Titel: Der Papinische Topf und seine Anwendung in der Hauswirthschaft; von Professor Junichen in Luzern.
Autor: Junichen
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. C., S. 412
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C. Der Papinische Topf und seine Anwendung in der Hauswirthschaft; von Professor Junichen in Luzern. Junichen, über Anwendung des Papinischen Topfes. Bekanntlich müssen viele unserer täglichen Nahrungsmittel weich gekocht werden, wenn sie entweder für den unmittelbaren Genuß oder für eine weitere Zubereitung geeignet seyn sollen. Dahin gehören unter anderen: das Rindfleisch, das Schweinfleisch, die Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, alle gedörrten Obstarten, als: Zwetschgen, ganze oder gespaltene Birnen und Aepfel, gedörrte Kastanien u.s.w. Das Weichsieden dieser Speisen in den gewöhnlichen Kochgefäßen ist bekanntlich sehr zeitraubend und erfordert viel Brennmaterial. Der Papinische Topf als Kochgefäß hat nun eine solche Einrichtung, daß dadurch der Aufwand an Zeit und Brennmaterial bedeutend vermindert wird. Der Papinische Topf wurde bekanntlich schon im Jahr 1681 von Papin, einem in Marburg lebenden Gelehrten, erfunden und angewendet um Knochen weich zu sieden und Fett und Gallerte daraus zu ziehen. Er wurde jedoch bisher noch in wenigen Gegenden in der täglichen Haushaltung benutzt, wo er doch so wesentliche Dienste und besonders beachtenswerthe Ersparnisse zu leisten vermag. Nach meiner Ansicht mögen drei Ursachen bisher die allgemeine Anwendung dieses Topfes verhindert haben. Es war nämlich die ursprüngliche Construction desselben so schwerfällig und unbequem, daß an einen täglichen Gebrauch desselben zum Kochen nicht gedacht werden konnte. Wenn auch der neue Papinische Topf diesen Fehler nicht hat und leicht und sicher zu handhaben ist, so war er doch etwas Neues für die Leute welche damit umzugehen hatten und erzeugte, wie jede Neuerung, ihren Widerwillen, bloß weil sie sich an etwas Anderes, wenn auch Besseres und Bequemeres, gewöhnen mußten. Ein dritter Grund mag auch darin bestehen, daß bisher noch nie auf eine zuverlässige und volksverständliche Weise die Vorzüge des neuen Topfes durch bestimmte Resultate nachgewiesen und veröffentlicht worden sind; wenigstens habe ich trotz meiner Nachforschungen nirgends finden können, daß directe Versuche angestellt worden sind, um auszumitteln wie viel Zeit und Brennstoff das gewöhnliche Kochgefäß und wie viel der Papinische Topf erfordert, um den nämlichen Zweck, das Weichkochen eines Nahrungsmittels, zu erreichen. Ich machte es mir daher zur Aufgabe, diese zwei Kochgefäße in der angegebenen Beziehung mit einander zu vergleichen. Zum besseren Verständniß mögen hier einige Bemerkungen über das Sieden des Wassers vorangehen. Wenn Wasser in einem offenen oder nur lose gedeckten Gefäß zum Sieden oder Aufwallen gebracht wird, so verwandelt es sich in Dampf, welcher aus dem Gefäß entweicht. Dieser Ausdehnung des Wassers in Dampfgestalt wirkt der jeweilige Luftdruck entgegen. Es muß daher dem Wasser, wenn es sieden soll, desto mehr Wärme zugeführt, es muß desto heißer gemacht werden, je größer der Luftdruck am betreffenden Orte ist. Deßwegen hat das siedende Wasser in den tieferen Gegenden, wo der Luftdruck größer ist, eine höhere Temperatur als in den höheren Gegenden, wo der Luftdruck viel geringer ist. Wenn nun Wasser in einem offenen oder nicht ganz verschlossenen Gefäß einmal zum Sieden gelangt ist, so kann seine Temperatur nicht mehr zunehmen, wenn auch die Feuerung fortgesetzt wird; denn alle ferner zugeführte Wärme wird nur zur Dampfbildung verwendet und vom Dampf beständig fortgeführt; das Wasser kann also dabei nur in der einmal erlangten Siedhitze erhalten werden, gleichviel ob man die Feuerung nur einige Minuten oder mehrere Stunden fortdauern läßt. Ganz anders verhält sich die Sache, wenn Wasser in einem Gefäß erhitzt wird, dessen Deckel dampfdicht auf den Rand desselben anschließt und darauf festgeschraubt wird; in diesem Falle kann kein Dampf, also auch keine Wärme entweichen, außer dem geringen Theil welcher durch die Wand des Gefäßes an die Umgebung sich verliert. Es wird daher die zugeführte Wärme zusammengehalten und die Temperatur des Inhaltes fortwährend erhöht; zugleich vermehrt sich der Dampf, welcher zwischen der Wasserfläche und dem Deckel eingeschlossen ist, und daher auch der Druck desselben. Auf diese Art kann der Druck und die Temperatur auf jeden beliebigen Grad gesteigert werden. Da aber dieser Druck durch fortgesetzte Feuerung einen solchen Grad erreichen könnte, daß ein Zerspringen des Gefäßes möglich wäre, so muß dieser Gefahr vorgebeugt werden durch das sogenannte Sicherheitsventil im Deckel, wie ein solches auch bei jeder Dampfmaschine angebracht ist. Wenn nun irgend einer Speise, z.B. Rindfleisch, mit Wasser in den Papinischen Topf gebracht und nach Verschließung desselben erhitzt wird, so wirken zwei Factoren, große Hitze und großer Druck, auf die Speise ein, und bewirken in desto kürzerer Zeit, je stärker sie sind, die Erweichung, welche im gewöhnlichen Kochgefäß nur durch sehr lange anhaltendes Sieden von 1, 2 bis 3 Stunden zu erreichen ist. Es liegt nun auf der Hand, daß nicht nur die Zeit der Feuerung abgekürzt, sondern auch an Brennmaterial bedeutend erspart werden kann. Darin liegt die Bedeutung und der Vorzug des Papinischen Topfes. Noch ist hinzuzufügen, daß der vollkommene Verschluß nicht nur die Entweichung des Dampfes und der Wärme, sondern auch die Entweichung des Aroma's, d.h. des Wohlgeruches und des Wohlgeschmackes verhindert, welches jedem Nahrungsmittel eigenthümlich ist. Zu den nachfolgenden Versuchen habe ich einen kleinen kupfernen Topf von 7 Deciliter (nahezu eine Halbmaaß) Inhalt angewendet. Derselbe war inwendig verzinnt; der Deckel wurde vermittelst eines Bügels auf den gut abgedrehten Rand des Topfes festgeschraubt und war mit einem Sicherheitsventil versehen, welches durch eine Feder auf die Oeffnung im Deckel angedrückt wurde; dieser Druck auf das Ventil konnte vermittelst einer Stellschraube beliebig regulirt werden. Bei meinen Versuchen wurde die Regulirung so getroffen, daß der Dampf einem inneren Druck von 5 Atmosphären (4 Atm. Ueberdruck) entsprach. Diesem Druck entspricht eine innere Temperatur von 152° C (= 121,6° R.), vorausgesetzt daß der Topf so weit erhitzt wurde, daß der Dampf gerade aus dem Ventil schwach auszuströmen begann. Zur Feuerung wurde nicht Holz, sondern ein einfacher Kochbrenner mit Gas angewendet; an der Gasuhr konnte der Verbrauch an Gas in Kubikfuß und Zehnteln derselben abgelesen, die Hundertel konnten noch geschätzt werden. Jedes der zu den Versuchen angewendeten Nahrungsmittel wurde in gleicher Quantität und Qualität unter zwei verschiedenen Temperaturen im Topfe weich gekocht, das eine Mal bei der gewöhnlichen Siedetemperatur von 100° C., mit lose aufgelegtem Blechdeckel, das andere Mal bei einer Temperatur von 152° C. und einem Druck von 5 Atmosphären mit aufgeschraubtem Deckel. In Bezug auf die Zeit der Feuerung und den Gasverbrauch hat man zwei Perioden zu unterscheiden: die erste begreift die Zeit vom Anfang der Feuerung an bis zum Augenblick, wo bei dem gewöhnlichen Kochgefäß das Sieden und bei dem Papinischen Topf das Ausströmen des Dampfes aus dem Ventil beginnt; die zweite Periode begreift bei beiden Kochgefäßen von da an die Zeit bis zum Ende der Feuerung. Nur diese letztere Zeit ist in der folgenden Tabelle angegeben, so wie auch der entsprechende Gasverbrauch. Die erste Periode ist deßwegen aus der Tabelle weggelassen, weil dieselbe natürlich verschieden ist nach der Größe des Kochgefäßes und dessen Inhalt an Wasser und Speise. Für solche Nahrungsmittel, welche bloß weich zu kochen sind, wie Kartoffeln, Kastanien etc. hat man nur wenig Wasser zuzusetzen, weil sie schon im Dampf weich werden und von demselben nur ein sehr geringer Theil durch das Ventil entweichen kann; hingegen für Rindfleisch, Erbsen etc., von welchen man zugleich Brühe (Suppe) zu haben wünscht, muß natürlich die nöthige Menge Wasser zugesetzt werden, und in diesem Falle wird auch die Feuerung in der ersten Periode etwas länger dauern bis das Sieden erfolgt. Wenn einmal das Ausströmen des Dampfes aus dem Ventil erfolgt, so wird das Feuer so weit gemäßigt, daß es gerade noch hinreicht um den Ventildampf und die erreichte hohe Temperatur gleichförmig zu unterhalten; eine stärkere Feuerung wäre unnütze Verschwendung von Brennmaterial, indem dadurch nur mehr Dampf erzeugt und mit der mitgetheilten Wärme davon gehen würde. Bei beiden Kocharten wurde sowohl die Zeit als der Stand der Gasuhr beim Anfang des Siedens und am Ende der Feuerung notirt; daraus ergab sich wieviel Zeit und wieviel Gas bei dem einen und bei dem anderen Kochgefäß verbraucht wurde. Die Resultate sind in folgender Tabelle zusammengestellt: Gewöhnl. Kochgef. Papinischer Topf Ersparniß.Procente an Zeit inMinuten Gas inKubikf. Zeit inMinuten Gas inKubikf. Zeit Gas RindfleischSchweinfleisch, anger.KartoffelnErbsen, kleine gelbeBohnen, kleine weiße    Gedörrtes Obst:ZwetschgenBirnen, ganze     „      gespalteneAepfel, süße, gespalteneKastanien 159117  53  92113  24167162134147 2,492,821,431,7  1,7  0,593,152,5  2,523,12 4338203448  952464357 0,551,080,5  0,680,770,221,220,780,580,97 72,9567,5262,2663,0457,5262,5068,8671,6067,9161,22 77,9161,7065,0362,9454,7062,7161,2768,8076,9868,91 Mittlere Ersparniß 65,54 66,09 Zum Verständniß diene folgendes Beispiel. Die erste Spalte zeigt, daß für das Rindfleisch bei dem gewöhnlichen Kochgefäß das Sieden 159 Minuten lang unterhalten werden muß von dem Augenblick an, wo das Sieden beginnt, und die zweite Spalte sagt, daß dabei 2,49 Kubikfuß Gas verbraucht wurden; die dritte Spalte zeigt, daß bei dem Papinischen Topf das Unterhalten des Ventildampfes nur 43 Minuten zu dauern hatte, und daß dazu nur 0,55 Kubikfuß Gas verbraucht wurde. Die fünfte und sechste Spalte endlich zeigen, wieviel Procente an Zeit und Gas erspart werden. Diese Ersparniß steht übrigens nicht bei allen Nahrungsmitteln in ganz gleichem Verhältniß; im Durchschnitt beträgt sie für die angeführten zehn Speisen 66 Proc. oder 2/3 an Zeit und Brennmaterial, d.h. wenn bei dem gewöhnlichen Kochgefäß 3 Theile an Zeit und Brennmaterial verwendet werden müssen, so erfordert der Papinische Topf nur einen solchen Theil. Eine Klafter Brennholz reicht also bei dem Papinischen Topf so weit als drei Klafter bei dem gewöhnlichen Kochgefäß. Diese Ersparniß ist selbstverständlich die nämliche, ob mit Gas, Holz oder irgend einem anderen Brennstoff gefeuert wird. Bei den obigen Versuchen wurde die Feuerung mit Gas deßwegen vorgezogen, weil der Verbrauch desselben an der Gasuhr sehr genau gemessen werden konnte. Für diejenigen Personen, welche zum ersten Mal einen Papinischen Topf gebrauchen wollen, dürfte eine kleine Schwierigkeit entstehen. Da nämlich derselbe unter einem hohen Grad von Druck und Temperatur unterhalten werden muß, so kann man ihn nicht jeden Augenblick, wie ein gewöhnliches Kochgefäß, abdecken und hinein schauen ob die Speise die gewünschte Erweichung erreicht habe; denn ein solches Abdecken könnte beim Losschrauben des Deckels denselben und einen Theil des Inhaltes herauswerfen. Es entsteht daher die Frage: wie kann man wissen, wie lange das Feuer unter dem Topf unterhalten werden muß bis die Speise gar geworden? In dieser Beziehung müssen wir zwei Fälle unterscheiden. Ist das Nahrungsmittel eines der in obiger Tabelle, so findet man dort die gesuchte Zeit schon angegeben, z.B. für die Kartoffeln 20 Minuten von dem Augenblick an gerechnet, wo der Dampf aus dem Ventil zu strömen beginnt. Hat man es aber mit einem neuen Nahrungsmittel zu thun, so hat man sich nur zu erinnern oder zu erkundigen, wie lange Zeit dasselbe in einem gewöhnlichen Kochgefäß im Zustand des Siedens erhalten werden mußte; dann nehme man den dritten Theil dieser Zeit oder einige Minuten mehr an, und dann wird man selten oder nie in den Fall kommen, die Speise nochmals über das Feuer stellen zu müssen. Der Verfasser war bei seinen Versuchen im Falle, das Garsieden jedes Nahrungsmittels zwei bis dreimal zu wiederholen um die angemessene Zeit auszumitteln, weil ihm keine bekannten Erfahrungen zur Benutzung vorlagen. Eine solche Umständlichkeit bei diesen Proben mag unter anderen auch ein Grund seyn, warum dieselben vielleicht noch nie mit einiger Vollständigkeit angestellt worden sind. Bei den obigen Versuchen ist durchgehends der Druck von 5 Atmosphären bei der entsprechenden Temperatur von 152° C. angewendet. Es kann nun die Frage entstehen, ob dieser Grad von Druck und Temperatur der angemessenste und vortheilhafteste sey? Es läßt sich allerdings erwarten, daß eine höhere Steigerung dieser zwei Factoren noch größere Ersparnisse an Zeit und Brennmaterial bieten würde; allein für hohe Grade müßte der Topf viel stärker construirt seyn und daher ein größeres Gewicht erhalten, wodurch der Vortheil der leichten Behandlung verloren ginge, daher es mir scheint, daß ein Druck von 5 bis 6 Atmosphären der angemessenste seyn dürfte. Um hierüber einigen Aufschluß zu erhalten, wurden Kastanien in gleicher Quantität und Qualität wie oben in einem anderen sehr starken und schweren Topf gekocht unter einem Druck von 10 Atmosphären und entsprechender Temperatur von 180° C.; da derselbe durch die Gasflamme nicht erhitzt werden konnte, so wurde ein Feuer von Buchenholz während 25 Minuten unterhalten. Wegen der starken Erhitzung konnte aber der Topf erst nach ungefähr 5/4 Stunden abgedeckt werden; die Kastanien fanden sich vollkommen weich; diese Erweichung erhielten sie offenbar nicht allein während der kurzen Dauer der Feuerung, sondern auch dadurch, daß sie nach Löschung des Feuers noch längere Zeit in der hohen Temperatur verweilten; es wurde also in diesem Falle an der Zeit der Feuerung bedeutend erspart; wieviel an Brennmaterial erspart wurde, konnte nicht ermittelt werden, weil die Feuerung nicht mit Gas wie bei den übrigen Siedeversuchen stattgefunden hatte. Das lange Zuwarten bis zur Abdeckung und das große Gewicht eines solchen Topfes machen denselben für den täglichen Hausgebrauch ganz unpraktisch; ein solcher könnte nur für ganz besondere Zwecke nützlich seyn. Bei den stets steigenden Holzpreisen sind die Ersparnisse mit dem Papinischen Topf unstreitig beachtenswerth und zwar sowohl für die Privathaushaltungen als für öffentliche Anstalten, wie für Spitäler, Armen- und Waisenhäuser, Irren- und Strafanstalten, wo täglich Gemüse in großer Menge nebst Fleisch weich gekocht werden müssen.