Titel: Notizen aus der Wiener Weltausstellung 1873; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman.
Autor: Prof. Johann Zeman [GND]
Fundstelle: Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XL., S. 241
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XL. Notizen aus der Wiener Weltausstellung 1873; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman. Mit Abbildungen auf Tab. IV. (Fortsetzung von S. 170 des vorhergehenden Heftes.) Zeman, Notizen aus der Wiener Weltausstellung. 28. Neue Kegelräder-Hobelmaschine der Maschinen- und Gasapparaten-Fabrik von L. A. Riedinger in Augsburg. (Holzschnitt und Figur 1 bis 6.) Von den auf der Ausstellung arbeitenden Werkzeugmaschinen erregt die von der Firma L. A. Riedinger in Augsburg ausgestellte Kegelräder-Hobelmaschine das allgemeinste Interesse unter den Technikern. Der Maschinenbauer, welcher viel mit der Bearbeitung von Rädern für Transmissionen u.a.m. zu thun hat, sieht eine einfache, verhältnißmäßig wenig Platz beanspruchende Maschine vor sich, welche die Zahnlücken des aufgespannten Kegelrades, mit zwei Stählen zugleich an den beiden Flanken angreifend, nach Maaßgabe einer eingesetzten Schablone aushobelt. Der specielle Werkzeugtechniker dringt tiefer in die Sache ein und studirt mit Aufmerksamkeit die einfache Lösung der schwierigen Aufgabe: die Zähne eines Kegelrades mit aller Genauigkeit und relativ großer Geschwindigkeit – also mit mäßigen Kosten – auszuarbeiten.Dieses Problem zu lösen, war schon vor Jahrzehnten das Bestreben der Mechaniker.So nahmen im April 1829 Glavet und Sohn in Frankreich ein Patent auf eine Räder-Hobelmaschine, bei welcher der Meißel nach einer Schablone im hin- und hergeführten Support auf die Zahnstanken eines festeingespannten Rades einwirkte. Für Kegelräder war die Supportführung um einen Bolzen in der Spitze des Rades drehbar angeordnet, der Meißel wie vorher von einer Schablone aus gesteuert. (Armengaud's Publication industr. vol. III p. 233.)Später im Jahre 1839 bauten Cartier und Armengaud eine große Räderhobelmaschine, bei welcher jedoch die Zähne mittelst Façonstählen geschnitten wurden. (Ebendaselbst p. 207.)Die von Hunt und Comp. in London 1862 ausgestellt gewesene Schneidmaschine für conische Räder war in der Haupteinrichtung eine Shapingmaschine. Der Meißel erhielt eine feste hin- und hergehende Bewegung. Das Rad – auf geneigter Achse aufgespannt – ging mit dem Lagerbock auf und nieder, und erhielt außerdem eine der Schablone entsprechende seitliche Bewegung. (Civilingenieur Bd. X S. 27.)Die erste brauchbare Diagonal- und Stirnräder-Hobelmaschine stellte Johann Zimmermann in Chemnitz auf der Pariser Ausstellung im Jahre 1867 aus. Eine ausführliche Beschreibung der auch auf der Wiener Ausstellung vertretenen Maschine erschien zuerst in Armengaud's Publication industr. vol. XVIII, p. 367; später im Civilingenieur Bd. XVIII S. 141. Was für die vorliegende Kegelräder-Hobelmaschine von vornherein gegenüber anderen Constructionen einnimmt, ist die Einfachheit der Bewegungsmechanismen, die leichte Einstellbarkeit der Maschine beziehungsweise des Hauptorganes derselben, der DivergirwangenDa die beiden Wangen oder Prismen, längs welcher die Supporte mit den Meißeln hin- und hergleiten, jederzeit parallel zu den Erzeugungslinien der Zahnstanken liegen, gegen die Spitze des Ergänzungskegels also zulaufen oder von der Kegelspitze aus betrachtet divergiren, so hat ihnen der Constructeur den Namen Divergirwangen gegeben. für die beiden Werkzeugsupporte, vornehmlich aber die vergrößerte Leistungsfähigkeit durch Anwendung zweier an den beiden Flanken der Zahnlücke zugleich arbeitender, selbstthätig geleiteter Stähle. Auf die nähere Einrichtung der Riedinger'schen Kegelräder-Hobelmaschine eingehend, so zeigt Figur 1 den Grundriß mit den beiden Supportwangen A, A' – letztere verdeckt – parallel in horizontaler Ebene, entsprechend der Stellung der Führungsstifte m, m' in Figur 3, welche die Ansicht des Schaltmechanismus und der Schablonenplatte a darstellt. In Figur 2a ist die Ansicht des Wangenständers C und des abgebrochenen Kreisgestelles D für den Schablonenständer E verzeichnet. Die Supportwangen A, A' in Figur 2b divergiren von einander für eine mittlere Stellung ihrer Führungsstifte m, m' in der Zahnschablone. (Stellung m₂, m'₂ in Figur 6.) Bei den Ansichten in Figur 2 sind die Supportwangen A, A' in die Längenachse des Ständers C verlegt, daher einige Verbindungsstangen abgebrochen gezeichnet oder ganz weggelassen wurden. (Letzteres gilt von den Verbindungsstangen f, f' zwischen dem Kurbelgehäuse B und den Supporten F, F'.) Die Figuren 4 und 5 geben die untere Ansicht und den Querschnitt durch den oberen Werkzeugsupport F. In Fig. 6 sieht man die Zahncurve und verschiedene Positionen der Führungsstifte m, m' der Divergirwangen. Der Holzschnitt (S. 243) zeigt endlich eine perspectivische Ansicht der Kegelräder-Hobelmaschine. Textabbildung Bd. 209, S. 243 Es sind drei Haupttheile der Beschreibung zu unterscheiden: Aufspannen und Theilen des Kegelrades, Disposition und Wirkungsweise der eigentlichen Hobelmaschine, und Bewegung der Maschine. Ueber Aufspannen und Theilen des Rades ist eigentlich wenig zu sagen, da diese Operationen in bekannter Weise vor sich gehen. Zur Feststellung des zu schneidenden Rades R dient der Spindelstock G, welcher auf der durchgehenden Grundplatte I je nach Größe des Rades mittelst Handrad p und Schraubenspindel verstellbar ist. Die jedesmalige Drehung des Rades nach vollendeter Zahnlücke, das Theilen geschieht mittelst Handkurbel (Scheibe und federnde Einlegklinke), Stirnräder zum Wechseln, Schraube und Schneckenrad. Die Schraube ist in einen: drehbaren Stelleisen gelagert, um leicht in und außer Eingriff gebracht werden zu können, behufs rascher Drehung des Rades bei der Controlle, ob dasselbe centrisch aufgespannt ist. Disposition und Wirkungsweise der eigentlichen Hobelmaschine. Ist das Rad aufgespannt und richtig gestellt, daß die Spitze des Ergänzungskegels in die Centralachse K, K' trifft, um welche das. ganze System der beweglichen Theile drehbar angeordnet ist, so wird die Einstellung der Messer beziehungsweise der Divergirwangen A, A' vorgenommen. An dem einen Ende drehen sich die Wangen gemeinschaftlich mit dem Scharnierlager n um die Centralachse K, K'; am anderen Ende ist an jede Wange ein Stahlbolzen m, respect. m' angeschraubt, welcher in der eingeschnittenen Nuth der Zahnlückencurve (Schablonenplatte a) Führung erhält. Die Zahnschablone ruht in dem Ständer E, durch dessen Bewegung auf dem in Grade eingetheilten Kreisgestelle D die beiden Divergirwangen mit der Schablone nach Maaßgabe der bekannten Neigung des conischen Rades ohne Mühe eingestellt werden können. Die Messer s und s' müssen nun so weit vorstehen, daß die Schneiden genau in den Erzeugungslinien der Zahnfläche liegen, zu welchem Zwecke der Maschine eine einfache Lehre beigegeben wird. Beim Beginne stehen die Führungsbolzen der Wangen am oberen Ende der Zahncurve (Figur 6) bei m₁ und m'₁ und greifen hierbei die Messerschneiden an dem Kopf zweier benachbarten Zähne ein. Wenn nun die Führungsstifte successive herabgerückt werden in die Stellung m₂, m'₂ u.s.w., so dringen die Messer tiefer in die Zahnlücke ein, indem durch die Fortrückung der Führungsstifte die Wangen A, A' – um die Achse K, K' sich drehend – näher gegen die Radachse kommen und zufolge der Gestaltung der Zahncurve auch einen kleineren Winkel unter einander einschließen. In jeder Lage aber bewegen sich die Messerspitzen, eine richtige Ausführung der Schablone natürlich vorausgesetzt, in den Erzeugungslinien der Zahnfläche, zu welchen die Wangen unausgesetzt äquidistant bleiben. Gelangen die Führungsbolzen in der Schablone zur Stelle m₃ und m'₃, so stehen die Messer am Fuße der abgehobelten Zahnflanken und erfolgt nun das Abrichten der Zahnlücke. Dabei streichen, um den Grund sauber auszuschneiden, die beiden Messer an einander vorbei, indem jedes über die ganze Breite der Zahnlücke zur Wirkung kommt, aus welchem Grunde die beiden Supporte F und F' nicht genau übereinander fallen, sondern gegeneinander versetzt sind. (Figur 2b.) In den Stellungen m₄ und m'₄ der Führungsstifte liegen die Wangen parallel (Fig. 1 und 3), die obere Messerschneide s unten an der von dem anderen Stahl gerade abgehobelten Zahnfläche, und das untere Messer s' an der oberen Zahnflanke. Es beschreibt also bei jeder Zahnlücke der Führungsbolzen am Kopfende der Wange die ganze Zahnflanke und die volle Breite des Lückengrundes, was zur Folge hat, daß die Zahncurve in der Schablone am Fuße verhältnißmäßig breiter erscheint. Wie man aus den Abbildungen entnimmt, ist jeder Support mit je zwei Werkzeughaltern ausgestattet und zwar zu dem Zwecke, um den Stahl in dem einen oder dem anderen Halter einzuspannen je nachdem kleinere oder größere, also näher oder weiter von der Centralachse K, K¹, beziehentlich von dem Schablonständer E liegende Räder abzuhobeln sind. Nachdem die Gleitfläche des Supportes eine bestimmte Ausdehnung erhalten muß, so kann man mit zwei Messerhaltern am Support auf derselben Maschine Kegelräder von größerer Abweichung im Durchmesser abhobeln. Um endlich noch die Stahlschneiden beim Rückgang zu schonen, so findet der Werkzeughalter s₁ (Figur 4 und 5) in dem am Support angeschraubten Anschlagstück s₂ etwas Spielraum. Die jeweilige Auslegung des Stahles erfolgt durch Anschlag der auf der Drehachse des Halters festen Zunge z oder z' gegen den Stellring r respect. r' an den Stangen u und u' (Figur 1 und 2b). Was nun die Bewegung der Maschine betrifft, so genügt es hier kurz darauf hinzuweisen, wie die Supporte in jeder Lage der Wangen hin- und hergeführt, ferner wie die Supportwangen, beziehungsweise die Führungsstifte derselben in der Zahncurve verstellt werden. Der Hauptantrieb erfolgt, wie man aus der Abbildung wohl selbst entnimmt, von der Hauptwelle H durch Kegelräder h, Kurbelscheibe k, Verbindungsstange l, und wird das Kurbelgehäuse B um die Centralachse K, K' in schwingende Bewegung versetzt, welche durch die Zugstangen f und f' den Hin- und Rückgang der Supporte auf den Wangen verursacht. (Diese Zugstangen fehlen in Figur 2b gänzlich; dafür ist in Figur 2a der Kreuzkopf f₁ wahrzunehmen, in welchem diese Stangen am Kurbelgehäuse B hängen.) Zur beliebigen Veränderung des Hubes und der Wirkungsstelle des Stahles je nach Größe und Lage des zu bearbeitenden Rades, ist der Kurbelzapfen auf der Scheibe k radial, ferner der Zapfen am Kurbelgehäuse B in einer kreisförmigen Rinne t (Figur 1) verstellbar. Um in allen Positionen die Bewegungsübertragung zu ermitteln, hat das Kurbelgehäuse die eigenthümliche cylinderförmige Gestalt. Die successive Verstellung der Didergirwangen und demzufolge der Messer geschieht selbstthätig durch den Schaltmechanismus bei d, welcher durch die bei e₁ am Kurbelgehäuse angelenkte Zugstange e nach jedem Schnitt in Gang gesetzt wird. Durch die ruckweise Drehung der Schraubenspindel c wird zunächst die Platte b verschoben. Dieselbe ist mit einem < förmigen Ausschnitt versehen, in welchen die Führungsstifte m und m' eingreifen. Nachdem diese Stifte vor der Platte b durch die eingeschnittene Zahncurve der Schablone a durchgehen, so findet bei jeder Fortrückung der Schaltplatte b eine Verstellung der Führungsbolzen in der feststehenden Zahnschablone a statt, derzufolge die Wangen um die Achse K, K' und um den Scharnierbolzen n sich drehen und nach Erforderniß sich einstellen. Nebenbei bemerkt, wird die Schaltbewegung bei der nächsten Maschine modificirt und wohl auch mit einer Selbstabtheilung nach Vollendung der Zahnlücke ausgestattet werden. Ich wollte überhaupt nicht allzusehr in die kleinsten Details dieser durch die allgemeine Anlage schon sehr interessanten Maschine eingehen, indem ich dießbezüglich auf die Abbildungen verweisen, aber auch darauf Rücksicht nehmen muß, daß diese Maschine – die erste dieses Constructionssystemes – bereits einer weiteren Vervollkommnung zugeführt wird. Es ist nämlich, um dieser Maschine eine allgemeinere Verbreitung zu sichern, noch Vorsorge zu treffen, daß auf derselben auch Stirnräder abgehobelt werden können; ferner sollte meiner Ansicht nach versucht werden, die etwas schwierig und theuer herzustellende Schablone mit eingeschnittener Zahncurve durch eine Patrone, deren äußere Kante die Leitcurve für die Führungsstifte der Wangen bildet, zu ersetzen. Den Preis betreffend, so kostet die Ausstellungsmaschine, welche beiläufig gesagt schon verkauft ist, 3760 Thaler oder 6580 Gulden S. W. Auf derselben lassen sich Räder von 300 bis 1500 Millimet. Durchmesser und 200 Millim. Zahnbreite abhobeln. Die Hauptdimensionen können annäherungsweise aus den Abbildungen abgegriffen werden, welche in etwa 1/20 der natürlichen Größe gehalten sind. Mancher Theil mußte freilich zur Föderung der Deutlichkeit verzerrt aufgetragen werden. Zum Schlusse sey noch Hrn. A. L. Riedinger mein bester Dank abgestattet für die freundlichst gegebene Erklärung der Maschine und für die entgegenkommende Gestattung eingehendere Skizzen derselben für diesen Bericht abnehmen zu dürfen. 29. Titrirmaschine für Seide, von Caspar Honegger in Rüti (Schweiz.) – (Figur 7 bis 10.) Die Firma Caspar Honegger in Rüti bei Zürich genießt seit Jahren schon einen bedeutenden Ruf auf dem Gebiete des Webstuhlbaues für Baumwollbuntweberei, besonders aber für die mechanische Seidenstofffabrication. Eine große Zahl der hervorragendsten Etablissements in Italien, Oesterreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz, welche mit ihren Fabricaten in dem Industriepalaste excelliren, sind fast ausschließlich mit Maschinen der genannten Firma versehen und vielfach wurde mir auf meiner Studienreise die rationelle und sorgfältige Ausführung von Honegger'schen Maschinen gerühmt. Eine selbst flüchtige Besichtigung der von C. Honegger ausgestellten Webstühle und Vormaschinen, welche in der schweizerischen Abtheilung der Maschinenhalle in ununterbrochenem Betriebe stehen und dem Besucher mit besonders anerkennenswerther Bereitwilligkeit erklärt werden, genügt, sogar den strengen Beurtheiler zu befriedigen und zur Ueberzeugung zu bringen, daß hier der Zweck und das Ziel der Ausstellung durch Vorführung theils ganz neuer, theils verbesserter oder mehrjährig erprobter Constructionen mehr wie an vielen anderen Stellen des Ausstellungsraumes in's Auge gefaßt und mit Erfolg gefördert wurde. Vor Besprechung der einzelnen Novitäten will ich die ausgestellten Maschinen der Reihe nach kurz anführen, a. Titrirmaschinen zum selbstthätigen Abwiegen der Seide. (Siehe Figur 7 bis 11.) b. Seidenzettelmaschine und Aufbäummaschine für Seidenweberei; gegenüber den in Paris 1867 ausgestellt gewesenen Maschinen wesentlich verbessert und für den Betrieb vereinfacht. c. Zettelmaschine für Seidenbänder, Bordüren etc. d. Webstuhl für Serge und Satin. Trittmaschine mit wechselnden Musterscheiben; fliegendes Blatt mit regulirbarer Spannung; verbesserte Aufwindung mit Kautschukwalze und Waarenbaum, welcher durch bequem ausrückbare Gewichtshebel gegen die Kautschukwalze angedrückt wird. e. Webstuhl für Margeline – Doppeltafft, – auch für leichtere Seidenwaaren. Schöne Schaftbewegung bei entlasteten Flügeln; Waarenaufwickelung wie vorher; Rietblatt wie oben 170 Schützenschläge pro Minute. f. Webstuhl für schweren Tafft, sogen. Failles – Lyoner Waare. – Regelmäßige Fachbildung; Aufwickelung wie früher; freier Blattschlag mit Regulirung des Momentes und der Stärke des Schlages; rostförmige Schützenbahn an der Lade zur Schonung der im Unterfach liegenden Kettenfäden bei Bewegung der Schütze. g. Der bekannte Honegger'sche Wechselstuhl mit 4 zelliger Steiglade für Buntweberei. h. Spulmaschine; Doublir- und Zwirnmaschine für Eintragseide; verschiedene Seidenschützen. Beginne ich mit der Beschreibung der neuen Seidentitrirmaschine, so bezeichnet der Name schon den Zweck dieser von einer Transmission aus oder durch die Hand in Gang zu setzenden Maschine, nämlich die Titrirung (Nummerbestimmung) von Seide vorzunehmen, rasch und verläßlich ohne Zuhülfenahme besonders geschulter Personen, wie dieß in großen Seidenhandlungen, in Zwirnereien und Webereien häufig genug erforderlich ist, wenn die mittlere Nummer eines Ballens Seide bestimmt werden soll. Die gewöhnliche Titrirung auf Schnell- oder Zeigerwaagen erfordert ungleich mehr Zeit, Platz und verläßliche Personen, während die Maschine – einmal richtig adjustirt – diese Arbeit unparteiisch, innerhalb bekannter von vornherein festgestellter Fehlergrenzen in sicherster Weise verrichtet. Im Wesentlichen besteht die Titrirmaschine aus einer Anzahl von Zeigerwaagen (ohne Scala), welche in einem cylindrischen Gehäuse in gleichen Abständen radial aufgehängt sind und bei der Drehung des Cylinders vor dem Zuführapparat vorbeistreichen, und hier eine nach der anderen eine der vorgelegten Probesträhne mitnehmen. In Folge dessen sinkt der beschwerte Waagebalken nieder, bis ein an demselben angebrachter Arm zur Auflage auf die in Folge kreisförmiger Vertheilung der Waagen cylindrisch gekrümmte Führungsbahn gelangt. Diese Bahn fällt successive ab, so daß der mit der Probe versehene Arm immer tiefer sinkt, während das am entgegengesetzten Ende des winkelförmigen Waagebalkens angebrachte feste Belastungsgewicht höher gehoben wird. Mit dem Eintreten des Gleichgewichtszustandes der Waage, wenn also der belastete Arm die Führungsbahn zu verlassen beginnt, kommt die nächste Abstoßvorrichtung zur Wirkung und schiebt die Probesträhne auf einen, einer bestimmten Nummer entsprechenden Stab. Es wird nun bekanntermaaßen die Feinheit der Seide ausgedrückt durch das Gewicht einer bestimmten Fadenlänge.Zur Bezeichnung des Feinheitsgrades der Seide gibt man an, wie viel Deniers die Fadenlänge von 9000 aunes (Pariser Stab) wiegt. Beim Titriren jedoch bestimmt man dieses Gewicht durch Abwägung eines Gebindes von 400 Fäden (der Umfang des Probehaspels ist 1 Stab) nach Gran (1/24 Denier). Demzufolge müssen die Waage, der Führungscylinder und die Abstoßplatten im gehörigen gesetzmäßigen Zusammenhange stehen, d.h. vor jeder Abstoßplatte muß ein Stab stehen, welcher correspondirend nummerirt ist mit dem factischen Gewichte des hier zufolge des eingetretenen Gleichgewichtzustandes der Waage abgeworfenen Probesträhnes. Ist dieß der Fall, so besitzen alle auf irgend einem Stabe zusammenkommenden Proben die gleiche am Stabe bemerkte Nummer, abgesehen der kleinen Abweichungen von einer Nummer zur anderen. Nach dem Abschnellen der aufgelegten Probesträhne kehrt die Waage in die Ruhelage zurück, bis zur Auflage einer frischen Probe am Speisekopf. Der die Maschine bedienende Junge hat daher nur für die regelmäßige Auflegung der abgehaspelten Probelängen in den Speisekopf Sorge zu tragen und zuletzt die Proben von den einzelnen Stäben abzunehmen und mit den entsprechenden Titern zu bezeichnen. Vollkommener wird das Gesagte mit Zuhülfenahme der Abbildungen in Figur 7 bis 11 verständlich werden. Die Figur 10 stellt einen Durchschnitt durch die Titrirmaschine dar, in welchem jedoch nur die zwei Waagen a₁ und a₆ in der Ansicht gezeichnet, die anderen aber deutlichkeitshalber weggelassen sind. Im Ganzen sind 10 unter einander ganz gleiche Waagen, radial an dem Deckel des mit der Welle F rotirenden cylindrischen Gehäuses A aufgehängt. Das Belastungsgewicht ist an dem kurzen inneren Arm des Winkelhebels angeschraubt; auf den anderen Arm, vorn auf dem gekrümmten gabelförmigen Ende b (Fig. 7 und 8, seitliche und vordere Ansicht), welches durch einen Ausschnitt im Mantel A hervortritt, wird die Probesträhne vom Speisekopf aufgelegt. Hat die Auflage die genügende Schwere, so fällt der lange Waagebalken herab, bis der Arm c auf der oberen, gesetzmäßig verlaufenden Kante des feststehenden Cylinders B aufruht. Bei der Drehung des Mantels A streicht der Arm c so lange auf dieser Kante, bis der Gleichgewichtszustand eintritt, wobei die Waage anfängt zu spielen und die Probesträhne auf den nächstfolgenden Aufnehmstab C abgeworfen wird. Sowie nämlich der Arm c die Führungsbahn des Cylinders B verläßt und über das schief zugeschnittene Plättchen e (Figur 7 und 9) sich erhebt, welches bisher durch den Arm c zurückgedrängt war, sofort aber nach Entfernung des Hindernisses in die verticale Lage unter den Arm c sich gestellt hat, so stößt beim Weiterdrehen des ganzen Systemes die Drehspindel o mit dem unteren Vorsprung gegen den Anschlag f. In Folge dessen wird durch den oberen Vorsprung an o der Winkelhebel m, n vorgeschnellt (in die punktirte Lage) und durch die Vorwärtsbewegung der Gabel n die Probesträhne von dem Waagebalken b abgeworfen. Dieses Abschnellen tritt jedesmal vor einem der Stäbe C ein, indem einem jeden derselben eine Abstoßvorrichtung e, f am Cylinder B entspricht. Es hängt nur von der Gestaltung der Begrenzungscurve des Cylinders B und von dem festen Belastungsgewichte der Waage ab, welche Titer auf einer Maschine und in welchen Sprüngen dieselben angegeben werden. Bei der Ausstellungsmaschine sind 22 Abstoßplatten im Cylinder B und dem entsprechend 22 Titerstäbe C auf dem Untersatz D im Kreise herumgestellt. Der erste Stab gilt für 18 Deniers, der nächste für 20 u.s.f. bis 64, daher der Titer nur in geraden Zahlen angegeben wird. Proben von zwischenliegender Feinheit fallen immer der nächstfolgenden geraden Nummer zu. Ein 23ster Stab, welcher noch vor dem Speisekopf neben dem Stab „Titer 64“ aufgestellt ist, nimmt alle schweren Probesträhne auf, welche ihren Titer auf der Maschine nicht finden; es sey denn daß man nur die halbe Probelänge, also nur eine Fadenlänge von 200 Stab abhaspelt, so daß dann die Maschine die Titer zwischen 36 und 128 Deniers d. i. mit Sprüngen von 4 zu 4 Deniers angibt. Es bleibt nur noch wenig speciell zur Speisung der Maschine zu sagen übrig. Die Proben s werden von der Weise partieweise auf die Rinne G aufgelegt, welche zu diesem Behufe nach Abstellung der Maschine mittelst des Griffes d gesenkt und hierauf der Zuführschraube E wieder zugerückt wird. Wird hierauf die Maschine durch Verschiebung des Riemens R auf die Treibscheibe in Gang gesetzt – der Sperrhaken r (Figur 10) verhütet die Rückdrehung, – so wird zufolge der aus der Figur 10 ohne weiteres zu entnehmenden Disposition der Waagencylinder B und die Schraube E in Drehung gesetzt, derart daß jeder vorbeistreichenden Waage eine Strähne s von dem Schieber h zugebracht wird. Die Schraube E bewegt die auf der Rinne G hängenden Strähne unausgesetzt voraus, während der Schieber h von der Nuthscheibe i aus horizontal hin- und hergeführt wird und bei jedem Vorschub das vorderste vor der Schraube angelangte Probesträhnchen abwirft. Der Cylinder A macht pro Minute 5 Umdrehungen, daher bei 10 Waagen in gleicher Zeit 50 Wägungen vorgenommen, 50 Probesträhne titrirt werden. Der Platzbedarf ist sehr gering. Der runde Untertheil D hat einen Durchmesser von 1,5 Meter und die Grundplatte des Speisekopfes reicht 600 Millimeter über D hinaus. 30. Radreifen-Bohrmaschine; ausgeführt von der Sächsischen Maschinenfabrik (vormals Richard Hartmann) in Chemnitz. (Figur 12 und 13.) Im Anschluß an den Bericht im zweiten Juliheft S. 89 gebe ich die in Figur 12 und 13 dargestellte Radreifen-Bohrmaschine der oben genannten Firma. Diese Maschine ist nach bekannten Grundsätzen construirt, gestattet jedoch das Bohren der Löcher entweder vom Inneren des Radkranzes nach außen oder umgekehrt von außen nach innen. Aus diesem Grunde ist der eigentliche Bohrständer a nach Lüftung zweier Stellschrauben um 180 Grad drehbar eingerichtet, während der Schaltmechanismus b zum Vorschub des Bohrers je nach der Stellung der Kuppelung c den Werkzeugschlitten d nach aufwärts oder nach abwärts verschiebt. Die Drehbewegung des Bohrers geht von der Hauptwelle e vermittelst Räderübersetzung auf die verticale Spindel f und von hier weiter zum Bohrer; der Vorschub ebenfalls von e auf den Riemenconus g, herab zum Gegenconus an der Achse des Schraubenrades u.s.w. des Schaltmechanismus b. Das zu bohrende Rad wird auf den Schlitten h aufgesetzt. Die nähere Einrichtung geht ohne Weiteres aus den beregten Abbildungen hervor. 31. Fadenapparat für Vorspinnkrempeln, von Bède und Comp. in Verviers. (Figur 4.) Unter den von der Firma Bède und Comp. (Société Houget et Teston) in Verviers ausgestellten Maschinen (Spinnerei-, Werkzeug-, Tuchappreturmaschinen, Dampfmaschinen, Straßenlocomotive) befindet sich ein neuer Fadenapparat für Vorspinnkrempel, oder richtiger gesagt ein modificirter Martin'scher Vorspinnapparat. Statt der endlosen Lederstreifen, welche die Theilung des vom Peigneur abgelösten Wollvließes bewerkstelligen und zugleich die Fäden an die Würgelwalzen abführen, sind hier zwei Systeme festliegender Stahlbänder a, b (Fig. 14), ebenfalls mit einander abwechselnd, und statt der beiden kalibrirten Walzen zwei endlose Würgeltücher A und B vorhanden, zwischen welche die Stahlbänder in der aus der Abbildung zu entnehmenden Weise umgelegt sind. Im Betriebe tritt das Wollvließ W ungetheilt zwischen die Stahlbänder und wird durch diese bei der fortschreitenden Bewegung der endlosen Ledertücher A und B in einzelne Fäden von der Breite der Stahlbänder getheilt. Die eine Hälfte der Fäden, nämlich die zwischen dem Ledertuch A' und den Stahlbändern a liegenden Fäden, geht mit A nach aufwärts, die übrigbleibende Hälfte der Wollbändchen nimmt das Würgeltuch B nach abwärts. Die Wälzchen c, d sollen das Abfallen der Fäden verhindern. Das Verdichten der Wollbändchen erfolgt von den Würgelwalzen A' und B', worauf die Fäden zu den Spulen ablaufen. Da der Apparat knapp zur Ausstellung fertig gebaut wurde und nur das Princip der neuen Fadentheilung veranschaulichen soll, so bin ich noch nicht in die Lage gekommen, dessen praktische Wirkungsweise kennen zu lernen. 32. Internationaler Patent-Congreß. Der Patent-Congreß, welcher anläßlich der Wiener Weltausstellung zur Berathung der so hochwichtigen Frage veranstaltet worden, hat nachstehende Beschlüsse gefaßt: I. Der Schutz der Erfindungen ist in den Gesetzgebungen aller civilisirten Nationen zu gewährleisten: a) weil das Rechtsbewußtseyn der civilisirten Nationen den gesetzlichen Schutz der geistigen Arbeit verlangt; b) weil die Patente das einzige praktisch wirksame Mittel bilden, neue technische Gedanken ohne Zeitverlust und in glaubwürdiger Art zur allgemeinen Kenntniß zu bringen; c) weil die Patente die Arbeit des Erfinders zu einer lohnenden machen und dadurch berufene Kräfte veranlassen Zeit und Mittel an die Durch- und Einführung neuer und nützlicher technischer Methoden und Einrichtungen selbst zu wenden, oder ihr fremde Capitalien zuzuführen, die ohne Patentschutz eine sicherere Anlage suchen und finden; d) weil durch die obligatorische vollständige Publication der den Gegenstand des Patentes bildenden Erfindung die großen Opfer an Zeit und Geld, welche die technische Durchführung anderenfalls der Industrie aller Länder kostet, bedeutend vermindert werden; e) weil durch die Patente das Fabriksgeheimniß, welches den größten Feind des technischen Fortschrittes bildet, den Boden verliert; f) weil den Ländern, welche kein rationelles Patentwesen haben, dadurch großer Nachtheil erwächst, daß ihre talentvollen Kräfte sich Ländern zuwenden in denen ihre Arbeit gesetzlichen Schutz findet; g) weil erfahrungsgemäß der Patent-Inhaber am wirksamsten für schnelle Einführung seiner Erfindung sorgt. II. Ein wirksames und nützliches Patentgesetz muß folgende Grundlagen haben: a) Nur der Erfinder selbst oder sein Rechtsnachfolger kann ein Patent erlangen. Dasselbe darf dem Ausländer nicht versagt werden. b) Es empfiehlt sich die Einführung des Systemes einer vorläufigen Prüfung in Ausführung des sub a) ausgesprochenem Principes. c) Ein Erfindungspatent muß eine Dauer von 15 Jahren haben oder auf diese Zeit ausgedehnt werden können. d) Es muß mit seiner Ertheilung eine vollständige, zur technischen Anwendung der Erfindung befähigende Publication verbunden seyn. e) Die Kosten der Patent-Ertheilung müssen mäßig seyn, jedoch muß es durch eine steigende Abgabenscala in das Interesse des Erfinders gelegt werden, ein nutzloses Patent baldmöglichst fallen zu lassen. f) Es muß durch ein gut organisirtes Patentamt Jedermann leicht gemacht werden, die Specification eines jeden Patentes zu erhalten, sowie zu erkennen, welche Patente noch in Kraft stehen. g) Es empfiehlt sich, gesetzliche Bestimmungen zu treffen nach welchen der Patent-Inhaber in solchen Fällen, in welchen das öffentliche Interesse dieß verlangt, veranlaßt werden kann seine Erfindung gegen angemessene Vergütung allen ernsthaften Bewerbern zur Mitbenutzung zu überlassen. Im Uebrigen und insbesondere rücksichtlich des bei Ertheilung von Patenten zu beobachtenden Verfahrens weist der Congreß auf das englische, amerikanische und belgische Patent-Gesetz, sowie auf den für Deutschland vom Vereine deutscher Ingenieure bearbeiteten Entwurf eines Patent-Gesetzes als beachtenswerth hin. III. In Anbetracht der großen Ungleichheit der bestehenden Patent-Gesetzgebungen und in Anbetracht der veränderten internationalen Verkehrsbeziehungen der Jetztzeit liegt das Bedürfniß von Reformen vor und ist es dringend zu empfehlen, daß die Regierungen so bald wie möglich eine internationale Verständigung über den Patentschutz herbeizuführen suchen. Es ist kein Grund für den Verfall eines Patentes, wenn dasselbe im Lande nicht ausgeführt wurde, sofern die patentirte Erfindung nur überhaupt einmal ausgeführt ist und es den Ungehörigen des betreffenden Landes möglich gemacht wird, die fragliche Erfindung zu erwerben und auszuführen. – Endlich constituirte der Congreß das bisher bestandene vorbereitende Comité als ständiges Executiv-Comité mit der Ermächtigung, dahin zu wirken daß die angenommenen Grundsätze bekanntgemacht und zur praktischen Geltung gebracht werden. Dasselbe wird zur Cooptation von Mitgliedern berechtigt, hat einem zweiten Congreß vorzuarbeiten und einen solchen in geeigneter Weise einzuberufen.

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