachsen, Juni 1871. Friedr. Bode.