Titel: Ueber die Einwirkung verdünnter Salzlösungen auf Blei; von M. Pattison Muir.
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CXXX., S. 543
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CXXX. Ueber die Einwirkung verdünnter Salzlösungen auf Blei; von M. Pattison Muir. Aus Chemical News, vol. XXV p. 294; Juni 1872. Muir, über die Wirkung verdünnter Salzlösungen auf Blei. Es ist eine längst bekannte Thatsache, daß Wasser, welches einige Zeit in bleiernen Behältern aufbewahrt wird, einen Theil des Bleies derselben auflöst und in Lösung hält. Reines Regenwasser, sowie destillirtes Wasser besitzen diese Eigenschaft in beträchtlichem Grade und bei manchen Wässern – insbesondere solchen welche salpetersaure Salze enthalten – ist die Menge des auf diese Weise in Lösung gehenden Bleies sehr bedeutend. Der Genuß von solchem Wasser wirkt daher giftig und in vielen Fällen lassen sich die schädlichen Wirkungen desselben unzweifelhaft auf seinen Bleigehalt zurückführen. Andererseits ist vielfach beobachtet worden, daß ein – selbst sehr geringer – Gehalt des Wassers an gewissen anderen Salzen, namentlich an schwefelsauren und kohlensauren Salzen, die Löslichkeit des Bleies in solchem Wasser bedeutend vermindert, und aus diesem Grunde ist es an manchen Orten, wo sehr reines Wasser benutzt wird, üblich geworden, demselben bestimmte Mengen von löslichen Carbonaten und Sulfaten zuzusetzen, um seine auflösende Wirkung auf das Blei der Röhren, welche es zu durchlaufen hat, abzuschwächen. Es schien mir sowohl von wissenschaftlichem Interesse, wie von praktischem Nutzen zu seyn, die Bleimengen, welche von einem verschiedenartige Salze in Lösung enthaltenden Wasser in einer gegebenen Zeit aufgelöst worden, genauer zu bestimmen, als dieß bisher geschehen zu seyn scheint. Da in sehr vielen Städten das Trinkwasser auf längeren oder kürzeren Strecken durch Bleiröhren läuft, und da selbst sehr geringe in einem zu häuslichen Zwecken benutzten Wasser enthaltene Bleimengen mit der Zeit einen sehr schädlichen Einfluß auf die Consumenten desselben ausüben müssen, so ist es offenbar eine nicht unwichtige Aufgabe, die Menge des Bleies, welche von einem Wasser von bestimmter Zusammensetzung gelöst werden kann, sowie die Menge einer zur Verhinderung dieser besonderen Wirkung jenem Wasser zuzusetzenden fremden Substanz, festzustellen. 500 Kub. Cent, destillirtes Wasser wurden in einen reinen Kolben gebracht, und nachdem eine Anzahl von solchen Gefäßen in dieser Weise gefüllt worden war, wurde der Inhalt eines jeden derselben mit gewogenen Mengen verschiedener Salze versetzt. Hierauf wurde in jedem Kolben an einem Faden ein Stück blankes, reines Blei so aufgehängt, daß die Flüssigkeit zu allen Theilen des Metalles unbehindert gelangen konnte; hierbei konnte die der Einwirkung der Flüssigkeit ausgesetzte Bleifläche genau bestimmt werden. Sie war bei diesen Versuchen = 5600 Quadratmillimeter. Dann wurden die Kolben mit ihrem Inhalte vierundzwanzig, achtundvierzig und zweiundsiebenzig Stunden bei Seite gestellt; nach Verlauf dieser Zeiten wurde der Betrag des gelösten Bleies bestimmt. Zu diesem Zwecke wendete ich eine Modification der von Wanklyn und Chapman in ihrem Werk über „die Analyse des Wassers“ angegebenen Methode an. Das Verfahren ist wesentlich ein colorimetrisches, indem der Betrag des vorhandenen Bleies mittelst der Tiefe der der Lösung durch Zusatz von Schwefelwasserstoff ertheilten Färbung geschätzt wird, im Vergleich mit der Färbung welche ein gleiches Volum von reinem destillirtem, mit einer bestimmten Menge Normalbleilösung versetzten Wassers zeigt. Die von mir angewendete Normalbleilösung enthielt per Liter Wasser 0,1 Grm. Blei, so daß jeder K. C. 0,0001 oder einem Zehntelmilligrm. Blei entsprach. Zur Prüfung wurden je 100 K. C. der zu untersuchenden Lösung verwendet, und die Reaction war hinreichend empfindlich, daß mittelst derselben in 1000000 Th. Wasser, 2 Th. Blei noch leicht entdeckt werden konnten. Was die Zusammensetzung der Lösungen betrifft, deren Einwirkung auf Blei geprüft werden sollte, so ermittelte ich zunächst das Verhalten des Bleies gegen Lösungen bestimmter Mengen nur eines einzigen Salzes; dann suchte ich die Frage zu beantworten: welche Wirkung bringt der Zusatz noch eines anderen Salzes hervor? Wird dadurch die auflösende Wirkung des Wassers auf das Blei verzögert oder beschleunigt? Wenn eine Verzögerung resultirt, welche Salze und welche Quantitäten derselben sind es dann, die einen derartigen Einfluß im stärksten Grade ausüben? Wenn dagegen der Zusatz noch eines Salzes die lösende Wirkung beschleunigt, welche Salze äußern diesen Einfluß am stärksten? – Ferner stellte ich Versuche über das Verhalten des Bleies gegen Lösungen eines Gemisches von mehr als zwei Salzen an, und suchte auf diesem Wege den bei natürlichen Wässern obwaltenden Bedingungen mich mehr anzunähern. Die erhaltenen Resultate sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Salz Grammeper Liter Aufgelöstes Blei in Milligrammen per Liter nach 24 48 72 Stunden. Salpetersaures Ammoniak 0,020 13,0 25,0            dasselbe 0,040 15,0 32,0            dasselbe 0,080 15,0 Salpetersaures KaliSchwefelsaures Natron 0,0200,050   2,0 2,0 Salpetersaures KaliSchwefelsaures Natron 0,0400,212   0,8 1,0 1,2 Salpetersaures KaliKohlensaures Kali 0,0450,308 0,3 Salpetersaures KaliSchwefelsaures Kali 0,0700,504 0,5 Schwefelsaurer Kalk 0,252   0,4 0,8            derselbe 0,408   0,4 1,0 Kohlensaures Kali 0,310 0,2            dasselbe 0,516 0,2 Chlorcalcium 0,250   0,5 0,5 0,5    dasselbe 0,510   0,3 0,4 Schwefelsaures Natron 0,200 0,8            dasselbe 0,400 0,5 Salpetersaures AmmoniakChlorcalcium 0,0200,060 1,8 Salpetersaures AmmoniakKohlensaures KaliSchwefelsaures Natron 0,0200,1000,200 0,4 Schwefelsaures NatronKohlensaures KaliChlorcalcium 0,2000,0400,100 0,1 Wasser aus dem Loch Katrin   1,0 1,0 1,5 destillirtes Wasser   2,0 2,0 3,0 Die in derselben Zeitperiode von Wässern, welche verschiedene Salze in Lösung enthalten, aufgelösten Bleimengen weichen demnach sehr von einander ab. Von allen Salzen, welche hinsichtlich ihres Einflusses auf die lösende Wirkung reinen Wassers auf Blei untersucht wurden, erhöhen die Salpetersäuresalze – namentlich salpetersaures Ammoniak – diese Wirkung am stärksten. Vielleicht ist der wirkliche Gehalt der Wässer an Nitraten nicht ganz so groß, als derjenige der zu meinen Versuchen angewendeten Lösungen; ich möchte jedoch auf die Thatsache aufmerksam machen, daß Wasser welches ein Minimum davon, nämlich 0,02 Grm. per Liter enthielt, fast ebenso viel Blei auflöste, als Wasser mit dem zweifachen Gehalte an salpetersaurem Ammoniak. Ferner ist zu bemerken, daß gewöhnlich ebenso viel oder doch beinahe ebenso viel Blei aufgelöst wurde nach vierundzwanzigstündiger, wie nach zweiundsiebenzigstündiger Einwirkung, so daß Wasser, welches für häusliche Zwecke in einem bleiernen Behälter aufbewahrt wird, wenn es auch mit dem Metalle niemals lange in Berührung bleibt, ohne Zweifel doch binnen kurzer Zeit sehr schädliche Bleimengen aufnimmt, wenn dasselbe Salpetersäuresalze enthält. Der Einfluß der Chloride (wenigstens des Chlorcalciums, mit dem ich experimentirt habe) scheint, in Bezug auf die Menge des aufgelösten Bleies, die Wirkung zu verzögern und nicht zu beschleunigen; dieß wurde sowohl bei dem nur Chloride, als auch bei dem Chloride und auch Nitrate enthaltenden Wasser beobachtet. Unter den zu den obigen Versuchen benutzten Salzen äußern die Kohlensäuresalze die die Auflösung des Bleies verzögernde Einwirkung am stärksten; die Gegenwart von 1 Theil kohlensaurem Kali in 3000 Theilen Wasser verhindert jede lösende Wirkung eines solchen Wassers auf Blei fast vollständig. Auch die löslichen Schwefelsäuresalze wirken in derselben Weise und zwar beinahe, wenn auch nicht ganz so kräftig, wie die Carbonate. Wenn ein Wasser, welches bis 0,02 Grm. Salpetersäuresalze per Liter enthält (was ungewöhnlich viel ist), zugleich sulfalthaltig ist, und die Menge der in ihm vorhandenen Schwefelsäuresalze auch nur 0,05 Grm. per Liter beträgt, so wird dadurch seine Fähigkeit, Blei zu lösen, sehr bedeutend vermindert und zwar in dem Verhältnisse von 13 zu 2. Dieselbe Wirkung wird durch Kohlensäuresalze ausgeübt, nämlich bei einem Gehalte von 0,045 Grm. salpetersaurem Kali und 0,308 kohlensaurem Kali; die Menge des gelösten Bleies verhielt sich zu der von einem, eine gleiche Menge Salpeter, jedoch keine Carbonate enthaltenden Wasser gelösten, wie 0,3 zu 16. Somit wirken Kohlensäuresalze bei nitrathaltigen, und (wie vorher bemerkt) auch bei nitratfreien Wässern sogar noch günstiger als die Schwefelsäuresalze. Enthält ein Wasser sowohl Nitrate, als auch Carbonate und Sulfate, so ist seine Einwirkung auf Blei beinahe gleich Null. Dasselbe ist der Fall, wenn die Schwefelsäuresalze und die Carbonate durch Chloride ersetzt sind, jedoch ist in diesem Falle die Einwirkung auf Blei etwas stärker als im ersteren; wenn z.B. ein 0,02 Grm. salpetersaures Ammoniak per Liter enthaltendes Wasser mit noch zweimal mehr (0,06 Grm. per Liter) Chlorcalcium versetzt wird, so ist die Menge des von diesem Wasser aufgelösten Bleies außerordentlich gering, indem sie nur ungefähr 1 3/4 Milligrm. per Liter in zweiundsiebenzig Stunden beträgt. Dieses Verhalten ist von einiger Wichtigkeit, weil ein Salpetersäuresalze enthaltendes Wasser gewöhnlich auch Chloride enthält. Aus allen diesen Versuchen ziehe ich den Schluß, daß, wenn wir auch in einem Wasser durch die Analyse einen ziemlichen Gehalt an Salpetersäuresalzen finden, wir dasselbe doch nicht ohne Weiteres verwerfen dürfen, – was nämlich seine Einwirkung auf Blei anbetrifft, – sondern in diesem Falle sorgfältig untersuchen müssen, ob jenes Wasser nicht auch solche Mengen von anderen Salzen (Chloriden, Sulfaten oder Carbonaten) enthält, welche den schädlichen Einfluß der Salpetersäuresalze zum großen Theile neutralisiren.