Titel: Ueber die Bildung von Sulfaten bei Gasflammen; von Dr. E. Priwoznik.
Autor: E. Priwoznik
Fundstelle: Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXII., S. 224
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LXII. Ueber die Bildung von Sulfaten bei Gasflammen; von Dr. E. Priwoznik. Priwoznik, über die Bildung von Sulfaten bei Gasflammen. An den Rauchschalen, die gewöhnlich über den Leuchtgasflammen angebracht sind, bildet sich nach einiger Zeit ein Beschlag, welcher unter dem Mikroskop als Aggregat kurzer wasserheller Säulen erscheint. Durch Abspülen mit Wasser erhält man eine Lösung, die vom etwa vorhandenen Ruß abfiltrirt, nach dem Abdampfen einen weißen, krystallinischen Körper zurückläßt. Derselbe reagirt sauer und verflüchtigt sich beim Erhitzen unter Entwickelung eines dichten Rauches bis auf Spuren eines fixen Rückstandes. Der Beschlag besteht aus Schwefelsäure und Ammoniak. Nach dem Trocknen bei 100° C. gaben 0,1235 Grm. dieses Körpers 0,2175 Grm. schwefelsauren Barit0,2175 Grm. oder 60,4 Proc. Schwefelsäure; die Formel H₈N₂SO₄ (NHO, SO₄) erfordert 60,5 Proc. Im nichtflüchtigen Rückstande, welcher nur sehr gering ist, sind durch Spectralanalyse noch Kali und Natron nachweisbar. Der Beschlag an den Rauchschalen besteht also trotz der schwach sauren Reaction aus einfach-schwefelsaurem Ammoniak, was die Ansicht von Ulex widerlegt, nach welcher die Luft in mit Gas beleuchteten Zimmern das saure Salz enthält.Schilling's Journal für Gasbeleuchtung, 1870 S. 537. Dieser Umstand ist von Bedeutung, weil das neutrale Salz keinen so schädlichen Einfluß auf die Respirationsorgane ausübt als die saure Verbindung. Bestehen die Rauchschalen nicht aus Glas, sondern aus Messing, so ist dem schwefelsauren Ammoniak nur noch schwefelsaures Kupferoxyd und eine organische Substanz beigemengt, welche auch nur vom Lack stammen kann, mit welchem diese Metallgegenstände gewöhnlich überzogen werden. Das so gewonnene schwefelsaure Ammoniak läßt nämlich beim Erwärmen im Wasserbad deutlich einen Geruch wie beim Erhitzen von Zucker erkennen. Der Gehalt an Schwefelsäure betrug – sowohl der Differenz zwischen den Aequivalenten von Kupfer und Ammoniak, als auch des Gehaltes an organischer Substanz wegen – nur 52,9 Proc. Eine Messingschale, welche durch längere Zeit über einem Schmetterlingbrenner aufgehängt war, überzog sich mit 0,2 Grm. schwefelsaurem Ammoniak, nach dessen Entfernung man die Oberfläche der Schale mit einer festhaftenden Schichte von Kupferoxyd bedeckt fand. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß die im Steinkohlengase enthaltenen Verbindungen des Schwefels beim Brennen des Gases Schwefelsäure liefern, die bei frei brennenden, leuchtenden Flammen an Ammoniak gebunden ist. Deshalb ist auch Ruß, welcher mittels einer leuchtenden Gasflamme dargestellt wird, nicht frei von Salzen. Der wässerige Auszug desselben gab nämlich nach dem Abdampfen einen Rückstand, in welchem Schwefelsäure, Ammon und auch Natron sich nachweisen ließen. Bei nicht leuchtenden Flammen jedoch bildet sich auch freie Schwefelsäure. Man überzeugt sich hiervon häufig in den chemischen Laboratorien, wenn wässerige Lösungen in Platinschalen von 1/2 bis 1 Liter Fassungsraum über Bunsen'schen Gasbrennern abgedampft werden. Es bilden sich dort, wo die Flamme das Platin bespült, Tröpfchen von concentrirter Schwefelsäure. Diese Thatsache hat auch Ulex unter den Beweisen für die Gegenwart von Schwefel im Leuchtgase angeführt. Es ist wiederholt bemerkt worden, daß dieser Schwefel nicht als Schwefelwasserstoff im Gase enthalten ist. Mit Bleilösung getränktes Papier erlitt selbst nach mehrstündiger Einwirkung des von der englischen Gesellschaft in Wien gelieferten Gases nicht die geringste Veränderung. Auch das Londoner Gas enthält keine Spur von Schwefelwasserstoff. Man ist daher zur Ueberzeugung gelangt, daß andere Schwefelverbindungen im Steinkohlengase vorkommen und es gelingt noch immer nicht, dieselben bei der Bereitung im Großen vollständig zu entfernen. In London sah sich die Centralbehörde im letztvergangenen Jahre sogar gezwungen, einen Schwefelgehalt von 25 Grains in 100 Kubikfuß Gas zu gestatten, während vom Jahre 1860 an bis dahin das nicht zu überschreitende Maximum des Schwefelgehaltes in demselben Volumen Gas nur 20 Grains betrug. Auch wurde in Aussicht gestellt, daß für die Wintermonate ein noch größerer Gehalt gestattet werden soll.Dingler's polytechn. Journal, 1873 Bd. CCX S. 158. Unter diesen Schwefelverbindungen ist Schwefelkohlenstoff vorwiegend, welcher im Leuchtgase zuerst von Vogel durch Umwandlung in xanthogensaures Kali mittels alkoholischer Kalilösung nachgewiesen wurde. Ein schärferes und eleganteres Verfahren Schwefelkohlenstoff im Leuchtgase nachzuweisen, gab A. W. Hofmann an. Es werden vier bis fünf Tropfen Triäthylphosphin in Aether gelöst und Leuchtgas durchgeleitet; die Flüssigkeit nimmt eine rothe Färbung an, deren Intensität in dem Maße zunimmt, als der Gasstrom fortdauert. Wenn aller Aether verdunstet ist, was bei fortgesetztem Durchstreichen von Gas leicht geschieht, so erhält man ein Netzwerk von rubinrothen Krystallen.Liebig's Annalen, 1860 Bd. 39 S. 296. Odling verlegt die Bildung des Schwefelkohlenstoffes in den Retorten in das letzte Stadium des Processes, wo der in den Steinkohlen enthaltene Eisenkies schmilzt und von dem bereits gebildeten Coaks zersetzt wird. Dies geschieht nach der Gleichung: 2 FeS₂ + C = FeS + CS₂Schillings Journal für Gasbeleuchtung, 1872 S. 549. Es liegen eine Reihe von quantitativen Bestimmungen des Schwefels im Steinkohlengase vor. A. W. Hofmann fand in 100 Kubikmeter des Londoner Gases im Juli 1859: 17,256 Grm., im December 1859 und Januar 1860: 22,754 Grm. Schwefel;Liebig's Annalen, 1860 Bd. 39 S. 294. aus den Berichten der Londoner Gas-Prüfungs-Commission über die Schwefelfrage, welche in den Jahren 1872 und 1873 erschienen sind, sei hier nur angeführt, daß beispielsweise das von der Great Central Company gelieferte Gas, dessen Schwefelgehalt unter allen Gaswerken Londons am geringsten war, 7,78 bis 54,93 Grm. Schwefel in 100 Kubikmeter enthielt.Schilling's Journal für Gasbeleuchtung, 1871 S. 26. Einzelne Bestimmungen des Schwefels in dem von der englischen Gesellschaft in Wien gelieferten Leuchtgas wurden von Reim ausgeführt; im März 1865 enthielten 100 Kubikmeter dieses Gases 8,37 Grm., im Jahre 1868: 13,77 Grm. Schwefel. Im Leuchtgase kommen bekanntlich auch geringe Mengen von Ammoniak, offenbar an Kohlensäure gebunden, vor. Es wurden im Wiener Leuchtgase von Reim nach der von Boussingault Annales de Chimie et de Physique, 1853, 3. série t. XXXIX p. 257. angegebenen Methode quantitativ bestimmt. 100 Kubikmeter Gas enthielten im Mittel aus sieben Bestimmungen 1,12 Grm. Ammon. Vom Ammoniakgas ist bekannt, daß es im Sauerstoff mit grünlichgelber Flamme brennt, welche A. W. Hofmann auch erhielt, als es in die untere Oeffnung eines Argand'schen Gasbrenners mit Glasschornstein einströmte.Liebig's Annalen, 1860 Bd. 39 S. 285. Als ein mit mäßig verdünnter Salzsäure benetztes Schälchen über die Flamme des mit Ammoniak oder kohlensauren Ammoniak geschwängerten Leuchtgases gebracht wurde, war die Bildung von Salmiak als dichter Nebel nicht bemerkbar. Die dem Schälchen adhärirende Salzsäure hatte keine Spur von Salmiak aufgenommen, denn sie gab mit einer alkalischen, gegen Ammon so empfindlichen Jodkalium-Jodquecksilberlosung (Neßler's Reagens) keine Reaction. Läßt man das mit Salzsäure benetzte Schälchen vom Leuchtgas, wie es ist, bespülen, so bilden sich die Nebel sogleich und Kalium-Quecksilberjodid gibt einen reichlichen Niederschlag. Ammoniak kann daher weder als solches, noch an Kohlensäure gebunden, die Flamme passiren, ohne seiner ganzen Menge nach zersetzt zu werden, und kommt bei der Bildung des Beschlages an Rauchschalen von außen hinzu. Es ist hierbei anzunehmen, daß das Ammoniak aus dem Stickstoff der Luft entsteht, wie dies v. Saussure bei der Verbrennung von Wasserstoffgas in stickstoffhaltigem Sauerstoff zuerst gefunden hat. Die Bildung von salpetrigsaurem Ammon hat Schönbein bei der Verbrennung der Fette, des Leuchtgases u.s.w. nachgewiesen, indem er ein reines, mit destillirtem Wasser getränktes Badeschwämmchen in gehöriger Entfernung über der Flamme solcher verbrennender Materien aufhing. Das aus dem Schwämmchen gepreßte Wasser gab mit angesäuertem Jodkaliumkleister die bekannte blaue Färbung.In der nächsten Umgebung der Flamme des Bunsen'schen Gasbrenners, bei der Wasserstoffgas- und Weingeistflamme hat Carl Than auch Ozon in nicht unbedeutender Menge nachgewiesen. (Journal für praktische Chemie, neue Folge Bd. 1 S. 415. Vergl. auch Ott über Ozondarstellung in diesem Journal, zweites Juliheft 1874 S. 130.) Die Steinkohlen geben bei der Verbrennung, ihres Gehaltes an Schwefelkies wegen, auch schwefelige Säure, welche mit dem salpetrigsauren Ammon zusammen nicht bestehen kann. Es bildet sich unter diesen Umständen Schwefelsäure, welche mit dem Ammoniak verbunden durch den Schornstein geht. Wenn die Steinkohlen erheblichere Mengen von Schwefeleisen führen, so wird der bei der Verbrennung erzeugte Rauch vorzugsweise schwefelsaures Ammoniak enthalten.Journal für praktische Chemie Bd. 86 S. 142. Diese Angaben Schönbein's sind auch auf die in Rede stehende Erscheinung auszudehnen. Die beim Verbrennen des Gases gebildete schweflige Säure oxydirt sich durch das gleichzeitig entstehende Nitrit zu Schwefelsäure, welche sich mit dem Ammoniak des Nitrites verbindet. Nur bei nicht leuchtenden, oxydirenden Gasflammen bildet sich, wie oben bereits angeführt wurde, freie Schwefelsäure, jedoch nicht ausschließlich. Betrachtet man nämlich bei den: oben beschriebenen Versuche die von der Flamme eines einfachen Bunsenbrenners bespülte Stelle der Platinschale genauer, so nimmt man concentrische Ringe wahr, welche sich rings um einen schwach berußten Fleck ausbreiten. Nur der äußere Ring wird von Schwefelsäuretröpfchen gebildet, während der zwischen diesem und dem bewußten Fleck befindliche Ring, aus schwefelsaurem Ammon besteht, wie eine Untersuchung der durch Abspülen mit Wasser erhaltenen Lösung ergeben hat. Hieraus erhellt, daß auch bei nicht leuchtenden Gasflammen die Bildung von Ammon stattfindet, wenn auch die Bedingungen für dieselbe im äußeren Flammenkegel nicht vorhanden sind. Auch die Glascylinder über den Argandbrennern beschlagen sich immer nach längerem Gebrauche weiß. Sie erscheinen trüb und nur stellenweise dichter vom Beschlag belegt. Bei sorgfältiger Behandlung der Brenner ist dieser Ueberzug bekanntlich nicht mit Ruß gemengt. Die Lösung, welche durch Ausspülen desselben mit Wasser erhalten wird, reagirt ebenfalls schwach sauer und gibt beim Eindampfen farblose Krystallnadeln, während der Beschlag ursprünglich nicht krystallinisch erscheint. Auf dem Platinblech läßt er sich nicht verflüchtigen. Die Lösung enthält Kali, Natron, Kalk, Schwefelsäure und geringe Mengen von Chlor, dieser Beschlag besteht demnach aus Kali,-Natron- und Kalksulfat nebst kleinen Mengen von Kochsalz, aber nicht aus schwefelsaurem Ammoniak, wie Ulex angibt. Als die Lösung mit Aetzkali gekocht wurde, ließ sich weder durch den Geruch, noch mittels Lakmuspapier Ammoniak nachweisen. Nur bei Anwendung von Neßler's Reagens waren Spuren desselben zu finden. Das schwefelsaure Ammoniak ist eben bei der im Cylinder eines Argandbrenners herrschenden Temperatur flüchtig, wovon ich mich leicht durch einen Versuch überzeugen konnte. Ein Lampencylinder wurde an der inneren Wand mit dieser Salzlösung benetzt, auf den Brenner gesetzt und bei kleiner Flamme vorsichtig so lange erwärmt, bis die benetzten Stellen trocken waren; hierauf wurde der Hahn so weit geöffnet, daß die Flamme ihre gewöhnliche Größe erhielt. Das Salz decrepitirt, dann schmilzt es und verflüchtigt sich bis auf Spuren eines fixen Rückstandes, in welchen von den Basen nur Natron nachzuweisen war. Nach Angaben von Marchand schmilzt schwefelsaures Ammon schon bei 140° C. und fängt bei 280° an sich zu zersetzen, wobei das Glas angegriffen wird. Es entwickelt sich Ammoniak, dann Wasser und Stickgas, auch sublimirt schwefligsaures und wenig schwefelsaures Ammoniak.Poggendorff's Annalen, 1837 Bd. 42 S. 556 und Gmelin's Handbuch der Chemie, 4. Aufl., Bd. 1 S. 873. Die mit Beschlag überzogenen Glascylinder zeigten sich an den incrustirten Stellen selbst unter dem Mikroskope nicht angegriffen. Die zahlreichen feinen Sprünge an dem einen derselben gingen meist von Luftbläschen aus und scheinen mit der Bildung des Beschlages in keinem Zusammenhang zu stehen. Der Kalk- und Alkaligehalt des Beschlages dürfte daher kaum vom Glase stammen; namentlich aber ist dies nicht der Fall bei den Beschlägen an den gläsernen Rauchschalen, welche, wie bereits erwähnt, ebenfalls Spuren von Alkali enthalten und etwa 31 Centimeter über den Brennern aufgehängt waren; denn dort ist die Temperatur zu niedrig, als daß schwefelsaures Ammon schmelzen könnte, wobei es Glas angreift. Für die Ansicht, daß der Alkaligehalt nicht vom Glase herrührt, spricht noch der Umstand, daß der Beschlag auch in solchen Fällen, wo er nicht auf Glas, sondern auf Metall entstanden ist, die Linien von Kalium und Natrium gab. In den Steinkohlen wurde sowohl Kali als Natron in geringen Mengen vorgefunden. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß dieselben bei der Gasbereitung in den Retorten mit der Kieselsäure sich verglasen, die in den Steinkohlen niemals fehlt, – eine Ansicht, welche mit der Thatsache im Einklange steht, daß in der Leuchtgasflamme spectraliter Kalium nicht zu finden ist; man. sieht nur eine schwache Natronlinie, welche dem stets in der Luft schwebenden, natriumhaltigen Staube zugeschrieben wird, weshalb die Erklärung der in Rede stehenden Erscheinung auch in einem Alkali-  und Kalkgehalt des Kohlengases nicht zu suchen ist. Eher scheint der stets in wechselnder Menge in der Atmosphäre schwebende Staub, welcher mit dem Luftstrom durch die Flamme geführt wird, die Basen zum Beschlage in den Lampencylindern zu liefern, indem dessen organischer Theil verbrennt und eine alkali- und kalkhaltige Asche gibt. Der Beschlag bildet sich in den Cylindern nur in geringer Menge. Erst nach Monaten konnte so viel davon erhalten werden, als zu einer qualitativen Analyse nothwendig war. Auch dieser Umstand spricht nicht gegen die Ansicht, daß der Alkaligehalt dieser Beschläge im Staub seinen Ursprung habe. Aus dieser Untersuchung geht hervor, daß die beim Verbrennen des Gases gebildeten und in den Beschlägen gefundenen schwefelsauren Salze mit Ausnahme des Schwefels alle übrigen Bestandtheile von außen erhalten und zwar Sauerstoff und Stickstoff aus der atmosphärischen Luft, Kalium, Natrium und Calcium aus dem in der Atmosphäre stets vorhandenen Staube, dessen Einfluß bei ähnlichen chemischen Vorgängen überhaupt mehr Beachtung verdient, als ihm bisher geschenkt wurde. Wien, im Juni 1874.