Titel: Zur Geschichte der Dampfkesselexplosionen; von Ferd. Fischer.
Fundstelle: Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXXIII., S. 296
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LXXIII. Zur Geschichte der Dampfkesselexplosionen; von Ferd. Fischer.Nach einem im hannoverschen Bezirksvereine deutscher Ingenieure gehaltenen Vortrag. Fischer, zur Geschichte der Dampfkesselexplosionen. Abgesehen von schlechtem Material, schlechter Construction und mangelhafter Arbeit können die angeblichen Ursachen der Dampfkesselexplosionen zurückgeführt werden auf: 1. Uebermäßige Dampfspannung 2. Elekricitätswirkungen 3. Knallgasexplosionen 4. Leidenfrost's Phänomen 5. Siedeverzug 6. Plötzliche Entlastung 7. Erschütterungen der Kesselwände 8. Glühende Kesselwände. 1. Uebermäßige Dampfspannung führt wohl nur in den seltensten Fällen unmittelbar zu einer Explosion, d.h. zu einer solchen plötzlichen Zerstörung des Kessels, bei welcher derselbe in Stücke zerrissen und diese fortgeschleudert werden. Diese gewaltige Arbeit kann nach Grashof Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften, 1872 S. 103. ihre unmitttelbare Ursache nur in einer großen Wärmemenge haben, welche plötzlich in Arbeit umgesetzt wird. Daß Kessel unter Umständen einen starken Dampfdruck ertragen, obgleich sie so schadhaft sind, daß sie bei einer Revision an verschiedenen Stellen mit einem kleinen Hammer bequem durchgeschlagen werden können, ist bekannt.Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1869 Bd. 13 S. 350. Andererseits haben die Versuche von Andraud Dingler's polytechn. Journal, 1841 Bd. LXXIX S. 316; Z. V. J. 1869 Bd. 13 S. 152 und 569. gezeigt, daß eiserne Kessel von 100 Liter Inhalt und 2 Millim. Wandstärke durch Einpressen von Luft bis auf 75 Atmosphären Druck zwar bersten aber nie explodiren. Auch die Versuche von Stevens D. p. J., 1872 Bd. CCIV S. 4. und der von der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika niedergesetzten CommissionD. p. J., 1873 Bd. CCXI S. 412. haben ergeben, daß ein übermäßiger Dampfdruck in einem Kessel, der eine schwächere Stelle hat, einen Riß macht (bei sprödem Bleche auch Wohl ein Stück heraussprengt), während er nur bei durchwegs gleichmäßiger Wandstärke, aller Wahrscheinlichkeit nach, eine heftige Explosion veranlaßt.D. p. J., 1839 Bd. LXXIII S. 401; 1841 Bd. LXXIX S. 234; 1842 LXXXIII S. 10; 1867 Bd. CLXXXVI S. 84; Z. V. J., 1870 Bd. 14 S. 215; Wiek's illustrirte Gewerbeztg., 1861 S. 56. Dagegen kann das Bersten eines Kessels sehr wohl die Veranlassung (durch die plötzliche Entlastung) zu einer Explosion werden; der Kesselbruch wird dann zur Kesselexplosion. 2. Elektricitätswirkungen. Andraud D. p. J., 1841 Bd. LXXIX S. 316; 1855 Bd. CXXXVII S. 24. glaubt, daß sich beim Verdampfen des Kesselwassers Elektricität entwickelt, welche unter Umständen die Fähigkeit erlangt zu explodiren. Er empfiehlt in die Kessel Blitzableiter anzubringen. JobardD. p. J., 1841 Bd. LXXIX S. 233. meint, daß die beim Verdampfen gebildete Elektricität unter Umständen sich in den zahlreichen Messingröhren wie in einer Ladungsflasche sammelt und so die verheerendsten Explosionen gibt. Auch Tassin D. p. J., 1841 Bd. LXXIX S. 234., Wilke Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 571., Hofmann Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 235; D. p. J., 1867 Bd. CLXXXVI S. 84., Schiele Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 569. und AndereZ. V. J., 1862 Bd. 6 S. 358; 1872 Bd. 16 S. 786. glauben, daß bei den Dampfkesselexplosionen Elektricität im Spiele sei. Dabei ist offenbar übersehen, daß die etwa freigewordene Elektricität sich doch nur an der Oberfläche des Kessels sammeln könnte, welche aber nie isolirt ist; außerdem ist nicht einzusehen, wie Elektricität explodiren soll. LardnerD. p. J., 1845 Bd. XCV S. 249. erklärt die Explosion einer Locomotive durch einen Blitzschlag, welcher die Kesselwände so stark erhitzt hätte, daß in Folge der plötzlichen Dampfentwicklung die Explosion erfolgte, – eine Angabe, die doch bezweifelt werden muß. Nicht glücklicher ist die Hypothese von Wilder D. p. J., 1850 Bd. CXV S. 87., daß die Explosionen von plötzlich frei werdendem Wärmestoff herrühren. 3. Knallgasexplosionen. Schon Perkins D. p. J., 1824 Bd. XV S. 138. glaubt, daß die Explosionen häufig durch Wasserzersetzung bewirkt werden und Mackinnon D. p. J., 1832 Bd. XLIV S. 228., daß durch die glühenden Kesselwände Wasserstoff entstehe; durch Oeffnen des Ventiles dringt dann Luft in den Kessel und das so gebildete Knallgas entzündet sich an den Kesselwänden. Du Mesnil D. p. J., 1842 Bd. LXXXIII S. 7. meint, daß sich durch Oeldämpfe und Wasserzersetzung Wasserstoff bildet, der mit dem im Speisewasser enthaltenden Sauerstoff Knallgas gibt, welches durch die reichlich erzeugten elektrischen Funken entzündet wird und den Kessel sprengt. Auch Schiele Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 569. glaubt, daß in den Kesseln durch Aufwallen elektrische Funken erzeugt werden (wie in den Wolken der Blitz) und das Knallgas entzünden. JobardD. p. J., 1842 Bd. LXXXIV S. 158 und Bd. LXXXVI S. 252; 1844 Bd. XCIV S. 344; 1846 Bd. CII S. 407. gibt an, daß durch die glühenden Kesselwände Wasser zerlegt wird, oder durch Zersetzung der im Speisewasser enthaltenen organischen Stoffe sich eine Art Schwaden bildet; taucht nun das Rohr zur Speisepumpe nicht unter Wasser, wird also Luft in den Kessel gepumpt (?), so entzündet sich das Knallgas durch elektrische Funken oder durch die glühenden organischen Massen. HippZ. V. J., 1867 Bd. 11 S. 635 und 753; 1869 Bd. 13 S. 758; Hipp: Die Gasbildung als Ursache der Dampfkesselexplosion. (Bädecker, Coblenz.) erklärt die Knallgasbildung sogar für die einzige Ursache der Kesselexplosionen, wird aber von Grashof Z. V. J., 1867 Bd. 11 S. 762; 1869 Bd. 13 S. 765. gründlich widerlegt. Schon die Versuche der Kommission des Franklin-Institutes in PennsylvaniaD. p. J., 1836 Bd. LXI S. 418; 1839 Bd. LXXI S. 269. haben ergeben, daß Wasser in einem rothglühenden Kessel, dessen Oberfläche zwar rein, aber nicht metallisch glänzend ist, nicht zersetzt wird, und Schafhäutl D. p. J., 1839 Bd. LXXI S. 351. hat gezeigt, daß 1 Volum Knallgas mit 0,7 Volum Wasserdampf gemischt schon nicht mehr explodirt. Allerdings theilt Parkes D. p. J., 1842 Bd. LXXXIII S. 21. mit, daß sich beim Ausblasen eines noch heißen Kessels ein brennbares Gas entwickelt habe, welches sich beim Oeffnen des Mannloches an einer Flamme entzündete; während des Betriebes können sich aber offenbar höchstens geringe Spuren von Wasserstoff bilden. Aber selbst wenn größere Mengen brennbarer Gase entwickelt wären, würden diese doch so sehr durch den Wasserdampf verdünnt, daß auch bei hinreichender Zufuhr von Luft und bei glühenden Kesselblechen – die Annahme von elektrischen Funken ist völlig absurd – an eine solche Explosion nicht zu denken ist. Woolf und Taylor D. p. J., 1827 Bd. XXIV S. 295 und Bd. XXV S. 279. vermuthen schon eine Gasexplosion in den Zügen. Bedeckt der Heizer mittags oder abends die noch glühenden Kohlen mit einer dicken Schicht Kohlenklein oder Asche und schließt das Register des Schornsteines, so können sich nach Jobard D. p. J., 1861 Bd. CLIX S. 394. Gase bilden, welche beim Oeffnen der Thüre und Anschüren des Feuers explodiren und den Kessel Zerstören. Auch Hänel Z. V. J., 1867 B. 11 S. 164. und Wabner D. p. J., 1870 Bd. CXCVII S. 377. betonen die Gefährlichkeit einer derartigen Explosion in den Feuerzügen. Daß sich in den Zügen brennbare Gase sammeln können, ist bekannt; daß aber die Explosion derselben kräftig genug sein soll, den Kessel auseinanderzutreiben, ist sehr unwahrscheinlich. Wohl aber könnte sie unter Umständen (vergl. die unter 1, 5 und 7 angegebenen Ursachen) die mittelbare Ursache einer Kesselexplosion werden. Jedenfalls gebietet es die Vorsicht nach einer Arbeitspause erst das Register und dann die Feuerthüre zu öffnen, um so die Gase abzuführen. 4. Leidenfrost'sches Phänomen. Boutigny D. p. J., 1842 Bd. LXXXIII S. 457; 1845 Bd. XCVI S. 209 und Bd. XCVIII S. 427; 1848 Bd. CVII S. 241; 1851 Bd. CXIX S. 239 und 464; 1850 Bd. CXVII S. 394; 1851 Bd. CXXI S. 48, 55 und 78. sieht als häufige Ursache der Kesselexplosionen den sogenannten vierten oder sphärischen Zustand des Kesselwassers an.Z. V. J., 1869 Bd. 13 S. 150 und 567. Eine weißglühende Metallkugel in Seifenwasser gesenkt, umgibt sich mit einer Dampfhülle und erzeugt weder beim Einsenken, noch einige Zeit nachher irgend ein Geräusch. Verschwindet beim Abkühlen der Kugel die Dampfhülle, so findet durch plötzliche Dampfentwicklung eine Explosion statt, die oft das Gefäß zerschmettert. A. W. Hofmann Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 7 S. 535. hat dieses umgekehrte Leidenfrost'sche Experiment zu einen schönen Vorlesungsversuch umgestaltet. Barret Ebendaselbst Bd. 5 S. 814; Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1873 S. 102; Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 130. meint, daß unreines Wasser in Dampfkesseln sich zu solchen hohlen (?) Kugeln gestaltet, welche beim Zerplatzen eine starke Spannung ausüben. NormandyD. p. J., 1854 Bd. CXXXIII S. 329. glaubt zwar einen derartigen Kugelzustand in einem Dampfkessel beobachtet zu haben; dennoch ist es sehr unwahrscheinlich, daß eine solche Erscheinung in einem Dampfkessel überhaupt vorkommen und zu einer Explosion führen kann. 5. Siedeverzug. Dufour D. p. J., 1864 Bd. CLXXIII S. 266; Poggendorff's Annalen Bd. 124 S. 296. hat gezeigt, daß Wassertropfen von 10 Millim. Durchmesser, die im Oel schwimmen, auf 175° erhitzt werden können ohne Dampfbildung. Er wies ferner nach, daß durch Druckverminderung erhebliche Siedeverzüge eintreten können. Donny D. p. J., 1847 Bd. CIII S. 75 und Bd. CV S. 444. gelang es luftfreies Wasser unter gewöhnlichem Druck auf 135° zu erhitzen. Bekannt sind ferner die entsprechenden Beobachtungen von Schmidt D. p. J., 1866 Bd. CLXXX S. 403; Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 209., Krebs D. p. J., 1870 Bd. CXCVI S. 101. Tyndall D. p. J., 1872 Bd. CCVI S. 85. und Gräger.D. p. J., 1873 Bd. CCVII S. 338. Dufour schließt aus seinen Versuchen, daß während des Stillstandes der Maschine durch die Abkühlung des Dampfraumes die Dampfspannung geringer wird, obgleich das Wasser noch eine höhere Temperatur beibehält. Durch Erschütterung, Oeffnen des Ventiles u. dgl. tritt dann plötzliches Sieden und massenhafte Dampfbildung ein, welche dem Kessel verderblich werden kann. HeinemannZ. V. J., 1868 Bd. 12 S. 373., KirchwegerMittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1870 S. 177; D. p. J., 1871 Bd. CCII S. 196., RühlmannHannoversches Wochenblatt für Handel und Gewerbe, 1873 S. 132. und Reiche Dampfkessel S. 176. stellen zwar die Möglichkeit eines Siedeverzuges in Abrede; Werner Z. V. J., 1863 Bd. 7 S. 77 und 84. Froning Z. V. J., 1865 Bd. 9 S. 600; 1867 Bd. 11 S. 346., Ludewig Z. V. J., 1865 Bd. 9 S. 601., Blum Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 572. Die Ursachen der Kesselexplosionen (Chemnitz, Focke). Scheffler Die Ursachen der Dampfkesselexplosionen. (Berlin 1867.), Jacobi und Fuhst Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 403., Langen und Stühlen Z. V. J., 1870 Bd. 14 S. 341. sowie Wittmann Z. V. J., 1873 Bd. 17 S. 694. vertheidigen dieselbe. Da ferner Burnat Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 345. und Mayer Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 146; D. p. J. 1867 Bd. CLXXXIV S. 298. an Dampfkesseln selbst erhebliche Siedeverzüge beobachtet haben, so muß die Möglichkeit eines Siedeverzuges, namentlich wenn das Wasser luftfrei oder fettigUeber die Schädlichkeit fetthaltigen Speisewassers, vergl. D. p. J., 1857 Bd. CXLVI S. 221; 1861 Bd. CLXII S. 164; 1864 Bd. CLXXII S. 109; 1865 Bd. CLXXVII S. 430; 1866 Bd. CLXXX S. 254; 1868 Bd. CLXXXVII S. 431; 1869 Bd. CXCIV S. 82. ist, jedenfalls zugegeben werden. Ob aber hierdurch allein ein guter Kessel zerstört werden kann, ist fraglich, beim Zusammentreffen mit den unter 1, 6 und 7 genannten Ursachen könnte ein solches stoßartiges Sieden jedoch sehr wohl die Veranlassung zu einer Explosion werden. DonnyD. p. J., 1847 Bd. CIII S. 75. schlägt zur Vermeidung eines Siedeverzuges vor, einen feinen Luftstrom in den Kessel einzublasen, Stiehl's ExplodicautorD. p. J., 1869 Bd. CXCI S. 181; Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 697. saugt etwas Wasser auf und läßt es wieder fallen; Cohn Z. V. J., 1870 Bd. 14 S. 220, 619 und 673. hat Versuche über die Anwendung der Elektricität gemacht. WilliamsD. p. J., 1861 Bd. CLX S. 161. behauptet, daß flüssiges Wasser stets die Temperatur schmelzenden Eises habe; die scheinbare Wärme von erhitztem Wasser rühre nur von den im Wasser vertheilten Dampftheilchen her. Er glaubt, daß zuviel Wasser im Kessel bei Oeffnen des Ventiles zur Explosion führen kann. Wie ungereimt diese Angaben sind, wurde schon von Meidinger D. p. J., 1861 Bd. CLXI S. 1. gezeigt. 6. Plötzliche Entlastung. Parkes D. p. J., 1842 Bd. LXXXIII S. 20; Z. V. J. 1869 Bd. 13 S. 449; 1873 Bd. 17 S. 120 und 122. hebt hervor, daß von 23 beobachteten Explosionen 19 in dem Augenblicke stattfanden, als die Maschine in Gang gesetzt werden sollte; andere Kessel explodirten, als man das Sicherheitsventil öffnete. Die Versuche, welche im Auftrage des Finanzdepartements der Vereinigten Staaten von einer Kommission des Franklin-Institutes in Pennsylvania über die Kesselexplosionen angestellt wurdenD. p. J., 1836 Bd. LXI S. 324 und Bd. LXII S. 81; 1839 Bd. LXXI S. 274 und Bd. LXXIII S. 401., haben schon ergeben, daß, wenn man eine Oeffnung im Kessel anbrachte, an der Stelle, an welcher der Dampf entwich, zuerst ein örtliches Aufschäumen eintrat, dem schnell durch den ganzen Kessel ein gleiches Aufschäumen folgte, welches um so heftiger war, je mehr die Oeffnung erweitert wurde. Der kleine Kessel wurde durch das Oeffnen des in der Mitte angebrachten Sicherheitsventils vollkommen mit Schaum erfüllt, so daß das Wasser mit Heftigkeit herausgeschleudert wurde. Vergleiche auch die bemerkenswerthen Versuche des Breslauer Ingenieurvereins.D. p. J., 1867 Bd. CLXXXIV S. 74; Z. V. J., 1865 Bd. 9 S. 689. Von einem Fabrikanten in BordeauxD. p. J., 1841 Bd. LXXX S. 313. wird die Explosion des Dampfbootes „Citis“ dadurch erklärt, daß beim Oeffnen des Ventiles die bis dahin ruhige Dampfentwickelung in ein tumultarisches Kochen überging, das aufgeblähte schlammige Wasser den Ausgang versperrte (da die Ventile für die Entweichung von Dampf und nicht für das dichtere Wasser construirt sind) und der Kessel der zunehmenden Spannung nicht widerstehen konnte. ReicheD. p. J., 1872 Bd. CCIII S. 84; Z. V. J., 1871 Bd. 15 S. 673. glaubt dagegen, daß durch plötzliches Oeffnen eines Ventiles, durch Bruch eines Rohres u. dgl. eine starke Schaumbildung eintritt, so daß nicht nur Dampf sondern auch sehr viel Wasser entleert wird. Der Kessel explodirt an „Wassermangel“; wie – ist leider nicht angegeben. Wird die Dampfspannung in einem Kessel plötzlich vermindert, sei es in Folge von Abkühlung durch WasserD. p. J., 1867 Bd. CLXXXIV S. 75., durch Oeffnen eines Ventiles, Bersten eines Rohres, so entsteht eine heftige Dampfentwickelung, wodurch das Kesselwasser unter Umständen mit solcher Gewalt gegen die Wandungen geschleudert wird, daß diese dem Stoße nicht widerstehen können. Diese Ansicht ist wohl zuerst von Colburn D. p. J., 1867 Bd. CLXXXIV S. 74; Z. V. J., 1869 Bd. 13 S. 152. aufgestellt, von Bergius, Hofmann D. p. J., 1867 Bd. CLXXXVI S. 84; Z. V. J. 1868 Bd. 12 S. 235., Werner Z V. J., 1869 Bd. 13 S. 327. und Kurz Z. V. J., 1870 Bd. 14 S. 341. unterstützt worden. Namentlich zeigt Grashof Z. V. J., 1867 Bd. 11 S. 762; Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 1872 S. 103., daß in Folge plötzlicher Dampfentwicklung nach eingetretener relativer Ueberhitzung des Wassers die Sprengung eines Dampfkessels sehr wohl stattfinden kann. Ein allmälig gesteigerter Druck hat, wie schon erwähnt, nur einen nach und nach sich erweiternden Riß an der schlechtesten Stelle des Kessels zur Folge; ein stoßweiser Druck kann dagegen ein augenblickliches Bersten des Kessels an vielen Stellen bewirken. Das Wasser wird plötzlich unter einfachen atmosphärischen Druck versetzt, es entwickelt sich eine ungeheure Dampfmenge, die im Augenblick der Bildung den Druck hat, welcher der Temperatur des Wassers entspricht, aus dem er entstanden ist; die im Wasser aufgespeicherte Wärme wird in Arbeit umgesetzt, welche die gewaltige Zerstörung hervorbringt; der Kesselbruch wird so zur Kesselexplosion. KayserZ. V. J., 1865 Bd. 9 S. 657; 1866 Bd. 10 S. 129 u. 610; 1867 Bd. 11 S. 147; 1868 Bd. 12 S. 641 u. 668; 1869 Bd. 13 S. 449; D. p. J. 1868 Bd. CLXXXVII S. 518. glaubt dagegen, daß die bei plötzlicher Entlastung auftretenden explosionsartig freiwerdenden Dampfmassen, einen so heftigen Stoß auf die Wandungen ausüben können, daß diese gesprengt werden. Während Grothe Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1866 S. 161., Kirchweger Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1870 S. 177; D. p. J., 1871 Bd. CCII S. 196. solche plötzliche Dampfentwicklungen in Abrede stellen, auch Cohn Z. V. J., 1870 Bd. 14 S. 609. angibt, daß er bei plötzlicher Entlastung keine erheblichen Stöße beobachtet habe, schließen sich Giesberg Z. V. J., 1866 Bd. 10 S. 141., Jacobi Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 410., Heinemann Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 365 und 417., Welkner Heusinger's Organ, 1871 S. 67. u.a. dieser Kayser'schen Theorie im Wesentlichen an. LudewigZ. V. J., 1866 Bd. 10 S. 573. zeigt, daß die Theorien von Dufour und Kayser sich keineswegs ausschließen, sondern ergänzen. Während bei Dufour das Oeffnen des Sicherheitsventils u.s.w. nur mittelbare Ursache der Explosion ist, tritt bei Kayser durch das Oeffnen unmittelbar in Folge des verminderten Druckes die Explosion ein. Aehnlich Hrabak D. p. J., 1867 Bd. CLXXXIV S. 295. und Schröder.D. p. J., 1870 Bd. CXCV S. 98; Z. V. J., 1869 Bd. 13 S. 609. 7. Erschütterungen der Kesselwände. Schafhäutl D. p. J., 1842 Bd. LXXXIII S. 11. hat etwa 5 Centim. lange Glasröhren zum vierten Theile mit Wasser gefüllt, verschlossen und in geschmolzenes Zink (Schmelzpunkt 412°) getaucht. Sie hielten den ungeheuren Druck von etwa 400 Atmosphären aus, explodirten aber mit großer Heftigkeit, wenn sie von einer longitudinal schwingenden Eisenstange berührt wurden. Er glaubt, daß übermäßige Dampfspannung allein keine Explosion herbeiführt, daß diese aber durch vibrirende Bewegung der Kesselwände eintreten kann und auch schon eingetreten ist, z.B. durch den Schlag eines Hammers, ja durch einen kleinen Stein, welcher gegen die Wand eines Kessels geschleudert wurde. Aehnliche Versuche hat Gensoul Poggendorff's Annalen Bd. 18 S. 429. gemacht. Daß eine solche Erschütterung allein im Stande ist, einen Kessel zu zerstören, ist sehr zweifelhaft; beim Zusammentreffen mit den unter 1 und 5 genannten Ursachen kann sie jedoch dem Kessel gewiß verderblich werden. 8. Glühende Kesselwände. Es ist auffallend, daß noch so oft die zur Explosionsarbeit erforderliche Wärme nicht im Kesselwasser, sondern in den überhitzten Kesselwänden gesucht wird. – Eine solche Ueberhitzung kann eintreten durch Wassermangel oder durch Kesselsteinbildungen und Schlammablagerungen. Wassermangel. Sinkt nach Earle und Anderer AngabeD. p. J., 1831 Bd. XXXIX S. 92; 1832 Bd. XLIII S. 242; 1838 Bd. LXVII S. 81 und Bd. LXIX S. 1; 1856 Bd. CXLI S. 14 und 152. das Wasser unter die Feuerlinie, so wird der nicht mehr benetzte Theil der Feuerfläche des Kessels glühend. Wird nun gespeist, legt sich bei Schiffskesseln das Schiff auf die Seite, oder kommt durch eine andere Ursache Wasser mit den glühenden Kesselwänden zusammen, so soll plötzlich soviel Dampf erzeugt werden, daß die Explosion unvermeidlich ist. Allerdings ergaben die Versuche der Kommission des Franklin-InstitutesD. p. J., 1836 Bd. LXI S. 347; 1839 Bd. LXXI S. 268., daß beim Einspritzen von Wasser in einen rothglühenden kleinen Versuchskessel in kurzer Zeit ein starker Druck entstehen kann, dagegen hat schon Tassin D. p. J., 1841 Bd. LXXIX S. 234. durch Einpumpen von Wasser in einen rothglühenden Dampfkessel keinen anderen Erfolg erreicht, als daß sich die Kesselwände verbogen. Neuere VersucheD. p. J., 1867 Bd. CLXXXIV S. 75; Z. V. J., 1864 Bd. 8 S. 189. mit einem glühenden Kessel ergaben, daß beim Einlassen des Speisewassers das überhitzte Eisen zusammengezogen wurde und sämmtliche Niete Wasser entweichen ließen. Auch die Versuche von Fletcher D. p. J., 1867 Bd. CLXXXIV S. 218; Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 54., sowie jene der Pennsylvania-EisenbahngesellschaftD. p. J., 1872 Bd. CCIV S. 354. haben gezeigt, daß eine Explosion eines überhitzten Kessels durch plötzlich eingelassenes Speisewasser nicht wohl möglich ist. Aehnliche Beobachtungen sind von Oechelhäuser Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 667. und Böcking Z. V. J., 1869 Bd. 13 S. 544. gemacht. Die AngabeD. p. J., 1856 Bd. CXLI S. 14., daß durch die glühenden Kesselwände überhitzter Dampf durch zugeführtes Wasser in gesättigten Dampf von so hoher Spannung übergehe, daß die Explosion erfolge, ist schon durch die Versuche des Franklin-InstitutesD. p. J., 1850 Bd. CXV S. 85. widerlegt. PerkinsD. p. J., 1827 Bd. XXIV S. 484 und Bd. XXV S. 353 und Bd. XXVI S. 394; 1839 Bd. LXXIII S. 82 und 401. glaubt, daß bei niedrigem Wasserstande der Dampf so stark überhitzt werden kann, daß der obere Theil des Kessels, ja selbst der unter Wasser befindliche dadurch rothglühend (?) wird. Beim Oeffnen eines Ventiles nimmt das Wasser diese Hitze auf und bildet augenblicklich soviel Dampf, daß der Kessel diesem Druck nicht widerstehen kann. Aehnlich Marestier D. p. J., 1829 Bd. XXXI S. 257. und Loyer.D. p. J., 1839 Bd. LXXI S. 73. Nicht glücklicher ist die Hypothese von Sawyer D. p. J., 1850 Bd. CXV S. 86., daß sich das Niveau des Wassers im Dampfkessel in Folge des ungleichen Druckes auf seine Oberfläche ändert, ein Theil der Kesselwände blosgelegt und überhitzt wird und so zur Explosion Veranlassung gibt. Kesselstein und Schlammablagerungen. Daß Kesselbleche, welche mit dicken Krusten bedeckt sind, glühend werden können, ist längst bekannt. Heben sich diese Ablagerungen über glühenden Blechen plötzlich ab, so soll durch die heftige Dampfentwicklung eine Explosion eintreten können.D. p. J., 1839 Bd. LXXI S. 283; 1840 Bd. LXXVI S. 152; 1842 Bd. LXXXIII S. 20 und Bd. LXXXVI S. 257; 1850 Bd. CXV S. 15; 1860 Bd. CLVI S. 460; 1872 Bd. CCIV S. 92. Cousin D. p. J., 1852 Bd. CXXV S. 260. behauptet sogar, daß, wenn es gelänge, die Bildung von Krusten in den Kesseln zu verhindern, keine Explosion mehr entstehen könnte. WilliamsD. p. J., 1842 Bd. LXXXV S. 1; Z. V. J., 1887, Bd. 11 S. 210. schließt aus seinen Versuchen, daß die krystallinischen festen Kesselsteine weniger gefährlich sind, weil sie die Wärme weit besser leiten als die porösen, welche sich durch Festsetzen des Schlammes bilden. Auch Peschka Z. V. J., 1870 Bd. 14 S. 238. hält die Schlammanhäufungen für gefährlicher als die festen Krusten. Wenn es auch bezweifelt werden muß, daß durch die beim Heben der Absätze gebildeten Dämpfe allein der Dampfkessel explodiren kann, so ist doch sehr leicht möglich, daß die plötzlich abgekühlten Bleche einen Riß bekommen. Auch die indirecte Gefahr, daß glühendes Eisen eine weit geringere Festigkeit hat als nicht überhitztes, daß die Platten durchbrennen oder doch weit rascher abgenützt werden, als dieses ohne Wassermangel und Kesselsteinbildungen geschehen wäre, ist nicht zu unterschätzen. Nach den Versuchen der Commission des Franklin-InstitutesD. p. J., 1839 Bd. LXXI S. 266. leistet rothglühendes Eisenblech nur noch 1/6 des ursprünglichen Widerstandes; doch soll angeblich die Festigkeit ihr Maximum bei einer Temperatur erreichen, welche höher liegt als die gewöhnlichen Temperaturen des Dampfes. Auch nach Wertheim Poggendorff's Annalen, 2. Ergänz.-Bd. S. 61. sollen einige Metalle – besonders das Eisen – ein Maximum der Elasticität in mittlerer Temperatur besitzen. Nach einer anderen AngabeD. p. J., 1850 Bd. CXV S. 94; Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 383. ist das Eisen bei 300° um 16 Proc. fester als im kalten Zustande. Nach Kupfer Mémoire de l'Academie de St. Pétersbourg, 6. série VI. 1856 p. 400. ist die Abnahme der Elasticität für jeden Grad in Theilen des Ganzen ausgedrückt: Für Eisen = 0,00055   „  Kupfer = 0,00082   „  Messing = 0,00039. Besonders bemerkenswerth sind aber die neuen Versuche von F. Kohlrausch Poggendorff's Annalen, CXLI S. 481; Z. V. J., 1872 Bd. 16 S. 198. und Loomis. Wenn der Elasticitätsmodulus bei 0° mit E° bezeichnet wird, so ist derjenige bei der Temperatur τ: Für Eisen: E = E° (1 – 0,000447τ – 0,00000012τ²)   „  Kupfer E = E° (1 – 0,000520τ – 0,00000028τ²)   „  Messing E = E° (1 – 0,000428τ – 0,00000136τ²) Bezieht man sich bei der Definition des Elasticitätsmodulus nicht auf die Masse der Längeneinheit sondern auf den Querschnitt, so ändern sich die Factoren von τ bei Eisen in 0,000483, bei Kupfer in 0,000572, bei Messing in 0,000485. Hiernach nimmt die Elasticität bei einer Erwärmung von 0° auf 100° ab: Bei Eisen um 4,6 resp. 5,0 Proc.   „  Kupfer  „   5,5   „    6,0    „   „  Messing  „   5,6   „    6,2    „ wobei sich die zweiten Zahlen auf die zweite Definition des Elasticitätsmodulus beziehen. Die Angabe, daß diese Metalle bei mittlerer Temperatur ein Maximum der Elasticität besitzen, ist also nicht richtig. Auch die neueren amerikanischen ExplosionsversucheD. p. J., 1874 Bd. CCXI S. 412. haben gezeigt, daß die Widerstandsfähigkeit der Kesselbleche gegen den Dampfdruck durch Erhitzen derselben ganz bedeutend vermindert wird. Durch Ueberhitzen der Kesselwände wird die Zähigkeit des Metalles auch bleibend vermindert, und zwar beträgt die Festigkeit des überhitzten Eisens nach den Versuchen eines Comite'sD. p. J., 1850 Bd. CXV S. 90 und 95. nur noch 2/3 der ursprünglichen Stärke; das Nieten vermindert die Festigkeit ebenfalls um 1/3, so daß Kesseleisen keinem größerem Drucke ausgesetzt werden sollte als dem fünften Theile seiner Normal-Festigkeit. Schafhäutl D. p. J., 1839 Bd. LXXI S. 362. hat gefunden, daß ein Kessel, der anfangs mit 20 Atmosphären arbeitete, nachdem er bei niedrigem Wasserstande überhitzt war, schon bei 12 Atmosphären explodirte. Das überhitzte Eisen war stark schwefelhaltig geworden. Auch die Gefahr der Schwefelaufnahme aus kieshaltigen Kohlen steigert sich also bei höheren Temperaturen ganz wesentlich. WardD. p. J., 1866 Bd. CLXXIX S. 240. stellte an zwei Kesseln Temperaturbeobachtungen an. Er fand unter der Wasserlinie 131°, 6 und 135°,5, im Dampfraume zwischen 201° und 260° (wohl in Folge von Strahlung der Kesselwände). Der Wasserspiegel oscillirte um 15 Centim. auf und ab, so daß an einzelnen Stellen des Kessels ein von 128° stattfand. Daß derartige Temperaturunterschiede und somit auch die durch die verschiedenen Ausdehnungen der einzelnen Kesseltheile bedingten Spannungen beim Ueberhitzen der Bleche wesentlich vergrößert werden, liegt auf der Hand. Erhitzte Kessel explodiren dem entsprechend auch weit leichter als durch kalten Druck. So explodirte ein Kessel, der mit kaltem Wasser bei 9 Atmosphären Druck probirt war, am anderen Tage schon bei 3 Atmosphären.D. p. J., 1844 Bd. XCIV S. 339. Die kalte Druckprobe wird daher auch von vielen Seiten als völlig werthlos bezeichnet.D. p. J., 1872 Bd. CCIV S. 10. Berücksichtigt man schließlich den durch die Kesselsteinbildungen verursachten großen Verlust an Brennmaterial – nach Cousté D. p. J., 1852 Bd. CXXV S. 260. 40 Procent – sowie daß unreines Wasser oft stark schäumt, Wasserstandsapparate und Manometer verstopft, ja daß der Schlamm selbst in die Maschinentheile mit hinübergerissen wirdD. p. J., 1836 Bd. LXII S. 434: Z. V. J., 1868 Bd. 12 S. 416., so hat man Grund genug Kesselsteinbildungen und Schlammablagerungen zu den gefährlichsten Feinden des Dampfkesselbetriebes zu zählen.D. p. J., 1874 Bd. CCXII S. 208.