Titel: Ueber die Gegenwart des Goldes im Meerwasser; von E. Sonstadt.
Fundstelle: Band 207, Jahrgang 1873, Nr. LXIII., S. 211
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LXIII. Ueber die Gegenwart des Goldes im Meerwasser; von E. Sonstadt. Aus Chemical News durch den American Chemist, December 1872, S. 206. Sonstadt, über die Gegenwart des Goldes im Meerwasser. Zur Entdeckung des Goldes im Meerwasser habe ich mich drei ganz verschiedener Methoden bedient; sie wurden aber sämmtlich auf das Wasser selbst, nicht auf seinen Verdampfungsrückstand angewandt. Die Wasserproben schöpfte ich zu verschiedenen Zeiten an mehreren Stellen der Bucht von Ramsey auf der Insel Man, und die Resultate von allen diesen Proben stimmten völlig untereinander überein. Der Gehalt des Meerwassers an Gold (sicherlich weniger als 1 Gran engl. per Tonne = 20 Centner) ist zu gering, um eine Trennung oder selbst Entdeckung mit den gewöhnlich angewandten Mitteln zu ermöglichen. Außer dieser Schwierigkeit stellt sich noch eine andere von größerem Gewichte in den Weg, welche auf der beständigen Wiederauflösung des Goldes, nach seiner Abscheidung im metallischen Zustande, beruht. Diese Wiederauflösung rührt her von dem Freiwerden des Jods unter dem Einflusse reducirender Agentien auf den jodsauren Kalk, welcher, wie ich schon früher nachgewiesen habe, im Meerwasser vorkommt. Selbst wenn das reducirende Agens in sehr großem Ueberschusse zugesetzt worden ist, nimmt unter der fortwährenden wieder bildenden Kraft des Kalkjodats die Oxydation so rasch zu, daß früher oder später, je nach dem Ueberschusse des gegebenen Reagens, der Zeitpunkt eintritt, wo Jod frei und das suspendirte Gold wieder aufgelöst wird. I. Die erste hier zu beschreibende Methode zur Entdeckung des Goldes im Meerwasser kann schon mit 150 bis 200 Kubikcentimeter Wasser mit Erfolg ausgeführt werden. Man löst in dem mit zwei oder drei Tropfen Salzsäure angesäuerten Wasser zwei oder drei Decigramme reines schwefelsaures Eisenoxydul auf, und erwärmt die Solution in einer Porzellanschale so mäßig, daß kein Sieden eintritt. Es bildet sich dabei in der Schale ein glänzendes Häutchen von Eisenoxyd, welches von der durch die Flamme zunächst getroffenen Stelle ausgeht. Man setzt das Erwärmen so lange fort, bis ungefähr die Hälfte des Wassers verdunstet ist, oder so lange als das Häutchen an Ausdehnung und Glanz noch zunimmt. Nun gießt man die Flüssigkeit ab, reibt das an der Schale fest hängende Häutchen mit ein wenig Wasser zusammen, setzt 50 Kub. Cent. starkes Chlorwasser hinzu, verdunstet nach Verlauf von einer bis zwei Stunden bis auf ein möglichst kleines Volum, wobei man gegen Ende noch einen Tropfen Salzsäure zufügt, und gießt diese fast farblose Flüssigkeit in eine Proberöhre, welche bereits ein wenig Zinnchlorürlösung enthält. Es wird binnen einigen Minuten eine bläuliche oder purpurne Färbung eintreten. Das Resultat tritt immer sicher ein, wenn beim ersten Verdunsten das erwähnte Häutchen sich erzeugt hat; die Entstehung desselben hängt aber davon ab, daß das Eisen sich in einem gewissen Grade theilweise auf höherer Oxydation befindet. Zur Erreichung dieses Zweckes habe ich es am besten gefunden, das Meerwasser nach dem Versetzen mit dem Eisenvitriol und der Salzsäure, einige Stunden oder über Nacht der Einwirkung der Luft zu überlassen, ehe die Erwärmung und Verdunstung vorgenommen wird. Man kann auch die Chlorsolution des Häutchens in einem Porzellantiegel mit niedergeschlagenem Blei eintrocknen, und durch Kupellation Goldkügelchen erhalten, nachdem man das Blei mit Borax zu einer Perle geschmolzen hat; aber dazu ist wenigstens 1/2 Liter Meerwasser erforderlich, und selbst dann bekommt man kein wägbare Kügelchen. II. Zur zweiten Methode bedarf man 1/2 bis 1 Liter Meerwasser. Man versetzt es mit so viel Lösung von reinem Chlorbaryum, daß der dadurch entstehende Niederschlag ungefähr 1 Gran beträgt. Zum vollständigen Absetzen sind 1 bis 3 Tage erforderlich. Man sammelt den Niederschlag, trocknet ihn, mengt ihn mit Borax und Blei, schmilzt vor dem Löthrohre auf Kohle zu einer Perle zusammen und unterwirft diese der Kupellation. Das dadurch erhaltene Kügelchen besitzt eine gelblichweiße Farbe, ähnlich derjenigen einer Legirung von 60 Theilen Gold und 40 Theilen Silber. Zur Bestätigung der Gegenwart des Goldes löst man das Kügelchen in einer Proberöhre in einigen Tropfen Königswasser, verdunstet fast zur Trockne, setzt einige Tropfen Salzsäure hinzu und verdunstet abermals, um den Rest der Salpetersäure auszutreiben. Der fast ganz trockene Rückstand wird mit ein paar Tropfen Wasser vermischt, die Mischung gelinde erwärmt, und wenn das Chlorsilber sich abgesetzt hat, läßt man an der Wand der Röhre einen Tropfen Zinnchlorürlösung herunterlaufen, worauf die für das Gold charakteristische Färbung eintritt. Dieses Experiment ist delicat und erfordert viel Umsicht.Die Fällung des Goldes aus dem Meerwasser vermittelst Chlorbaryum scheint kaum erklärlich, wenn man nicht annehmen will, daß das Metall darin als Aurat enthalten sey, welches als Barytaurat sich ausscheidet. Diese Annahme hat viel für sich und wird durch die Thatsache unterstützt, daß wenn einige Zeit vor dem Zusatze von Chlorbaryum, dem Meerwasser Oxalsäure zugefügt wird, es dann kaum möglich ist, in dem Niederschlage Gold nachzuweisen. Dieß erklärt sich daraus, daß die Oxalsäure alle Goldsalze reducirt; und in einer so verdünnten Flüssigkeit – d.h. einer Flüssigkeit in welcher reducirtes Gold so fein vertheilt ist – kann eine Abscheidung von Gold, außer den in I und III angegebenen Bedingungen, nicht erwartet werden. III. Die dritte Methode ist diejenige, vermittelst welcher ich zuerst mich von der Gegenwart des Goldes im Meerwasser überzeugt habe; allein sie hat den Nachtheil größerer Mühsamkeit als die beiden vorigen. Zu wenigstens einem Liter Meerwasser, welches sich in einer Stöpselflasche befindet, setzt man ein paar Gramme Eisenvitriol, zwei bis drei Tage später etwas Zinnchlorürlösung und hierauf Quecksilberchloridlösung, jedoch von letzterer keinen Ueberschuß, sondern nur so viel daß ein neuer Zusatz noch eine Ausscheidung von Quecksilber verursachen würde. Weder der durch den Eisenvitriol, noch der durch das Zinnchlorür erzeugte Niederschlag reißen das Gold mit nieder, sondern erst wenn das Quecksilberchlorid hinzukommt, zieht das durch die Reaction des Zinnchlorürs auf dasselbe ausgeschiedene Quecksilber das vorhandene Gold und Silber an, und fällt damit als Amalgam heraus. Der Eisenvitriol kann auch weggelassen werden, aber dann bedarf man mehr Zinnchlorür, und dieses oxydirt sich im Meerwasser so rasch, daß man befürchten muß, das gefällte Gold werde durch das Jod (von dem oben schon die Rede war) wieder aufgelöst. Hat man nur Zinn- und Quecksilberlösung angewendet, so kann der Niederschlag geglüht, auf die gewöhnliche Weise geprüft und das erhaltene Kügelchen wie unter II angegeben, behandelt werden. Der Versuch ist indessen lästig wegen des vielen mit unterlaufenden Zinnoxydes. Wenn aber der Niederschlag Eisenoxyd enthält, so schlägt die gewöhnliche Prüfungsmethode fehl, weil während des Schmelzprocesses das Eisenoxyd zu Metall reducirt wird, selbst bei niedriger Rothgluth, und das schwammige Eisen verschließt das Gold und Silber vor dem Zutritte des Bleies. Daher ist es bei Prüfung von Substanzen welche viel Eisenoxyd enthalten, nothwendig, die Reduction desselben so viel als möglich dadurch zu vermeiden, daß man nur Borax als Flußmittel anwendet und zwar in solchem Verhältniß, daß das Eisenoxyd vollständig gelöst bleibt. Daß dabei nicht die reducirende sondern nur die oxydirende Löthrohrflamme Platz greifen darf, versteht sich von selbst.Vor einigen Jahren, als ich mich mit Prüfungen einer größeren Anzahl Gesteine aus den Bergen von Reumammawr in Nordwales auf edle Metalle beschäftigte, war ich sehr verwundert über die differirenden Resultate, welche ich mit ein und denselben Reagentien, aber unter abweichenden Operationsweisen erhielt. Vor dem Löthrohre geschmolzene Proben gaben stets höhere Resultate, als in Tiegeln ausgeführte. Im ersteren Falle nahm ich als Flußmittel nur Borax, im letzteren wandte ich, um die Mischung schmelzbarer zu machen und dadurch ein gutes Bleikorn zu bekommen, außer Borax noch Soda oder Potasche und Kohle an. Dessen ungeachtet erhielt ich selbst im letzteren Falle stets Körnchen von goldführendem Silber, worin sich auch Platin befand; von Eisenoxyden enthielten diese Mineralien zu wenig, um die lösende Wirkung des Bleies auf die edlen Metalle ganz zu verhindern. Als ich später eine Anzahl Rotheisensteine von der Insel Man in Arbeit nahm, bekam ich bei der Behandlung vor dem Löthrohre mit Borax so viel Silber, daß sich per Tonne Erz 16 Unzen ergaben, während im Tiegel nach obiger Beschickung angestellte Proben schwammige Eisenmassen gaben, und das Blei kein Silber enthielt. Wiederholungen lieferten stets wieder dieselben Ergebnisse. In Erzen mit 4 bis 16 Unzen Silbergehalt per Tonne, welche ich tüchtigen Probirern übergab, fanden dieselben keine Spur Silber. Die bei allen diesen Versuchen angewandten Reagentien waren vorher sorgfältigst auf einen etwaigen Gehalt an edlen Metallen geprüft, und bei jeder Versuchsreihe machte ich vergleichende Proben mit Regenwasser, – stets mit negativem Resultate. Ich habe oben der lösenden Wirkung sehr verdünnter Jodsolutionen auf Gold gedacht. Der folgende Versuch bestätigt diese Wirkung. Ein Pröbchen präcipitirtes Gold setzte ich zu concentrirter Jodwasserstoffsäure, welche durch freies Jod schwach gefärbt, aber im Uebrigen ganz rein war. Die Säure wurde rasch trübe. 1 bis 2 Tropfen dieser Lösung zu einer concentrirten Lösung von Zinnchlorür gesetzt, gab sofort die Goldpurpur-Reaction; die überstehende Flüssigkeit erschien farblos und blieb auch so nach neuem Zusatz von Zinnchlorür. Nach Verlauf einiger Tage roch die Flüssigkeit nach Jod, und auf abermaligen Zusatz von Zinnchlorür entstand wieder Goldpurpur, – ein Beweis daß Jod freigeworden war und von dem präcipitirten Golde wieder aufgelöst hatte. Nach weiteren ein bis zwei Tagen war abermals Gold gelöst, und Zinnchlorür schlug dasselbe wieder purpurn nieder. Dieses Experiment konnte noch mehrmals mit Erfolg wiederholt werden. Da das Gold in sehr verdünnter Lösung durch organische Materie und durch das Sonnenlicht leicht reducirt wird, so war es wichtig zu ermitteln, in wie fern das Meerwasser sich bezüglich des Verhaltens zu Gold von dem gewöhnlichen Wasser unterscheidet, oder besser, worin die Kraft liegt, Gold bei Gegenwart organischer Materie gelöst zu halten. Diese Kraft besitzt, wie der folgende Versuch beweist, der in dem Meerwasser enthaltene jodsaure Kalk.Ich will damit nicht gemeint wissen, daß der jodsaure Kalk die Fähigkeit besitzt Gold aufzulösen, oder das sonstwie gelöste Gold aufgelöst zu erhalten; sondern, wie ich in früheren Aufsätzen dargethan habe, faulende organische Materie macht aus neutraler oder schwach alkalischer Lösung von jodsaurem Kalk Jod frei, und dieses löst das fortwährend gefällte Gold immer wieder auf. Aus meinen Versuchen geht hervor, daß organische Materie fähig ist, Gold früher zu fällen, als der Moment eintritt wo dieses Schwanken zerstörender und conservirender Kräfte zwischen organischen und unorganischen Materien sich zu Gunsten der Zersetzung des Kalkjodats hinneigt, und Jod frei wird, welches dann auf das Gold wieder lösend wirkt. Aus diesen Prämissen ergibt sich leicht, daß das Meerwasser, obgleich es immer Gold aufgelöst enthalten muß, in Gegenden wo der Uebergang organischer Materie in Fäulniß zu rasch erfolgt, um sich mit der bildenden (formative) Kraft des Kalkjodats in's Gleichgewicht zu setzen, einen Goldniederschlag liefern wird. Daher scheinen mir die Goldfelder in den Tropen, wo die Zersetzung rascher verläuft, reicher zu seyn als in kälteren Districten, wo die wiederherstellende Kraft des Kalkjodats auf das dem Meerwasser zugeführte Gold lösender wirken kann. Einen Tropfen Goldlösung setzte man zu 400 Kub. Cent. Regenwasser, theilte diese Mischung in zwei gleiche Theile, und fügte zu einem derselben 1/10 Volum einer Kalkjodatlösung, welche 1/1000 des Salzes enthielt. Ferner wurde ein Tropfen derselben Goldlösung zu 400 K. C. Meerwasser, und ein anderer Tropfen zu einer entsprechenden Quantität Kalkjodatlösung gesetzt. Die Becher, worin sich diese vier Flüssigkeiten befanden, stellte man unbedeckt an die Sonne. Alle vier, mit Ausnahme des Meerwassers, nahmen binnen einigen Stunden eine merkliche Färbung an und sahen am folgenden Tage deutlich roth aus. Nach Verlauf von abermals 1 bis 2 Tagen jedoch erschienen sie sämmtlich wieder fast farblos, ausgenommen die reine Goldlösung, welche dauernd gefärbt blieb. Das Verschwinden der Farbe läßt sich nur durch Wiederlösung des gefällten Goldes erklären, während die Fällung selbst außer Frage steht. So verdünnte rothe Flüssigkeiten verlieren ihre Farbe, ohne daß selbst nach Monaten ein Absatz wahrzunehmen ist. Ich habe mehrere ähnliche Experimente unter verschiedenen Umständen angestellt, und alle zeigten, daß der jodsaure Kalk weder lösend auf das Gold wirkt, noch dessen Reduction aus seiner Lösung zu verhüten im Stande ist. Aber sobald das Jodat selbst einer theilweisen Zersetzung unter dem Einflusse faulender Materien unterliegt, so wird Jod frei und vorhandenes Gold aufgelöst.