Titel: Ueber Schulz's kaltes Diffusionsverfahren; Bericht von W. Freyn, technischer Adjunct in Velim (Böhmen).
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. LXIX., S. 262
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LXIX. Ueber Schulz's kaltes Diffusionsverfahren; Bericht von W. Freyn, technischer Adjunct in Velim (Böhmen). Aus dem „Marktbericht,“ Organ für Handel und technischen Fortschritt der landwirthschaftltchen Gewerbe, Juni 1871, S. 184. Freyn, über Schulz's kaltes Diffusionsverfahren. Ich wurde vom Localverein ostböhmischer Rübenzuckerfabrikanten mit dem Auftrage beehrt, einen Bericht über das kalte Diffusionsverfahren zu erstatten, welches in der Zuckerfabrik des Herrn Ritter Horsky v. Horskysfeld in Kolin (Böhmen) eingeführt wurde, und theile im Folgenden mit, was ich in der kurzen Zeit meines Aufenthaltes in Kolin in Erfahrung bringen konnte und was ich überhaupt aus eigener Erfahrung von dieser Methode weiß. In genannter Zuckerfabrik stehen 12 Diffuseure von gewöhnlicher Einrichtung in Verwendung, mit dem Uebersteigen des Saftes von der linken Seite zur Rechten. Es befindet sich daher an jedem Körper ein Ventil zum Ablassen des Saftes aus den Pfannen, ein Wasserventil, ein Ventil des Uebersteigrohres vom nebenstehenden Gefäße, und die Ventile zum Ablassen des Saftes zur Saturation und auf die Pfannen. Jede von den zwei Wärmpfannen steht durch ein aus ihrem Boden gehendes Rohr und zwei an einem Kreuzstützer befindliche Ventile in Verbindung mit den Röhren bei den Diffuseuren, durch welche der Dünnsaft von den Pfannen in die Diffuseure und von diesen in die Pfannen geführt wird, so daß das Abfließen von der Pfanne und das Zufließen in die Pfanne von unten geschieht. Jeder Diffuseur ist mit einem unteren und einem oberen Siebe versehen. Die Methode des Herrn Schulz gründet sich erstens auf ein geringeres Erwärmen des Dünnsaftes in den Pfannen, als es bei dem gewöhnlichen Verfahren der Fall ist, welcher Saft dann nicht direct auf die frischen Rübenschnitzel gelassen wird, und zweitens auf eine eigene Art der Füllung der Diffuseure mit Schnitzeln. Was das Erwärmen des Saftes in den Pfannen betrifft, so gibt Hr. Schulz an, daß es nicht 40–45° R. übersteigen soll, den Wärmegrad welchen er als den zweckmäßigsten nach vielen Versuchen gefunden habe, und den man auch in Kolin am meisten einhält. Das Füllen der Diffuseure geschieht auf eine von der gewöhnlichen ganz abweichende Art. Die Rübenschnitzel werden nämlich ganz trocken eingeschüttet, und erst dann wird auf dieselben Saft geleitet, nicht aber direct von der Pfanne, sondern es wird mit dem Saft aus der Pfanne der Saft aus dem vorangehenden Körper auf dieselben übergedrückt. Behufs dessen wird das Ventil des Uebersteigrohres vom 3. vorangehenden Körper geschlossen, wodurch man zwei gefüllte Körper von der Batterie trennt, welche mit einander durch den Uebersteiger verbunden bleiben. Dann öffnet man am 2. vorangehenden Körper das Ventil welches den Saft von der Pfanne zuführt, und zugleich die Saturationsventile des zu füllenden und des ihm vorstehenden Diffuseurs. Der Saft aus der Pfanne drückt den in dem 2. vorstehenden Körper befindlichen kühleren in das 1. Gefäß, und der aus diesem austretende Saft tritt durch das Uebersteigrohr und das offene Saturationsventil dieses Körpers in das Rohr welches zur Saturation führt, geht durch das offene Saturationsventil des zu füllenden Körpers in dessen Uebersteigrohr und fließt unten in den Diffuseur. Zu gleicher Zeit wird der Saft aus dem 3. vorangehenden Gefäße auf die Pfanne gelassen, so daß aus einer Pfanne der Saft abfließt und in die 2. ein neuer zufließt. Folgendes Beispiel wird dieses erläutern: Es soll das 6. Diffusionsgefäß, in welches die Rübenschnitzel trocken eingeschüttet wurden, mit Saft gefüllt werden. Es wird also das Uebersteigventil am 4. Körper geschlossen und so der 4. und 5. Diffuseur von der übrigen Batterie getrennt. Wird nun am 4. das Saftventil von der Pfanne und die Saturationsventile des 5. und 6. geöffnet, so wird der Saft auf die vorerwähnte Weise in den 6. Körper gedrückt. Zugleich wird der Saft des 3. Diffuseur auf die Pfanne gelassen. Ist das Gefäß mit Saft gefüllt, so wird es mit der ganzen Batterie verbunden und bei normalem Gange des Betriebes so lange unter Druck gelassen, bis in das nächste Gefäß etwa die Hälfte der Rübenschnitzel eingeschüttet ist, worauf der Saft, der 6–14° R. hat, in den Saturateur übergedrückt wird. Der Saft welcher den abfließenden in dem Diffuseur ersetzt und die Schnitzel auslaugt, wird dann auf frische Schnitzel des nächsten Körpers gelassen. Bei einem gewöhnlichen Füllen der Diffuseure mit Schnitzeln dauert das Ueberdrücken des Saftes etwa 1/3 der Zeit des Einschüttens, wenn die Vorwärmpfannen 1° 1′ über den Diffuseuren stehen, wobei die Arbeit rasch und sicher ist. Diese Füllungsmethode bietet unschätzbare Vortheile: 1) ist diese Arbeit nicht so abhängig von der übrigen Manipulation, so daß man die Diffuseurs fort mit Schnitzeln füllen kann, da diese trocken eingeschüttet werden; 2) kommt der erwähnte Dünnsaft nicht direct auf die frischen Rübenschnitzel, sondern er überdrückt den schwereren, kälteren Saft auf dieselben, welcher, weil er von unten einströmt, jede Schichte der Schnitzel gleichmäßig durchdringt, jeden Schnitzel umhüllt, so daß die Bildung von Canälen, welche zur Folge hat daß ganze Klumpen von Schnitzeln trocken bleiben, ganz beseitigt ist, was auch erlaubt daß man das Mengenverhältniß der Schnitzel zum Safte vergrößern kann. Dadurch daß kein bedeutend erwärmter Dünnsaft auf schon theilweise ausgelaugte Schnitzel überhaupt und auf frische Schnitzel insbesondere kommt, wird das Diffundiren unterstützt, denn die Schnitzel werden nicht verbrüht, die Eiweißkörper in den Zellen der Schnitzel coaguliren nicht so leicht, wodurch das Ein- und Austreten der Lösungen durch die Zellwandungen erleichtert wird, und man erhält einen Dicksaft, der viel schwerer und reiner ist, als bei dem gewöhnlichen Diffusionsverfahren, da weniger Farbstoffe, Pektinkörper und Salze diffundirt werden. Die Säfte welche in der Zuckerfabrik des Hrn. R. H. v. H. erhalten werden (bei einer Erwärmung auf 45° R.), sind sehr schön. Der Dünnsaft auf den Pfannen ist durchsichtig, rein und fast vollständig farblos, und hatte bei Verarbeitung besserer Rüben Sacchar. = 4–6 Polar. = 3–5 ––––––––––––––––––––––– Diff. = 1 welches Verhältniß sich jetzt bei schlechteren Rüben so weit änderte, daß die Differenz 1,5 beträgt. Der Dicksaft ist durchscheinend, hellbraun, und hat Sacchar. = 8–10 Polar. = 7–8,5 ––––––––––––––––––––––– Diff. = 1–1,5 resp. 2 Proc. Was den Grad des Auslaugens der Schnitzel betrifft, so polarisiren dieselben nach der dortigen Versuchsweise 0,20–0,80 Proc., wobei die Differenz zwischen Sacchar.-Proc. und Polar.-Proc. sehr bedeutend ist, so daß auf 100 Theile Zucker in den Schnitzeln 400, 500 und noch mehr Theile Nichtzucker entfallen. Ich fand aber auch weniger diffundirte Schnitzel, und halte dafür, daß bei der Veränderung der Güte der Rübe, bei der Veränderung der Menge der Schnitzel im Verhältnisse zur Menge des Saftes, auch die Temperatur des Dünnsaftes verändert, respective erhöht werden muß, denn gewiß wird bei gefrorenen oder welken Rüben ein etwas wärmerer Saft die Schnitzel leichter durchdringen, als ein auf 40–45° R. erwärmter. Freilich erhält man durch das größere Erwärmen einen dunkleren Saft, die Schnitzel werden aber eher und vollständiger ausgelaugt, und das dürfte die vermißte größere Reinheit des Saftes aufwiegen. In Velim versuchten wir es auch mit der Schulz'schen Methode, erwärmten aber auf 60–65° R. den Dünnsaft, der dadurch gefärbt wurde und einen dunkelbraunen Dicksaft lieferte. Dieser Dicksaft hatte im Durchschnitt. 14,00 Sacchar. 11,50 Polar. –––––––––––––– 2,50 Diff. und die Schnitzel waren gewöhnlich sehr gut entzuckert, ohne daß sie vielleicht verbrüht oder gekocht gewesen wären. Sie waren fest und wohl erhalten. Das Erzielen eines so schweren Dicksaftes ist auch ein Vortheil der Schulz'schen Methode, da man viel an Brennmaterial erspart. Freilich lassen sich so schwere Säfte schwerer saturiren, doch werden die neu construirten Kalköfen, welche so viel Kohlensäure liefern, diesen Uebelstand auf ein Minimum bringen. — Zum vollständigen Erproben und Würdigen der Schulz'schen Methode ist mehr Zeit nöthig, als ich diesem Gegenstande widmen konnte, doch erlauben die Vorzüge welche diese Methode aufweist, den Schluß zu ziehen, daß Hrn. Schulz ein Schritt vielleicht zur größten Vervollkommnung des Diffusionsverfahrens gelang, und gewiß werden demnächst alle Zuckerfabriken welche auf Diffusion eingerichtet sind, es mit der Schulz'schen Methode versuchen, wo dann auch der vortheilhafteste Grad des Erwärmens bei verschiedenen Verhältnissen leichter und besser ermittelt werden kann.