Titel: Schnelltrocknung des Leimes; von Professor Dr. H. Fleck in Dresden.
Autor: Hugo Fleck [GND]
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XCI., S. 364
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XCI. Schnelltrocknung des Leimes; von Professor Dr. H. Fleck in Dresden. Fleck, über Schnelltrocknung des Leimes. An den Verfasser ergangene Anfragen, die Conservirung und Trocknung der frischen Leimgallerte betreffend, wurden die Veranlassung zu einer Reihe von Versuchen und im großen Maaßstabe ausgeführten Arbeiten, deren Resultate in Folgendem der Oeffentlichkeit übergeben werden sollen, um der Praxis Gelegenheit zu geben, die letzteren in ihrem Interesse zu verwerthen. Es ist eine bekannte Sache, daß gewisse Salze, und auch absoluter Alkohol, den Leim aus seiner Auflösung abscheiden. Diese Ausscheidung des Leimes beruht aber nicht auf einem Unlöslichwerden desselben in Wasser, sondern auf einer einfachen Wasserentziehung oder, was allerdings paradox klingt, auf einer Austrocknung auf nassem Wege. In dieser Weise entwässernd wirken vor allen Dingen: schwefelsaures Ammoniak, Bittersalz, unterschwefligsaures Natron, Glaubersalz, Zink-, Eisen-, Kupfer-, Manganvitriol, Alkohol. Ausgeschlossen von dieser Wirkung sind: Kochsalz (überhaupt alle Chloride), Salpeter und salpetersaure Salze im Allgemeinen, Potasche, Soda, Salmiakgeist, Aetzalkalien, Säuren, organische Salze. Der Fabrikant, welcher Dieses liest und sich mit dem Wesen dieser Austrocknung vertraut machen will, wird am Besten folgende Versuche ausführen: 1) Man löst schwefelsaures Ammoniak oder unterschwefligsaures Natron in möglichst wenig Wasser, stellt sich also eine ganz concentrirte Lösung dieser Salze her. Sodann schmilzt man etwas Leimgallerte in einem Gefäß über Dampf oder warmen Wasser, und gießt die Salzlösung hierauf in die geschmolzene Gallerte unter stetem Umrühren mit einem Stäbchen. Der Leim gerinnt sofort, sobald eine genügende Menge Salzlösung zugeführt ist, zu einer elastischen, in der Kälte gummiartigen Masse, welche in dieser geronnenen, d. h. wasserarmen Form nicht mehr fault. Legt man diese ausgesalzene Gallerte in reines Wasser, so quillt sie nach einigen Stunden wieder auf, ohne an Bindekraft irgend welche Einbuße erfahren zu haben. — Schmilzt man die ausgesalzene Masse, welche noch ungefähr 18 Proc. Feuchtigkeit enthält, mit frischer Leimgallerte von 80–90 Proc. Wassergehalt zusammen, so erhält man eine schwerfaulende, leicht lösliche, halbweiche Leimsorte, derjenigen gleich, welche von der Fabrik des Hrn. Stalling in Picschen bei Dresden, als Tuchmacherleim fabricirt und verkauft wird, und in welcher neben 2,5 Procent schwefelsaurem Ammoniak noch 53,5 Procent Wasser enthalten sind. — Das salzhaltige Wasser, aus welchem der geronnene Leim genommen wurde, liefert, wenn es verdampft, das Salz in unveränderter Form, welches man vorher gelöst hatte. — War der Leim oder die Leimgallerte durch Auskochen von Leimgut über freien Feuer dargestellt worden, so daß sich, wie es gewöhnlich geschieht, ein Theil des Leimes zersetzt und in Leimzucker verwandelt hatte, so geht dieser Leimzucker, der die Bindekraft des Leimes beeinträchtigt, in das Salzwasser. Daher kommt es, daß der Leim durch das Aussalzen an Bindekraft nicht nur Nichts verliert, sondern sogar gewinnt. 2) Man verschafft sich einen wasserdichten Holzkasten (Eisengefäße sind zu vermeiden) mit niedrigen Wandungen. Den Boden dieses Kastens bestreut man mit einer etwa 1 Centimeter hohen Schicht von schwefelsaurem Ammoniak, oder Bittersalz, oder unterschwefligsaurem Natron, oder gestoßenem Glaubersalz, breitet darüber ein etwas feuchtes Leinen tuch und legt auf letzteres Leimgallertetafeln, wie man sie auf die Horden legt, überdeckt diese wieder mit feuchter Leinwand, und streut darauf wieder eine Schicht desselben Salzes, das man auf den Boden des Kastens gestreut. Nachdem in dieser Weise vorbereitet der Inhalt des Kastens einige Stunden sich selbst überlassen ist, bemerkt man, wenn man den letzteren etwas schief stellt und an der tiefer liegenden Stelle eine kleine Oeffnung in dem Boden oder der Wand angebracht hat, aus letzterer das Austropfen einer ganz concentrirten Salzauflösung. Nach Verlauf von 12–18 Stunden hört dieses Abtropfen auf. Man entfernt hierauf die obere Leinwanddecke sammt darauf liegenden Salzresten und findet nun die Leimtafeln soweit entwässert, daß sie in der Sonnenwärme, ohne zu schmelzen oder zu faulen, vollends schnell trocken werden und im Winter auf luftigen Böden eben so schnell die letzte Feuchtigkeit verlieren. In dieser Erscheinung liegt die Möglichkeit der ganzjährigen Leimfabrication ohne Anwendung von Trockenräumen oder Vacuumpfannen. Verfolgt man diese Versuche mit der Waage in der Hand, so resultiren folgende Zahlenwerthe: Der ursprüngliche Wassergehalt der Leimgallerte variirt, je nachdem derselbe bei ihrer Darstellung mehr oder weniger verdampft wurde, zwischen 72–93 Proc. Der lufttrockene Leim enthält 12–15 Proc. Wasser, welche er erst bei 80° Reaumur getrocknet völlig verliert. Es sind also durch das Trocknen der Leimgallerte 60–80 Proc. Wasser zu entfernen, um festen, harten Leim zu erhalten. Die Leimgallerte schmilzt je nach ihrem Wassergehalt bei 20–25° Reaumur; längere Zeit bei 18–20° R. erhalten, fängt sie an zu faulen. Bei 0° gefriert dieselbe und verliert an Bindekraft. Enthält die Leimgallerte nur noch 25 Proc. Wasser, so ist sie gummiartig, elastisch, fault nicht mehr, schmilzt erst bei 75–80° R. und kann demnach ohne Gefahr in der Sonnenwärme getrocknet werden; sie gefriert erst bei–3° R., verliert aber beim Gefrieren nicht mehr an Bindekraft. Durch das Aussalzen wird aber der Wassergehalt der Leimgallerte auf 25–30 Proc. herabgebracht. Beim Aussalzen in der Wärme, wie Versuch 1 beschrieben, enthält der Leim nur noch 18 Proc. Wasser. Die Salzlösungen können durch Verdampfen des aus dem Leim aufgenommenen Wassers wieder fest gemacht und das gewonnene Salz von Neuem zur Arbeit des Aussalzens verwendet werden. Mängel des Verfahrens. — Der Leim verliert durch das Aussalzen an Durchsichtigkeit und nimmt ungefähr 3–6 Proc. der Salze in sich auf. Das darin enthaltene Salz wird also als Leim mit verkauft und bezahlt. Wenn nun auch die Bindekraft des Leimes durch diesen Salzgehalt, wie zahlreiche Versuche gelehrt, nicht im Mindesten leidet, so muß doch das Publicum an diesen trüben Leim erst gewöhnt werden. Da aber der russische Leim auch trüb und doch beliebt ist, so kommt es nur darauf an, dem Kinde einen passenden Namen zu geben, um es mit diesem in die Welt einzuführen, und ich empfehle den Namen: Kernleim. Für die Fabrication der weißen Gelatine hat sich das Aussalzen, sowie die Entwässerung mit Alkohol, den man durch Destillation immer wieder gewinnen könnte, nachdem man Gelatinetafeln vorher darin trocknete, nicht bewährt, weil das Product trüb erscheint. Doch haben mich Versuche belehrt daß, wenn man die durch Alkohol entwässerte Gelatine in einen auf 50° Reaumur geheizten Raum bringt und trocknet, dieselbe klar und durchsichtig wird. Vortheile des Verfahrens.— Das Aussalzen des Leimes macht den Fabrikanten von dem Klima unabhängig und gestattet ihm, das ganze Jahr hindurch zu arbeiten. Das Salz welches zum Aussalzen diente, wird bei rationeller Arbeit fast vollständig wieder erhalten. Das Salz welches im Leim bleibt, wird als solcher sehr gut bezahlt, ohne die Bindekraft zu gefährden. Der Leim wird durch das Aussalzen von allen den löslichen Stoffen befreit, welche seine Bindekraft schädigen. Dünne Leimbrühen, welche nicht mehr fest werden, aber noch viel Leim enthalten, werden durch Einschütten eines der genannten Salze entleimt; d. h. der gelöste Leim scheidet sich aus und kann zur Fabrication wieder Verwendung finden, indem man ihn einfach in Wasser aufquillt. Die Calculation muß hier lehren, bis zu welchem Grade der Verdünnung der Leimbrühen der gewonnene Leim noch die Verdampfungskosten der erhaltenen Salzlösung deckt. Hieraus ergibt sich, ob das Aussalzen dünner Leimbrühen eine Ersparniß in der Fabrication bedingt. Die Nähe der Leimfabriken wird durch das Verfahren des Aussalzens für die Adjacenten weniger unangenehm bemerkbar. Welches von den Salzen angewendet werden soll, das wird durch die Lage der Fabrik bedingt. Schwefelsaures Ammoniak liefern die Gasfabriken, Glaubersalz und unterschwefligsaures Natron die Sodafabriken, Bittersalz viele Salinen. Jedes dieser Salze wirkt fast gleich, am langsamsten das Bittersalz, aber der Leim hält davon auch weniger zurück und wird etwas durchsichtiger. Die Vitriole bleiben von der Verwendung ausgeschlossen. Intelligente Fachmänner werden hoffentlich den hier rückhaltslos gegebenen Winken entsprechende Vortheile abzugewinnen wissen.