Titel: Ueber den basischen kohlensauren Kalk in hydraulischen Cementen; von A. R. Schulatschenko.
Autor: A. R. Schulatschenko
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. LXXXVIII., S. 335
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LXXXVIII. Ueber den basischen kohlensauren Kalk in hydraulischen Cementen; von A. R. Schulatschenko. Schulatschenko, über den basischen kohlensauren Kalk in hydraul. Cementen. Im Erhärtungsproceß sowohl der hydraulischen, als der Luft-Mörtel spielt bekanntlich die Kohlensäure eine sehr wichtige Rolle. So vermehrt in den Luft-Mörteln, deren Erhärtungsproceß hauptsächlich im Verdunsten des Kalkhydrates besteht, die Wirkung der Kohlensäure die Festigkeit und Dauerhaftigkeit derselben, indem sie die Bildung eines festen und in Wasser unlöslichen kohlensauren Kalkes hervorruft. Wenn auf der Oberfläche des hart gewordenen Kalk-Mörtels keine unlösliche Schicht von kohlensaurem Kalk wäre, so würde er leicht unter dem Einflusse der atmosphärischen Feuchtigkeit und des Regens aufweichen und sehr bald in einen völlig untauglichen Zustand gerathen. Auf diese Weise bildet die Betheiligung der Kohlensäure beim Erhärtungsproceß des Luft-Mörtels eine wesentliche Bedingung seiner Dauerhaftigkeit. Eine noch wichtigere Rolle spielt die Kohlensäure beim Erhärtungsproceß hydraulischer Mörtel. Die im Wasser schwer löslichen Kalk- und Thonerdesilicate und deren Hydrate, deren Erzeugung eben den Erhärtungsproceß dieser Mörtel ausmacht, bilden sich in der Mehrzahl der Fälle langsam und sind im Wasser, besonders im Meerwasser, nicht völlig unlöslich. Das Meerwasser enthält Salze in Lösung, von denen einige, wie z.B. das Chlormagnesium, in chemische Wechselwirkung mit Kalk- und Thonerdesilicaten treten, hierdurch eben die Bildung der letzteren im hydraulischen Mörtel behindern und folglich dessen Erhärtungsproceß stören können. Aber nicht allein hierauf beschränkt sich der schädliche Einfluß des Seewassers; sogar bereits erhärtete Mörtel können durch Einwirkung von Meersalzen an ihrer Dauerhaftigkeit einbüßen. Neben der Wirkung der Salze kann auch das Wasser selbst, – welches in geringen Quantitäten als eine nothwendige Bedingung der Erhärtung des hydraulischen Mörtels erscheint, indem es Hydrate der Silicate von Kalk und Thonerde bildet, – in großen Quantitäten, als Ursache der Zerstörung erscheinen, da die Silicate des Kalkes und der Thonerde in Wasser zwar schwer löslich, aber nicht völlig unlöslich sind, wie solches Feichtinger und Michaelis Michaelis, über die hydraulischen Kalke, insbesondere den Portlandcement, im Journal für praktische Chemie, 1867, Bd. C S. 257–303. Im Auszug im polytechn. Journal Bd. CXCI S. 287. angeben. Diese schädliche Einwirkung der Seesalze und großer Mengen Wassers, wird durch die Kohlensäure paralysirt. Die Kohlensäure, welche wenn auch in unbedeutenden Mengen immer im Wasser aufgelöst vorhanden ist, verbindet sich wegen ihrer Verwandtschaft zum Kalk theilweise mit freiem, im hydraulischen Mörtel stets vorhandenen Kalkhydrat, – zum Theil mit dem an Kieselerde gebundenen Kalk. In beiden Fällen bildet sich kohlensaurer Kalk, im letzteren jedoch mit Ausscheidung von Kieselerde. Diese Bildung eines völlig unlöslichen kohlensauren Kalkes auf der Oberfläche der Mörtel begünstigt in hohem Grade den Erhärtungsproceß. Indem der kohlensaure Kalk zusammen mit der ausscheidenden Kieselerde und den ungelösten Silicaten eine unlösliche feste, vom Wasser schwer zu durchdringende Schicht bildet, welche den Zutritt großer Mengen von Wasser in's Innere der Massen erschwert, stellt derselbe, nach dem treffenden Ausdruck Rivot's, so zu sagen eine Blendung her, unter deren Schutz die Bildung von Silicat-Hydraten des Kalkes und der Thonerde, welche so wesentlich für den Erhärtungsproceß hydraulischer Mörtel sind, ungehindert vor sich gehen kann. Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß die ganze Bedeutung der Kohlensäure für die hydraulischen Mörtel nur in der Bildung von unlöslichem kohlensaurem Kalk auf der Oberfläche der Massen besteht, welcher zusammen mit Bindestoffen, wie solche die ausscheidende Kieselerde und die Silicate von Kalk und Thonerde sind, nach und nach eine feste und vom Wasser schwer zu durchdringende Kruste bildet. Auch ist es klar, daß zu solchem Zweck die Kohlensäure nicht in den Cementen selbst, aus denen die hydraulischen Mörtel bereitet werden, sondern außerhalb derselben, in dem die Mörtel umgebenden Mittel – in der Luft oder im Wasser – sich befinden muß. Nichtsdestoweniger begegnet man Behauptungen, daß die Anwesenheit von Kohlensäure in den Cementen deren Werth erhöhe. Eine solche Meinung kann man leicht widerlegen, indem man bloß auf die, in den besten hydraulischen Mörteln, wie z.B. in den Portlandcementen enthaltene Menge von Kohlensäure hinweist. So enthält z.B. nach der Analyse: Kohlensäure Hopfgartner's, bester englischer Portlandcement      2,15 Proc. Feichtinger's   2,80    „ Knaus's   2,6      „ Winkler's   3,2      „ Kohlensäure Schulatschenko's, Portlandcement der Fabrik von Robin   0,84 Proc. Johnson   0,40    „ Kron   0,95    „ Booth   1,48    „ Harnrood   0,95    „ deutscher Portlandcement aus Stettin   1,9      „ Dieser geringe Gehalt an Kohlensäure in den besten hydraulischen Cementen weist schon direct darauf hin, daß der Werth derselben durchaus in keinem Zusammenhange mit dem größeren oder geringeren Gehalt derselben an Kohlensäure steht, und ich würde mich mit diesem Gegenstande auch nicht weiter befaßt haben, wenn sich nicht an denselben die Annahme einer besonderen Verbindung von Kohlensäure mit Kalk, des sogenannten basischen kohlensauren Kalkes CaCO³ + CaO knüpfen würde. Man nimmt das Vorhandenseyn einer solchen Verbindung in einigen hydraulischen Cementen an, welche mehr oder weniger bedeutende Quantitäten Kohlensäure enthalten. Es ist begreiflich, daß, wenn in irgend einem Cemente Kohlensäure enthalten ist, dieselbe darin nur in Verbindung mit Kalk vorkommen kann (mit Kieselerde und Thonerde verbindet sich die Kohlensäure nicht, und die Menge von Eisenoxydul und Alkalien ist sehr unbedeutend) Da aber die gewöhnliche Verbindung von Kohlensäure mit Kalk, d.h. neutraler kohlensaurer Kalk (CaCO³) sich durch keinerlei hydraulische Eigenschaften auszeichnet, so wurde angenommen daß die Kohlensäure noch eine Verbindung mit Kalk CaCO³ + CaO, d.h. basischen kohlensauren Kalk bilde, welcher in das unlösliche Hydrat CaCO³ + CaO, H²O übergehend, hydraulische Eigenschaften zeige. Da zur Erhaltung eines hydraulischen Productes wie CaCO³ + CaO nur ein gewöhnlicher, fetter Kalkstein (CaCO³) erforderlich ist, zur Zeit der Entstehung der Frage betreffs des basischen kohlensauren Kalkes (zwischen 1818 und 20) aber noch sehr verworrene Vorstellungen über Cemente und die Ursachen ihrer hydraulischen Eigenschaften existirten, so ist es nicht zu verwundern daß häufig Vorschläge auftauchten, bei der Fabrication von hydraulischen Producten die hydraulischen Eigenschaften des basischen kohlensauren Kalkes als Grundlage anzunehmen. Diejenigen, denen die Geschichte der hydraulischen Cemente bekannt ist, werden sehr gut wissen daß die Frage wegen des basischen kohlensauren Kalkes und dessen hydraulischen Eigenschaften noch vor sehr kurzer Zeit eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat; ja es bestehen noch gegenwärtig Cementfabriken (Villeneuve in Frankreich, Roché in Rußland), in welchen bei Bereitung von Cementen die Hauptaufmerksamkeit auf die Bildung des basischen kohlensauren Kalkes gerichtet wird. Nichtsdestoweniger ist die Frage betreffs der hydraulischen Eigenschaften des basischen kohlensauren Kalkes und selbst der Existenz desselben, in der Wissenschaft noch keineswegs mit genügender Genauigkeit erörtert, wie sich aus folgendem kurzem historischem Ueberblick der hinsichtlich des basischen kohlensauren Kalkes angestellten Forschungen ergibt. Um das Jahr 1813 bemerkte Vicat beim Brennen von Kalksteinen, welche einen fetten Kalk liefern, daß einige Stücke des gebrannten Kalksteines bei ihrer Begießung mit Wasser nicht gleich dem fetten Kalke gelöscht wurden und daß sie, mechanisch zu einem Pulver zerrieben, mit Wasser angemacht, einen im Wasser erhärtenden Mörtel liefern, ähnlich den Mörteln aus hydraulischem Kalk. Indem Vicat diese Erscheinung näher untersuchte, fand er, daß eine derartige Eigenschaft die bei geringerem Luftzutritt und unter Anwesenheit von zu viel Kohlen schwach gebrannten Kalksteinstücke besaßen. Zehn Jahre darauf veröffentlichte er in den Annales de Chimie et de Physique, September 1823, S. 464 neue Beobachtungen, welche er zufällig beim Brennen von Kreide auf einem rothglühenden Eisenblech gemacht hatte. Es ergab sich, daß schwach gebrannte Kreide, aus welcher noch nicht alle Kohlensäure ausgeschieden war, bei Bereitung eines Mörtels aus derselben, im Wasser hart wurde. Da solche schwach gebrannte Kreide eine Mischung von Aetzkalk und kohlensaurem Kalk vorstellte, so glaubte Vicat, daß ein einfaches Zumengen von Kreide oder reinem kohlensaurem Kalk zu ungelöschtem Aetzkalk, einen Stoff bilden könne, der zu einem Mörtel angerichtet, hydraulische Eigenschaften haben werde. Er mengte daher der Kreide Aetzkalk in den verschiedensten Verhältnissen bei, erreichte jedoch keinen Erfolg. Diese Mischung zeigte keinerlei hydraulische Eigenschaften. In demselben Jahre, einige Monate später, wurden in den Annales de Chimie et de Physique, t. XXIV p. 104, die Resultate publicirt, welche der französische Ingenieur Minard erhalten hatte, als er in verschiedener Weise Kalksteine brannte. Minard gab an, daß alle Kalksteine, nicht bloß die thonhaltigen, sondern auch die reinen, zur Darstellung von hydraulischen Cementen tauglich seyen, welche an Güte dem englischen Roman-Cement nicht nachstehen, falls nur dieselben nicht vollständig gebrannt würden. Minard nahm an, daß bei unvollständigem Brande sich basischkohlensaurer Kalk CaCO³ + CaO bilde, welcher die Fähigkeit besitze, bei seiner Verwandlung in Hydrat CaCO³ + CaO, H²O, im Wasser zu erhärten. Hiernach sollte man meinen, daß die Frage bezüglich der Bereitung hydraulischer Cemente sich sehr einfach lösen lasse: man nehme irgend einen Kalkstein, brenne ihn unvollständig und der Cement ist fertig. Aber schon im nächsten Jahre schreibt Vicat, welcher nach derselben Richtung hin Untersuchungen anstellte, in Erwiderung auf die Behauptung Minard's: „Meine Forschungen haben durchaus nicht die von Minard veröffentlichten Resultate bestätigt. Ich fürchte glauben zu müssen, daß aus reinen, nur mäßig gebrannten Kalksteinen niemals, ich sage nicht ein guter, sondern nicht einmal ein mittelmäßiger Cement erhalten werden kann.“ Annales de Chimie et de Physique, t. XXV p. 63. Berthier bestritt gleichfalls die hydraulischen Eigenschaften des basischen kohlensauren Kalkes, indem er behauptete, daß wenn bei unvollständigem Brennen des Kalksteines auch wirklich eine dem basischen kohlensauren Kalk ähnliche Verbindung sich bilden könne, dieselbe bei dem Anrichten mit Wasser in Kalkhydrat und kohlensauren Kalk zerfallen müsse. J. N. v. Fuchs, der durch seine Untersuchungen über die Mörtel so verdienstvolle Forscher, brannte Kreide zwischen glühenden Kohlen und fand, daß der Kalkstein hierbei eine gewisse Quantität Kohlensäure zurückbehält, welche annähernd derjenigen Menge derselben entspricht, bei welcher sich basischer kohlensaurer Kalk bildet. Indem Fuchs bereits vollständig gebrannten Kalk zwischen glühende Kohlen that, bemerkte er, daß derselbe eine eben solche Quantität Kohlensäure aufnimmt, wie im ersteren Falle bei unvollständigem Brande des Kalksteines ausgeschieden wurde; so daß bei unvollständigem Brande des Kalksteines oder bei Sättigung vollständig gebrannten mit Kohlensäure, derselbe das Bestreben zeigt, eine solche Quantität Kohlensäure auszuscheiden oder aufzunehmen, daß als Resultat basischer kohlensaurer Kalk erhalten wird. In beiden Fällen wird der Kalkstein, sowohl der unvollständig gebrannte, welcher noch bedeutende Mengen Kohlensäure in sich enthält, als auch derjenige welcher später Kohlensäure in sich aufgenommen hat, bei seiner Sättigung mit Wasser nicht gelöscht und gibt zu einem Pulver zerrieben und mit Wasser angerichtet, einen Mörtel, welcher in höherem oder geringerem Grade die Fähigkeit im Wasser zu erhärten, besitzt.Fuchs, über Kalk und Mörtel, in Erdmann's Journal für technische und ökonomische Chemie, Bd. VI S. 1 und 132. – Derselbe, über die Eigenschaften, Bestandtheile und chemische Verbindung der hydraulischen Mörtel, im polytechn. Journal, 1833, Bd. XLIX S. 271. Im Jahre 1828 wurden beim Bau des Bourgogner Canales von dem Ingenieur Lacordère Mörtel angewandt, welche aus thonhaltigen, schwach gebrannten Kalksteinen bereitet wurden. Er brannte dieselben 3 Tage, anstatt 8, wobei er hauptsächlich im Auge hatte, an Kosten für Brennmaterial zu sparen. Die in dieser Weise erhaltenen Mörtel erhärteten sehr gut im Wasser, wenn auch keinerlei Auskünfte vorliegen, in welchem Grade sie besser als aus völlig gebrannten Kalksteinen bereitete Mörtel gewesen sind, und ob man sich nicht bloß mit den Eigenschaften des Mörtels begnügte, um nur an Ausgaben für Brennmaterial zu sparen.Petot, études sur la chaufournerie. Mit Ausnahme des hier angeführten Falles erhielten die durch Minard veröffentlichten Resultate während längerer Zeit keinerlei praktische Anwendung, bis endlich Villeneuve um das Jahr 1850 sich an die Bereitung hydraulischer Mörtel aus unvollständig gebrannten Kalksteinen in großem Maaßstabe machte. Er brannte sieben bis zehn Procent Thon enthaltende Kalksteine nicht vollständig, löschte sie, indem er sie mit Wasser besprengte, und suchte nach Verlauf von 2 bis 3 Tagen, während welcher sie sich in freier Luft befanden, diejenigen Stücke heraus, welche nicht gelöscht waren, vermahlte sie und benutzte sie als Cement. Die hydraulischen Eigenschaften dieses Cementes schrieb Villeneuve der Anwesenheit von Kohlensäure in den unvollständig gebrannten Stücken zu. Gleichwie Minard und Vicat, so nahm auch er an, daß sich hierbei basischer kohlensaurer Kalk bilde.Comptes rendus, 1850 p. 35. – Matériaux de construction de l'exposition universelle de 1855, par A. Delesse. p. 250. Um dieselbe Zeit nahm man bedeutende Beschädigungen an den Wasserbauten in Cette und Marseille wahr, deren Ursachen in der schlechten Beschaffenheit des hydraulischen Mörtels aus thonhaltigen Kalksteinen lagen. Aus diesem Anlaß schlug Minard von Neuem vor Untersuchungen über unvollständig gebrannte Kalksteine anzustellen, indem er annahm, daß Cemente welche aus solchen Kalksteinen bereitet sind, ausgezeichnet der Wirkung des Meerwassers Widerstand leisten müßten.Annales de Chimie et de Physique, 1853 p. 198. Rivot und Chatoney jedoch, welche sich mit umfassenden Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit der Mörtel gegen den Einfluß von Seewasser beschäftigten und die Resultate derselben in der schätzbaren Schrift Les materiaux employés dans les constructions à la mer i. J. 1856 veröffentlichten, bestritten sogar die Existenz des basischen kohlensauren Kalkes: „Es ist in letzter Zeit viel von den hydraulischen Eigenschaften des basischen kohlensauren Kalkes die Rede gewesen. Man hat auf viele Bauten hingewiesen, welche im Meere, unter Anwendung eines Mörtels aus unvollständig gebranntem, noch viel Kohlensäure enthaltendem Kalk hergestellt waren und im Laufe vieler Jahre sich wohl erhalten hatten. Man schrieb den Erhärtungsproceß der Hydratation des basischen kohlensauren Kalkes zu, – einer Verbindung deren Existenz die Chemie nicht kennt. Es ist uns keine einzige, einigermaßen gut untersuchte Thatsache bekannt, welche uns nöthigen könnte, die Existenz einer solchen Verbindung vorauszusetzen, und wir glauben, daß die Erhärtung der Mörtel in diesem Falle genügend erklärt werde durch folgende Erwägungen: Die benutzten Kalksteine konnten in geringem Verhältniß Thon und Kieselerde in Form von feinem Quarzsand enthalten. Bei unvollständigem Brande verliert der Kalk nur einen Theil seiner Kohlensäure und verbindet sich mit Kieselerde und Thonerde, wobei er ein Kalk-Silicat und Aluminat bildet. Der in solcher Weise gebrannte Kalkstein enthält folglich Kalk-Silicat und Aluminat, eine unbedeutende Quantität Aetzkalk und kohlensauren Kalk. Der unvollständige Brand war daher die Hauptbedingung der Hydraulicität des Kalksteines, denn er beließ den größeren Theil des Kalkes in Verbindung mit Kohlensäure und stellte das erforderliche Verhältniß zwischen dem geringen Quantum an Thon und dem in geringer Menge sich bildenden Aetzkalk her; ein solcher Kalkstein stellt nach dem unvollständigen Brennen somit ein Gemisch von freiem kieselsaurem Kalk und hydraulischem Kalke dar; ein derartiges Gemisch kann aber unter günstigen Bedingungen im Wasser erhärten.“ „Diese Erklärung, fährt Rivot fort, könnte nur durch genaue Analysen unvollständig gebrannter Kalksteine widerlegt werden, falls durch dieselben die vollständige Abwesenheit von Kieselerde dargethan würde, und selbst in diesem Falle wird man dem basischen kohlensauren Kalk keine hydraulischen Eigenschaften zuschreiben können, so lange nicht durch Analysen bewiesen worden, daß auch im Mörtel kein Thon oder Silicate enthalten gewesen, auf welche der Aetzkalk puzzolanartig hätte einwirken können.“ RivotetChatoney, Considérations générales sur les matériaux employés dans les constructions à la mer, p. 80. Vicat, welcher die umfassendsten Untersuchungen über unvollständig gebrannte Kalksteine angestellt hat,Vicat, über die verschiedenen Eigenschaften welche die Cementsteine und hydraulischen Kalksteine durch unvollkommenes Brennen erhalten können, in den Annales de Chimie et de Physique, August 1841, S. 426; daraus im polytechn. Journal Bd. LXXXII S. 377 und 353. sagt in seiner i. J. 1856 erschienenen Schrift: Traité pratique et théorétique de la composition des mortiers, ciments etc., p. 45, daß bei den von ihm im Jahre 1840 erneuerten Untersuchungen über Herstellung hydraulischer Producte aus unvollständig gebrannten Kalksteinen er die verschiedensten Resultate, sogar bei einem und demselben Kalksteine erzielt habe. Einige zeigten alle Eigenschaften guter Cemente, sowohl in der Luft als im Wasser; andere, welche anfangs erhärteten, zerfielen in der Folge; wieder andere erhärteten gar nicht. „Die Theorie, bemerkt Vicat, kann diese Sonderbarkeiten noch nicht erklären.“ Die Resultate seiner Proben sind in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.Zu den Untersuchungen wurden thonhaltige Kalksteine angewandt. Von einer Cementgewinnung aus reinen Kalksteinen konnte gar nicht die Rede sein. Bezeichnung Aetzkalk Thon KohlensaurerKalk DauerderErhärtung. Theile Theile Theile Kalkstein A, völlig gebrannt 100 30 6 Tage        „       „   mit 20 Proc. Kohlensäure 100 48 133 30 Tage        „       „    „   30    „              „ 100 97 448 15 Minuten Kalkstein C, völlig gebrannt 100 37 8 Tage        „       „   mit 12 Proc. Kohlensäure 100 52   68 22 Tage        „       „    „   19    „              „ 100 64 126 10 Minuten Kalkstein B, völlig gebrannt 100 22 6 Tage        „       „   mit 19 Proc. Kohlensäure 100 37 127 gar keine Festigkeitnach 3 Monaten Kalkstein E, völlig gebrannt 100 13 12 Tage        „       „   mit 19 Proc. Kohlensäure 100 22 240 gar keine Festigkeitnach 3 Monaten Aus dieser Tabelle ist ersichtlich: 1) Daß nur bei einem gewissen Gehalt an Kohlensäure gute hydraulische Eigenschaften zu Tage treten. 2) Daß die Quantität der Kohlensäure bei den verschiedenen thonhaltigen Kalksteinen, je nach dem Procentgehalt an Thon, eine verschiedene ist. So besitzt der Kalkstein A, welcher auf hundert Theile Aetzkalk 30 Theile Thon enthält, die besten hydraulischen Eigenschaften bei 30 Procent Kohlensäure; der Kalkstein C aber, welcher 37 Theile Thon enthält, bei 19 Procent Kohlensäure. 3) Daß eine unbedeutende Differenz in der Menge der Kohlensäure eine große Verschiedenheit in den Eigenschaften eines und desselben Steines nach sich zieht. So erhärtet der Mörtel vom Kalkstein A bei 20 Proc. Kohlensäure nach einem Monat, bei 30 Proc. aber nach Verlauf von 15 Minuten (Vicat in seinem citirten Traité, p. 45.) Im Jahre 1851 wurde bei St. Petersburg von dem gegenwärtig verstorbenen Militär-Ingenieur P. E. Roché die erste Cementfabrik in Rußland gegründet. In dieser Fabrik wurde der Cement anfänglich aus Tosna'schen Kalksteinen, in der Folge aber aus Wolchowo'schen thonhaltigen Kalksteinen bereitet. Sowohl im ersten, als im zweiten Falle hatte man beim Brande der Kalksteine die Bildung von basischem kohlensaurem Kalk im Auge, und die ganze Fabrication beruht auf der Herstellung dieser Verbindung. Hierdurch wird denn auch die Anwesenheit der bedeutenden Menge von 18 bis 19 Proc. Kohlensäure im Roché'schen Cement erklärt. Dieser Cement ist von guter Qualität und hat einen bedeutenden Absatz in St. Petersburg, steht aber an Güte den Portland-Cementen nach, wie solches zahlreiche Proben in Kronstadt erwiesen haben. In dem vom General-Major Roché der Haupt-Ingenieur-Verwaltung eingereichten Rechenschaftsberichte sind folgende Bemerkungen bezüglich des basischen kohlensauren Kalkes enthalten: „Auf künstlichem Wege kann man eine Verbindung von Kalk mit Kohlensäure in einem anderen Verhältnisse erhalten, als wir es in der Natur in der Zusammensetzung der Kalksteine finden, eine Verbindung welche basischer kohlensaurer Kalk benannt worden. In den Atomen des letzteren, wenn er fein pulverisirt worden, äußert sich das Bestreben für Cohäsion nur während des Ueberganges in den Hydratzustand, aber in einem bedeutend höheren Grade, als bei den kieselsauren Verbindungen; das basische kohlensaure Kalkhydrat erhärtet dabei ganz so, wie schwefelsaures Kalkhydrat. Wenn aber dem Zustandekommen dieses Cohäsionsprocesses irgend ein äußerer Umstand hindernd entgegentritt, so zeigt sich nach dem Uebergange des basischen kohlensauren Kalkes in das Hydrat, in dessen Atomen die Eigenschaft der Cohäsion nicht zum zweitenmale, wodurch er sich von dem kieselsauren Kalkhydrat unterscheidet, und außerdem erreicht er nicht eine so bedeutende Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen das Eindringen von Wasser.“ Ingenieur Journal von St. Petersburg, 1869, Nr. 5, S. 249. Mit Rücksicht darauf, daß die Frage bezüglich des basischen kohlensauren Kalkes selbst in gegenwärtiger Zeit einer gewissen praktischen Bedeutung nicht entbehrt, schien es mir nicht überflüssig, die Herstellung eines vollkommen reinen basischen kohlensauren Kalkes selbst zu versuchen und dessen Eigenschaften genau zu prüfen. Nur wenn eine Verbindung von Kohlensäure mit Kalk, welche dem basischen kohlensauren Kalk entspräche, in reiner Form dargestellt, und erwiesen würde daß diese Verbindung sich durch hydraulische Eigenschaften auszeichne, könnte man in kategorischer Weise diejenigen Zweifel lösen, welche sich beim Lesen der widersprechenden und oft unbewiesenen Behauptungen aufdrängen, die ich in obiger historischer Uebersicht zusammengestellt habe. Wie aus der Zusammensetzung des basischen kohlensauren Kalkes CaO, CO² + CaO ersichtlich ist, kann derselbe entweder auf synthetischem Wege dargestellt werden, indem zum Calciumoxyd (CaO) eine bestimmte Quantität Kohlensäure hinzugefügt wird oder auf analytischem Wege, indem der neutrale kohlensaure Kalk (CaO, CO²) zersetzt, d.h. demselben die erforderliche Quantität Kohlensäure entzogen wird.Bei Annahme des Atomgewichtes für Ca = 40, O = 16, C = 12 beträgt:1) das Gewicht eines Molecüls neutralen kohlensauren Kalkes CaO, CO² = 100;2) das Gewicht eines Molecüls mittelkohlensauren Kalkes CaO, CO² + CaO = 156.Die Gewichtsmenge der Kohlensäure ist in der ersten Verbindung = 44 Proc. und in der zweiten 28 Proc. Um basischen kohlensauren Kalk auf dem ersteren Wege zu erhalten, legte ich völlig reines trockenes Calciumoxyd (erhalten durch Ausglühen von isländischem Spath und Marmor) in eine Glasröhre und sättigte dasselbe mit Kohlensäure bei verschiedenen Temperaturen. Die Kohlensäure wurde aus Marmor mittelst Salzsäure entwickelt. Vor ihrer Anwendung zur Sättigung des Calciumoxydes wurde die Kohlensäure entweder durch Schwefelsäure getrocknet, oder sie wurde direct aus dem Entwickelungsapparat, also in feuchtem Zustande, in die das Calciumoxyd enthaltende Röhre geleitet. Die Zeit der Sättigung und die Temperatur nahmen unter sonst gleichen Bedingungen beständig zu. Nach jeder Sättigung wurde die Menge der vom Calciumoxyd aufgenommenen Kohlensäure bestimmt, und die erhaltene Verbindung bezüglich ihrer chemischen und hydraulischen Eigenschaften untersucht. Zu diesem Zwecke wurde das mit Kohlensäure behandelte Calciumoxyd pulverisirt und zu einem Teig angerührt. Aus dem Teige wurde eine Kugel geformt und entweder sofort, oder nach einem, länger oder kürzere Zeit dauernden Trocknen in der Luft, in Wasser gesenkt. Das der Untersuchung unterzogene Quantum Calciumoxyd betrug 50 Grm. Die Resultate der Versuche sind in der folgenden Tabelle enthalten. Textabbildung Bd. 205, S. 345 50 Grm. CaO; Temperatur zur Zeit der Sättigung; Zeit der Sättigung; Menge der aufgenommenen Kohlensäure; Bemerkungen; Versuch Nr.; Bei den Versuchen Nr. 1 bis 5 incl. wurde trockene Kohlensäure, bei Nr. 6 bis 14 wasserhaltige Kohlensäure zur Sättigung angewendet; Stunden; Die während 30 Min. in der Luft getrockneten Kugeln zerfielen alle in kurzer Zeit nach ihrer Versenkung in Wasser. Einige derselben platzten und zerfielen sogar schon in der Luft Aus dieser Tabelle ist ersichtlich: 1) Daß trockenes Calciumoxyd durchaus keine trockene Kohlensäure aufnimmt; daß in den zwei Fällen Nr. 2 und 3, eine unbedeutende Quantität Kohlensäure aufgenommen wurde, kam aller Wahrscheinlichkeit nach daher, daß die Kohlensäure Spuren von Wasser enthielt. 2) Daß alle, zu einem Brei angerichteten und einer Prüfung auf Erhärtung im Wasser unterzogenen Proben nicht einmal Spuren von hydraulischen Eigenschaften zeigten, wenngleich einige derselben, wie z.B. Probe Nr. 9, sogar einen Kohlensäuregehalt besaßen, welcher vollkommen der Verbindung des basischen kohlensauren Kalkes entspricht. Ueberhaupt erwärmten sich alle Kugeln bei ihrer Zurichtung zu Teig mehr oder weniger stark, was auf die Anwesenheit von freiem Aetzkalk in denselben hinwies. Einige Proben wurden mit Wasser behandelt, wobei aller Kalk aufgelöst wurde, mit Ausnahme derjenigen Quantität welche an Kohlensäure gebunden war (es wurden die Nummern 9, 15 und 16 untersucht). Es wurden also bei Sättigung des Kalkes mit Kohlensäure Producte erhalten, welche sich in Nichts von dem gewöhnlichen Gemisch aus kohlensaurem Kalk und Calciumoxyd unterschieden. Bei höheren Temperaturen wird, wie Debray zeigte, die Menge der Kohlensäure welche vom Kalk absorbirt wird, nur durch den Druck und die Temperatur bedingt. Daraus folgt, daß die Bildung einer besonderen Verbindung zwischen Kalk und Kohlensäure (basischer kohlensaurer Kalk) in höheren Temperaturen wenig wahrscheinlich ist. Da jedoch ein großer Theil der Forscher (Vicat, Minard, Villeneuve) von der Bildung eines basischen kohlensauren Kalkes bei schwachem oder unvollständigem Brande der Kalksteine spricht, so blieb mir noch die Wirkung des unvollständigen Brennens auf den kohlensauren Kalk zu untersuchen übrig. Zu den Versuchen wurde Kreide gewählt und deren Zusammensetzung vorher durch die Analyse bestimmt. Dieselbe bestand aus: CaO           55,3 Proc. CO² 43,5   „ Sand   0,9   „ 100 Grm. zu einem groben Pulver gestoßener Kreide wurden in einer eisernen Schale mäßig geglüht. Die Dauer der Erhitzung einer jeden neuen Probe wurde um eine Stunde verlängert. Hierbei wurde Kohlensäure ausgeschieden, deren Menge jedesmal durch den Gewichtsverlust der geglühten Probe bestimmt wurde. Die Menge der sich ausscheidenden Kohlensäure wuchs mit der längeren Dauer der Erhitzung. Die einer 10stündigen Erhitzung unterzogene Probe enthielt keine Kohlensäure mehr. Nach dem Brande jeder Probe (im Ganzen 10), wurde das gebrannte Product mit Wasser zum Teig angemacht und aus demselben Kugeln geformt, welche vor ihrer Versenkung in Wasser während 1/2 bis 1 Stunde in der Luft getrocknet wurden. Im Wasser zeigte keine der Proben auch nur Spuren von hydraulischen Eigenschaften, obgleich in dem Bestande einer derselben eine Quantität Kohlensäure enthalten war, welche beinahe dem basischen kohlensauren Kalke entsprach. Von den 10 Proben, welche verschiedene Mengen Kohlensäure enthielten (38 Proc. in der ersten Probe, welche während einer Stunde geglüht und 0 Proc. in der Probe welche 10 Stunden geglüht wurde), unterschied sich demnach keine einzige von einem gewöhnlichen mechanischen Gemisch aus Kalk (CaO) und kohlensaurem Kalk. Da beim Durchglühen der ziemlich bedeutenden Menge (100 Grm.) Kreide möglicherweise eine nicht völlig gleichmäßige Temperatur in der ganzen durchglühten Mischung eingehalten werden konnte, so wurden 35 Grm. Kreide in gleicher Weise wie bei den vorhergehenden Versuchen geglüht, jedoch während einer kürzeren Zeit. Proben, die während 2 Stunden geglüht wurden, schieden sämmtliche Kohlensäure aus, und als Rest wurde nur Kalk (CaO) erhalten. Dergleichen Glühversuche wurden viele angestellt, zu welchen gleichfalls 35 Grm. Kreide genommen wurden. Die Dauer der Erhitzung jeder Probe wurde nur um 5 Minuten verlängert, so lange bis sämmtliche Kohlensäure ausgeschieden war. Die erhaltenen Producte verhielten sich wie bloße Gemenge aus Kalk (CaO) und kohlensaurem Kalk (CaO, CO²). Auf Grund der angeführten Versuche, welche zu dem speciellen Zweck der Gewinnung basischen kohlensauren Kalkes angestellt wurden und negative Resultate gegeben hatten, sowie mit Rücksicht darauf: 1) daß die Angaben von Vicat, Minard und Roché bezüglich der Bildung von basischem kohlensaurem Kalk sich nicht durch diejenige Genauigkeit und Ausführlichkeit auszeichnen, welche allein zur Anerkennung der Existenz der einen oder anderen Verbindung in der Chemie berechtigen, 2) daß die Bildung eines basischen kohlensauren Salzes nicht völlig mit dem chemischen Charakter des Kalkes (CaO), welcher überhaupt mit zweibasischen Säuren keine basischen Salze bildet, übereinstimmt, 3) daß viele Chemiker (Rivot, Berthier und andere) die Existenz eines basischen kohlensauren Kalkes positiv leugnen und in den neuesten chemischen Abhandlungen und Handbüchern der Chemie der Existenz einer solchen Verbindung der Kohlensäure mit Kalk überhaupt nicht einmal Erwähnung geschieht, glaube ich mit ziemlicher Gewißheit behaupten zu können, daß kein basischer kohlensaurer Kalk als chemische Verbindung, bei unvollständigem Brande von Kalksteinen sich bildet. Wie kann man es sich aber erklären, daß eine dem Anschein nach nicht existirende Verbindung nichtsdestoweniger in der Praxis ausgenutzt wird, z.B. in den Fabriken von Villeneuve und Roché, wo die Herstellung der Cemente auf die Bildung von basischem kohlensaurem Kalk bei unvollständigem Brande der Kalksteine gegründet ist? Diese Thatsache wäre allerdings schwierig zu erklären, wenn in den genannten Fabriken der hydraulische Cement aus reinem kohlensaurem Kalk oder aus reinen Kalksteinen bereitet würde; aber in Wirklichkeit geschieht dieß nicht. In den Fabriken von Villeneuve und Roché wird der Cement aus thonhaltigen Kalksteinen hergestellt; ja es ist in der Praxis kein einziger Fall bekannt, wo hydraulischer Cement aus reinen Kalksteinen bereitet würde. In den Fabriken von Villeneuve wird der Cement, wie aus dessen, der Pariser Akademie der Wissenschaften eingereichten Abhandlung ersichtlich, aus nicht vollständig gebrannten Kalksteinen, welche 7 bis 10 Proc. Thon enthalten, hergestellt. In der Roché'schen Fabrik wird der Cement aus thonhaltigem, einem unvollständigen Brande unterworfenen Kalkstein gebrannt, welcher am Flusse Wolchowo gewonnen wird und 10 bis 25 Proc. thonhaltiger Bestandtheile enthält. Die Zusammensetzung einer Probe des Wolchowo-Kalksteines, welche 25 Proc. thonhaltige Bestandtheile enthielt, ist in meinem Aufsatze über die Versuche Fremy's (polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCIV S. 355) angegeben. Die Analyse einer anderen Probe des Wolchowo'schen Mergels führe ich hier an: Thonhaltige, inSalzsäure nichtlöslicheBestandtheile KieselerdeThonerde       „KalkAlkalien 12,83  2,79  0,54  1,04  1,02 In SalzsäurelöslicheBestandtheile Eisenoxydkohlensaurer Kalkkohlensaure Magnesiaschwefelsaurer Kalk   8,5960,3310,64  1,30 ––––– 99,08Die Zusammensetzung des Wolchowo'schen Mergels ist ziemlich verschieden. Die oben angeführte Analyse bezieht sich auf die Probe, welche Hr. Roché selbst mir zugeschickt hat. Demnach wird sowohl in der einen wie in der anderen Fabrik der Cement aus Steinen bereitet, unter deren Bestandtheilen sich thonhaltige Gemenge befinden, deren Anwesenheit allein schon die hydraulischen Eigenschaften des gebrannten Gesteines bedingen kann. Man kann aber einwenden, daß thonhaltige Kalksteine, welche 7 bis 10 Proc. Thon enthalten, bei vollständigem Brande nur einen schwachen hydraulischen Kalk geben können, während sie bei unvollständigem Brande einen hydraulischen Cement geben. Es ist mir nicht bekannt, welche Eigenschaften der in den Fabriken von Villeneuve bereitete Cement hatte, aber zugegeben, das bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine gewonnene Product zeichne sich wirklich durch gute hydraulische Eigenschaften aus, – so kann doch der günstige Einfluß des unvollständigen Brandes in diesem Falle, worauf bereits Rivot hingewiesen hat, auch ohne Hülfe von basischem kohlensaurem Kalk, dessen Bildung bei unvollständigem Brande sich als sehr zweifelhaft erweist, erklärt werden. Bei völligem Brande eines Kalksteines, welcher 10 Proc. Thon und 90 Proc. kohlensauren Kalk enthält, kann nur schwacher hydraulischer Kalk in Folge eines großen Ueberschusses von freiem Kalk (CaO) erhalten werden. Es ist begreiflich, daß durch Beseitigung dieses Ueberschusses an freiem Kalk, die hydraulischen Eigenschaften des gebrannten Productes erhöht werden könnten. Der unvollständige Brand, bei welchem ein Theil des Kalkes in Verbindung mit Kohlensäure bleibt, gibt nun das Mittel, den Ueberschuß an freiem Kalk zu binden. Mit der Verringerung der Menge freien Kalkes im gebrannten Stein wächst die relative Menge an Thon. Auf ein und dasselbe Quantum Thonerde wird bei unvollständigem Brande eine geringere Menge Kalk (CaO) enthalten seyn. Da aber bei einer Erhöhung des Thongehaltes im Verhältniß zum Kalk bis zu einem bestimmten Grade im gebrannten Stein, auch dessen hydraulische Eigenschaften zunehmen, so ist es klar, daß vermittelst des unvollständigen Brandes in einigen Fällen die hydraulischen Eigenschaften des Steines erhöht werden können. Der unzersetzt gebliebene kohlensaure Kalk wird eine Beimengung, ähnlich dem Sande, bilden, deren Anwesenheit jedenfalls weniger nachtheilig ist, als die Anwesenheit eines Ueberschusses an freiem Kalk. Man muß jedoch die Bedeutung des unvollständigen Brennens nicht überschätzen. Die sehr verschiedenen Resultate, welche Vicat bei unvollständigem Brande (siehe oben S. 342) thonhaltiger Kalksteine gewonnen, zeigen daß mit Hülfe des unvollständigen Brennens nur in seltenen, man kann sagen, Ausnahme-Fällen ein gutes hydraulisches Product erhalten werden kann. In den meisten Fällen müssen bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine, in Folge der großen Verschiedenheit in der Zusammensetzung des gebrannten Steines und der Verschiedenheit seiner Eigenschaften, Cemente von nur mittelmäßiger Qualität gewonnen werden. Daß bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine unvermeidlich Cemente verschiedener Qualität gewonnen werden müssen, folgt nicht nur aus den Versuchen Vicat's, sondern ergibt sich auch aus dem Proceß des Brennens selbst. Bekanntlich herrscht in den Brennöfen eine verschiedene Temperatur in den verschiedenen Theilen des Ofens, und – in Folge dessen daß der zu brennende Kalkstein ein schlechter Wärmeleiter ist – auch in den verschiedenen Theilen eines und desselben Stückes. Ein und dasselbe Stück des Gesteines wird an der Oberfläche stärker als innen gebrannt. Dieser Umstand bietet keinen großen Nachtheil in den Fällen wo der Stein völlig gebrannt, folglich alle Kohlensäure ausgeschieden werden soll. Bei vollständigem Brande wird die Verschiedenheit der Temperatur im Inneren des Ofens nur zur Folge haben, daß einige Stücke des Gesteines, welche einer weniger hohen Temperatur ausgesetzt worden, die Kohlensäure früher, andere später auszuscheiden beginnen; aber das endliche Resultat wird das seyn, daß aus dem vollständig gebrannten Gestein alle Kohlensäure ausgeschieden ist. Wie ist es aber zu erreichen, daß bei unvollständigem Brande, einem verschiedenen Hitzegrade unterworfene Stücke des Gesteines eine und dieselbe Menge Kohlensäure zurückbehalten, und nach dem Brande einen gleichen Gehalt an kohlensaurem Kalk, freiem Kalk und Thon aufweisen? Es ist augenscheinlich, daß bei unvollständigem Brande der nicht völlig gebrannte Stein sich durch eine große Verschiedenheit seiner Bestandtheile auszeichnen muß. Und wenn man hierbei noch der Tabelle Vicat's (S. 342) Aufmerksamkeit schenkt, – aus welcher ersichtlich, daß aus einem und demselben thonhaltigen Kalkstein bei unvollständigem Brande sehr verschiedene Producte erhalten werden können, wobei die Menge Kohlensäure welche in dem unvollständig gebrannten, einen guten hydraulischen Cement liefernden Steine zurückgeblieben, sehr wenig vom Quantum derselben in solchen unvollständig gebrannten Steinen differirt, aus denen ein ganz werthloses Product gewonnen wird, – so wird man nicht umhin können anzuerkennen, daß eine auf unvollständigem Brennen thonhaltiger Kalksteine basirte Fabrication hydraulischer Cemente nur ausnahmsweise bei gänzlichem Mangel an solchem thonhaltigem Kalkstein, aus welchem auf gewöhnlichem Wege ein hydraulisches Product mit guten Eigenschaften gewonnen werden könnte, Platz greifen darf.Zur Unterstützung der oben angeführten Betrachtung erlaube ich mir, die Bemerkung Vicat's anläßlich der von ihm bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine gewonnenen Resultate, hier im Original wiederzugeben:Il est resté demontré par ces experiences, que toute pierre susceptible d'être transformée en chaux éminemment hydraulique par une cuisson ordinaire complète, peut, par une cuisson incomplète, donner un ciment ou un produit sans valeur, selon la quantité d'acide carbonique qu'elle aura retenue: mais comme il sera toujours impossible en grand, de maîtriser la cuisson de manière à laisser dans la pierre une quantité déterminée d'acide carbonique, il n'est pas probable que la pratique puisse jamais mettre à profit les observations précédantes.“Vicat, Traité pratique et théorétique de la composition des mortiers, ciments etc., 1856. (p. 46.) In der Roché'schen Fabrik, welche früher als die anderen Cementfabriken in Rußland gegründet ist und den größten Absatz (bis 650,000 Pud jährlich) hat, wird derselbe aus thonhaltigem, am Wolchowo-Flusse gewonnenem Kalkstein bereitet. Der Kalkstein wird in ovalen Oefen gebrannt, nach dem Brande unter Läufern zerstoßen und zwischen Mühlsteinen gemahlen, und gelangt in dieser Gestalt in Fässern, welche gegen 9 Pud Cement enthalten, zum Verkauf. Nach der von mir bereits im Jahre 1869 angestellten Analyse enthält der Roché'sche Cement in 100 Gewichtstheilen: Kohlensäure 19,00 Kalk (CaO) 45,00 Magnesia (MgO)       3,81 Kieselerde 17,00 Thonerde 2,07 Eisenoxyd 8,69 Alkalien 1,20 Gyps 0,10 Wasser 2,01 ––––– 98,88 Die bedeutende Quantität Kohlensäure im Roché'schen Cemente zeigt, daß derselbe aus nicht vollständig gebrannten Kalksteinen bereitet wird. Hierauf weist auch der Umstand hin, daß von 17 Proc. Kieselerde nur 10 Proc. durch Natronlösung in gallertartigem Zustande gewonnen werden, während die übrigen 7 Proc. mit den Oxyden des Aluminiums und Eisens verbunden, – als durch die Wirkung des Brandes noch nicht veränderter Thon zurückbleiben –, und folglich eine unnütze mechanische Beimengung bilden. Die bedeutende Menge thonhaltiger Bestandtheile in der Zusammensetzung des Wolchowo-Kalksteines und des Roché'schen Cementes läßt darauf schließen, daß aus dem genannten Kalkstein gute hydraulische Producte, auch ohne daß man seine Zuflucht zu unvollständigem Brande nimmt, gewonnen werden können. Diese Annahme wird durch die Praxis vollkommen bestätigt. Aus dem thonhaltigen Wolchowo-Kalksteine wurde schon längst sogenannter Wolchowo'scher hydraulischer Kalk bereitet, welcher sich durch ziemlich gute hydraulische Eigenschaften auszeichnete und bei Herstellung vieler hydraulischer Bauten Anwendung fand. Wenngleich der Roché'sche Cement in seinen Eigenschaften den Wolchowo'schen hydraulischen Kalk übertrifft, so ist dennoch zu bemerken, daß bei Bereitung des Cementes auf dem Wege des unvollständigen Brandes, augenscheinlich nicht alle ausgezeichneten Eigenschaften des Wolchowo'schen thonhaltigen Kalksteines völlig ausgenutzt werden. Derselbe enthält sehr oft eine solche Menge thonhaltiger Gemenge, daß aus ihm bei hoher Temperatur ein ausgezeichneter Cement, ähnlich dem Portland-Cement gebrannt werden kann, was auch durch in Kronstadt angestellte directe Versuche bestätigt ist. Dieser Cement hat nach der von mir ausgeführten Analyse folgende Zusammensetzung: Kieselerde, ungebunden       3,83         „         gebunden 20,92 Thonerde 6,33 Eisenoxyd 3,50 Kalk (CaO) 53,60 Magnesia (MgO) 6,01 Kohlensäure 2,12 Schwefelsäure 0,63 Wasser 2,25 Feuchtigkeit 0,25 ––––– 99,44 Dieser Cement hat eine dunkle Farbe, ähnlich dem Portland-Cement, und gibt einen im Wasser rasch erhärtenden und große Festigkeit gewinnenden Mörtel. Das Verfahren der Roché'schen Fabrik kann man sich erstlich dadurch erklären, daß zur Zeit der Anlegung derselben im Jahre 1851 die Frage wegen des basischen kohlensauren Kalkes (die Arbeiten Villeneuve's 1850, Minard's 1851), eine bedeutende Rolle spielte in Folge des Mißtrauens gegen hydraulische Producte welche nach der Vicat'schen Weise auf dem Wege gewöhnlichen Brennens thonhaltiger Kalksteine bereitet waren, eines Mißtrauens welches durch die ausgedehnten Zerstörungen einiger Seedämme in den Häfen Frankreichs erregt ward, und zweitens dadurch, daß anfänglich zur Bereitung des Roché'schen Cementes Tosna'scher Kalkstein mit sehr unbedeutendem Thongehalt diente, aus welchem daher Cement auch nicht anders gewonnen werden konnte, als auf dem Wege unvollständigen Brennens. Als man in der Folge (im Jahre 1866) wegen der unbefriedigenden Resultate, welche beim Brennen Tosna'scher Steine erhalten wurden, zur Verarbeitung des Wolchowo'schen thonhaltigen Kalksteines zu Cement überging, wurde die Methode des unvollständigen Brennens auch auf diesen Stein angewandt, wenngleich hierzu keine derart zwingende Nothwendigkeit, wie beim Brennen Tosna'scher Fliesen, vorlag. Zum Schluß erlaube ich mir, das in vorstehender Abhandlung Ausgeführte in folgenden Sätzen zusammenzufassen: 1) Die Bildung basischen kohlensauren Kalkes bei unvollständigem Brande von Kalksteinen, ist mehr denn zweifelhaft. 2) Der unvollständige Brand thonhaltiger Kalksteine gibt nur in seltenen Fällen befriedigende Resultate. 3) Die guten Eigenschaften des Roché'schen Cementes anerkennend, behaupte ich, daß aus dem Wolchowo'schen thonhaltigen Kalkstein ein Cement mit weit besseren Eigenschaften gebrannt werden kann. St. Petersburg, im Juli 1872.