Titel: Zur Metallurgie des Wismuths; von A. Valenciennes.
Fundstelle: Band 214, Jahrgang 1874, Nr. LXI., S. 238
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LXI. Zur Metallurgie des Wismuths; von A. Valenciennes. Aus den Annales de Chimie et de Physique, 5. série 1874 t. I p. 397. Valenciennes, zur Metallurgie des Wismuths. Das im Handel vorkommende Wismuth wurde bekanntlich lange Jahre hindurch fast ausschließlich im sächsischen Erzgebirge gewonnen und die Metallurgie dieses Metalles war sehr einfach, da das Erz nur in gußeisernen Cylindern erhitzt zu werden brauchte, um das gediegene Metall von seiner Gangart und den es begleitenden Erzen zu scheiden, um es „auszusaigern.“ Als sich der Verbrauch an diesem Metalle im Laufe der letzteren Jahre bedeutend steigerte, wurde die Production der sächsischen Bergwerke unzureichend, und im J. 1869 erreichte das Wismuth den Preis von 55 Franken (44 Mark) per Kilogrm., während es vor zwanzig Jahren für kaum 11 Fr. (8,80 M.) zu kaufen gewesen war. In dem gedachten Jahre erschien ein neues Wismutherz auf dem Markte, welches in Süd-Amerika (Bolivia) gewonnen wurde und sich so reichhaltig zeigte, daß es in Europa ungeachtet der Transportkosten mit Vortheil verhüttet werden konnte. Dorvault, Director der Centralapotheke von Frankreich, erwarb im J. 1869 eine bedeutende Quantität dieses bolivianischen Erzes und beauftragte mich mit der metallurgischen Behandlung desselben in der Fabrik chemischer und pharmaceutischer Producte zu Saint-Denis. Den eingelaufenen Nachrichten zufolge kommt dieses Erz auf einem Gange vor, welcher in der Nähe der in den Cordilleren, bei der Stadt Sucre in Bolivia befindlichen Kupfer- und Silbergruben aufsetzt. Die Eigenthümer dieser Gruben hatten den Versuch gemacht, das Wismuth an Ort und Stelle zu verhütten, allein ihre Bemühungen blieben bis zum heutigen Tage erfolglos. Das Erz wird durch Maulthiere bis zur Hafenstadt Cobija transportirt und von hier aus nach England verschifft. Dasselbe besteht aus einer Verbindung von Schwefelwismuth mit Eisen- und Kupfersulfit. Die Gangart ist Quarz; der Wismuthgehalt ist sehr schwankend. Beim Probiren einer von mehreren Haufen gezogenen Durchschnittsprobe fand ich in 100 Th. des Erzes:               Wismuth 22,80 30,05               Eisen 10,20 16,90               Kupfer   9,50 12,15               Schwefel                 19,50         16,90 außerdem geringe Mengen von Antimon, Blei und Silber. Vergleichen wir die Zusammensetzung dieses Erzes mit den in den Werken über Mineralogie beschriebenen (übrigens im Ganzen seltenen) Mineralgattungen von ähnlicher Zusammensetzung (Nadelerz, Wismuthkupfererz, Kupferwismuthglanz, Wismuthbleierz, Kobellit, Chiviatit etc.), welche mit Ausnahme des letzteren fast alle im nördlichen Europa vorkommen, so finden wir in der Zusammensetzung derselben bedeutende Abweichungen von derjenigen des in Rede stehenden Erzes. Die ersteren enthalten eine mehr oder weniger bedeutende Menge Schwefelblei mit Schwefelkupfer und Schwefelwismuth oder mit Schwefelsilber und Schwefelwismuth verbunden; das bolivianische Erz hingegen enthält sehr wenig Blei und Silber, aber eine größere Menge Schwefeleisen und Schwefelkupfer. In Bezug auf die Gewinnung des zur Darstellung von pharmaceutischen Producten bestimmten metallischen Wismuths erscheint uns diese Zusammensetzung des Erzes als wichtig, insofern das extrahirte Metall nur sehr wenig Blei enthält, und wir werden bald sehen, daß das Eisen nebst dem Kupfer in Gegenwart von Schwefel sich auf trockenem Wege von Wismuth gut abscheiden lassen, während die Abscheidung des Bleies sehr schwierig ist. Um den Transport der rohen Erze mit der ihnen noch beigemengten Gangart nach Europa zu umgehen, versuchte man sie an Ort und Stelle in einem Krummofen zu verschmelzen. Da es in den bolivianischen Gebirgen an Brennmaterial fehlt, so benützten die dortigen indianischen Bergleute als solches ein Moos (mousse), dessen sehr dicke Wurzel einen bedeutenden Harzgehalt besitzt. Man erhielt auf diese Weise Wismuthmetall und einen aus Schwefelwismuth, Schwefelkupfer und Schwefeleisen bestehenden Wismuthstein, sah sich aber in Folge des bei dem Processe stattfindenden bedeutenden Metallverlustes genöthigt, dieses Verfahren aufzugeben. Mit den von Dorvault angekauften Erzposten hatten wir auch eine Partie der von dem soeben erwähnten Schmelzprocesse herrührenden Wismuthsteine zu verarbeiten; derselbe enthielt indessen im Durchschnitte nicht mehrmals 18 bis 20 Proc. Wismuth. Verhüttung der rohen Erze. Der Erzschlich wird 24 Stunden lang bei dunkler Rothglut in einem Flammofen mit flacher Sohle abgeröstet. Von Zeit zu Zeit wirft man etwas Holzkohlenlösche auf das Röstgut und drückt das letztere mit eisernen Krählen fleißig durch. Nach dem Rösten schreitet man zur Reduction. Das durch die erstere Operation oxydirte Erz wird mit 3 Proc. Holzkohle und einem aus Kalk, kohlensaurem Natron und Flußspath bestehenden Flußmittel beschickt, in einen Flammofen eingetragen, welcher eine schalenförmige Sohle hat, so daß das reducirte Metall nebst den Schlacken durch das seitlich am Schmelzofen angebrachte Stichloch abfließen kann. Im Beginne des Schmelzens regulirt man das Feuer durch Stellen des Ofenregisters so, daß die reducirende Flamme die Einwirkung der Kohle auf das Wismuthoxyd begünstigt, um so die Verflüchtigung des letzteren zu verhindern. Zwei Stunden lang wird das Schmelzgut tüchtig umgekrählt; dann öffnet man das Register und verstärkt das Feuer, bis die Beschickung ins Weißglühen geräth. Nach weiteren 2 Stunden ist die letztere vollständig in Fluß gerathen, und man schreitet nun zum Abstechen. Zu diesem Behufe bringt man eine mit Lehm beschlagene Gießpfanne unter die Stichöffnung und stößt den dieselbe verschließenden Lehmpfropf aus. Die Charge fließt ab; die gefüllte Gießpfanne wird entfernt und bis zum völligen Erkalten ihres Inhaltes sich selbst überlassen. Der letztere bildet drei verschiedene Schichten; am Boden liegt der Wismuthkönig, über diesem ein aus Schwefelwismuth und Schwefelkupfer bestehender Stein, zu oberst die wesentlich aus Eisensilicat bestehende Schlacke. Das auf diese Weise erhaltene Rohwismuth enthält 2 Proc. Antimon und Blei, 2 Proc. Kupfer und Spuren von Silber. Soll dieses Metall zur Darstellung von basisch salpetersaurem Wismuthoxyd verwendet werden, so genügt es, dasselbe zum Zwecke der Abscheidung des Antimons bei Rothglut mit Salpeter umzuschmelzen. Von Kupfer, Blei und Silber wird es auf nassem Wege gereinigt. Der gleichzeitig gefallene Wismuthstein enthielt durchschnittlich 5 bis 8 Proc. Wismuth; er wurde gepulvert, nochmals abgeröstet und wiederum im Flammofen durchgesetzt. Auf diese Weise erhielt man gleiche Resultate wie bei der ersten Schmelzung; doch zeigte der bei dieser zweiten Schmelzung gefallene Stein einen Wismuthgehalt von nur 1 bis 2 Proc. Eine weitere Abscheidung dieses Metalles auf trockenem Wege war nicht ausführbar, indem es sich mit dem vorhandenen Kupfer zu einer Legirung verband; daher blieb zu dem gedachten Zwecke nur der nasse Weg übrig. Verarbeitung der bereits verschmolzenen Erze. Dieses Product rührt, wie wir bereits bemerkten, von einer ersten Schmelzung (Rohschmelzen) der rohen Erze an ihrem Gewinnungsorte her und ist von Gangart frei. Es besteht aus einer Verbindung von Schwefelwismuth, Schwefeleisen und Schwefelkupfer. Zur Extraction des Wismuths aus demselben befolgten wir zwei verschiedene Methoden. Die erste Methode, ein directes Verfahren, bestand darin, den gepulverten Stein ohne vorhergehende Röstung mit Eisen zu behandeln. Der Steinschlich wurde mit 12 Proc. Eisenfeilspänen, 30 Proc. glasartiger Schlacken und einer kleinen Quantität von kohlensaurem Natron beschickt. Diese Beschickung wurde in einem Flammofen 4 Stunden lang zur Weißglut erhitzt, worauf sie in vollständigem Flusse war; dann wurde in eine Gießpfanne abgestochen und das Ganze dem Erkalten überlassen. Auf diese Weise erhielt ich einen Regulus von Wismuth, einen aus Schwefeleisen und Schwefelkupfer bestehenden Stein und eine glasartige Schlacke. Das ausgebrachte Wismuth enthielt weniger Kupfer, als das aus den rohen Erzen dargestellte Metall; dagegen zeigte es einen Antimongehalt. Dieses Verfahren erwies sich als erfolgreich, namentlich nahm es weniger Zeit in Anspruch; allein es war mit dem großen Uebelstande verbunden, daß die Ofensohle durch das flüssige Schwefeleisen sehr stark angegriffen und die Fortsetzung der Operation dadurch unmöglich gemacht wurde. Aus diesem Grunde sahen wir uns genöthigt, zu dem zuerst beschriebenen Verfahren zurückzukehren. Der durch das an Ort und Stelle erfolgte Rohschmelzen erhaltene Stein wurde abgeröstet, mit einem Flusse beschickt und in den Ofen eingetragen. Der Zuschlag oder Fluß war dem beim Rohschmelzen angewendeten ähnlich zusammengesetzt; doch erhielt er einen Zusatz von Kieselsand als Ersatz für den Quarz der Gangart. Wir erhielten dieselben Ergebnisse, wie bei der Verhüttung der rohen Erze. Aus dem hier Mitgetheilten ergibt sich, daß die Verhüttung der bolivianischen Wismutherze einige Analogie mit manchen Behandlungsweisen gewisser Bleierze darbietet. – Wir hatten auch Gelegenheit, gleichzeitig mit den südamerikanischen Erzen ein französisches wismuthhaltiges Erz zu untersuchen. Dasselbe kommt zu Saint-Angel (bei Ussel im Departement Corrèze) vor und wurde mir von Dr. Jules Brongniart übersendet. Es bestand aus einem Gemenge von Wolfram und Wismuthoxyd.Vergl. Dingler's polytechn. Journal, 1874 Bd. CCXI S. 347. Nach mehreren erfolglosen Versuchen zur Extraction des Wismuths auf trockenem Wege wendete ich das nachstehende Verfahren an. Das zu feinem Pulver verwandelte Erz wurde zweimal hinter einander mit Chlorwasserstoffsäure digerirt. Die sauren Lösungen wurden abgegossen und ein Theil der Säure ward mit kohlensaurem Natron gesättigt; dann wurde die Lösung in eine große Menge Wasser gegossen, worauf sich ein Niederschlag von Wismuthoxychlorid ausschied. Nach dem Auswaschen wurde dieses Salz in Form eines feuchten Teiges mit Streifen von metallischem Eisen in Contact gebracht; das in dieser Weise durch eine Art von Cementationsproceß reducirte Wismuth wurde getrocknet, mit einem alkalischen Flusse beschickt und eingeschmolzen; es enthielt dann nur Spuren von Blei und Silber. Die in Chlorwasserstoffsäure ungelöst gebliebenen Antheile des Erzes wurden mit salpetersaurem Natron zur Rothglut erhitzt, dann mit kochendem Wasser ausgelaugt; die Lauge wurde auf wolframsaures Natron verarbeitet – ein Salz, welches in der Färberei, Zeugdruckerei etc. jetzt mannigfache Verwendung findet. Somit liefert uns das Erz von Saint-Angel sowohl ein für die Pharmacie und die Industrie werthvolles Metall, als auch ein für technische Zwecke sehr vortheilhaft zu verwendendes Metallsalz. H. H.