Titel: Ueber die Anwendung der Raseneisenerze von Budin in Böhmen zum Reinigen des Leuchtgases und die nachherige Verwerthung der mit Schwefel beladenen Masse; von Moritz Vollmar.
Fundstelle: Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XXXIII., S. 192
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XXXIII. Ueber die Anwendung der Raseneisenerze von Budin in Böhmen zum Reinigen des Leuchtgases und die nachherige Verwerthung der mit Schwefel beladenen Masse; von Moritz Vollmar. Vollmar, über Anwendung der Raseneisenerze zum Reinigen des Leuchtgases. Einige Stunden südlich von Teplitz, unweit der Stadt Budin, finden sich ziemlich mächtige Lager von Raseneisenerzen, die schon seit mehr als 20 Jahren von dortigen Bauern ausgeschlämmt als Ocker in den Handel gebracht werden. Der Verfasser verschaffte sich die Befugniß zum Abbau solcher Erze, und er ist seit dem Jahre 1868 im Besitz von vielen Hunderttausend Centnern derselben. Während er nach Errichtung der Annahütte bei Budin, Ostern 1870, anfangs nur Farbenfabrication betrieb, unterwarf er die Erze nebenbei einer chemischen Untersuchung und fand dabei einen sehr hohen Gehalt an Eisenoxydhydrat, der in einzelnen, insbesondere den festeren Schichten bis weit über 90 Proc. steigt, während die mit thoniger Gangart zusammenfallenden Schichten ein Grubenproduct liefern, welches 70 bis 80 Proc. Eisenoxydhydrat enthält. Das massenhafte Vorkommen dieser so reichhaltigen Eisenerze veranlaßte den Verfasser, dieselben in die Gasindustrie einzuführen, nachdem er durch das Studium der bisherigen Reinigungsmethoden sich überzeugt hatte, daß bei allen Eisen-Reinigungsmassen, seyen es natürliche oder künstliche (Laming'sche), das Eisenoxydhydrat der wirksame Bestandtheil ist. Die im März und April 1872 zuerst in der Gemeinde-Gasanstalt zu Prag unter der Direction des Hrn. Commissionsrath Jahn im Großen gemachten Versuche bestätigten die theoretische Voraussicht, und bald nachher bezogen nicht nur diese Prager Anstalt, sondern auch die Gaswerke zu Carolinenthal, Pilsen, Leitmeritz, Saaz, solche Reinigungsmasse, und die durchweg günstigen Erfolge veranlaßten auch außerböhmische Gaswerke, wie Leipzig, Plauen, Brünn, Trieft, zu Bezügen. Die Erze werden von der Annahütte ab in gröblich gesiebter, feiner Kiesform geliefert, für solche Gaswerke, die nicht ein Bahngeleise bis an Ort und Stelle haben, in Säcke verpackt. Die Masse kann sofort nach der Ankunft in die Reiniger gebracht werden; doch ist eine genügende Anfeuchtung unerläßlich nothwendig. Da das Vorkommen der Erze auf alaunhaltigen Lettenschichten eine mehr oder minder saure Beschaffenheit derselben bedingt, so kommt es vor, daß die Einwirkung derselben auf die Schwefelverbindungen des Gases oft nicht alsbald vor sich gehen will, insbesondere dann, wenn der Schwefel nicht als Schwefelammonium in dem Gase auftritt. Dann ist allerdings ein längeres Verweilen im Reiniger und abwechselnd ermöglichter Luftzutritt nothwendig. Wenn man sich indessen damit nicht befassen kann oder will, so kann man eine sofortige Einwirkung durch Zusatz von 1/2 bis 1 Proc. Aetzkalk, am besten in Form einer sehr verdünnten Kalkmilch aufgespritzt, erzielen. Gleichen Dienst würde auch das ammoniakhaltige Gaswasser thun. Ebenso befördert ein geringer Zusatz alter, schon mit Schwefel beladener Masse die schnellere Reaction. Ist diese erst eingetreten, und die Masse nur ein Mal schwarz geworden, so geht die Regenerirung unter zeitweiliger Anfeuchtung sehr schnell, und die Wirksamkeit des Erzes nimmt dann noch lange Zeit zu. Es ist dieß auch erklärlich, da der Gehalt dieser Masse an Eisenoxydhydrat mehr als doppelt so groß ist, als in bester aus Eisenvitriol und Kalk bereiteter Laming'scher Masse, wie aus folgender Berechnung hervorgeht. Auf 100 Theile Eisenvitriol, welche bestehen aus 26,10 Eisenoxydul, 29,90 Schwefelsäure und 44,00 Krystallwasser, sind zur Abscheidung der Schwefelsäure vom Eisenoxydul nöthig 21 Theile chemisch reiner (also mindestens 25 Theile bester käuflicher) Aetzkalk und 6,75 Theile Wasser, um den Kalk zu feinem Pulver zu löschen. Ist die Masse unter vieler Arbeit endlich fertig, wobei sich in der Praxis mancherlei Uebelstände einstellen, – nur der oft steinhart werdenden Klumpen zu gedenken, deren Zerkleinerung sehr mühsam ist –, so enthält sie auf das entstandene Gesammtgewicht von 127,75 Theilen, noch ungerechnet das darüber noch verwendete Wasser und die Nebenbestandtheile des Kalkes: Eisenoxydhydrat   38,80 Th. schwefelsauren Kalk   63,75 Th. Wasser   25,20 Th. ––––––––– Summa 127,75 Th. Hiernach berechnet sich der Gehalt der besten aus chemisch reinen Bestandtheilen dargestellten Laming'schen Masse in runder Zahl auf 30 Proc. Eisenoxydhydrat. Wenn der Verfasser nun seine Erze mit mindestens 70 Proc. Eisenoxydhydrat garantirt, so sind dieselben doch mindestens doppelt so stark, können also auch doppelt so lange im Gebrauche bleiben, und vermindern den Umfang der Masse, demnach auch die Handhabung beim Umfüllen der Reiniger, um mehr als die Hälfte. Die Kostenberechnung von 127,75 Centner Laming'scher Masse würde sich bei Annahme billigster Bezugsquellen folgendermaßen stellen: 100 Centner Eisenvitriol à 2 fl.  –  kr. = 200 fl. ö. W.   25      „       Aetzkalk     à – fl. 60 kr. =   15 fl. ö. W. ––––––––––– Summa    215 fl. ö. W. Hiernach ergibt sich pro Centner circa 1 fl. 70 kr. Ein Gaswerk, welchem die Erze des Verfassers wegen bedeutender Entfernung selbst auf diesen Preis zu stehen kommen, erspart noch immer die Hälfte der Ausgaben, abgesehen von der Verminderung der Arbeit. Ab Hütte werden die Erze zur Zeit mit 40 kr. pro Zoll-Centner, ab Bahnstation Raudnitz mit 60 kr. pro Zoll-Centner abgegeben. Für diejenigen Gaswerke, welche andere Erze billiger beziehen können und nur der Auflockerung derselben bedürfen, könnte der Verfasser auf Wunsch gegen höheren Preis gekörntes hochgrädiges Erz mit 90 bis 95 Proc. Eisenoxydhydrat liefern. Jedoch dürfte noch der Umstand für den Bezug seiner Erze selbst auf weitere Entfernungen sprechen, daß dieselben wegen der großen Porosität und specifischen Leichtigkeit nur geringen Rückdruck ausüben. 1 Kubikfuß preuß. wiegt, locker geschüttet, kaum 50 Zoll-Pfund. Der Umstand, daß bei Verwendung so reichhaltiger Eisenerze, wie die erwähnten, nach der Ueberladung mit Schwefel auch der Gehalt an Schwefel in der zur Reinigung unbrauchbar gewordenen Masse wesentlich höher seyn muß, als bei Verwendung minder reicher Erze oder Laming'scher Masse, veranlaßte den Verfasser zu Versuchen mit solcher geschwefelter Masse, welche ihm zu diesem Zwecke von der Gemeinde-Gasanstalt in Prag geliefert worden war, und er theilt über die Verwendung solcher Masse noch Folgendes mit. Ist es schon bisher möglich gewesen, die mit Schwefel beladene Reinigungsmasse da, wo Schwefelsäurefabriken in der Nähe sind, diesen zuzuführen, so werden die Schwefelsäurefabriken eine an Schwefel noch reichere Masse gewiß um so lieber beziehen und um so höher bezahlen. Kleine Gaswerke aber können eine derartige Verwerthung nicht erzielen, da das Quantum zu Waggonladungen nicht zureicht, und die Entfernung den Preis zu sehr reducirt. Der Verfasser ist nun durch seine Versuche auf andere, überall ausführbare Verwendungen gekommen. Vor Allem muß die aus dem Betriebe ausrangirte Masse gut ausgetrocknet werden; dann wird das feinere Pulver abgesiebt, der gröbliche Rückstand in einer an einer Kurbel um ihre Achse drehbaren Tonne mit eisernen Kugeln gemahlen und ebenfalls gesiebt. Das so erhaltene Pulver ist nun zu folgenden Zwecken verwendbar: 1) Mit der Hälfte bis gleichen Theilen seines Gewichtes fein gesiebter Eisenfeilspäne vermischt und mit Wasser angeknetet, erhärtet das Gemisch sehr bald und ist schon nach 24 Stunden steinhart; es eignet sich also vorzüglich zum Kitten in Eisen, Stein oder Holz. Noch sicherer wirkt das Gemisch, wenn man sich statt des Wassers des Glycerins bedient, wie solches in unreiner Form aus den Gasuhren ausgeschieden wird, da das Glycerin den Kitt länger feucht hält. 2) Mit der Hälfte seines Gewichtes Schwefel zusammengeschmolzen, bildet sich eine noch gießbare Masse, die ebenfalls als Kitt da brauchbar ist, wo man sich gewöhnlich des reinen Schwefels bedient. Man schmilzt zu diesem Zweck erst den Schwefel in einem eisernen Gefäße, bis er sich zu verdicken anfängt, und rührt dann die sehr gut ausgetrocknete pulverige Masse nach und nach ein, wobei ein Aufschäumen eintritt, weßhalb man das Gefäß genügend groß zu wählen hat. So geschmolzene Masse läßt sich in Formen gießen, und es werden Versuche mit so dargestellten Platten bezüglich der Haltbarkeit und Durchlässigkeit angestellt. Es würde dieß ein sehr brauchbares Material zum Ausmauern von Düngerstätten, Aborten u. dergl. darbieten. 3) Endlich hat die trockene und fein gepulverte Schwefeleisenmasse die merkwürdige Eigenschaft, sich in der Hälfte ihres Gewichtes kochenden Steinkohlentheeres so vollständig zu lösen, daß die heiße Masse noch vollkommen dünnflüssig und streichbar bleibt und daher als bester Dachpapp-Anstrich und überall da brauchbar ist, wo man Theer und Asphalt anzuwenden pflegt. Man kann diese Theermasse auch noch dicker kochen, mit Sand u. dergl. vermischen und zu Betonirungen, Trockenlegung von Mauerwerk, zum Bestreichen von Gas- und Wasserröhren in feuchten Lagen, überhaupt sehr vielseitig verwenden. Feuergefährlich ist der Anstrich nicht mehr und nicht weniger als gewöhnliche Dachpappe, da Versuche an damit bestrichenen und angezündeten Holzspänen zeigten, daß nur diejenigen Theile der Späne hell brannten, die vom Anstrich freigelassen wurden, während die Flamme, beim Anstrich angekommen, alsbald verlöschte. Nächst diesen Verwendungen der überschwefelten Reinigungsmasse stehen noch anderweite in Aussicht, worüber die Versuche fortgesetzt und seiner Zeit in den technischen Blättern veröffentlicht werden sollen. In der Erwartung, daß solches Material nach und nach ein gesuchter Artikel werden wird, macht der Verfasser die Gasanstalten, welche Eisenerz verwenden, darauf aufmerksam, die nicht mehr zum Reinigen brauchbare Masse möglichst vor Verunreinigungen, vor Vermengung mit Schutt und anderen Abfällen gesichert, wenn auch im Freien aufzubewahren, um dieselbe dann entweder für die eigene Regie oder auf Nachfrage jederzeit zur Verfügung zu haben. Schließlich möchte der Verfasser, um dieses Material kürzer zu bezeichnen, dafür einen bestimmten Ausdruck, vielleicht die Benennung Sidrothion empfehlen, abgeleitet von σίδηϱος, Eisen, und ϑεĩοv, Schwefel. (Journal für Gasbeleuchtung, 1873 S. 368.)