Titel: Ueber den Arsengehalt der Zimmerluft.
Fundstelle: Band 207, Jahrgang 1873, Nr. XLIII., S. 146
Download: XML
XLIII. Ueber den Arsengehalt der Zimmerluft. Ueber den Arsengehalt der Zimmerluft. Die Gefährlichkeit der arsenikhaltigen Farben in bewohnten Räumen ist längst erkannt, und die Erkrankung der in solchen Räumen lebenden Menschen als Arsenvergiftung direct nachgewiesen. In Zimmern welche mit arsenikhaltigem Grün angestrichen, oder mit in dieser Farbe gefärbten Tapeten ausgeschlagen sind, hat man dem entsprechend auf Möbeln und Fußboden einen Arsenik und Kupfer haltenden Staub nachgewiesen, welcher eingeathmet, die Veranlassung zu den Erkrankungen bildet. Es ist aber auch festgestellt, daß in Zimmern welche die erwähnten giftigen Farben enthalten, die Erscheinung der Arsenvergiftung unter Umständen auftrat, wo ein Verstäuben des Arsenikgrüns wegen der noch herrschenden Wandfeuchtigkeit oder wegen der vollständigeren Befestigung nicht möglich war, ohne daß es bisher gelungen ist, einen klaren Einblick in diesen Vergiftungsproceß zu erlangen. Hr. H. Fleck hat daher eine Reihe von Versuchen angestellt, in der Absicht zu ermitteln, ob und unter welchen Bedingungen arsenikhaltige Ueberzüge an Zimmerwänden ein arsenikhaltiges Gas entwickeln. Es wurde zu diesem Zwecke eine oben mit einen: Flaschenhalse versehene Glasglocke von 5 Liter Inhalt mit Papier ausgekleidet, auf welches eine dicke Lage Schweinfurter Grün (dieses besteht aus 31,29 Proc. Kupferoxyd, 58,65 Proc. arseniger Säure und 10,06 Proc. Essigsäure neben geringer Menge nicht gebundener arseniger Säure) so aufgetragen war, daß auf einen Quadratcentimeter Fläche 15 Milligramme gebundener arseniger Säure gerechnet werden konnten. Als Bindemittel des Farbstoffes und des Papieres diente Kartoffelstärkekleister. Die Glocke wurde durch eine Glasplatte fest verschlossen, und oberhalb mit einem Kork versehen, durch welchen zwei Glasröhren gingen, eine bis auf den Boden reichend, die andere unter dem Kork endend. An dem Kork war zur Beobachtung der Reaction ein Streifen Lackmuspapier befestigt. Eine zweite Glasstasche wurde mit einer noch warmen Mischung bester Gelatine und Schweinfurter Grünes so ausgeschwenkt, daß Boden und Wandungen mit einer gleich dicken Lage des Ueberzuges bedeckt waren, sodann wie die Glocke des ersten Versuches mittelst eines mit Glasröhren und Lackmuspapierstreifen versehenen Korkes hermetisch geschlossen. Unter eine dritte Glasglocke wurde eine Porzellanschale gestellt, in welcher Schweinfurter Grün mit destillirtem Wasser zu einem dicken Teige gemengt war, im Uebrigen wurde die Glocke wie in Versuch 1 geschlossen. Zu einem vierten Versuche endlich wurde unter einer Glocke von 2 Liter Inhalt eine Porzellanschale mit arseniger Säure, welche mittelst destillirtem Wasser zu einem Teige angerührt war, gestellt, und die Glocke wie in den anderen Versuchen hermetisch geschlossen. Die Temperatur des Zimmers, in dem die Versuche angestellt waren, betrug 17,5° bis 18° C. Die Lackmuspapiere zeigten bei dem Versuche 1 und 2 nach 3 Tagen eine von unten nach oben sich fortsetzende Röthung, während bei Versuch 3 dieselbe Farbenveränderung nach 24 Stunden und bei Versuch 4 nach 6 Stunden eintrat, und zwar bei letzterem sehr intensiv und bleibend, indeß bei Versuch 1 und 2 die Farbe abwechselnd in Blau oder Violett zurückging, und nach einigen Tagen sich wieder in Roth umwandelte. Dieser Farbenwechsel des Lackmuspapieres war in den mit organischen Bindemitteln versehenen Gefäßen ein immer wiederkehrender, und hatte auch nach einem Zeitraume von 3 Wochen noch nicht aufgehört, während in den Gefäßen 3 und 4, welche keine organische Substanzen enthielten, die Röthung des Lackmuspapieres eine bleibende war. In der mit Stärkekleister und Tapete überkleideten Glocke 1 stellten sich zwischen Tapete und Glaswand sehr bald Schimmelbildungen ein, eine Erscheinung welche gegen die mehrfach aufgestellte Annahme spricht, daß die Anwesenheit von Arsenik die Schimmelbildung verhüte. Die in den Gefäßen enthaltenen Gase wurden dann auf Arsenik untersucht, und es zeigte die Glocke 1 nach 3 Wochen eine ganz entschiedene Reaction, deßgleichen die Flasche 2 nach 3 Wochen; die Glocke 3 zeigte nach 8 Tagen gleichfalls eine deutliche, wenn auch schwache Arsenikreaction, während die Glocke 4 keine Reaction ergab. Aus diesen Versuchen folgt somit, daß die Zimmerluft feuchter Räume, deren Wandungen mit Schweinfurter Grün bedeckt sind, auch ohne daß ein Abstäuben stattfindet, Arsenik enthalten kann. Hr. Fleck suchte dann weiter die Verbindungsform des hier auftretenden Arseniks zu ermitteln. Die Versuche ergaben, daß in der Glocke 1 und im Gefäße 2 Arsenikwasserstoff enthalten war. Die Glocken 3 und 4, welche das Lackmuspapier geröthet hatten, zeigten: Nr. 3 neben Arsenikwasserstoff Essigsäure; während die Röthung in Nr. 4 von schwefliger Säure bedingt war, die der arsenigen Säure beigemischt gewesen. Es wurde nun ein fernerer Versuch mit arseniger Säure und einem organischen Bindemittel, Weizenstärke-Kleister, angestellt; diese Substanzen wurden gemischt und wieder in einer Glasglocke, wie in den früheren Versuchen, sich selbst überlassen. Nach vierwöchentlichem, ruhigem Stehen war die ganze Mischung mit Schimmelpilzen dicht bedeckt, und die an dem oberen Rand der Mischung an der Glaswand auftretende Vegetation mit einem dunklen Reif von krystallinischem, metallischem Arsenik umkleidet. Es hatte also eine Reduction der arsenigen Säure in dem Vegetationsprocesse der Schimmelpilze stattgefunden; atmosphärische Luft, welche in einem Strome über die Mischung geleitet wurde, enthielt Arsenikwasserstoff, aber keine arsenige Säure. Eine besondere Versuchsreihe stellte Hr. Fleck endlich noch an, um zu ermitteln ob auch in stagnirender, nicht bewegter Luft über einer Mischung von arseniger Säure und Stärkekleister sich Arsenikwasserstoffgas bilde. Das Resultat war ein positives. „Letztere Erscheinung läßt über das Vorhandenseyn des Arsenwasserstoffgases in der Luft eines Zimmers, in welchem Schweinfurter Grün als Anstrich der Wandfläche oder der Tapete verwendet wurde, keinen Zweifel mehr und spricht vor Allem dafür, daß nicht allein die staubförmigen, mechanischen Beimengungen des Arseniks in der Zimmeratmosphäre, sondern auch gasförmig diffundiren der Arsenwasserstoff, ein Zersetzungsproduct der freien arsenigen Säure in dem Schweinfurter Grün, als Ursache chronischer Arsenikvergiftungen zu erkennen ist. Es beweisen ferner die angestellten Versuche, daß die Entwickelung des Arsenwasserstoffgases vorwaltend unter Mitwirkung der Zimmerfeuchtigkeit und organischer Materien, und zwar hauptsächlich der organischen Bindemittel stattfindet.“ (Zeitschrift für Biologie, Bd. VIII, Heft III.)