Titel: Die conjugirten Punkte der Sammellinsen; von Joh. Müller in Freiburg i. B.
Autor: Joh. Müller
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. LX., S. 191
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LX. Die conjugirten Punkte der Sammellinsen; von Joh. Müller in Freiburg i. B. Mit einer Abbildung. Müller, über die conjugirten Punkte der Sammellinsen. Man weiß allgemein, daß alle Lichtstrahlen die von einem leuchtenden Punkte ausgehen, welcher um mehr als die Brennweite von der Linse entfernt ist, auch in einem Punkte wieder vereinigt werden, vorausgesetzt daß die Krümmung der Linse von der Mitte bis zum Rande nicht bedeutend ist. Die beiden Punkte, der leuchtende Punkt und sein Bild, werden zusammen conjugirte Punkte genannt. Der Abstand des Bildes von der Linse ist eine Function der Entfernung des Gegenstandes von derselben. Bezeichnen wir mit g den Abstand des leuchtenden Punktes O (Object) von der Linse LL, mit b den Abstand seines Bildes J (imago) von derselben, so besteht zwischen g und b die Beziehung b = fg/(g – f) . . . . . 1) wenn f die Brennweite der Linse bezeichnet. Die Ableitung dieser Gleichung findet man in jedem Lehrbuch der Physik und es könnte deßhalb von derselben hier keine Rede seyn, wenn wir nicht über eine bedeutende Vereinfachung dieser Gleichung zu berichten hätten, welche erlaubt den Zusammenhang der Lage der conjugirten Punkte ungemein leicht zu übersehen. Diese Vereinfachung ergibt sich wenn man die Entfernung des Gegenstandes und des Bildes von den Brennpunkten der Linse und nicht ihre Entfernung von der Linse selbst in Rechnung bringt. Textabbildung Bd. 205, S. 192 In vorstehender Figur sey also LL die Linse, F und F' ihre Brennpunkte auf beiden Seiten, O der leuchtende Punkt und J sein Bild. Bezeichnet man die Entfernung des Gegenstandes O von dem auf gleicher Seite der Linse liegenden Brennpunkt F mit G und den Abstand des Bildes J von dem Brennpunkt F' seiner Seite mit B, so ist offenbar       g = G + f und b = B + f. Setzt man diese Werthe von g und b in Gleichung 1), so kommt die ungemein einfache Gleichung B . G = f² . . . . . 2) wenn man also die Brennweite der Linse zur Einheit nimmt, so ist die Bildweite B (auf den Brennpunkt bezogen) der reciproke Werth der Gegenstandsweite G. Es ergeben sich also folgende zusammengehörige Werthe von G und B G B 10000 f 1/10000 f 100 f 1/100 f 10 f 1/10 f 2 f 1/2 f 1 f 1 f 1/2 f 2 f 1/10 f 10 f u.s.w. Wäre also z.B. die Brennweite einer Linse 1 Decimeter, so ergeben sich folgende zusammengehörige Werthe von G und B G B 1000 Met. = 10000 Decimet. 0,0001 Decimet. = 0,01 Millim.   100    „   =  1000       „ 0,001        „       = 0,1       „     10    „   =  100         „ 0,01          „       = 1          „ Darnach übersieht man leicht, daß wenn die Brennweite der Linse nicht viel über 1 Decimet. beträgt, die Lage des Bildes nur um 1 Millimeter verrückt wird, wenn der Gegenstand aus unendlicher Entfernung bis auf 10 Met. Abstand heranrückt. Bei kleineren photographischen Apparaten, welche zur Aufnahme von Landschaften dienen, kann deßhalb auch der Abstand der Bildfläche von dem Linsensystem ein für allemal unverändert bleiben, man hat also bei solchen Apparaten keine Zeit mit Einstellen zu verlieren. Die Gleichung 2) behält ihre Gültigkeit, wenn der leuchtende Punkt O der Linse noch näher liegt als der Brennpunkt, wenn also das Sammelbild in ein virtuelles Bild übergeht. In diesem Falle werden aber die Werthe von G und B in Gleichung 2) negativ.