Titel: Ueber die Sulfosäuren des Anilinblaus; von C. Bulk in Barmen.
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XXII., S. 61
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XXII. Ueber die Sulfosäuren des Anilinblaus; von C. Bulk in Barmen. Bulk, über die Sulfosäuren des Anilinblaus. Die im Jahr 1862 von Nicholson veröffentlichte Methode, das Anilinblau durch Behandlung mit Schwefelsäure wasserlöslich zu machen, ist seit jener Zeit vielfach verwerthet worden. Jahre lang stellte man nach jener Methode ein in Wasser sehr leicht lösliches Product dar; in neuerer Zeit finden sich jedoch im Handel mehrere Arten von wasserlöslichem Blau, die in ihren Löslichkeitsverhältnissen und sonstigen chemischen Eigenschaften von dem früher bekannten Product wesentlich abweichen, gleichwohl der Einwirkung der Schwefelsäure auf Anilinblau entstammen. Die Bedingungen, unter welchen Schwefelsäure auf Anilinblau verändernd einwirkt, hat nun neuerdings C. Bulk in den „Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin“, 1872 Nr. 9, festzustellen und die Producte der Reaction aufzuklären gesucht. Er fand dabei, daß die Schwefelsäure je nach der Intensität der Einwirkung verschiedene Verbindungen zu erzeugen im Stand ist und daß dieselben, wie schon Hofmann und Kekulé angedeutet haben, als Sulfosäuren des TriphenylrosanilinsTriphenylrosalinins anzusehen sind. Bulk hat nicht weniger als vier verschiedene Sulfosäuren des Anilinblaus nachgewiesen und einige derselben unter den im Handel vorkommenden blauen Farbstoffen wiedergefunden. Je nach den Bedingungen, unter welchen man concentrirte Schwefelsäure auf Anilinblau einwirken läßt, erhält man das schwefelsaure Salz, eine Mono-, Di-, Tri- oder Tetrasulfosäure des Triphenylrosanilins. Diese Derivate unterscheiden sich wesentlich in ihren Eigenschaften. Triphenylrosanilinmonosulfosäure. – Wenn man salzsaures Triphenylrosanilin in concentrirte Schwefelsäure unter Abkühlung einträgt, so löst sich der Farbstoff unter Entwickelung von Salzsäuredämpfen mit braunrother Farbe. Diese Lösung in Wasser gegossen, läßt das schwefelsaure Salz des unveränderten Triphenylrosanilins in feinzertheilten blauen Flocken ausfallen. Erwärmt man jedoch die obige Lösung des Farbstoffes in Schwefelsäure und digerirt dieselbe 5 bis 6 Stunden bei 30° C., so erhält man ebenfalls beim Eintragen in Wasser einen blauen unlöslichen Niederschlag; derselbe ist aber nunmehr in Natronlauge mit braunrother Farbe löslich. Es ist die Monosulfosäure des Anilinblaus. Dieselbe stellt in frisch gefälltem Zustand eine dunkelblaue, voluminöse Masse dar, welche auf dem Wasserbad zu prächtig metallglänzenden Körpern eintrocknet. Sie ist eine einbasische Säure, die mit Alkalien in Wasser lösliche, mit Erd- und Schwermetallen schwerlösliche Salze bildet. Ihre Alkalisalze, welche man auf Zusatz der ätzenden Alkalien zu der frisch gefällten Säure erhält, sind in kaltem Wasser schwer löslich, in heißem Wasser lösen sie sich mit wenig intensiver Farbe ziemlich leicht. Das Natriumsalz ist in mehr oder weniger reinem Zustand schon längst unter dem Namen Nicholsonblau oder Alkaliblau bekannt. Man erhält es vollkommen rein, wenn man die Triphenylrosanilinmonosulfosäure mit einer zur Sättigung nicht vollständig ausreichenden Menge Natronlauge digerirt, die Lösung abfiltrirt und eindampft. Bei 100° C. getrocknet ist es eine grauschwarze, in heißem Wasser mit blauer Farbe leicht lösliche amorphe Masse. – Die Lösungen der Salze der Triphenylrosanilinmonosulfosäure sind wenig intensiv gefärbt, die Farbe tritt aber mit überraschender Intensität hervor, wenn man durch Ansäuern der Lösung die Säure frei macht. Wendet man zum Ansäuern Essigsäure an, so bleibt der Farbstoff in der Kälte unverändert, in der Hitze wird er durch Essigsäure, wie durch Mineralsäuren schon in der Kälte, unlöslich gefällt. Wolle zieht aus der heißen wässerigen Lösung, namentlich unter Zusatz von Borax oder Wasserglas, die Salze in farblosem Zustand an, und hält sie so fest, daß sie durch Wasser nicht abgewaschen werden können. Sobald man die so präparirte Wolle in Säure gibt, wird das Salz zersetzt und der Farbstoff tritt mit dem vollen Glanze und großer tinctorialer Kraft hervor. In diesem Falle ist also der eigentlich färbende Stoff die Triphenylrosanilinmonosulfosäure. – Unter dem Einflusse reducirender Agentien verwandelt sich die Triphenylrosanilinmonosulfosäure leicht in das entsprechende Leukanilin. Man erhält dasselbe, wenn man das Natriumsalz mit einem Ueberschuß von Schwefelammonium zwei Stunden lang bei 100° digerirt. Aus alkalischer Lösung fällt Salzsäure das Leukanilin als weißen flockigen Niederschlag, unlöslich in Wasser und Säuren, leicht löslich in Alkalien und Spiritus; durch Oxydationsmittel geht es leicht wieder in die frühere Verbindung über. Die Triphenylrosanilindisulfosäure erhält man stets gleichzeitig mit der nächst höheren Sulfosäure, wenn man die Lösung des salzsauren Triphenylrosanilins in der sechsfachen Menge Schwefelsäure fünf Stunden lang bei 60° digerirt. Diese Lösung in Wasser gegossen, läßt die größte Menge des Farbstoffes in blauen Flocken ausfallen, während nur ein verhältnißmäßig kleiner Antheil in der sauren Flüssigkeit mit schön blauer Farbe gelöst bleibt. Der blaue Niederschlag besteht zum größten Theil aus der Disulfosäure, während das Filtrat die Trisulfosäure enthält. Die Disulfosäure, wenig löslich in Wasser, unlöslich in saurer Flüssigkeit, bildet mit Alkalien schon in kaltem Wasser leicht lösliche Salze. Das Natriumsalz ist in der Praxis unter dem Namen wasserlösliches Blau bekannt. Die Salze dieser Verbindung unterscheiden sich von denen der Monosulfosäure durch größere, von denen der höheren Sulfosäuren durch geringere Löslichkeit in Wasser. Die Salze der alkalischen Erden und Schwermetalle sind zumeist schwerlösliche blaue Niederschläge, die man aus dem Natriumsalz durch Zusatz eines entsprechenden löslichen Metallsalzes erhält. Die Triphenylrosanilintrisulfosäure erhält man aus dem obigen schwefelsäurehaltigen Filtrat der Disulfosäure durch Niederschlagen mit Salzsäure oder Kochsalz. Sie stellt einen in feinen Flocken ausfallenden Schlamm dar, löslich in Wasser und Alkohol, mit Alkalien leicht lösliche Salze bildend. Die Triphenylrosanilintetrasulfosäure ist die höchste Sulfoverbindung, welche man durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Anilinblau erzielen kann. Sie entsteht, wenn man Anilinblau, in der zehnfachen Menge rauchender Schwefelsäure gelöst, einige Stunden bei 140° C. digerirt. Das Digestionsproduct, in Wasser gegossen, liefert eine tiefblaue Lösung, aus welcher die Schwefelsäure durch Digestion mit kohlensaurem Blei entfernt werden kann. Das Filtrat eingedampft, hinterläßt das gesättigte Bleisalz der Tetrasulfosäure des Anilinblaus. Dasselbe kann leicht gereinigt werden, indem man es in wenig Wasser löst und mit Alkohol wieder ausfällt. Die in Wasser mit blauer Farbe leicht lösliche Säure trocknet auf dem Wasserbade zu einer metallglänzenden amorphen Masse ein; sie bildet mit Alkalien in Wasser leicht lösliche Salze, die sich in einem Ueberschuß des Alkalis mit braunrother Farbe lösen. Auch die Salze der Schwermetalle sind sämmtlich leicht löslich in Wasser; das Silbersalz zersetzt sich beim Kochen unter Abscheidung eines Silberspiegels. Die meisten Salze sind in Alkohol fast unlöslich und werden durch denselben aus der wässerigen Lösung gefällt. Seide zieht aus der alkalischen oder neutralen Lösung den Farbstoff nur schwierig, aus der angesäuerten Lösung ziemlich leicht an. Das Leukanilin der Tetrasulfosäure des Anilinblaus erhält man leicht, wenn man das Bleisalz mit einem Ueberschuß von Schwefelammonium vier Stunden lang bei 100° digerirt. Das Leukanilin schließt sich in den Löslichkeitsverhältnissen ganz der normalen Verbindung an, und kann durch Oxydationsmittel leicht in dieselbe übergeführt werden. Sulfosäuren des Anilinvioletts. – Die auffallende Veränderung welche Anilinblau beim Behandeln mit concentrirter Schwefelsäure erleidet, hat man frühzeitig auch schon beim Anilinviolett beobachtet; die Reaction ist aber niemals weiter verfolgt und in der Praxis nur selten verwendet worden, weil die entstehenden Farbstoffe nicht den Glanz und die schöne Farbe der anderen Anilinfarben besitzen. Bulk hat gefunden, daß die Einführung der Sulfogruppen in das Mono- und Diphenylrosanilin etwas schwieriger als beim Blau erfolgt und daß namentlich die Darstellung der Tetrasulfosäure einige Schwierigkeit macht, indem schon lange die Entwickelung von schwefliger Säure beginnt, bevor die ganze Menge des Farbstoffes in die Sulfoverbindung übergegangen ist. Die Sulfosäuren des Anilinvioletts stimmen in ihrem Verhalten zur thierischen Faser und in den anderen physikalischen und chemischen Eigenschaften so genau mit den Sulfosäuren des Anilinblaus überein, daß eine Einzelbeschreibung derselben unnöthig erscheint. (Deutsche Industriezeitung, 1872, Nr. 24.)