Titel: Zur Kenntniss des Ammoniaksodaprocesses; von Professor Dr. A. Bauer in Wien.
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XXII., S. 143
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XXII. Zur Kenntniss des Ammoniaksodaprocesses;Vergl. Dingler's polytechn. Journal 1873, Bd. CCIX S. 282. von Professor Dr. A. Bauer in Wien. Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft, 1874 S. 272. Bauer, zur Kenntniß des Ammoniaksodaprocesses. Der Ammoniaksodaproceß, der von Solvay und Comp. in Couillet (Belgien) mit Erfolg in die Industrie eingeführt wurde, beruht bekanntlich auf der Bildung von schwerlöslichem Natriumbicarbonat durch die Einwirkung von Ammoniumbicarbonat auf eine wässerige Lösung von Natriumchlorid. Diese Umsetzung geht jedoch, wie schon Schlösing und Rolland Annales de Chimie et de Physique. 4. série, t. XIV p. 5. gezeigt haben, nicht vollständig vor sich, und es ergibt sich immer ein Verlust, der etwa ein Dritttheil der angewendeten Kochsalzmenge beträgt. Als Ursache hierfür haben die genannten Forscher den Umstand angegeben, daß das entstehende Natriumbicarbonat nicht ganz unlöslich sei und sich daher nicht vollständig ausscheidet. Ich glaube, daß hier noch ein anderer, bisher nirgends hervorgehobener Umstand von Belang ist, nämlich die Fähigkeit des Natriumbicarbonates (und Natriumcarbonates), sich mit Salmiak zu Ammoniumbicarbonat und Chlornatrium umzusetzen, worauf ich in einem Berichte über die chemische Großindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873Wien, Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. 1874. Heft 52 S. 12. aufmerksam gemacht habe. Daß diese Umsetzung wirklich und zwar unter den verschiedensten Umständen vor sich geht, habe ich an einigen Versuchen ersehen, welche ich angestellt habe und die ich in Folgendem mittheilen will, da sie mir für den vorliegenden Fall nicht ganz unwichtig erscheinen. Natriumbicarbonat wurde in einer Salmiaklösung gelöst und, um alles etwa vorhandene Monocarbonat in Bicarbonat umzuwandeln, ein Strom von Kohlensäure durchgeleitet, wobei sich in der That nach einiger Zeit eine Spur Natriumbicarbonat ausschied. Die hiervon getrennte Flüssigkeit wurde nun der freiwilligen Verdunstung bei einer Temperatur von 8 bis 15° C. überlassen, wobei sich, nachdem die Flüssigkeit eine gewisse Concentration erreicht hatte, schöne Kochsalzkrystalle ausschieden, deren Menge rasch zunahm, so daß leicht nachgewiesen werden konnte, daß alles als Bicarbonat in Lösung gebrachte Natrium in Chlornatrium übergegangen war. Derselbe Versuch wurde in der Weise wiederholt, daß das Verdampfen der Lösung in einer größeren Glasschale vorgenommen wurde, in welche man beständig einen Kohlensäurestrom leitete, so daß die Verdampfung in einer Atmosphäre dieses Gases erfolgte. Das Resultat war dasselbe wie oben. Alles Natrium krystallisirte als Chlorid. Da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen war, daß die Umsetzung des Natriumbicarbonates mit Salmiak erst beim Eindampfen in der ganz concentrirten Lösung vor sich ging, so wurde der Versuch in der Weise wiederholt, daß man eine nicht völlig concentrirte Lösung von Natriumbicarbonat und Salmiak mit Kohlensäure sättigte und hierauf einer Temperatur von 15° C. unter Null aussetzte, wobei die Ausscheidung von Krystallen beobachtet wurde, welche sich als Ammoniumbicarbonat erwiesen, welches also durch Umsetzung aus dem Natriumbicarbonat entstanden sein mußte. Es geht daraus hervor, daß bei niedriger Temperatur und in wässeriger Lösung der folgende Proceß vor sich geht: CO O . NaO . H + NH₄Cl = CO ONH₄OH + NaCl. (NaO . CO₂, HO, CO₂ + NHC = NHO . CO₂, HO . CO₂ + NaCl) Dieser Proceß geht aber in wässeriger Lösung auch bei höherer Temperatur vor sich so z.B. wenn man in einer zugeschmolzenen Röhre eine Lösung von Natriumbicarbonat mit Salmiak erhitzt und die Spitze der Röhre in's Freie ragt. Man findet dann das Ammoniumbicarbonat nach der Spitze sublimirt und das Natrium als Chlornatrium in der Lösung. Wir sind auf diese Thatsachen bei Versuchen aufmerksam geworden, welche wir angestellt haben, um aus Chlorkalium mittels Ammoniumbicarbonat, Kaliumbicarbonat darzustellen. Dies gelang bei Anwendung eines Ueberdruckes von 1/2 Atmosphäre leicht; aber da das Kaliumbicarbonat leichter löslich ist als das entsprechende Natriumsalz, so schieden sich nur circa 22 Procent des angewendeten Chlorkaliums als Bicarbonat aus, während der Rest in Lösung blieb und – der Verdampfung überlassen – kein Kaliumcarbonat sondern Kaliumchlorid lieferte.