Titel: Die Phosphorwolframsäure, ein ausgezeichnetes Hülfsmittel zur Fällung organischer Basen; von Dr. C. Scheibler.
Autor: Carl Scheibler [GND]
Fundstelle: Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XXII., S. 141
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XXII. Die Phosphorwolframsäure, ein ausgezeichnetes Hülfsmittel zur Fällung organischer Basen; von Dr. C. Scheibler. Scheibler, über Phosphorwolframsäure als Fällungsmittel organischer Basen. In einer vor Jahren erschienenen ausführlichen Arbeit über die wolframsauren Salze, welche durch spätere Untersuchungen Marignac's ihre Bestätigung fand, lehrte der oben Genannte eine neue Säure des Wolframs, die Metawolframsäure kennen, welche neben anderen bemerkenswerthen Eigenschaften die Fähigkeit zeigte, mit allen basischen Pflanzen- oder Thierstoffen in saurer Lösung Niederschläge zu liefern, welche sich mithin als ein wichtiges Hülfsmittel zur Abscheidung dieser organischen Basen erwies. Er hob damals hervor, daß man, statt der etwas schwierig zu erhaltenden Metawolframsäure sich hierzu auch mit Vortheil der gewöhnlichen wolframsauren Natronsalze, welche vorher mit Phosphorsäure in kochender Lösung behandelt worden seyen, bedienen könne, und sprach die Vermuthung aus, daß die mit Phosphorsäure behandelten Lösungen der gewöhnlichen wolframsauren Salze wahrscheinlich Metawolframsäure enthielten. Der Verfasser hat sich jedoch in neuerer Zeit überzeugt, daß bei der Einwirkung der Phosphorsäure auf Wolfram saure Salze wesentlich neue Säuren, Doppelsäuren, welche Wolframsäure und Phosphorsäure enthalten, entstehen, und daß diese Säuren sich zur Fällung organischer Basen viel besser eignen, als die früher empfohlene Metawolframsäure. Löst man das sogenannte zweifach-wolframsaure Natron unter Zusatz der Hälfte seines Gewichtes Phosphorsäure von 1,13 spec. Gewicht in kochendem Wasser und läßt kurze Zeit sieden, so krystallisirt in der Kälte bei passender Concentration nach einigen Tagen ein Natronsalz in schönen Krystallen heraus, welches Wolframsäure und Phosphorsäure enthält. Versetzt man die Lösung dieses Salzes mit einer Auflösung von Chlorbaryum, so fällt das schwerlösliche Baryumsalz, welches leicht ausgewaschen werden kann, und wird dasselbe in heißem Wasser unter Zusatz von Salzsäure gelöst, aus der Lösung das Baryum durch Schwefelsäure ausgefällt und das Filtrat eingedampft,Färbt sich hierbei das Filtrat durch hineingefallenen Staub etwas blau, so oxydirt man durch 2 bis 3 Tropfen Salpetersäure. so krystallisirt die freie Doppelsäure, die Phosphorwolframsäure, in Prachtvoll diamantglänzenden, stark lichtbrechenden Octaëdern heraus. Geht man statt von dem zweifach-wolframsauren Natron von dem käuflichen einfach-sauren wolframsauren Natron aus, indem man dasselbe ebenfalls kochend mit Phosphorsäure behandelt, die alkalisch reagirende Lösung mit Salzsäure neutralisirt, aus derselben das Baryumsalz fällt und dieses wie vorhin zerlegt, so erhält man eine etwas anders zusammengesetzte Doppelsäure von anderer, würfelförmiger Gestalt. Diese Phosphorwolframsäuren, besonders die in Würfeln krystallisirende, erscheinen besonders wichtig wegen ihres ausgezeichneten Verhaltens gegen organische Basen. Diese werden sämmtlich durch Phosphorwolframsäure, und zwar meist quantitativ, gefällt; aus Flüssigkeiten, welche z.B. nur 1/200,000 Strychnin oder 1/100,000 Chinin enthalten, werden diese Basen noch deutlich niedergeschlagen. Die Niederschläge sind flockig, voluminös, werden aber meist nach längerem Verweilen unter der Flüssigkeit etwas dichter und können leicht mit schwach saurem Wasser ausgewaschen werden, ohne durch das Filter zu gehen. Zur Reindarstellung organischer Basen aus pflanzlichen oder thierischen Extracten eignen sich diese Phosphorwolframsäuren nicht, sondern nur zu einer ersten Abscheidung derselben, da mit den Niederschlägen auch Farbstoffe, leim- und peptonartige Körper, etwas Kalisalze u.s.w. gefällt werden; sie bilden aber ein werthvolles Reagens zur Entfernung einer Gruppe von Körpern aus complicirt zusammengesetzten Extracten, deren Beseitigung für die weitere Erforschung der Natur dieser Extracte oft erwünscht seyn kann. Fällt man übrigens in Fractionen, so enthalten die ersten Niederschläge den Farbstoff und andere Unreinigkeiten, so daß die folgenden Fällungen dann meist sogleich reine Basen liefern. Diese gewinnt man aus den Niederschlägen durch Zersetzung derselben mit Aetzkalk oder Aetzbaryt, welche, sich mit der Phosphorwolframsäure zu einem völlig unlöslichen Körper verbindend, die Basen frei machen. Da die Fällungen mit Phosphorwolframsäure nur in sauren Lösungen entstehen, so säuert man die zu zerlegenden Extracte zweckmäßig mit Schwefelsäure an, um diese Säure, sowie den Ueberschuß der benutzten Phosphorwolframsäure demnächst aus dem Filtrate durch Baryt genau entfernen zu können. Das alsdann resultirende Filtrat repräsentirt den ursprünglichen Extract, aus welchem alle basischen Körper, Farbstoffe u.s.w. entfernt worden sind, ohne daß ein anderer Körper hineinanalysirt worden wäre. Es ist nicht zu zweifeln, daß die Phosphorwolframsäure für gerichtlich-chemische Untersuchungen von großem Werthe ist, vielleicht auch als Gegengift in Vergiftungsfällen mit organischen Basen erfolgreich benutzt werden kann, doch sind hierüber Versuche nicht angestellt. (Tageblatt der Naturforscher-Versammlung in Leipzig, 1872 S. 114.)