Titel: Der Kobaltultramarin, ein weiterer Beitrag zur Kenntniß von der Entstehung der Körperfarbe; von Prof. W. Stein.
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. CVII., S. 420
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CVII. Der Kobaltultramarin, ein weiterer Beitrag zur Kenntniß von der Entstehung der Körperfarbe; von Prof. W. Stein. Aus dem Journal für praktische Chemie, 1871, Bd. III S. 428. Stein, über den Kobaltultramarin. Wie ich am Thonerde Ultramarin nachgewiesen habe,Polytechn. Journal Bd. CC. S. 299 (zweites Maiheft 1871). kann eine blaue Körperfarbe entstehen durch das Zusammenwirken innig gemischter schwarzer und weißer Molecüle, d. h. derselben optischen Elemente, welche nur mechanisch gemengt, das Grau erzeugen. Nennt man letztere Mischung eine körperliche, so kann man erstere eine moleculare nennen, und sich vorstellen, daß man im Grau Schwarz neben Weiß, im Blau Schwarz durch Weiß hindurch sieht. Die atomistische Mischung, d. h. die chemische Verbindung in der strengsten Bedeutung des Wortes, wird in vielen Fällen die gleiche optische Wirkung wie die moleculare hervorbringen; es würde jedoch zur Zeit noch zu früh seyn, allgemeine Schlüsse in dieser Richtung machen zu wollen, da manche Erscheinungen vorkommen, die sich auf so einfache Weise nicht erklären lassen. Ich habe deßhalb als zweites Beispiel für meinen oben aufgestellten Satz den Kobaltultramarin gewählt, der, ähnlich wie Lösungen, Legirungen u. m. a., in die Kategorie derjenigen Vereinigungen gehört, welche auf der Grenze zwischen körperlicher und atomistischer Mischung stehen oder einen Mittelzustand beider darstellen, und die ich als moleculare bezeichnet habe. Das Kobaltoxydul (CoO) ist im reinen Zustande „olivengrün“, das Kobaltoxyd (Co2O3) schwarzgrau. Beim schwachen Glühen an der Luft gehen beide in schwarzes Einfach-Oxyduloxyd (CoO, Co2O3), bei starkem Glühen in Vierfach-Oxyduloxyd (4 CoO, Co2O3), welches gleichfalls schwarz ist, oder nach Rammelsberg in ein Gemisch von beiden über. Wenn demnach Kobaltoxydul als Aluminat in einem Ultramarin vorkäme, wie von Manchen angenommen wird, so müßte dieser sich durch eine blaugrüne oder grünblaue Farbe auszeichnen. Man braucht jedoch nur an das Verhalten des reinen und salpetersauren Oxyduls beim Glühen unter Luftzutritt und an die bekannte Löthrohrprobe zu denken, um ein solches Vorkommen für sehr unwahrscheinlich zu halten. Durch die folgenden Versuche, welche theils mein Assistent, Dr. v. Gehren, theils der Stud. Chem. Simon ausführte, beabsichtigte ich, positive Beweise für die Natur des im Kobaltultramarin enthaltenen Oxydes beizubringen. Es wurde dazu eine schon seit mehr als 20 Jahren in der Sammlung des Dresdner Polytechnicums befindliche Probe Ultramarin verwendet, welche sich frei von Arsen erwies, aber außer den Hauptbestandtheilen Kieselerde und merkwürdiger Weise nur Spuren von Phosphorsäure enthielt.Da ich voraussetzen zu dürfen glaubte, daß entweder keine oder mehr Phosphorsäure vorhanden seyn müsse, so wurde der Versuch mehrmals mit dem phosphorsäuresreien Molybdänreagens, jedoch stets mit gleichem Resultate wiederholt. Zuerst wurde versucht, die Anwesenheit eines höheren Kobaltoxydes durch das Auftreten von Chlor bei Behandlung des Ultramarins mit Salzsäure nachzuweisen. Es zeigte sich jedoch, daß derselbe weder durch kochende Salzsäure noch durch Glühen in Salzsäuregas verändert wurde. Nicht einmal concentrirte Schwefelsäure wirkte beim Kochen merklich darauf ein. Eine Reduction durch Wasserstoff zur Ermittelung der Sauerstoffmenge gelang erst bei der Hitze eines Mitscherlich'schen Kohlenröhrenofens. 0,891 zuvor ausgeglühter Ultramarin verloren dadurch schließlich 0,060 = 6,78 Proc. Sauerstoff. Der Glührückstand hatte eine schwarze Farbe angenommen. Auf trockenem Wege läßt sich der Kobaltultramarin zwar durch Schmelzen mit kohlensaurem oder doppelt-schwefelsaurem Natron aufschließen; viel leichter jedoch, und ohne daß Glühhitze nöthig wäre, erfolgt dieß durch Kalihydrat, welches man im Silbertiegel mit wenig Wasser und dem Ultramarin schmilzt und im Flusse erhält, bis die blaue Farbe des letzteren in eine schwarze oder braunschwarze übergegangen ist. Bei stärkerem und längerem Erhitzen bildet sich eine krystallinische Kaliverbindung, indem wahrscheinlich die sogenannte Kobaltsäure (Co3O5) entsteht. Durch Behandlung der Schmelze mit Wasser geht alle Thonerde in Lösung, die man auf diese Weise zugleich am leichtesten und vollständigsten vom Kobalt trennen kann. Das auf dem Filter gesammelte Kobaltoxyd wird auf bekannte Weise als Kobaltmetall vom Kali befreit und nach nochmaliger Reduction als Metall gewogen. Auf diese Art wurde, unter Anwendung eines durch Alkohol gereinigten, von Kieselerde und Thonerde freien Kalis, aus 0,976 frisch geglühten Ultramarins erhalten: I. Kieselerde 0,039 = 4,00 Proc. Thonerde 0,668 = 68,45 Proc. Kobaltmetall 0,203 = 20,80 Proc. Sauerstoff 0,066 = 6,75 Proc. Die in diesem Versuche und durch Glühen in Wasserstoff ermittelten Sauerstoffmengen stimmen sehr gut überein. Für Thonerde und Kobalt wurden in einem anderen Versuche durch Aufschließen mit kohlensaurem Natronkali und Trennung der Thonerde vom Kobaltoxydul mittelst essigsauren Natrons ebenfalls wohl übereinstimmende Zahlen erhalten, nämlich II. Thonerde 68,52 Proc. Kobalt 20,66 Proc. deren Abweichung von den ersteren sich dadurch erklärt, daß die Thonerde etwas kobalthaltig geblieben war. 20,8 Kobalt verlangen nun, 1) um überzugehen in CoO 5,64 Sauerstoff 2) um überzugehen in Co 2 O 3 8,46 Sauerstoff 3) um überzugehen in CoO, Co2O3 7,52 Sauerstoff 4) um überzugehen in 4 CoO, Co2O3 6,58 Sauerstoff Hieraus ist ersichtlich, daß in dem untersuchten Ultramarin ein Gemenge der Oxyde 3 und 4 (ziemlich genau vier Theile des letzteren auf einen Theil des ersteren) enthalten ist, wie es durch Glühen des Kobaltoxyduls an der Luft ebenfalls erhalten wird. Es findet die erwähnte chemische Widerstandsfähigkeit des Ultramarins ihre Erklärung in den bekannten Eigenschaften dieses Oxydes, ohne daß es nöthig wäre, die Annahme einer chemischen Verbindung zu machen, die keinenfalls wahrscheinlich ist. Die Annahme einer nur molecularen Mischung wird übrigens durch einen synthetischen Versuch unterstützt, der sehr leicht gelingt. Hr. Simon erhielt nämlich durch Glühen eines Gemenges von schwarzem, käuflichem Kobaltoxyd und reiner Thonerde blauen Ultramarin. Zu beachten ist bei Ausführung des Versuches nur, daß die Thonerde ganz locker, die Mischung sehr innig ist, und die Erhitzung lange genug und bei lebhafter Rothglühhitze stattfindet.