Titel: Ueber die Knochenkohle der Zuckerraffinerien; von Dr. Wallace.
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XLV., S. 159
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XLV. Ueber die Knochenkohle der Zuckerraffinerien; von Dr. Wallace. Aus Sugar Cane durch Sucrerie indigène, 1871, t. V p. 261, 297, 318. Wallace, über die Knochenkohle der Zuckerraffinerien. Die Znsammensetzung der Knochenkohle wechselt nicht unerheblich je nach der Natur der Knochen woraus sie dargestellt ist. Diejenige der besten, aus frischen, in Haushaltungen gesammelten Knochen bereiteten, läßt sich ungefähr durch folgende Zahlen darstellen: Kohlige Substanz 11,0 phosphorsaurer Kalk und Magnesia 80,0 kohlensaurer Kalk 8,0 schwefelsaurer Kalk 0,2 Allalisalze 0,4 Eisenoxyd 0,1 Kieselsäure 0,3 ––––––– 100,0 Der Gehalt an kohliger Substanz wechselt ein wenig nach dem Grade der Kochung welche die Knochen erlitten haben, um Fett und Leim daraus zu gewinnen, sowie nach den einzelnen Theilen der Knochen selbst. Die Knochenkohle enthält ferner meist ungefähr 10 Proc. Wasser. Die „Kohle“ in der Knochenkohle enthält außer eigentlichem Kohlenstoff noch Stickstoff, sowie Wasserstoff. Genaue Zahtenangaben sind mir über dieses Verhältniß nicht bekannt; meine eigenen Versuche deuten darauf hin, daß dasselbe in der Raffinerie stets abnimmt. In einem Muster Knochenkohle fand ich nicht weniger als 1,55 Proc. Stickstoff auf 8,5 Proc. kohlige Substanz; in einem anderen 1,08 Stickstoff auf 9 Proc. kohliger Substanz. Im Allgemeinen kann man wohl annehmen, daß in neuer Knochenkohle der Stickstoff 1/10 der gesammten Menge „Kohle“ ausmacht. In alter Knochenkohle fand ich auf 15 und 17 Proc. „Kohle“ bezüglich 0,3 und 0,55 Stickstoff. Ob der Stickstoff bei der Entfärbung eine wesentliche Rolle spielt, ist noch nicht ausgemacht, aber es ist sicher, daß nur solche Kohle eine gute Wirkung ausübt, welche von stark stickstoffhaltigen Substanzen herrührt. Die Wasserstoffmenge ist sehr gering; ich fand in einer Probe neuer Kohle nur 0,034 Proc. Neue Kohle enthält auch Spuren von Ammoniak und zwar häufig in Form von Schwefelammonium; dieses kann ebenso wie das in zu stark geglühter Kohle vorkommende Schwefelcalcium den Säften schädlich werden. Sorgfältiges Waschen ist ein sicheres Hülfsmittel. Das Volumen welches ein bestimmtes Gewicht Knochenkohle einnimmt, ist verschieden und bildet ein wesentliches Merkmal für die Qualität der Kohle. Eine Tonne neuer Kohle (1016 Kilogrm.) nimmt trocken den Raum von 47 bis 55 Kubikfuß (1,333 bis 1,560 Kubikmeter) ein. Alte Kohle nimmt einen weit geringeren Raum ein, nämlich nur 40, 35, 30, selbst 28 Kubikfuß (1,135 bis 0,794 Kubikmeter). Es nimmt in der That die scheinbare Dichtigkeit der Knochenkohle mit dem Alter zu, bis sie fast das Doppelte von der ursprünglichen beträgt. Die absolute oder wirkliche Dichtigkeit dagegen ist nur wenig bei alter und neuer Kohle verschieden. So z. B. ist die wirkliche Dichtigkeit einer neuen Kohle, welche scheinbar eine solche von 0,71 hat, 2,822; die einer alten Kohle von 1,03 scheinbarer Dichtigkeit ist 2,857, also nur wenig höher. Berechnet man die Dichtigkeit aus den Bestandtheilen der Knochenkohle, so findet man nahe übereinstimmende Zahlen. Ich habe nun gefunden, daß die Knochenkohle beim Gebrauche durch die wiederholten Glühungen rasch an Volumen abnimmt, ohne daß ihre wirkliche Dichtigkeit eine Veränderung erleidet. Daraus folgt offenbar, daß beim Glühen die Poren sich verkleinern, daß mithin die neue Kohle poröser als die alte ist, und daß also die scheinbare Dichtigkeit der Kohle dem Raffinadeur einen sicheren Anhaltspunkt für deren Werthschätzung liefert. Eine weitere hieraus, sowie aus directen bestätigenden Experimenten zu ziehende Folgerung ist die, daß man die Kohle, deren Wirksamkeit man möglichst erhalten will, nur möglichst schwach glühen soll, um ihre Porosität möglichst wenig zu verändern. Das Bestreben, das Glühen ganz zu umgehen, erscheint demnach vollkommen gerechtfertigt. Indessen ist die Hitze nicht die alleinige Ursache der Zunahme der Dichtigkeit der Knochenkohle. In vielen Raffinerien nimmt der Gehalt an Kohlenstoff allmählich zu, so daß Knochenkohle welche anfangs 9 bis 10 Proc. Kohlenstoff besaß, nach 2 — 3jährigem Gebrauche auf 14, 15, ja selbst 21 Proc. gestiegen ist. Natürlich stammt dieser Kohlenstoff aus organischen, aus den Zuckerlösungen absorbirten Substanzen; er setzt sich innerhalb der Poren während des Glühens ab und muß daher die Porosität und mithin die Wirksamkeit der Kohle vermindern. Eine solche sehr wesentliche Benachtheiligung hat man also möglichst zu vermeiden, und das Beispiel mancher Raffinerien zeigt, daß dieß allerdings möglich ist; denn in einigen nimmt der Kohlenstoffgehalt nicht zu, in anderen sogar sehr schnell ab, so daß er auf 2–3 Proc. sinkt. In letzteren Fällen liegt jedoch ein Fehler in der Widerbelebungsarbeit vor, indem entweder Luft in die Kühlröhren tritt, oder die Glühhitze zu hoch gesteigert wird. Werden diese beiden Fehler aber vermieden, so muß nothwendig der Kohlenstoffgehalt zunehmen, es sey denn, daß alles Absorbirte durch reichliches Waschen mit kochendem Wasser oder gar (was gewiß noch empfehlenswerther wäre) durch Auskochen entfernt worden ist. Hierdurch erreicht man außerdem noch die Wiederentfernung der salzigen Verbindungen aus der Kohle, unter denen namentlich der Gyps einen sehr nachtheiligen Einfluß ausüben kann. Die Entfernbarkeit des Gypses hängt übrigens hauptsächlich von der Natur des verwendeten Wassers ab. Ist dieses selbst gypshaltig, so kann der Gypsgehalt der gebrauchten Knochenkohle bis auf 2 Proc. anwachsen. Ist das Wasser reich an kohlensaurem Kalk, so kann sich dieser in solcher Menge in den Poren der Knochenkohle ablagern, daß diese ganz unbrauchbar wird. Die Absorptionskraft der Kohle wird bei der Zuckerraffinerie hauptsächlich gegenüber den Farbstoffen benutzt, doch absorbirt die Kohle aus dem Zucker auch noch andere Substanzen, wie Pflanzeneiweiß, eine Gummiart u. s. w., welche man unter dem Namen Extractivstoffe zusammenfassen kann. Daraus folgt, daß wenn man den Zucker durch schweflige Säure, Ozon, Chlor oder dergl. bleichte, dennoch die Anwendung von Knochenkohle nicht zu umgehen wäre. Auch nicht unerhebliche Mengen Eisen werden von guter Kohle aufgenommen und so die Syrupe davon befreit. Der Bestandtheil der Knochenkohle, welcher diese Wirkung ausübt, ist der stickstoffhaltige Kohlenstoff im Zustande der außerordentlichen Vertheilung und Porosität, wie er mit etwa seinem zehnfachen Gewicht phosphorsaurem Kalk die Hauptmasse der Knochenkohle ausmacht. Außerdem ist es noch der kohlensaure Kalk, welcher einen bemerkbaren Einfluß auf den Gang der Filtration ausübt. Er neutralisirt zunächst die geringe Menge freier Säure, welche in allen Colonialzuckern vorkommt, und außerdem die Milchsäure und andere Säuren welche sich während des Absüßens der Filter in Folge einer schwer zu verhindernden Gährung in den Filtern selbst bilden. Knochenkohle welche keinen kohlensauren Kalk mehr enthält, ist hiernach als gänzlich unbrauchbar zu verwerfen. Wenn das Wasser, wie in den Raffinerien von Glasgow und Greenock nur Spuren von kohlensaurem Kalk enthält, so vermindert sich der Gehalt der Kohle an diesem Körper fortwährend bis auf 1½ Proc., unter welches Verhältniß er selten fällt; in gut geleiteten Raffinerien läßt man den Gehalt nicht kleiner werden, obwohl mir auch Kohle vorgekommen ist, welche keine wägbaren Mengen davon enthielt. Schon bei 2½ Proc. können saure Lösungen vorkommen. Wird dagegen sehr hartes Wasser benutzt, so kann der Kalkgehalt der Kohle entweder sehr wenig abnehmen, oder auch wachsen, selbst in beunruhigendem Grade. Der Kalk versetzt alsdann die Poren und man wendet in solchen Fällen verschiedene Mittel an, um ihn zu entfernen. Nach dem alten Verfahren behandelte man die Kohle mit 1–2 Proc. Salzsäure, die durch Wasser verdünnt worden. Die Saturation war aber eine unvollkommene, da die äußere Schicht zu viel, das Innere der Kohle zu wenig Säure erhielt. Eine wesentliche Verbesserung ist das Verfahren von Beanes, welches auch vielfach Anwendung gefunden hat; es besteht in der vollständigen Sättigung der trockenen Kohle mit trockener gasförmiger Salzsäure, worauf man den Ueberschuß an der Luft entweichen läßt und das Chlorcalcium auswäscht. In Raffinerien mit weichem Wasser wäre dieses Verfahren ein Fehler, da die vollständige Entfernung des Säureüberschusses immer schwierig bleibt. Eine andere Methode der Salzsäure-Anwendung ist von Gordon vorgeschlagen worden; nach derselben wird die Knochenkohle in einem großen cylindrischen Kessel luftleer gemacht und dann aus zahlreichen Oeffnungen verdünnte Salzsäure zuströmen gelassen. Man kann in dieser Weise eine genau bestimmte Menge Säure in sehr gleichmäßige Berührung mit der Kohle bringen, während man bei dem Beanes'schen Verfahren stets einen Ueberschüß anwenden muß. Diese und ähnliche Verfahren haben gute Resultate geliefert, wenn man die neue Kohle darnach behandelt; wenn man aber die neue Kohle nicht für sich anwendet, sondern in Mengen von 5–10 Proc. der alten zumischt, so ist die Säuerung eher schädlich als nützlich. Die besten Klärsel werden erhalten, wenn die Kohle etwa 3 bis 3½ Proc. kohlensauren Kalk enthält. Wenn der producirte Zucker (crushed sugar) eine schöne gelbe Farbe hat, wie dieß meist nach Zusatz von viel neuer zu alter Kohle der Fall ist, so ist dieß ein Beweis für die Gegenwart von etwas Alkali; wenn aber der Zucker bei Anwendung von alter und ziemlich kalkfreier Kohle mehr oder weniger grau aussieht, so schmeckt er unangenehm sauer und enthält stets Spuren von Eisen. Die Knochenkohle besitzt aber auch eine für die Raffinerie sehr unangenehme Eigenschaft, nämlich die, oxydirend zu wirken. Wenn man Kohle mit Wasser digerirt, welches oxydirbare Stoffe enthält, oder wenn man solches Wasser durch Kohle filtrirt, so wird das Wasser durch Oxydation der fremden Stoffe reiner (und daher gesünder). In ähnlicher Weise wirkt die Kohle auf die verdünnten Lösungen welche beim Absüßen der Filter gebildet werden. Hierbei werden die aus den Klärseln absorbirten stickstoffhaltigen Substanzen oxydirt und umgeändert, und bewirken dann eine Art Gährung, als deren Folge Zucker verschwindet und Milchsäure, sowie auch andere Säuren auftreten. Die Waschwässer werden dadurch verunreinigt und wirken auf die Kalk- und Eisensalze der Kohle ein, wodurch mancherlei schädliche Folgen unausbleiblich werden. Dieser Theil der Zuckerraffinerie erheischt besondere Aufmerksamkeit; zur Vermeidung der angedeuteten Nachtheile gibt es ein sicheres und einfaches Mittel: Man soll die Temperatur des Syrupes in den Filtern auf mindestens 65,5° C. erhalten, was zur Abhaltung einer jeden Gährung hinreichend ist, und dann das Absüßwasser ganz kochend anwenden. Befolgt man diese Vorschrift, so wird man niemals aure Flüssigkeiten und niemals Eisen in den Nachproducten haben. Man wäscht am besten 10–12 Stunden mit kochendem und nicht mit kaltem Wasser aus, oder man kocht gar die Kohle aus. Der Zweck des Ausglühens der gebrauchten Kohle ist der, die geringe Menge organischer, durch das Absüßen nicht entfernter Substanz zu verkohlen. Dieß muß in ökonomischer Weise, d. h. ohne zu hohen Brennmaterialverbrauch und zugleich so geschehen, daß die entstehenden gasförmigen Producte entweichen können und die Kohle keiner allzuhohen Temperatur ausgesetzt wird, wodurch ihre Poren zusammengezogen würden. Man unterscheidet zweierlei Glühöfen: solche mit verticalen Röhren und solche mit horizontalen, sich drehenden Retorten. Die erstere Art ist die verbreitetste; diese in ihrer Einrichtung hinreichend bekannten Oefen haben mehrere Mängel. Die feuchte, über den Röhrenöffnungen liegende Kohle verhindert das Entweichen der beim Verkohlen sich bildenden Gase; man sieht daher oft an undichten Stellen brennende Gase entweichen und beobachtet auch wohl Beschläge von Ammoniaksalzen. Außerdem ist man genöthigt, eine zu hohe Temperatur anzuwenden, da sonst das Wasser nicht vollständig entweichen könnte. Darin eben liegt der Fehler dieser Oefen, daß man Trocknen und Glühen in einer einzigen Operation vereinigen will. Die größte Hitze wäre eigentlich da erforderlich, wo noch das meiste Wasser zu verjagen ist (also im oberen Theil der Röhren), während bei diesen Oefen das Umgekehrte geschieht. Indessen muß zugegeben werden, daß der Ofen dennoch gute Dienste leistet und daß er, verbessert, wie er fähig ist verbessert zu werden, ganz vorzüglich seyn würde. Man brauchte nur dafür zu sorgen, daß die Gase und Dämpfe durch eingehängte knieförmig gebogene, unten offene Röhren von oben nach unten abzögen oder abgesaugt würden, Gordon hat sich eine solche Einrichtung patentiren lassen, und sie ganz vortrefflich befunden. Auch kann man, wie dieß ebenfalls schon ausgeführt worden ist, die Kohle, ehe sie in die Röhren kommt, ganz oder theilweise trocknen. Endlich können die Kühler verlängert oder auch mit äußerer Wasserkühlung versehen werden. Wenn an den Röhrenöfen alle diese Verbesserungen angebracht würden, könnten sie den Vergleich mit allen anderen aushalten welche mit größeren Ansprüchen auftreten, und würden dabei die dreifache Arbeit der jetzigen liefern. Man hat auch Oefen (sogen. Chantrell'sche) aus feuerfesten Steinen construirt; ich sehe aber nicht ein, welchen Vortheil sie vor den eisernen haben könnten, jedenfalls erheischen sie mehr Brennmaterial. Zu den Oefen der zweiten Art gehören die von Cowan, Torr, Bringe, Gordon, Norman und andere. Derjenige von Cowan ist der einfachste, aber auch der mangelhafteste; er besteht aus einem einfachen horizontalen Cylinder, welcher halb mit Kohle gefüllt ist und sich in einer Feuerung dreht, bis keine Dämpfe mehr entweichen, worauf er stillgestellt und die Kohle in eiserne Kästen entleert wird. Es wird viel Kohle verbrannt und eine sehr ungleiche Arbeit geleistet. Auch die Benutzung zweier Cylinder statt eines hat dem Ofen keine bessere Aufnahme verschaffen können. Bei dem Gordon'schen System wendet man zwei Cylinder zum Trocknen und sehr enge Röhren zum Glühen an, welches in wenig Minuten beendet ist. Indessen hat eine Reihe von Versuchen Gordon die Ueberzeugung verschafft, daß bei jeder denkbaren Einrichtung der drehenden Retorten stets die Abnutzung der Kohle eine solche ist, daß die Einrichtung daran scheitert. Er hat daher eine andere Construction angenommen, welche in einer Combination von weiten Röhren mit einer geneigten Fläche, oder vielmehr in einer Reihe von Stufen besteht, auf welchen die Kohle getrocknet wird, ehe sie zum Glühen in die Röhren kommt. Dabei ist es gelungen, die entwickelten Gase abzuleiten und auszunutzen; auch arbeitet der Ofen continuirlich und selbstthätig. Der kürzlich patentirte Norman'sche Ofen hat zwei schwach geneigte Retorten, durch welche die Kohle hindurch geht und in gewöhnliche Kühler fällt. Auch sind Rinnen zur Fortbewegung der Kohle und Ableitungsröhren für die Gase vorhanden. Dieses System hat sich praktisch gut bewährt, es bedingt keinen größeren Brennmaterialverbrauch als die Röhrenöfen und erzeugt sehr gute Kohle, aber es bildet sich immer viel Staub. Dieß scheint mir überhaupt ein von den sich drehenden Retorten unzertrennlicher Uebelstand zu seyn, der aber auch für die Raffinerien, welche ohnehin ihre Kohle oft erneuern, nicht so sehr in's Gewicht fallen dürfte. Ich hege die feste Ueberzeugung, daß man bald dahin kommen wird, die Knochenkohle wiederzubeleben ohne eine höhere als die zum Trocknen nöthige Hitze anzuwenden; denn das Glühen allein ist es, welches die guten Eigenschaften der neuen Kohlen vernichtet und sie „alt“ macht. Im Laboratorium ist es nicht schwer, die ursprüngliche Kraft der Kohle wieder herzustellen; weßhalb sollte es in der Raffinerie, wenn man den Verhältnissen Rechnung trägt, nicht ebenfalls möglich seyn?