Titel: Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Collegium Carolinum zu Braunschweig.
Fundstelle: Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XXXV., S. 204
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XXXV. Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Collegium Carolinum zu Braunschweig. Ueber das Wesen des Bleichkalkes; von C. Göpner. Göpner, über das Wesen des Bleichkalkes. Wissenschaftliche Fragen sind öfter in der Art mit zufälligen und äußerlichen Umständen verknüpft, daß sie mit diesen jederzeit und in Gemeinschaft auftreten. Wie bei einem archäologischen Fund die Wegräumung des Schuttes der Hebung des Schatzes vorausgehen muß, so werden auch Fragen jener Gattung sich solange einer abschließenden Erkenntniß und Beantwortung entziehen, als der bedeckende Schutt der die Haupterscheinung begleitenden außerwesentlichen Erscheinungen nicht zur Seite geschafft ist. Für keine Frage gilt diese Wahrheit in so hohem Grade, als für die Frage von dem Wesen des Bleichkalkes. In dem Drange des überraschen Fortschrittes hat die chemische Wissenschaft nicht Muße gefunden zuerst mit den die Bildung des Bleichkalkes begleitenden Nebenerscheinungen aufzuräumen; indem sie diese Vorbedingung aber übersprang, ohne die ein fester Boden nun einmal nicht zu gewinnen ist, und unmittelbar zur Hauptfrage griff, war eine endgültige Lösung natürlich nicht zu erzielen. So kam es, daß die Natur des Bleichkalkes der sich wie kaum ein anderer Gegenstand der Berücksichtigung fast aller hervorragenden Vertreter der Wissenschaft zu erfreuen gehabt, bei vielfältiger Bereicherung unserer Kenntnisse doch ein Gegenstand der Hypothese blieb und getheilter widersprechender Ansicht. Von Dalton an, durch Gay-Lussac, Liebig, Houtou-Labillardière, Dingler, Fresenius, Bolley und viele Andere, bis zu Bobierre, Scheurer-Kestner und Kolb, ist die Wissenschaft einer großen Zahl von Bearbeitungen für die wichtigsten Aufschlüsse (namentlich in Bezug auf das Verhalten und die Werthbestimmung des Bleichkalkes) verpflichtet; aber immer sind gewisse die Bildung und Constitution betreffende Punkte dunkel geblieben.Auch die denkwürdige Untersuchung, mit der Fr. Crace Calvert neuerlich die Literatur bereicherte (polytechn. Journal, 1872, Bd. CCVI S. 144), hat darüber kein Licht verbreitet! Es sind dieß besonders die folgenden: 1) Die Bleichkalke aller Darstellungen weichen von einander ab in ihrem chemischen Bestande; 2) alle Bleichkalke enthalten wechselnde Mengen von Chlorcalcium und Aetzkalk, deren Ursprung und Bedeutung unsicher ist. 3) Die chemische Constitution des Bleichkalkes ist, abgesehen von Gesichtspunkten höherer Ordnung, schon in der Vorfrage zweifelhaft, ob die unterchlorige Säure als solche zu seinem chemischen Bestande gehört oder nicht. Was den ersten Punkt anlangt, so liefert schon die fabrikmäßige Praxis den Beweis, daß auch bei Einhaltung derselben Vorschrift und überhaupt gleichem Verfahren niemals identische Producte erhalten werden; denn man ist genöthigt von Beschickung zu Beschickung den Gehalt an bleichendem Chlor durch Maaßanalyse festzustellen. Der Grund liegt nicht allein in späteren Umsetzungen und Zersetzungen des Bleichkalkes, die Abweichungen sind schon bei dem frisch aus den Kammern genommenen Producte vorhanden. Noch viel bestimmter ergibt sich dieß bei der Bereitung von Bleichkalk im Kleinen. Die zahlreichen Darstellungen, welche im hiesigen Laboratorium bei Gelegenheit dieser Untersuchung ausgeführt wurden, gaben, auch bei anscheinend ganz gleichen Voraussetzungen, nicht zwei identische Producte. Hier, bei dem Versuch im Kleinen ist der Bleichkalk bis auf wenige Fälle mit großem Ueberschuß an Chlor dargestellt; bei dem fabrikmäßigen Betriebe ist dieß bekanntlich nicht der Fall, man läßt das aus einer bestimmten Menge Salzsäure entwickelte Chlor auf eine gegebene Menge gelöschten Kalk einwirken, die man größer oder geringer nimmt, je nachdem stärkerer oder schwächerer Bleichkalk verlangt wird. In dem einen wie in dem anderen Fall, ob man Ueberschuß von Chlor, ob man mehr oder weniger Chlor anwendet, fallen die gleichbehandelten Producte niemals identisch aus. Wie längst bekannt, ist der Gehalt des Bleichkalkes an Chlor überhaupt, wie er sich durch die Bestimmung als Chlorsilber ergibt, stets größer, als der Gehalt an wirksamem Chlor wie man ihn durch die üblichen Titrirmethoden erfährt. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen an Chlor kann nur als nicht bleichende Verbindung, sie kann nur als Chlorcalcium vorhanden sein. Ebenso weiß man aus der täglichen Erfahrung, daß der Bleichkalk stets bei der Auflösung in Wasser eine gewisse Menge Kalkhydrat hinterläßt. Die Abweichungen in dem chemischen Bestande des Bleichkalkes verschiedener Darstellungen stellen sich nun als Schwankungen in dem Verhältniß des absoluten Gehaltes an Chlor zu dem Gehalt an bleichenden: Chlor und zu dem Gehalt an Kalkhydrat dar; Schwankungen, die sich zwar in der Regel in engen Grenzen bewegen, aber doch stets und bei noch so sorgsamer Einhaltung gleicher Bedingung der Darstellung, weit über die Beobachtungsfehler hinausgehen. Die Frage der steten Schwankungen im chemischen Bestande des Bleichkalkes ist daher auf's innigste mit dem Punkte 2), nämlich mit der Frage von dem steten Auftreten und dem Ursprung des Chlorcalciums und des Kalkhydrates im Bleichkalke verknüpft. Das ständige Auftreten beider Verbindungen scheint darauf hinzudeuten, daß sie mit der Bildung des Bleichkalkes in innerer Ursachenverbindung stehen, daß sie constituirender Natur sind; dagegen liegt in den nicht minder ständigen Schwankungen in dem Betrage derselben, in dem Mangel an festen Gewichtsverhältnissen, – nicht bloß zu dem Gehalt an bleichendem Chlor, sondern auch unter sich, – eine ebenso starke Hinweisung auf eine äußerliche Ursache, auf etwas Zufälliges in ihrer Erscheinung. Die Muthmaßung, daß die beiden Bestandtheile, Chlorcalcium und Kalkhydrat, eher zufällige Gemengtheile als constituirende Bestandtheile des Bleichkalkes sind, wird noch durch andere Beobachtungen theils wissenschaftlicher, theils praktischer Natur gestützt. Hierher gehört zunächst eine werthvolle Beobachtung von Hrn. Dr. Ad. Rose in Schönningen in Bezug auf das der Behandlung mit Chlor vorausgehende Löschen des Kalkes zu Hydrat. Beide Körper sind nicht nur im absolut trockenen Zustand ohne Wirkung aufeinander, wie dieß längst feststeht,Polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCII S. 297 s. f. sondern es ist auch ein gut verlaufender fabrikmäßiger Betrieb und ein brauchbares Product nur bei einem gewissen Betrag (etwa 8 Procent) an ungebundenem Wasser im gelöschten Kalk möglich. In diesem Feuchtigkeitszustande ist das Kalkhydrat aber schon dem Zustande nahe gebracht, wo es mit der größten Energie Kohlensäure aus der Luft anzieht. Da man nun in der Fabrikpraxis den Kalk in größerem Vorrath löscht und in solchem Vorrath nicht in luftdicht verschlossenen Gefäßen, sondern nur in hölzernen Kästen aufbewahrt, so wird der vorräthige Kalk von Beschickung zu Beschickung immer reicher an Carbonat in die Kammern gelangen. Nach der Beobachtung von Hrn. Dr. Ad. Rose ändert sich in gleichem Schritt auch das Ergebniß der Titrirung. Man arbeitet in der That nicht mit Kalkhydrat, sondern mit einem Gemenge von solchem und Carbonat in wechselnden Verhältnissen. Man kann sich der Folgerung nicht entziehen daß das Vorhandenseyn von Carbonat in dem Hydrat zu den Ursachen jener Schwankungen zu rechnen sey. – Viele Braunsteine enthalten Carbonate der Erden und des Eisens, deren Kohlensäure sich gleich zu Anfang bei der ersten Berührung mit der Salzsäure entbindet und zur Bildung von Kalkcarbonat im Beginn der Darstellung von Bleichkalk Veranlassung gibt. Eine zweite hierher gehörende Beobachtung ist namentlich im hiesigen Laboratorium seiner Zeit gemacht und verfolgt worden,Polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCII S. 297 f. f. die Beobachtung daß bei der üblichen Entwickelung von Chlor aus Salzsäure und Braunstein, stets gasförmige Chlorwasserstoffsäure in dem Chlorstrom enthalten und durch keines der gewöhnlichen Mittel vollständig wegzuschaffen ist, wie Waschflaschen mit Wasser, Röhren mit Chlorcalcium, fußlange Röhren mit Braunstein gefüllt. Bei der Fabrication im Großen begnügt man sich meist, zwischen den Chlorentwickler und die Kalkkammer ein einfaches Gefäß zur Aufnahme der durch Abkühlung niedergeschlagenen Flüssigkeit einzuschalten. Sie mag zur Kühlung des Chlorgases hinreichen, aber sicherlich nicht zur Entfernung der Salzsäure, namentlich hier nicht wo die Salzsäure meist gasförmig im Chlor enthalten ist. Man leitet also in der Wirklichkeit nicht Chlor, sondern viel Chlor mit geringeren und wechselnden Mengen Chlorwasserstoffgas auf den Kalt (je nach der Temperatur im Chlorentwickler). Diese Chlorwasserstoffsäure kann nicht ohne Einfluß auf das Product bleiben. Man studirte aus diesen Gründen zunächst den Einfluß des Kalkcarbonats und den der Chlorwasserstoffsäure auf dem Wege des Versuches. Beim Hinüberleiten von Chlorgas über pulverförmigen kohlensauren Kalk in der Kälte wird dieser – vorausgesetzt daß einige Feuchtigkeit im Spiel ist, – denn auch auf den kohlensauren Kalk ist Chlor wirkungslos, wenn beide absolut trocken sind – zersetzt. Bei der Zersetzung tritt zuvörderst die Kohlensäure aus, während gleiche Antheile Chlor an den Sauerstoff und das Calcium treten CaCO³ + 4 Cl = Cl²O + Cl²Ca + CO²; es wird also bei dieser übrigens nicht sehr energischen ReactionEs wird von obiger Reaction noch weiter unten die Rede seyn. Chlorcalcium gebildet. – Augenfällig wurde der Einfluß des kohlensauren Kalkes durch folgende vergleichende Versuche. Durch zweimaliges Brennen gänzlich kohlensäurefrei gemachter Marmor, gelöscht und bei Abschluß gegen Kohlensäure der Luft in der Wärme getrocknet, gab das Kalkmaterial. Darüber leitete man Chlor, mit Wasser, Schwefelsäure und Braunsteinrohr gereinigt, in Ueberschuß. Der entstandene Bleichkalk gab durch Titriren mit schwefelsaurem Eisenoxydul-Ammoniak 37,9 Proc. bleichendes Chlor und durch die Bestimmung mit Silber 40,7 Proc. Gesammtchlor. Es kamen mithin nur 2,8 Proc. Chlor auf das im Product enthaltene Chlorcalcium. Als Gegenprobe diente derselbe gelöschte Kalk, aber mit gleichen Theilen kohlensaurem Kalk innig gemischt. Nach der Behandlung mit überschüssigem Chlor gab die Bestimmung mit Silber 30,88 Proc. Gesammtchlor und 23,05 Proc. wirksames Chlor, mithin 7,83 Proc. Chlor im Chlorcalcium, gegen 2,8 Proc. oben. Der Gehalt an unwirksamem Chlor vom Chlorcalcium (jene 2,8 Proc.) rührt zum großen Theil in den beschriebenen Versuchen von kohlensaurem Kalk im Braunstein her. Als man denselben mit Salpetersäure ausgezogen und dann ganz verfuhr wie oben, erhielt man in drei Darstellungen Bleichkalke mit I. II. III.   39,00 39,90 40,39 Proc. Gesammtchlor und 37,76 38,61 39,24 Proc. bleichendem Chlor ––––– ––––– ––––– also   1,24   1,29   1,15 Proc. unwirksamem Chlor des Chlorcalciums. Die 2,8 Proc. unwirksames Chlor rührten demnach fast zur Hälfte von der Kohlensäure aus dem Braunstein her. Sie wird natürlich gleich im Beginn der Chlorentwickelung frei, in diesem Zustand auch sofort von dem zu chlorirenden Kalk ganz oder theilweise aufgenommen und das entstandene Carbonat von dem nachfolgenden Chlor in einem späteren Stadium des Vorganges wieder unter Bildung von Chlorcalcium zersetzt. – Es unterliegt nach diesen Beobachtungen keinem Zweifel, daß das Chlorcalcium im Bleichkalk wenigstens zum Theil von kohlensaurem Kalk in dem zu chlorirenden Hydrat herrührt, gleichviel ob das Carbonat von unvollständigem Brennen des Kalkes, ob vom Anziehen der atmosphärischen Kohlensäure oder der Kohlensäure aus dem Braunstein herrührt. Eine weit einflußreichere Quelle für die Bildung von Chlorcalcium und zugleich ein hochwichtiger Schlüssel für die Natur des Productes der Bleichkalkfabrication, ist der Gehalt des Chlors an Chlorwasserstoffgas. – Schon der Vergleich der Darstellungen von Bleichkalk im hiesigen Laboratorium, und zwar der zu Anfang der Untersuchung, wo das Chlor nur einfach gewaschen ohne Braunsteinrohr zur Anwendung kamSie sind von Hr. Paul Ebell ausgeführt, Darstellung und Analyse. und der vorhin angeführten bei denen der Chlorstrom sorgfältig und dreifach, zuletzt mit der Braunsteinröhre gewaschen wurde, legt davon Zeugniß ab. 1) Anfängliche Versuche; auf 100 Gew. Th. Gesammtchlor kommen unwirksames Chlor oder Chlor im Chlorcalcium: I. II. III. IV. V. VI. 12,77 13,55 14,80 14,99 17,68 20,62 Gew. Th. und auf 100 Gew. Th. wirksames Chlor ebenso: 14,68 15,68 17,37 17,63 21,47 25,98 Gew. Th. 2) die späteren (schon oben angeführten) Versuche; auf 100 Gew. Th. Gesammtchlor kommen unwirksames Chlor I. II. III. 3,18 3,23 2,81 Gew. Th., oder auf 100 Gew. Th. wirksames Chlor ebenso: 3,28 3,34 2,93 Gew. Th. Der Einfluß der Carbonate im Braunstein (bei meinen Versuchen eliminirt, bei Ebell's nicht) ist bei weitem nicht ausreichend um so große Unterschiede zu erklären, wie obige. Es war natürlich, diese Unterschiede auf Rechnung der in dem Chlorstrom enthaltenen Chlorwasserstoffsäure zu setzen, welche auf der einen Seite so vollständig wie möglich, auf der anderen sehr unvollkommen entfernt war. Aber man mußte doch billiger Weise Anstoß nehmen an dem nie fehlenden Gehalt des Bleichkalkes an Kalkhydrat im Betrag mitunter von 30 Proc. Das Bedenken, ob es möglich sey, daß bei dem Gehalte des Chlorstromes an. Chlorwasserstoffsäure während der ganzen Dauer der Einwirkung, selbst bei oberflächlicher Reinigung des Chlors, noch so beträchtliche Mengen von Kalk ungesättigt bleiben können, – dieses Bedenken, gegenüber obigen Erfahrungen, führte darauf, die Einwirkung des gasförmigen Chlorwasserstoffgases auf den Kalk näher zu studiren. Die dabei gemachten Beobachtungen gaben einen werthvollen Schlüssel zum Verständniß der Bildung und Natur des Bleichkalkes. Zu den Versuchen diente Chlorwasserstoffgas, aus concentrirter Salzsäure durch Erhitzen entwickelt und mit englischer Schwefelsäure gewaschen. Als man solchen Chlorwasserstoff über gelöschten Kalk (aus gebranntem weißen Marmor) leitete, so wie derselbe zum Bleichkalk dient, als loses leichtes Pulver mit wenigen Procenten Feuchtigkeit, so verwandelte sich derselbe in eine steinfeste, weiße, äußerlich feuchte Masse. Diese Masse löste sich in Wasser mit Hinterlassung eines weißen Bodensatzes; setzt man dem Wasser Lackmustinctur zu, so wird diese im ersten Anfang geröthet, dann während der Auflösung alsbald aber wieder blau. Die Masse bestand aus Chlorcalcium mit überschüssigem eingeschlossenem Kalkhydrat. Von einer Probe, 1 Stunde lang dem Chlorwasserstoffstrom ausgesetzt, waren 40 Proc. Kalkhydrat in Chlorcalcium verwandelt, der Rest war caustisch geblieben; man hatte ein (vorübergehend) sauer reagirendes Product mit 60 Proc. caustischem Kalk. Diese Erscheinung mochte von dem Zusammenbacken des Chlorcalciums zu einem festen Kuchen herrühren, der das freie Kalthydrat zuletzt dicht umschließt. Um diese Zusammenbackung zu verhindern, rieb man den gelöschten Kalk mit seinem 20 fachen Gewicht Quarzmehl zusammen und vertheilte das Gemenge in kleinen unter einer Glasglocke aufgestellten flachen Schalen, so daß jede 0,2 Grm. Kalkhydrat mit 4 Grm. Quarz enthielt. Ein durch einen großen Kolben mit heißer concentrirter Salzsäure geführter Luftstrom ging mit Chlorwasserstoffgas geschwängert erst durch die Waschflasche mit Schwefelsäure, dann durch die Glocke. Die Temperatur der Salzsäure und der Luftstrom waren so geregelt, daß derselbe beim Austritt aus der Glocke in's Freie noch Nebel von Salzsäure bildete. Von Zeit zu Zeit nahm man eine Schale aus der Glocke, um den  Sättigungsgrad des Kalkes festzustellen. Von den 200 Milligram. Kalkhydrat jeder Schale waren in der 1ten Schale nach 1 Stunde noch 134 Milligrm. 2ten    „ 2 Stunden 118 3ten    „ 6    „ 84 unverändertes Kalkhydrat. Die Wiederholung des Versuches führte zu demselben Ergebniß, selbst noch bei längerem Ueberleiten von Chlorwasserstoff haltendem Gas (wie bei der Darstellung des Bleichkalkes.) Die beschriebenen Versuche erweisen die Thatsache, daß Kalkhydrat, auch noch so verdünnt mittelst eines indifferenten Körpers, durch Chlorwasserstoffgas nur sehr unvollständig gesättigt werden kann, auch dann wenn die Mitwirkung der Feuchtigkeit nicht gänzlich ausgeschlossen ist; denn bei den Versuchen war weder der Gasstrom noch das Kalkhydrat absolut trocken, auch wird Hydratwasser aus dem Kalke frei. Das vorhandene Wasser reicht nicht zu, um das Chlorcalcium zu einer flüssigen Lösung aufzunehmen, es bildet sich festes, mehr oder weniger Wasser enthaltendes Chlorcalcium. Die Kalktheilchen überziehen sich mit einer Hülle von Chlorcalcium, die alsbald jeder weiteren Einwirkung des Chlorwasserstoffes eine Grenze setzt. Bei der Darstellung von Bleichkalk findet dasselbe statt, mit dem Unterschied jedoch, daß der Chlorwasserstoff stets in großer Verdünnung ist, also in gleicher Zeit weniger tiefgreifend wirkt als bloßer Chlorwasserstoff. Es wird ferner bei der Darstellung des Bleichkalkes das gebildete Chlorcalcium nicht nur der Wirkung des Chlorwasserstoffes sondern auch des Chlors ein großes Hinderniß bieten und zuletzt eine Grenze setzen. Das Kalkhydrat, welches der trockene Bleichkalk stets mit sich führt, ist nur derjenige Antheil des in Arbeit genommenen Kalkes, der hinter jener Mauer von Chlorcalcium Schutz gefunden hat. Es ist ebenso einleuchtend, daß das Gegentheil bei der Bereitung des flüssigen Bleichkalkes stattfinden muß und ein solcher Rückstand von Kalkhydrat natürlich nicht vorkommen kann. Denn beim Einleiten von Chlor in Kalkmilch löst sich in dem großen Ueberschuß von Wasser alles Chlorcalcium auf, das Kalkhydrat findet nicht jene Zuflucht, wie bei dem trocken dargestellten Präparat, auch das letzte Atom Kalkhydrat wird von dem Chlor erreicht und zersetzt. Es begreift sich ebensowohl, daß größere Zertheilung des Kalkhydrates die Wirkung des Chlorcalciums nur mildern, aber nicht beseitigen kann, denn auch staubförmiges Kalkhydrat besteht immer noch aus Massetheilchen, nicht aus bloßen Molekeln;Ob bei diesem und anderen ähnlichen Fällen der Unterschied der specifischen Volume des ein- und des austretenden Körpers – hier des Chlors und Wassers – im Spiel ist, wird eine besondere bereits im Gang befindliche Untersuchung entscheiden. bei kleineren Massetheilchen von Kalk wird dasselbe eintreten wie bei großen, nur in etwas anderen Verhältnissen. Wenn es möglich wäre, ein einzelnes Ständchen Kalkhydrat dem Versuch und der Analyse zu unterwerfen, so würde man ohne Zweifel darin noch freien Kalk finden. In der That kam mit viel Quarzmehl vermischtes Kalkhydrat bei einem besonders angestellten Versuch bei der Behandlung mit Chlor zu keiner größeren Stärke als gewöhnlich. Wenn es wahr ist, daß durch das sich bei der Chlorirung des Kalkhydrates bildende Chlorcalcium ein Theil des Hydrates der Wirkung des Chlors entzogen wird, so muß diese Wirkung auch wieder in Gang kommen, wenn man die Fessel zerbricht, d.h. den fertigen Bleichkalk zerreibt und nochmals dem Chlor aussetzt. Bei der zweiten Chlorirung kann es jedoch nicht fehlen, daß dieselbe Erscheinung wieder eintritt wie bei der ersten: der mit dem Chlor übergehende Chlorwasserstoff wird durch fortgesetzte Bildung von Chlorcalcium den Proceß vor der Erschöpfung des Kalkes wieder zum Stillstand bringen. Fährt man so fort mit aufeinanderfolgendem Zerreiben und Chloriren, so wird ein in erster Operation fertiger Chlorkalk, der in Ueberschuß von Chlor sich nicht mehr änderte, auf einen höheren Gehalt an bleichendem Chlor gebracht werden können. Die Versuche sprechen für sich selbst: Hr. P. Ebell stellte einen Bleichkalk dar aus 12 Grm. Kalkhydrat (aus gebranntem weißen Marmor) ausgebreitet in eine flache Schichte. Nachdem ein großer Ueberschuß von Chlor 1 Stunde lang über den Kalk geleitet worden war, entnahm man eine Probe (1), zerrieb den Rest sorgfältig in einem Mörser, behandelte ihn in demselben Apparat abermals und zwar eine Stunde mit Chlor, und entnahm eine Gegenprobe (2). Durch Titriren mit schwefelsaurem Eisenoxydul-Ammoniak fand man in (2) bleichendes Chlor 35,4 Proc. in (1)         „             „ 34,2   ––––––––– Zuwachs durch Zerreiben   1,2 Proc. In einem zweiten Versuch von Hrn. P. Ebell ist das Zerreiben 4 mal wiederholt und jedesmal 1 volle Stunde Chlor zugeleitet worden. Der Gehalt an bleichendem Chlor war schließlich jedoch nur 31,5 Proc. Der Versuch unterscheidet sich von den vorhergehenden darin, daß man die Probe vor der jedesmaligen Behandlung mit Chlor über concentrirter Schwefelsäure getrocknet hatte. Die Wirkung der Chlorwasserstoffsäure im Chlorstrom wurde so durch Verminderung des mitwirkenden Wassers gesteigert. Der Gang der Zunahme der Grädigkeit des Bleichkalkes läßt sich noch deutlicher aus meinen eigenen Versuchen ersehen; sie sind mit demselben Material nur ausführlicher angestellt. Den Ausgangspunkt bildete ein im Chlorstrom aus flach ausgebreitetem Kalkhydrat dargestellter Bleichkalk, der nach beendigter Einwirkung nach der Probe mit ammoniakalischem Eisensalz 36,88 Proc. bleichendes Chlor enthielt. Folgendes sind die Ergebnisse mit den jedesmal sorgfältig zerriebenen und jedesmal aufs neue mit Chlor behandelten Producten: Titer Differenz ursprüngliches Product 36,88 Proc. 0    Proc. 2tes Product, 2h chlorirt 37,44   „ 0,56    „ 3tes     „ 3h     „ 37,71   „ 0,27    „ 4tes     „ 4h     „ 37,36   „ 0,25    „ 5tes     „ 2h     „ 38,37   „ 0,41    „ 6tes     „ 3h     „ 38,54   „ 0,17    „ –––––––––––– Summa 1,66 Proc. Der Titer der Producte ist bei diesen Versuchen höher als bei den vorigen, weil hier das Chlor durch ein längeres Rohr mit Braunstein möglichst von Chlorwasserstoff gereinigt war. Die höchste Ziffer auf die man auf diesem Wege überhaupt kam, war 39,72 Proc. wirksames Chlor in dem Präparate. Das im Bleichkalk durch Chlorwasserstoffgas gebildete Chlorcalcium findet nur so viel Wasser vor, als in dem entwickelten Chlor Feuchtigkeit enthalten ist und durch das letztere aus dem Kalkhydrat frei wird. Diese Quantität Wasser ist nicht zureichend, um das Chlorcalcium aufzulösen, um so weniger als davon ein Theil von der entstehenden bleichenden Verbindung festgehalten, ein anderer Theil durch die Wärmeentwickelung in dem Stadium der intensivsten Einwirkung des Chlors mit weggeht. Wie weit das Wasser bei der Darstellung des Bleichkalkes davon entfernt ist, zu dem genannten Zweck auszureichen, ersieht man aus dem Verhalten des Barythydrates unter gleichen Umständen. Krystallisirter Aetzbaryt, – bekanntlich 10 Atome Wasser enthaltend – statt 1 Atom wie der Kalk, – wurde mehrere Stunden mit durch concentrirte Schwefelsäure streichendem Chlor behandelt. Die Einwirkung erwies sich sehr energisch; es bethätigte sich starke Wärmeentwickelung, die Rühre mit dem Baryt beschlug an den kühl gebliebenen Theilen mit Wasser, es bildete sich krystallinisches Chlorbaryum in dem Product, welches nach der Beendigung des Versuches noch 28,5 Proc. freien Baryt enthielt. Bei der fabrikmäßigen Darstellung des Bleichkalkes im Großen sind die Umstände für die störende Mitwirkung des Chlorwasserstoffgases viel günstiger, insofern das entwickelte Chlor nicht besonders gereinigt noch getrocknet ist. Daher die gewöhnliche Erscheinung, daß sich zu einem gewissen Zeitpunkt der Einwirkung des Chlors in den Kammern auf dem darin ausgebreiteten Kalk eine oberflächliche Kruste bildet, die man durch Umrühren mit den hölzernen Krücken unterarbeitet. Bei den Versuchen im Kleinen kommt es nicht zur Krustenbildung, die Bildung von Chlorcalcium erstreckt sich nur auf die kleinsten Massetheilchen des Kalkhydrates im chlorirten Zustande. Ueber die Bedeutung des Chlorcalciums im Bleichkalk und seinen Ursprung sind die Ansichten von jeher schwankend und unsicher gewesen, namentlich auch darüber, ob es frei neben der bleichenden Verbindung vorhanden oder etwa ein Zersetzungsproduct der bleichenden Verbindung mit Wasser sey. Die Ansicht, daß das Chlorcalcium im Bleichkalk nicht frei, sondern gebunden vorhanden sey, findet man u.a. durch die Angabe gestützt, das Chlorcalcium werde von absolutem Weingeist nicht ausgezogen, wie es doch geschehen müßte, wenn es fertig gebildet und frei vorhanden wäre. Es ist sehr schwer zu begreifen, wie man zu einem solchen Ergebniß gekommen seyn mag. Bei den Versuchen zur Prüfung dieser Angabe enthielt der absolute Alkohol stets Chlorcalcium in Menge, aber es war auch unmöglich, selbst bei sorgfältiger Abkühlung der Gefäße, Zersetzung gänzlich zu verhindern. Es entwickelt sich stets ein erquickender obstartiger Geruch, und wird jedenfalls durch den Angriff des wirksamen Chlors auf den Alkohol Chlorcalcium nicht bloß ausgezogen, sondern durch den Versuch selbst gebildet. Ein Bleichkalk eigener Darstellung mit gereinigtem Chlor, der (aus dem Ueberschuß seines Gesammt-Chlorgehaltes über den Gehalt an wirksamem Chlor berechnet) nur 3,2 Proc. Chlorcalcium enthielt, mit Weingeist behandelt, ergab folgende Resultate: 0,965 Grm. Bleichkalk, mit 15 K. C. wasserfreiem Alkohol bei + 10° C. behandelt, hatte nach 5 Minuten 14,09 Proc., nach 1 1/2 stündiger Digestion 17,74 Proc. an den Weingeist abgegeben. Es sind also 10,9 resp. 14,5 Proc. neu gebildet. Die Probe ist für die Frage völlig werthlos. Schon R. Fresenius Polytechn. Journal, 1861, Bd. CLXI S. 444. hat es versucht, aus dem Verhalten des Bleichkalkes beim Auflösen mit Wasser Anhaltspunkte zur Entscheidung der Frage zu gewinnen, ob das Chlorcalcium frei oder gebunden im Bleichkalk vorhanden ist. Er kam zu dem Schluß, das Chlorcalcium sey nur als ein mechanischer Gemengtheil anzusehen, wenn man nicht etwa eine Verbindung voraussehen wolle, die mit Wasser sofort und völlig in die bleichende Verbindung und in Chlorcalcium zerfalle. Bei der fractionirten Auslaugung bestimmte Fresenius das wirksame und das unwirksame Chlor in den einzelnen Auszügen. Fresenius gibt für jede Fraction das Verhältniß des gesammten Chlorgehaltes zu dem Gehalt an wirksamem Chlor in 100 Theilen des jedesmaligen Auszuges. In den folgenden Versuchen ist die fractionirte Auslaugung mit selbstbereitetem Bleichkalk wiederholt, aber die gefundenen Werthe sind in Procenten dieses letzteren angegeben. Die erste Reihe (I) von Auslaugungen ist mit 3,990 Grm., die (II.) mit 3,901 Grm. Bleichkalt durchgeführt und in beiden Reihen die Lösung von 20 zu 20 K. C. gesondert und analysirt. (Der gesammte Gehalt an Chlor, nach Zersetzung des Bleichkalkes, als Chlorsilber, das wirksame Chlor durch Titriren mit schwefelsaurem Eisenoxydulammoniak bestimmt). Man erhielt so: Nummern I. II. der Wirksames Unwirksames Wirksames Unwirksames Fraction Chlor Chlor 1. 16,18 Proc.   3,87 Proc. 14,46 Proc.   3,38 Proc. 2.   8,72   0,74   5,93   1,07 3.   2,71   0,46   3,53   1,64 4.   0,62   0,06   2,18   0,22 5.   0,16   0,99   1,59   0,37 6.   0,09   0,08   0,64   0,14 7.     –     –   0,38   0,49 Rückstand   0,32   0,12   0,41   0,04 ––––––––– –––––––––– –––––––––––– –––––––––– –––––––––––– 28,80  Proc.   5,42 Proc. 29,12 Proc.   7,35 Proc. Der Bleichkalk wird also – in Uebereinstimmung mit Fresenius – viel rascher erschöpft an Chlorcalcium (unwirksamem Chlor) als an der bleichenden Verbindung (wirksamem Chlor). Im Ganzen bestätigt sich, daß der Vorgang bei der Auslaugung des Bleichkalkes ebenso verläuft wie in einem Gemenge. Einen weiteren Grund gegen das Vorhandenseyn des Chlorcalciums im freien Zustande wollte man noch darin gefunden haben, daß der Bleichkalk nicht zerfließe. Bei dem Bleichkalk des Handels ist es bekanntlich nicht gerade unerhört, daß er nach einiger Zeit eine nasse schmierige Masse bildet. Besser gearbeitete Producte mit mäßigem Gehalt an Chlorcalcium werden nicht schmierig aber sie ziehen, wenn vorher getrocknet, mit großer Schnelligkeit Wasser an. Diese Erfahrung machte Hr. P. Ebell in schlagender Weise beim Trocknen von käuflichem Bleichkalk über Schwefelsäure unter einer Glasglocke. Die Proben wurden täglich gewogen; bei I ergab sich zuletzt, daß die Glocke an einer Stelle nicht dicht schloß, bei II war der vollkommen dichte Schluß wieder hergestellt. Folgendes sind die Ergebnisse der aufeinander folgenden Wägungen: I. II. Gewicht des Bleichkalkes = 4,823 Grm. Gewicht des Bleichkalkes = 1,928 Grm. Gewichtsverlust       0,221 Gewichtsverlust       0,328          „                   0,416           „                  0,037          „                   0,007           „                 0,022          „                   0,047           „                 0,014          „                   0,185           „                 0,004         „                    0,012           „                 0,002 Gewichtszunahme   0,001           „                 0,001 Gewichtsverlust      0,020           „                 0,001          „                   0,031          „                   0,007          „                   0,018 Wie man sieht, wechselt bei I der Gewichtsverlust und die Zunahme, d.h. die Abgabe und Aufnahme von Wasser, je nachdem die Glocke mehr oder weniger beim jedesmaligen Aufsetzen schloß, – während bei II regelmäßige Abnahme des Gewichtes vorliegt. Die Anziehung von Wasser durch das Chlorcalcium macht sich, je nach dem Betrage von nicht zerfließlichen Verbindungen im Bleichkalk mehr oder weniger geltend und äußerlich bemerklich. Bei dem Zusammentreffen von Chlor mit Kalkhydrat kommt die Reaction nicht augenblicklich zu Stande, weil das Chlor erst nach vorhergegangener Absorption durch die Feuchtigkeit des Kalkes in Wirksamkeit tritt. Diese Absorption erfordert einige Minuten Zeit, dann erfolgt die Reaction mit großer Energie, endigt aber zuletzt verlangsamt und schleichend. Ein Versuch (von Hrn. P. Ebell) veranschaulichte diesen Gang der Reaction sehr gut. Unter einer mit Chlor gefüllten, über concentrirter Schwefelsäure abgesperrten Glocke befand sich das Kalkhydrat (3,106 Grm.) in einer auf der Schwefelsäure schwimmenden Glasschale, aber durch einen darüber gestülpten, an einem feinen Platindraht aufgehängten kleinen Glassturz hydraulisch vom Chlor abgesperrt. Durch Aufziehen des Sturzes an dem (durch einen Gummistöpsel gehenden) Platindraht, ließ sich die Berührung des Chlors mit dem Kalk mit einem Ruck herstellen und an dem Steigen des Flüssigkeitsspiegels der Gang der Absorption mit dem Auge verfolgen. Zur Ausgleichung der Druckunterschiede goß man in das äußere Gefäß Schwefelsäure nach, so daß diese innen und außen auf gleicher Höhe stand. Nach einigen Minuten sehr langsamer Bewegung stieg die Schwefelsäure rasch, wurde aber nach etwa zwei Stunden wieder so träge, daß der erst am andern Tage erfolgende Abschluß der Absorption nur schwer zu erkennen war. Diese langgedehnte Verzögerung ist das Spiegelbild der Wirkung des entstandenen Chlorcalciums, welches die Berührungspunkte des Chlors mit dem noch vorhandenen Kalk gegen Ende mehr und mehr vermindert und zuletzt einen nach dem andern abschneidet, bis der Stillstand der Action und zwar vor der völligen Sättigung des Kalkes eintritt. Wie schon Bolley dargethan, kann die Erhaltung von Aetzkalk im Bleichkalk nicht von der Bildung von basischem Chlorcalcium abhängen, denn dieses liefert mit seinem Calciumoxyd ebenso Bleichkalk als ob dieses frei wäre. Wiederholte Versuche bestätigten die Angabe Bolley's vollkommen. Nur ist auch bei dem basischen Chlorcalcium der Erfolg sehr von dem Feuchtigkeitszustande abhängig. Bei 110° C. getrocknetes basisches Chlorcalcium (mit 42 Proc. Aetzkalk) nahm 12,35, eine andere Probe 8,10 Chlor (auf 100 CaO) auf. Nur zwischen Fließpapier oberflächlich getrocknete Proben nahmen 88,9 und 82,3 Chlor (auf 100 CaO) auf. Die bis dahin dargelegten Beobachtungen lassen keinen Zweifel darüber, daß bei der Darstellung des Bleichkalkes nebenbei zufällig aus dem Chlorwasserstoff des Chlorgases Chlorcalcium entsteht, ebenso daß der im Chlorkalk vorhandene freie Kalk lediglich durch das Chlorcalcium der Wirkung des Chlors und der Chlorwasserstoffsäure entzogen bleibt. – Ob das Chlorcalcium des Bleichkalkes ausschließlich aus dieser zufälligen Quelle stammt oder ob ein Theil des Chlorcalciums im Bleichkalk als nothwendiges Product der Einwirkung des Chlors auf Kalkhydrat auftritt, – ist eine Frage die aufs engste mit der Discussion über die Zusammensetzung der bleichenden Verbindung selbst zusammenhängt. Nach der herkömmlichen Anschauung der großen Mehrzahl der Chemiker und chemischen Lehrbücher ist die bleichende Verbindung im Bleichkalk unterchlorigsaurer Kalk. Diese Anschauung ist, nach der Entdeckung der unterchlorigen Säure durch Balard, wesentlich aus der Analogie mit den auf gleichem Wege wie der Bleichkalk erzeugten Verbindungen der Alkalien, den alkalischen Bleichsalzen, hervorgegangen; sie fand eine starke Stütze in dem allerdings auffallenden Umstande, daß der Geruch des Bleichkalkes von dem des auf gewöhnliche Weise entwickelten Chorgases entschieden abweicht und vielmehr dem Geruche der unterchlorigen Säure gleichend, milder und weniger angreifend auf die Athmungsorgane erscheint. Wenn auch dieser herrschend gewordenen Ansicht, wie nicht leugbar ist, ein bedeutendes Maaß von Wahrscheinlichkeit zur Seite stand, so ist sie doch immer hypothetisch geblieben und niemals zu dem Rang einer objectiven Wahrheit erhoben worden. In der Literatur gewöhnte man sich demungeachtet mehr und mehr, sie als Thatsache zu behandeln und bestimmte Folgerungen daraus abzuleiten; sie hat sich nachgerade in dem Maaße befestigt, daß man in den Lehrbüchern die Abscheidung der unterchlorigen Säure aus dem Bleichkalk mit Hülfe von Mineralsäuren und Destillation überall beschrieben findet, wie eine hundertmal vorgenommene Operation. Die herrschende Ansicht war übrigens nicht die allein geltende, vielmehr haben einige Chemiker wie Million, Odling etc. andere Auslegungen der Bildung und chemischen Constitution des Bleichkalkes versucht, aber auch diese sind nicht experimentell festgestellt. Der Hauptgrund, warum die Frage über die Zusammensetzung der bleichenden Verbindung des Chlorkalkes so fest in den Bereich der Hypothese gebannt blieb, war der Mangel einer geeigneten Methode unterchlorige Säure und Chlor sicher zu unterscheiden. Denn der Punkt um den es sich zunächst handelt, sind die Zersetzung und die Zersetzungsproducte des Bleichkalkes, in erster Linie die mit Mineralsäuren. Daß das Studium dieser Erscheinungen zum Ziel und festen Endergebnissen führte, ist allein der trefflichen, von Hrn. Wolters im hiesigen Laboratorium aufgefundenen Methode zur Unterscheidung des Chlors und der unterchlorigen Säure zu verdanken.Herr W. Wolters, Assistent des chemisch-technischen Laboratoriums der hiesigen Lehranstalt, wird eine nähere Darlegung seiner Methode gleichzeitig mit dieser Abhandlung veröffentlichen. Sie bedient sich des metallischen Quecksilbers, welches auf die betreffenden Chlorverbindungen in folgender Weise reagirt: 1) Quecksilber mit Chlorwasser geschüttelt, gibt einfach Quecksilberchlorür (HgCl); 2) Quecksilber mit unterchloriger Säure geschüttelt, gibt eine Quecksilberverbindung die zugleich Chlor und Sauerstoff enthält, krystallinisch, von brauner Farbe, unlöslich in Wasser; in der Flüssigkeit finden sich geringe Mengen von Quecksilberchlorid gelöst. Nach den Angaben der Lehrbücher soll Chlorkalk mit unzureichenden Mengen Mineralsäure versetzt, so daß noch kein Chlorcalcium zersetzt wird, durch Destillation abscheidbare unterchlorige Säure frei machen. Zur Aufklärung dieses Gegenstandes setzte man dem Bleichkalk verdünnte Chlorwasserstoffsäure in diesem Verhältniß zu, dann in aufeinanderfolgenden Versuchen in immer schwächerem Verhältniß, so daß zuletzt ein großer Ueberschuß von Chlorkalk vorhanden war, erwärmte die Mischung und fing das Uebergehende in destillirtem Wasser auf. In dem Uebergegangenen ließ sich durch Schütteln mit metallischem Quecksilber durchaus nur Chlor nachweisen, ohne die geringste Anzeige von unterchloriger Säure. Ganz so wie Chlorwasserstoffsäure verhielt sich verdünnte Schwefelsäure. Auch die Zersetzung des Bleichkalkes durch Kohlensäure gab kein anderes Resultat. Bei dem Durchleiten von Kohlensäure durch eine Röhre mit Bleichkalk ließ sich in den entweichenden Gasen nur Chlor, keine unterchlorige Säure nachweisen. Die Zersetzung durch Kohlensäure ist ganz von der Mitwirkung der Feuchtigkeit abhängig, bei Bleichkalk in fester Form stets äußerst langsam. Ist der Bleichkalk besonders feucht, so ist die Wirkung der Kohlensäure energischer, bei starkem Strom sogar mit Wärmeentwickelung verbunden. Je trockener der Bleichkalk, um so langsamer und matter ist die Einwirkung, dergestalt daß man zuletzt kaum zu einem Abschluß gelangt. Bei einer besonders trockenen Probe, wo man den austretenden Gasstrom durch eine Lösung von salpetersaurem Silber gehen ließ, war die Trübung durch Chlorsilber erst nach Stunden deutlich hervorgetreten. Eine andere Probe, 38,2 Proc. bleichendes Chlor enthaltend, war nach 28tägigem ununterbrochenem Durchleiten von Kohlensäure noch nicht vollständig zersetzt, das Bleichvermögen noch nicht ganz geschwunden; die Probe enthielt in diesem Zustande 72 Proc. kohlensauren Kalk. – Freiwerden und Auftreten von Sauerstoff ist in keinem Fall der Zersetzung des Bleichkalkes durch Mineralsäure in obiger Weise beobachtet worden. Etwas abweichend schien sich eine filtrirte Lösung von Bleichkalk in Wasser gegen Kohlensäure zu verhalten. Die Zersetzung war ebenfalls langsam. Es fällt alsbald kohlensaurer Kalk, der sich bei fortgesetztem Durchleiten mehr und mehr wieder auflöst. In dem austretenden Gasstrom ließ sich nur Chlor nachweisen. Die Lösung dagegen, bis zur Abscheidung des durch die Kohlensäure gelösten Kalkcarbonats erhitzt, dann filtrirt und destillirt, gab im übergegangenen Theil neben viel Chlor nachweisbar Reaction auf unterchlorige Säure. Diese letztere betrug um so mehr, je länger Kohlensäure eingeleitet war; die Bildung der unterchlorigen Säure tritt überhaupt nicht im Anfang, sondern erst mit dem weiteren Verlauf der Behandlung mit Kohlensäure auf. Dieser Umstand deutet auf eine secundäre Entstehungsursache hin, wie sie sich denn auch in der Einwirkung des frei werdenden, in der Flüssigkeit gelöst bleibenden Chlors auf den gefällten kohlensauren Kalk herausstellte. Durch besondere, schon Eingangs (bei dem Nachweis über den Ursprung des Chlorcalciums im Bleichkalk erwähnte) Versuche war es leicht zu constatiren, daß kohlensaurer Kalk, bei Gegenwart von Feuchtigkeit, mit Chlor unterchlorige Säure liefert (CaCO³ + 4 Cl = Cl²Ca + Cl²O + CO².) Als unmittelbares Product der Zersetzung des Bleichkalkes durch Kohlensäure ist nur Chlor zu nennen. Es kann nach dem Obigen als festgestellt angesehen werden, daß der Bleichkalk mit Mineralsäuren ausschließlich Chlor, aber keine unterchlorige Säure entwickelt, daß mithin auch im Bleichkalk kein unterchlorig-saurer Kalk vorhanden seyn kann. Nach der herkömmlichen Erklärung soll bei hinreichendem oder überschüssigem Zusatz von Mineralsäure zu dem Bleichkalk, zugleich Chlorwasserstoff und unterchlorige Säure frei werden, die sich zu Chlor und Wasser zersetzen. Mit dem Nichtvorhandensein der unterchlorigen Säure fällt selbstverständlich auch die Möglichkeit des Freiwerdens von Chlor auf diesem Wege weg. Nach der bisherigen Annahme wirkt das Chlor auf 2 Atome Kalk ein und verwandelt das eine in Chlorcalcium, während sein Sauerstoff, zur Bildung von unterchloriger Säure mit einem anderen Antheil Chlor verwendet, auf das zweite Atom Kalk überging: 2 CaO, HO + 2 Cl = ClCa + CaO, ClO + 2 HO nach der dualistischen Aequivalentformel. Nach dieser Vorstellung ist bei Ueberschuß von Mineralsäure nicht nur das Chlor, sondern auch der Sauerstoff der unterchlorigen Säure wirksam; der Sauerstoff in sofern, als er den aus dem Chlorcalcium frei werdenden Chlorwasserstoff in Wasser und Chlor umsetzt. Auch das Chlorcalcium dachte man sich als einen bei der Chlorentwickelung mit in Wirksamkeit tretenden Bestandtheil des Bleichkalkes. Enthält der Bleichkalt, nach den gelieferten Nachweisen, keine unterchlorige Säure, so muß auch diese Vorstellung fallen und der Bleichkalk kann nur, wie bereits mehrere Chemiker annehmen, das Product einer directen Aufnahme des Chlors durch den Kalk des Kalkhydrates, also nach der gegenwärtig üblichen Bezeichnung CaOCl² seyn, mit Ausscheidung von mehr oder weniger Wasser. Das Chlorcalcium in dem Bleichkalk ist keineswegs ein mit der Bildung des letzteren nothwendig entstehendes Product, sondern seinem ganzen Betrage nach, ebenso wie das Kalkhydrat, ein von äußeren Ursachen herrührender zufälliger und wechselnder Gemengtheil. Der Vorgang bei der Zersetzung der bleichenden Verbindung des Bleichkalkes mit Mineralsäuren ist einfache Abscheidung von Chlor unter Bildung des entsprechenden Kalksalzes, z.B. CaOCl² + SO⁴H² = SO⁴Ca + Cl² + OH² oder CaOCl² + CO² = CaCO³ + Cl² u.s.w. Bei dem Zusammenbringen des Bleichkalkes mit Reductionsmitteln bildet sich Chlorcalcium und eine höhere Oxydationsstufe. Schweflige Säure bildet schwefelsauren Kalk, Ammoniak bildet Stickstoff und Wasser beide neben Chlorcalcium. Umgekehrt gibt Zinnchlorür mit dem Bleichkalk Zinnchlorid und Calciumoxyd. Die Producte der Umsetzung des Bleichkalkes mit kohlensaurem Natron sind bekannt, man erhält kohlensauren Kalk und nach dessen Abscheidung eine bleichende Lösung, welche Chlorcalcium enthält. Diese Lösung reagirt auf unterchlorige Säure und ist, wie auch bisher angenommen, identisch mit dem Producte der directen Einwirkung von Chlor auf das Natriumcarbonat. Die unterchlorige Säure, in dem Bleichkalke nicht vorhanden, entsteht in diesem Fall erst bei der Umsetzung. Man hat, wenn man von der bleichenden Verbindung des Chlorkalkes ausgeht: CaOCl² + Na²CO³ = CaCO³ + NaOCl + ClNa. Wie nicht zu verkennen, bietet diese Umsetzung noch ein besonderes Interesse, insofern darin eine starke Stütze für die Ansicht der Bivalenz des Calciums liegt. Die Bleichsalze der Alkalien sind nicht analoger Zusammensetzung mit dem Bleichkalke und die bleichende Verbindung desselben enthält nur halb so viel Sauerstoff als dem unterchlorigsauren Kalk zukommen würde. Allerdings geben beide Verbindungen, die Bleichsalze der Alkalien und der Bleichkalk, qualitativ ein und dieselbe Reaction beim Schütteln mit metallischem Quecksilber, nämlich Quecksilberoxyd, aber nicht etwa als Ausfluß gleicher Constitution. Denn die alkalischen Bleichsalze geben bei der Zersetzung mit Säuren entschieden unterchlorige Säure, der Bleichkalk nicht. Es mag seyn, daß dieser unmittelbar Sauerstoff an das Quecksilber abgibt, CaOCl² + Hg = CaCl² + HgO, während das Natronbleichsalz indirect, durch Reaction der unterchlorigen Säure in Chlornatrium und Quecksilberoxyd übergeht. Der eigenthümliche Geruch des Bleichkalkes unter dem Einfluß der Luft erscheint nach obigen Thatsachen auffallend und räthselhaft, da er füglich nicht mehr aus einer Entwickelung von unterchloriger Säure erklärt werden kann. Nachdem eine Zeit lang vergebens nach der Ursache geforscht war, entdeckte man diese in einem sehr nahe liegenden Umstande. Es kommt oft, namentlich bei stark riechenden Substanzen vor, daß ihr Geruch durch Verdünnung mit Luft etc. nicht bloß nach Maaßgabe der Verdünnung abgeschwächt, sondern specifisch verändert erscheint. Dieß ist in der That und zwar in auffallender Weise mit dem Chlor der Fall. Davon kann man sich leicht durch folgenden Versuch überzeugen: man läßt in ein größeres Glasgefäß mit eingeriebenem Stöpsel einen Tropfen Chlorwasser fallen, setzt den Stöpsel sofort wieder fest auf und wartet einige Zeit, bis das Chlor des Wassertropfens in das verhältnißmäßig große Luftvolum (etwa 2 Liter) diffundirt ist. Oeffnet man jetzt den Stöpsel, so ist der Geruch der Flasche genau der des Bleichkalkes. Sein specifischer Geruch beruht also lediglich auf der Schwerzersetzbarkeit des Bleichkalkes durch Kohlensäure, wodurch langsam kleine Mengen von Chlor in die umgebende Luft verbreitet werden. Daß der bleichenden Verbindung des Chlorkalkes die empirische Formel CaOCl² zukommt, darüber können wohl keine Zweifel mehr bestehen; die Feststellung ihrer rationellen Formel muß weiteren Forschungen und competenten Autoritäten überlassen bleiben. Nur eine Bemerkung mag noch beigefügt werden über den möglichen Wassergehalt der bleichenden Verbindung. Ein Bleichkalk der im ungetrockneten Zustande 15,27 Proc. Wasser enthielt, gab nach vollständigem Austrocknen über Schwefelsäure in der Kälte und im Vacuum, noch 10,930 Proc. Wasser. Unter diesen Umständen hält das Chlorcalcium 2 At., der Aetzkalk wie immer 1 At. Wasser zurück. In dem Bleichkalk sind enthalten: Wasser   8,63 Proc. Chlorcalcium, entsprechend 2,799 Proc. 18,54   „ Calciumoxyd          „ 5,959    „ –––––––––– zusammen 8,758 Proc. Für die bleichende Verbindung CaOCl² (63,42 Proc. des Chlorkalkes) bleiben folglich 10,93 – 8,758 = 2,172 Proc., also weniger als 1/4 Atom; sie scheint demnach kaum Wasser zu enthalten, was jedoch weitere Versuche entscheiden müssen. Zum Schluß mögen einige praktische Bemerkungen hier eine Stelle finden. Die Empfindlichkeit des Bleichkalkes gegen Temperaturerhöhung ist sehr überschätzt worden. So gab Berzelius als Grenze, welche ohne Gefahr der Zersetzung nicht überschritten werden kann, 18° C. an, aber Bobierre zeigte schon, daß eine bei der Bildung von Bleichkalk eingetretene Erhitzung auf 50° C. das Präparat nicht nachweisbar gefährdet. Auch verliert eine wässerige Lösung von Bleichkalk durch Sieden erst nach längerer Zeit die Eigenschaft zu bleichen. Einen weiteren Beweis liefern die folgenden Versuche über den Einfluß des Wassers bei der Bildung des Bleichkalkes. Absolut trockenes Chlor und absolut trockenes Kalkhydrat sind wie man weiß ohne alle Wirkung aufeinander; die Gegenwart von freiem Wasser ist eine nothwendige Voraussetzung. Bei dem fabrikmäßigen Betriebe auf Bleichkalk pflegt man den gebrannten Kalk in der Weise zu löschen, daß das Kalkhydrat etwa 8 Proc. ungebundenes Wasser enthält. Diese Quantität Wasser ist für die Bindung von Chlor im höchsten Maaß nicht zureichend, sie läßt sich aber nicht gut erhöhen ohne in anderweitige Nachtheile mit dem Fabricate zu gerathen. Einen sehr deutlichen Fingerzeig hinsichtlich des günstigen Einflusses einer reichlicheren Mitwirkung von Wasser auf die Bildung der bleichenden Verbindung, gab der krystallisirte Aetzbaryt, der bekanntlich nicht 1 Atom wie das Kalkhydrat, sondern 10 Atome Wasser enthält. Ebenso mit Chlor behandelt wie Kalkhydrat, lieferte derselbe ein Präparat welches durch Titriren mit schwefelsaurem Eisenoxydul-Ammoniak 29,93 Proc. bleichendes Chlor gab. Angenommen, die bleichende Barytverbindung sey dem Chlorkalk analog zusammengesetzt (also BaOCl²), so entspricht dieß 93,02 Proc., während man beim Bleichkalk 70 Proc. an bleichender Verbindung nur selten erreicht. Man versuchte demgemäß einen höheren Betrag von Wasser, und zwar durch Anwendung von feuchtem Chlor, in's Spiel zu bringen. Als man über einen auf gewöhnliche Weise dargestellten Bleichkalk mit 38 Proc. bleichendem Chlor nochmals Chlor leitete, welches zuletzt durch eine Woulff'sche Flasche mit Wasser von 40 bis 50° C. ging, stieg das wirksame Chlor auf 40,2 Proc. In einem zweiten Versuch leitete man Chlor ebenso durch eine Flasche mit Wasser von 60 bis 70° C. und so mit Wasserdampf geschwängert unmittelbar auf Kalkhydrat. Die Einwirkung war, wie zu erwarten, höchst energisch, die Wärmeentwickelung in dem Rohre mit Kalk stärker als gewöhnlich, die Absorption des Chlors verlief bedeutend rascher; 16 Grm. Kalkhydrat waren in 15 Minuten gesättigt und gaben ein Präparat von 42,84 Proc. wirksamem Chlor. Bei keinem der beiden Versuche wo das Chlor doch durch heißes Wasser ging, war die Bildung von chlorsaurem Kalke nachweisbar. Man kommt also durch Mitwirkung des Wasserdampfes auf eine höhere Ziffer als gewöhnlich, doch ist der Zuwachs mäßig, man bleibt – aus den Eingangs entwickelten Gründen – von dem höchsten Werthe noch weit entfernt, denn die reine bleichende Verbindung des Kalkes CaOCl² würde 55,9 Proc. wirksames Chlor enthalten. Eine andere Bemerkung betrifft die verschiedenen Titrirmethoden zur Bestimmung des wirksamen Chlors im Bleichkalk. Im Laufe dieser Untersuchung hat sich nämlich ergeben, daß diese Methoden sehr ungleiche Werthe für ein und denselben Bleichkalk geben. Mit der Methode von Otto und der (von Mohr verbesserten) nach Penot wichen die Ergebnisse nur in den Bruchtheilen von Procenten von einander ab, so daß man sie als übereinstimmend betrachten kann; während die auf die Anwendung von unterschwefligsaurem Natrium begründete Methode höhere, und zwar um eine Anzahl Procente höhere Werthe lieferte. Um einen festen Anhaltspunkt zur Beurtheilung fraglicher Titrirmethoden zu gewinnen, schlug man den Weg ein, den Gehalt des Bleichkalkes an bleichender Verbindung (CaOCl²) und folglich an wirksamem Chlor aus einer bloßen Gewichtsanalyse und zwar aus Bestimmungen des Wassers, des Kalkes und des Chlors (als Chlorsilber) abzuleiten. Zur Ermittelung des wirksamen Chlors neben dem Gesammtchlor erwies sich die Aufschließung des Bleichkalkes mittelst Essigsäure zweckmäßig und in Bezug auf sichere Ausführbarkeit empfehlenswerth. Der Bleichkalk zu einer nach dieser Art ausgeführten Analyse – der sich Hr. Alb. Wilms unterzog – war aus Kohlensäurefreiem gebrannten Marmor dargestellt und zwar mit Chlor, welches man zur Reinigung durch Wasser, durch concentrirte Schwefelsäure und eine Röhre mit Braunstein leitete. Die Operation wurde unterbrochen, nachdem die anfangs eingetretene Wärmeentwickelung sich völlig ausgeglichen. Das Product war pulverig, zerreiblich. Ein Theil davon wurde, ohne vorherige Trocknung über Schwefelsäure, in der Art verwendet daß man ihn in einem zugeschmolzenen Glasrohr mit Ueberschuß von Essigsäure längere Zeit einer Temperatur von 110° C. aussetzte. Der Bleichkalk hatte sich vollkommen gelöst; bei der Oeffnung des Rohres war keine Gasentwickelung bemerklich; das wirksame Chlor war durch Substitution des Wasserstoffes zur Hälfte an die Essigsäure übergegangen, zur anderen Hälfte zu Chlorwasserstoff geworden und als Chlorcalcium vorhanden. Durch Fällen der Flüssigkeit in dem zugeschmolzenen Rohr mit salpetersaurem Silber erhielt man einen Niederschlag, welcher der Hälfte des wirksamen Chlors und dem vollen Betrag des Chlors in dem von vornherein vorhandenen Chlorcalcium entsprach. Ein anderer Theil des Bleichkalkes diente, und zwar ohne vorhergegangene Aufschließung mit Essigsäure, zur Bestimmung des gesammten Gehaltes an Chlor, sowie zur Bestimmung des gesammten Wassergehaltes Man erhielt so für den gesammten Gehalt an Chlor 39,20 Proc. und von 0,54125 Grm. Bleichkalk 0,269 Grm. = 49,70 Proc. wasserfreien Aetzkalk. Ferner gaben 0,9550 Grm. Bleichkalk nach der Behandlung mit Essigsäure 0,7558 Grm. Chlorsilber, entsprechend 19,74 Proc. Chlor. Der unzersetzte Bleichkalk hatte endlich durch Erhitzen 10,65 Proc. Wasser geliefert. Die Rechnung ergibt zunächst: 2 × 19,74 = 39,48 davon ab 39,20 Gesammtchlor –––––––– bleibt   0,28 Chlor in Chlorcalcium, und weiterhin in Procenten:Chlorsaurer Kalk ist, wie auch bei den früher angezogenen Analysen von Bleichkalk, nicht in irgend bestimmbarer Menge vorhanden gewesen. bleichende Verbindung 69,620 Chlorcalcium 0,438 Aetzkalk (CaO) 18,813 Wasser 10,650   ––––––   99,521 Das Chlor der bleichenden Verbindung ist nach dieser Analyse = 38,92; bei einem Gegenversuch durch Titriren nach der Otto'schen Methode ist es, nahe übereinstimmend, zu 39,24 Proc. (Differenz 0,32 Proc.) gefunden. Die Gewichtsanalyse spricht also zu Gunsten der letzteren und damit auch der Penot'schen Methode. Aus diesem Grunde hat man alle Bestimmungen im Verlauf dieser Abhandlung nach der Otto'schen Methode ausgeführt und diese vorläufige Mittheilung über die Kritik der verschiedenen Titrirmethoden zur Bestimmung des wirksamen Chlors im Bleichkalk angefügt; Weiteres über diesen besonderen Gegenstand ist einer im Gang befindlichen Untersuchung vorbehalten.