Titel: Drahtseil-Schifffahrt auf der Donau.
Fundstelle: Band 207, Jahrgang 1873, Nr. V., S. 20
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V. Drahtseil-Schifffahrt auf der Donau. Drahtseil-Schifffahrt auf der Donau. Bald nach den ersten, in Leeds von Baron de Mesnil mit Fowler's wohlbekannter Seiltrommel ausgeführten Versuchen wurden mehrere andere an amerikanischen Canälen, sowie in Belgien und Frankreich ausgeführt, welchen die erste Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft durch Anschaffung eines (nominell) 50pferdigen Dampfschiffes folgte, das nach den Angaben des Herrn T. Schwarz, leitenden Directors der Central-Schleppschifffahrts-Gesellschaft zu Cöln, ausgeführt und in der Strecke Gran-Groß-Maros der Probe unterzogen würde. Die „Nyitra“ ist ein flachgebautes Eisenschiff von 138 Fuß Gesammtlänge, 24 1/2 Fuß Breite und 7 1/2 Fuß Höhe. Es ist mit zwei falschen Kielen versehen, und besitzt vorn und hinten ein langes Steuerruder, welches jedes für sich von einem Rad in der Schiffsmitte bewegt werden kann. Da das Drahtseil, wie zumeist an schnell fließenden Strömen, nur bei der Bergfahrt benutzt werden soll, so sind auch zwei Zwillingsschrauben von je 4 Fuß 2 Zoll Durchmesser vorhanden, welche von zwei besonderen verticalen Maschinen am Bug getrieben werden, die ihrerseits den Dampf aus denselben Kesseln, welche die Maschinerie der Seiltrommel speisen, erhalten. Letztere ist eine liegende zweicylindrige Expansionsmaschine mit Condensation von 14 3/16 Zoll (360 Millimet.) Durchmesser und 23 5/8 Zoll (600 Millimet.) Hub mit nur einem Condensator und nur einer Luftpumpe, die von der verlängerten Kolbenstange des rechten Cylinders getrieben wird; das Bett dieser Maschine ist gleichzeitig auch Unterlage für eine starke gußeiserne verticale Stütze, welche das eine Lager der Seiltrommel enthält, während das zweite durch einen an die rechtsseitige Schiffswand fest angenieteten Support getragen wird. Die Seiltrommel hat 10 1/2 Fuß Durchmesser und kann mittelst einer Uebersetzung mit verschiedener Geschwindigkeit getrieben werden, so zwar, daß einer Umdrehung der Maschine ein Vorwärtsgang des Bootes von 4,1 resp. 7,5 Fuß entspricht. Sie ist auf der Hauptwelle aufgekeilt und hängt auf der Backbordseite etwas über; das Drahtseil hat 1 5/8 Zoll Stärke und kann mittelst Spannrollen gespannt werden. Um das Seil vom Flußgrund aufzuheben und wieder hinunter zu führen sind drei Rollen vorhanden, deren jede den Durchmesser der Seiltrommel selbst, d. i. 10 1/2 Fuß besitzt. Die erste ist wesentlich dazu da, das Seil auszuheben, und auf den eigends hierzu abgeschrägten Bug des Schiffes hinaufzuführen, die zweite führt es der eigentlichen Seiltrommel zu, von wo es mit Hülfe der dritten Rolle wieder in das Wasser gelassen wird. Außer diesen, von welchen die zweite und dritte eigentlich Spannrollen für die Seiltrommel sind, befindet sich noch am Stern eine kleine Rolle aufgehängt, welche jedoch nur dann gebraucht wird (durch Auflegen des Seiles), wenn das Schiff größere Strecken rückwärts zu fahren hat. Die zwei Kessel sind ziemlich gewöhnlicher Art und zwischen den Maschinen der Schrauben sowie jener der Seiltrommel angebracht. Das ganze Deplacement beträgt 200 Tonnen; der Tiefgang ist 3 Fuß 9 Zoll, der eingetauchte Querschnitt 74 Quadratfuß; das Gewicht der Maschine ist 42 Tonnen, jenes der Kessel 32 und die Kohlenbehälter fassen 10 Tonnen. Für weitere Bequemlichkeit als für Schiffsmannschaft ist nicht gesorgt. Versuche fanden statt: am 22., 26. August, sowie am 1., 2. und 3. September. Das Heraufholen des versenkten Drahtseiles (mit Hülfe eines Greif-Ankers) dauerte 7–8 Minuten, während das Auflegen auf die Rollen und die Trommel 6 Mann 15–22 Minuten hindurch beschäftigte. Am 2. September wurden drei gleiche flachgebaute eiserne Schiffe von je 180 Fuß Länge, 21 Fuß Breite und 8 Fuß 4 Zoll Tiefe mit zusammen 15349 Centnern Ladung geschleppt. Die Geschwindigkeit hierbei ergab sich bei der zurückgelegten Strecke von 2824 österreichischen Meilen und der Fahrtdauer von 2 Stunden und fast 43 Minuten, zu 1,04 österreichischen Meilen, wobei die Flußgeschwindigkeit zu 0,605 Wiener Fuß per Secunde durch Messung ermittelt wurde. Die während dessen verbrauchte Kohlenmenge betrug nach sorgfältigen Erhebungen 2273,5 Zollpfund Fünfkirchener Kleinkohle, bei welcher Sorte jedoch 48–50 Proc. Schlacke und Steine vorhanden sind. Der Kohlenverbrauch per Stunde war somit 837,3 Zollpfund und jener per Meile 805 Pfund. Der Kohlenverbrauch per 1 Zollcentner und Meile war nach den Aufschreibungen und Angaben über die mitgeführte Ladung 0,0524 Pfund, dürfte sich jedoch auf 0,0491 Pfund reduciren, da die Angaben mit der Wirklichkeit insofern nicht ganz übereinstimmten als sich die Ladung (Kohle) nach Maaßgabe des Verbrauches vermindert hatte. Die Manometer zeigten während des Versuches einen Dampfdruck von 66–75 Pfund an (die erlaubte Dampfspannung war 80 Pfund). Die durchschnittliche Umdrehungszahl war 105,5. Die Expansion variirte von 3/16–5/16 Füllung. Das Vacuummeter zeigte 61,4 Centimeter Quecksilberhöhe. Indicator-Diagramme wurden von zehn zu zehn Minuten abgenommen, und ergaben eine Durchschnittsleistung von 134,4 Pferdekräften, woraus sich der Kohlenverbrauch zu 6,23 Zollpfund per Stunde und Pferdekraft berechnen ließ. Zur Thalfahrt wurde das Seil herabgeworfen, eine Operation welche 5 Minuten dauerte, und wurden die Schrauben allein benutzt. Ein zweiter Versuch wurde auf derselben Strecke am 22. August und mit 8 Eisenbooten von zusammen 41300 Zollcentnern Ladung, unternommen. Die Geschwindigkeit stromaufwärts ergab sich nunmehr zu 0,6186 österr. Meilen, was einer Geschwindigkeit im ruhigen Wasser von 1,224 österr. Meilen entsprechen würde. Der Kohlenverbrauch erreichte hier die bedeutende Ziffer von 3556 Zollpfund im Ganzen (was wohl größtentheils der schlechten Qualität zugeschrieben werden muß), also 778 Pfund pro Stunde, wobei nun die Fahrt 4 Stunden 34 Minuten dauerte, gegen 2 Stunden und beinahe 53 Minuten des früheren Versuches. Leider wurden bei diesem zweiten Versuche keine Diagramme abgenommen, es läßt sich daher die geleistete Arbeit bloß aus dem Kohlenverbrauch schätzen, und wenn wir hier, der geringeren Expansion wegen, per Pfund und Stunde 7,26 Pfund annehmen, so ergibt dieß eine Leistung von circa 107 Pferden. Nimmt man nun an, daß von der entwickelten Arbeit 75 Proc. übertragen werden und berücksichtigt die Geschwindigkeiten, so ergibt sich eine Spannung im Drahtseile von circa 6700 Pfd. bei dem ersten Versuche und circa 9200 Pfund bei dem zweiten Versuche. (Engineering vom 6. September 1872; Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines, 1872 S. 413.)