Titel: Ueber die Bestimmung des Extractgehaltes des Bieres und der Bierwürze; von Oscar Kuab, Brauereitechniker in den Brauereien des Hrn. Jos. Sedlmayr in München.
Fundstelle: Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CXXXIV., S. 485
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CXXXIV. Ueber die Bestimmung des Extractgehaltes des Bieres und der Bierwürze; von Oscar Kuab, Brauereitechniker in den Brauereien des Hrn. Jos. Sedlmayr in München. Knab, über die Bestimmung des Extractgehaltes des Bieres und der Bierwürze. Die beiden zur Bestimmung des Extractgehaltes des Bieres und der Bierwürzen bisher angewendeten Methoden, nämlich 1) die indirecte Bestimmung, ausgeführt durch Erhebung des specifischen Gewichtes und Aufsuchen des entsprechenden Procentgehaltes an Extract in der Balling'schen Saccharometertabelle, oder durch Anwendung der Senkwaage, bei welcher sich die beiden Operationen durch Einzeichnung der Balling'schen Saccharometerprocente statt der specifischen Gewichte vereinigen, und 2) die directe Bestimmung durch Eindampfen der Würze oder des Bieres und Austrocknen des Rückstandes bei höherer Temperatur im getrockneten Luftstrome geben unter allen Umständen differirende Resultate, und es ist dieß auch gar nicht anders zu erwarten. Denn die zur Ausführung der indirecten Methode dienende Tabelle von Balling ist von diesem mit Hülfe von Zuckerlösungen entworfen worden und wurde von ihm deßhalb auch Saccharometertabelle genannt. Balling verwendete hierzu weißen Kandiszucker, den er gepulvert und zwischen 30 und 40° R. getrocknet hatte. Auf dieselbe Tabelle beziehen sich die Balling'schen Saccharometer (Senkwaagen). Balling hat damit dem Praktiker ein Hülfsinstrument in die Hand gegeben, womit derselbe im Stande ist, seine Bierproduction zu regeln, die Attenuation zu verfolgen etc. Anders gestaltet sich aber die Sache bei Benutzung dieser Saccharometertabelle, um auf sie die Bestimmung des trocken gedachten Malzextractes zu begründen. Sie ist keine Extracttabelle, sondern eine Zuckertabelle; da aber Zucker kein Malzextract ist, und Malzextract ein ganz anderes Gewichtsverhältniß in seinen Lösungen hat, als Zucker, so sind die in dieser Richtung weiter geführten Arbeiten falsch. Der Fehler wird um so größer, je mehr die resultirende Zahl sich der Zahl 100 nähert. Die zweite, die directe Methode leidet in der bisher von den meisten Technikern befolgten Ausführung an Ungenauigkeit, indem sie eine zu geringe Extractausbeute gibt, wie kürzlich durch eine Arbeit von Grießmayer (polytechn. Journal Bd. CCIV S. 250, erstes Maiheft 1872) nachgewiesen worden ist. Grießmayer hat nämlich gezeigt, daß bei der bisher befolgten Methode der Austrocknung des Bierextractes außer Wasser auch Glycerin und Bernsteinsäure, welche ebenfalls zum Bierextract gehören, verflüchtigt werden. Diese Methode besteht darin, daß das Austrocknen im getrockneten Luftstrome bei 110° C. vorgenommen wird. Da aber der Traubenzucker bei 100° C. (nicht bei 140°, wie in Strecker's Lehrbuch angegeben ist), nachdem er kaum alles Wasser verloren hat, schon gebräunt wird und theilweise durch Zersetzung in Caramel übergeht, so hat der Verf. bei seinen Extractbestimmungen das Austrocknen des Malz- und Bierextractes schon seit Jahren bei 100° C. vorgenommen, und bei einer neuerdings angestellten Untersuchung hat er sich überzeugt, daß bei dieser Temperatur noch keine nachweisbare Verflüchtigung von Glycerin und Bernsteinsäure stattfindet. Es dürfte also die Ausführung der Trockenbestimmung bei 100° C. zu Resultaten führen, welche dem wahren Extractgehalt sehr nahe liegen, und uns damit eine Grundlage für die Genauigkeit der indirecten Bestimmungsmethode gegeben seyn. Um nun die Abweichungen der durch das Balling'sche Saccharometer oder durch dessen Saccharometertabelle erhobenen Resultate vom wahren Extractgehalt zu erforschen, führte der Verf. die Trockenbestimmung der Hauptbestandtheile des Malzextractes, nämlich des Zuckers, des Dextrins und des Malzextractes selbst, aus. I. Zur Extractbestimmung nahm er Würze von der Kühle, welche das specifische Gewicht 1,05562 zeigte. II. Zur Dextrinbestimmung diente eine Dextrinlösung,Das verwendete Dextrin war durch öfteres Fällen mit Weingeist aus Würze erhalten. welche auf nahezu dasselbe specifische Gewicht wie das der Würze gebracht worden war. Diese Dextrinlösung zeigte das specifische Gewicht 1,05456. III. Zur Zuckerbestimmung bereitete der Verf. eine Lösung aus Traubenzucker; sie hatte das specifische Gewicht 1,05928. Behufs der Trockenbestimmung gab der Verf. in drei tarirte Liebig'sche Trockenröhren je 10 Kubikcentimeter einer der drei Lösungen und erhob das Gewicht derselben. Es betrug I. bei der Würze 10,4868 Grm. II. bei der Dextrinlösung 10,4600 III. bei der Zuckerlösung 10,5520 Die mit den Lösungen beschickten Trockenröhren wurden nun so in ein auf 102° C. erhitztes Oelbad gesetzt, daß der Flüssigkeitsspiegel in den Trockenröhren noch über dem Niveau des Oelbades stand, damit eine allmähliche Verdunstung des Wassers ohne Aufschäumen der Flüssigkeit stattfinde. Die Temperatur in den Röhren dürfte nahezu 100°, jedoch nie mehr betragen haben. Nach zwölfstündigem Erwärmen und durch zeitweiliges Durchsaugen von Luft waren die Lösungen eingetrocknet. Die Trockenröhren wurden nun tiefer in das Oelbad gesenkt, und das Austrocknen des Rückstandes unter fortgesetztem Durchleiten eines getrockneten Luftstromes so lange fortgesetzt, bis zwei auf einander folgende Wägungen keinen Gewichtsverlust mehr anzeigten. Nach 72 Stunden war bei dem Extract und dem Dextrin ein constantes Gewicht erreicht. Bei dem Zucker hingegen war selbst bei weiterem Austrocknen kein constantes Gewicht zu erzielen, und es zeigte sich bei demselben schon nach der vierten Wägung in den über dem Oelbade befindlichen Theilen der Trockenröhre ein leichter Beschlag von Kohlenstoff oder kohlenstoffreicher Substanz, der von der siebenten Wägung an zusehends sich verstärkte. Dieß deutet auf eine Zersetzung des Traubenzuckers, wobei Wasserstoff und Sauerstoff in Form von Wasser entweichen. Der Verf. nahm daher beim Zucker das Resultat der siebenten Wägung als Constante an. Der trockene Rückstand betrug nun I. beim Extract 1,3546 Grm. II. beim Dextrin 1,3314 III. beim Zucker 1,5238 Es enthielt hiernach   I. die Extractlösung 12,917 Proc. trockenes Extract,  II. die Dextrinlösung 12,728 Proc. Dextrin, III. die Zuckerlösung 14,4409 Proc. Zucker. Des Vergleiches wegen auf ein und dasselbe specifische Gewicht der Lösungen von 1,05928 berechnet, erhält man hieraus    I. für Extractlösung (12,917 . 1,05928)/1,05562 = 13,587 Proc. Extract.   II. für Dextrinlösung (12,728 . 1,05928)/1,058456 = 13,829 Proc. Dextrin.  III. für Zuckerlösung 14,4409 Proc. Zucker. IV. Balling's Tabelle zeigt für dieses specifische Gewicht 14,496 Proc. Zucker an. Wir sehen also, daß der Procentgehalt der Traubenzuckerlösung durch die Zuckertabelle von Balling ziemlich genau angegeben wird. Da aber eine Dextrinlösung von demselben specifischen Gewicht wie eine Zuckerlösung im Vergleich mit dieser weniger Trockensubstanz hinterläßt, so muß das Dextrin ein größeres specifisches Gewicht haben, als der Zucker. Noch weiter abweichend von dem aus der Balling'schen Tabelle erhobenen Procentgehalte ist der durch directes Trocknen erhaltene Procentgehalt des Würzeextractes, so daß hier (13,587 . 100)/14,496 = 93,52 Theile Extract eine gleich schwere Lösung erzeugen, wie 100 Theile Zucker nach der Balling'schen Tabelle. Diese Abweichung ist zum großen Theile dem Dextringehalt der Würze und anderntheils den darin enthaltenen Eiweißkörpern und den Salzen des verwendeten Wassers zuzuschreiben. Der Verf. glaubt hiermit nachgewiesen zu haben, daß mit Zugrundelegung der Balling'schen Saccharometertabelle keine genaue Extractbestimmung ausgeführt werden kann, und daß das Saccharometer, sowie die Tabelle, als Hülfsmittel zur Regelung des praktischen Betriebes einen größeren Werth hat, als zur Ausführung von wissenschaftlichen Arbeiten, was er noch durch einige früher von ihm gemachte Untersuchungen von Malz veranschaulicht. Die Malzwürzen ergaben: Nach Balling's Tabelle. Durch Trockenbestimmung bei 100° C. 1. Sorte 14,582 Proc. Extract, 13,8589 Proc. Extract, 2. 14,558 13,7900    „         „       3. 15,186 14,1756    „         „       Resultate der Extractbestimmungen, auf das getrocknete Malz bezogen: Mit Hülfe der Balling'schen Tabelle. Durch die directe Trockenbestimmung 1. Sorte 71,3759 Proc. Extract, 68,0351 Proc. Extract, 2. 73,2268 69,2335    „         „       3. 73,6750 67,9342    „         „       Bei der dritten Malzsorte bewirkte die schwerere Würze eine noch größere Differenz. Durch diese Untersuchungen gewinnt aber andererseits die directe Extractbestimmung für wissenschaftliche Zwecke an ihrem Werthe, wenn sie nämlich bei 100° C. ausgeführt wird, und dieß ist der einzige Weg, in Bezug auf Trockenextractgehalt genaue Resultate zu erlangen. Eine Tabelle, auf Bier- oder Würzeextract bezogen, läßt sich nicht aufstellen, da die Verhältnisse der Bestandtheile der Würze und des Bieres, als Zucker, Dextrin, Eiweißkörper und Salze, zu sehr dem Wechsel unterworfen sind, d.h. weil das Malzextract keine ungemengte Substanz, sondern eine Mischung dieser Körper in variablem Verhältnisse ist. (Der Bierbrauer, 1872, Nr. 6.)