Titel: Fetthaltiges Condensationswasser als Kesselspeisewasser und dessen Reinigung; von Johann Stingl, Präparator an der technischen Hochschule in Wien.
Autor: Johann Stingl
Fundstelle: Band 215, Jahrgang 1875, S. 115
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Fetthaltiges Condensationswasser als Kesselspeisewasser und dessen Reinigung; von Johann Stingl, Präparator an der technischen Hochschule in Wien. Mit Holzschnitt und Abbildungen auf Taf. IV [a/4]. Stingl, über fetthaltiges Condensationswasser als Kesselspeisewasser und dessen Reinigung. Ueber die nachtheiligen Einwirkungen fetthaltiger Condensationswasser auf Kesselblech liegen mehrere interessante Beobachtungen vor.Vergl. dies Journal, 1857 146 221. 1861 162 164. 1864 172 109. 1865 177 430. 1866 180 254. 1868 187 431. 1869 194 82. 1874 213 488. Daß ein derartiges Wasser im Kessel schädlich wirken muß, erhellt aus Folgendem. Enthält dasselbe neben dem Fette noch Kalk und Magnesiasalze, besonders kohlensaure, welche durch ein bloßes Vorwärmen selbst auf 60 bis 70° nur zum geringeren Theile entfernt werden können, wie wir uns in mehreren Fällen überzeugten, so entsteht bekanntlich bei dem Erhitzen im Kessel auch eine Kalkseife, welche ein dichtes Anlegen der Incrustationsmasse an die Kesselwände in Folge des Nichtbenetztwerdens derselben verhindert. Es ist nun bekannt, daß Kalkseife bis zu einem gewissen Grade erhitzt, theilweise in freie Fettsäure zerfällt und der Rest bei weiterem Erhitzen unter Zersetzung der Fettsäure und Abscheidung kohliger Substanzen zerstört wird. Indem daher derartige Kesselsteine an der Kesselwand so stark überhitzt werden, daß die Spaltung in freie Fettsäure, meistens Oelsäure und eine Art basischer Kalkseife erfolgt, so ist erklärlich, warum solche Ablagerungen einestheils die Kesselwände angreifen, indem die freie Fettsäure das Eisen löst, anderentheils in ihnen noch Fettsäure nachgewiesen werden kann, wenn sie mit Salzsäure zersetzt werden, und die abgeschiedene organische Masse mit Aether ausgeschüttelt wird. Diese Kesselsteine sind daher meistens dunkel gefärbt, was zum Theile von einem bedeutenden Eisenoxydgehalte derselben, zum Theile aber von zersetzter Fettsäure herrührt. Aber auch bei einem geringeren Gehalte eines fettigen Speisewassers an Kalk und Magnesiasalzen, so daß die Absätze hieraus sehr unbedeutend sind, ist die schädliche Einwirkung des Fettes auf die Kesselwand nicht minder nachtheilig; wir wissen von der Verseifung bei höherem Drucke, daß eine verhältnißmäßig geringe Kalkmenge genügt, um die Spaltung eines neutralen Fettes in freie Fettsäure und Glycerin zu veranlassen. Wohl wendet man im Großen bei der Verseifung unter Hochdruck eine Spannung von 10 Atmosphären an; allein bei so geringen Fettmengen, wie diese in Condensationswässern vorkommen, und in so feiner Vertheilung bei lange andauernder Einwirkung, ist es zweifellos, daß auch bei niederem Drucke eine Zerlegung des neutralen Fettes in Fettsäure und Glycerin stattfindet. Die Leobensdorfer Maschinenfabrik von J. Neumann übersendete dem Verfasser ein Wasser, welches sehr weich (6° Härte) war, eine ganz geringe Kesselsteinmenge absetzte – und doch einen neuen Kessel nach 3jährigem Betriebe, bei großer Reinhaltung desselben und nicht großer Anstrengung, vollständig zerstörte. Dies Wasser zeigte ein milchiges Aussehen und konnten 1 Liter desselben 0,2120 Th. Fett entzogen werden – ein verhältnißmäßig hoher Fettgehalt, der selten in solchen Wässern gefunden werden dürfte. Dasselbe bestand aus einem festeren Theile und aus Oelsäure. Leider war von dem geringen pulverigen Kesselsteine nichts zur Untersuchung erhältlich. Textabbildung Bd. 215, S. 116 Einen interessanten hierher gehörigen Fall theilte Ingenieur Pazzani, Leiter des Gaswerkes in Wien mit. Dort füllte man vor einigen Jahren die Cisterne eines Gasometers mit Condensationswasser der Werkstätte der Staatsbahn. Nach 4 Jahren war der Gasometer an der Stelle a (in nebenstehender Skizze) durchfressen, während sonst die Gasometer 20 bis 30 Jahre aushalten, wenn die Cisternen mit gewöhnlichem Wasser gefüllt sind. Es rührte diese nachtheilige Wirkung ebenfalls von dem Gehalte des Wassers an freier Fettsäure her. Bekannt ist ja ferner die zerstörende Wirkung der Oelsäure auf die sogenannte Oelpumpe in den Stearinkerzenfabriken. Wenn nun trotz dieser Erfahrungen noch hie und da behauptet wird, daß Fett in den Kesseln unschädlich sei, so beruht dies offenbar auf einer zu kurzen Beobachtungszeit; denn daß gerade Kesselexplosionen erfolgen müßten, wenn ein Speisewasser Fett enthält, ist nicht behauptet; daß aber das Eisen des Kessels nach und nach gelöst wird und als Eisenoxyd im Kesselstein entfernt wird, bedarf keines weiteren Beweises. Langsam aber sicher gehen die Kessel ihrer Zerstörung entgegen. Im J. 1873 hatte Verf. Gelegenheit, einen derartigen interessanten Fall genauer untersuchen zu können. Es handelte sich um das Speisewasser der bei Wien sich befindlichen Floridsdorfer Jute-Manufactur. Es wird daselbst das Condensationswasser von einer 300pferdigen und einer 100pferdigen Dampfmaschine zur Kesselspeisung verwendet. Die Folge hiervon war, daß die von Hick, Hargreaves und Comp. in Bolton (England) gelieferten Stahlkessel, Cornwall-System, bereits nach zwei- bis dreiwöchentlichem Feuern bedenklich leckten und trotz wöchentlichen Reinigens einige Wochen darauf in den Flammenrohren zusammengedrückt wurden, daß die Fabrik genöthigt war, den Betrieb einzustellen. Die Ursache lag in einer Kesselsteinbildung, die sich meist auf den oberen Theilen der Flammrohre absetzte, nach 8 bis 10 Tagen die Dicke von 8 bis 11 Millim. erreichte und das Kesselwasser vom Bleche isolirte. Das uns zur Untersuchung zugesendete Wasser hatte ein trübes opalisirendes Aussehen. Es rührte dies von äußerst fein vertheilten Fettheilchen her, welche dem Wasser durch Aether entzogen werden konnten. (Wird ein derartig opalisirendes Wasser in einem Glascylinder mit Aether ausgeschüttelt, so wird es nach der Trennung der Aetherschicht ganz klar; es ist diese einfache Operation in vielen Fällen eine gute qualitative Probe auf Fett in Wasser.) Die Analyse des Wassers, das mit einer Temperatur von 40–50° von der Condensation kommt, ergab in 10000 Theilen: Kalk 0,8631 Theile Magnesia 0,3334 Schwefelsäure 0,1858 Chlor 0,0816 Kieselsäure 0,0023 Eisenoxyd und Thonerde 0,0241 Alkalien (Natron) 0,0653 Glühverlust 0,4138 entsprechend Kohlensaurer Kalk 1,3091 Theile Kohlensäure Magnesia 0,6930 Gyps 0,3158 Chlormagnesium 0,0134 Kochsalz 0,1200 Eisenoxyd und Thonerde 0,0241 Kieselsäure 0,0023 Organisches 0,4138 ––––––––––––––– Summe 2,8915 Theile. Die Summe der direct gefundenen Bestandtheile betrug in 10000 Theilen: 2,3361 Theile. Der aus diesem Wasser sich bildende Kesselstein hatte eine dunkel graubraune Farbe und war mürbe; das Pulver desselben wurde von Wasser schwer benetzt. Mit Salzsäure brauste dasselbe stark auf und auf der Oberfläche der salzsauren Lösung schied sich eine schwarze Fettmasse ab, welche mit Aether ausgeschüttelt, etwa 5,19 Proc. eines braunen Oeles gab. Der in Salzsäure unlösliche Rückstand (Fett und eine dunkle stockige Masse) wurde mit Aether gewaschen, um das Fett zu entfernen, bei 100° getrocknet, gewogen und geglüht. Die Gesammtsumme ergab: KieselsäureEisenoxydGypsOrganischesFett 0,323,733,138,465,19 Proc. In Salzsäure unlöslich. KalkMagnesiaSchwefelsäureKohlensäureEisenoxydThonerdeKieselsäure 30,248,072,0828,549,020,310,02 Proc. In Salzsäure löslich. –––––––––––– 99,11 Proc. entsprechend: Kohlensaurer Kalk 51,42 Proc. Kohlensäure Magnesia 11,30 Magnesiumoxydhydrat 3,90 Gyps 6,63 Eisenoxyd 12,75 Thonerde 0,31 Kieselsäure 0,34 Fettsäure 5,19 Verbrennliches 8,46 ––––––––––––– Summe 100,30 Proc. Aus diesen Analysen geht hervor, daß das Wasser wegen seines großen Gehaltes an kohlensaurem Kalk bedeutende Incrustationen geben und daß der Fettgehalt des Wassers lösend auf das Kesselblech wirken muß. Berücksichtigt man noch, daß Gußstahlbleche gegen Ueberhitzungen empfindlicher sind als gewöhnliche Kesselbleche, so sind die erwähnten raschen Beschädigungen der Kessel leicht erklärlich, zumal wenn man bedenkt, daß eine Masse von nahezu 4 Ctr. im Verlaufe eines 10tägigen Betriebes auf der oberen Seite der Siederohre sich absetzte und die Oberfläche derselben von dem Wasser isolirte. Um nun das erwähnte Wasser von seinem Gehalte an kohlensaurem Kalk und auch theilweise von der kohlensauren Magnesia zu befreien und das suspendirte Fett zu entfernen, wurde dasselbe, auf Grund eines vorläufigen Versuches im Kleinen, mit einer Lösung von Aetzkalk versetzt und hierauf in einem Berenger'schen Filtrirapparat (beschrieben 1873 209 175) filtrirt. Der hierbei entstehende Niederschlag von kohlensaurem Kalk umhüllt zum Theil die suspendirten Fetttheilchen und hält sie auf diese Weise mechanisch in der Filtermasse zurück; ferner wirkt der zugesetzte Aetzkalk chemisch auf das Fett, indem unlösliche Kalkseife entsteht. Diese Reaction wird begünstigt durch passende Temperatur und innige Mischung in dem sogen. „Melangeur“, worin das Wasser durch 8 bis 10 Minuten mit dem zugespitzten Kalkwasser verbleibt, ehe es auf die Filter gelangt. Das gereinigte Wasser fließt aus den Filtern ganz klar ab. Das so präparirte Wasser enthält in 10000 Theilen: Kalk 0,1844 Th. Magnesia 0,2013 Eisenoxyd und Thonerde Spuren Schwefelsäure 0,1217 Chlor 0,1500 Kieselsäure Spuren Alkalien 0,1058 Glühverlust 0,1512 entsprechend: Kohlensaurer Kalk 0,1773 Th. Kohlensaure Magnesia 0,4135 Gyps 0,2068 Chlormagnesium 0,0108 Kochsalz 0,2351 Eisenoxyd und Thonerde Spuren Kieselsäure Spuren Organische Stoffe 0,1512 ––––––––––– Summe 1,1947 Th. Fett konnte in diesem Wasser nicht nachgewiesen werden. Die organische Substanz wurde durch die Reinigung von 0,4138 Theile auf 0,1512 Theile vermindert. Der technische Director des erwähnten Etablissements, Hr. Bidtel, theilt mit, daß nach Einführung dieses Verfahrens die wieder hergestellten Kessel bereits drei Monate in angestrengtem Betriebe gewesen sind, daß sich der Niederschlag an den vom Feuer stark angegriffenen Stellen nur in Papierdicke vorfindet und fast gänzlich aus Gyps besteht; er ist leicht zu entfernen und wiegt nach einem 3monatlichen Betriebe nicht mehr als etwa 5 Kilogrm. pro Kessel. Der untersuchte Kesselstein bildet eine lockere, graubraune Masse und ergab bei der Analyse: KieselsäureSchwefelsäureKalkEisenoxydOrganische MasseFett 2,045,654,010,477,35Spuren Proc. In Salzsäure löslich. In Salzsäure unlöslich. Kalk 13,07 Magnesia 31,65 Schwefelsäure 3,23 Kohlensäure 9,15 Eisenoxyd 8,96 Wasser 12,12 entsprechend: Kohlensaurer Kalk 19,41 19,30 Proc. Kohlensaure Magnesia 1,16 1,26 Magnesiumoxydhydrat 45,02 Gyps 15,09 15,12 Eisenoxyd 9,43 Kieselsäure 2,04 Organisches (in Aether unlösl.) 7,35 Fett Spuren ––––––––––– Summe 99,52 Proc. Es besteht also dieser Kesselstein beinahe zur Hälfte aus Magnesiumhydrat, was bei Niederdruckkesseln selten vorkommt, in diesem Falle auch wenig schadet, da die Kesselsteine nicht fest sind. Für Hochdruckkessel muß aber die Magnesia entfernt werden, da, wie ich in einer späteren Mittheilung zeigen werde, die Magnesiasalze – besonders kohlensaure – im Vereine mit Gyps sehr harte Kesselsteine liefern (vergl. 1874 212 208). Da Kalk allein und in keinem Ueberschuß verwendet, die kohlensaure Magnesia nur theilweise fällt, so muß für Hochdruckkessel und für magnesiareiche Wässer eine Mischung von Aetzkalk und Aetznatron in der richtigen Verdünnung zur PräparirungPrägnirung verwendet werden. Dieses Gemenge fällt auch die Fettsäuren. Aus den beigegebenen Skizzen Fig. 3 und 4 Taf. IV [a.b.c/4] erhellt die Anordnung des Apparates, wie derselbe in der Floridsdorfer Jute-Manufactur im Betriebe ist. Die Pumpe A entnimmt aus dem Condensationsraume das Wasser durch die Röhre a und drückt dasselbe in den Mischer (Melangeur) C. Vor dem Eintritte des Wassers in denselben wird durch die Pumpe B eine reine Kalklösung in der richtigen Menge bei g eingespritzt. Das Kalkwasser wird in den Bottichen G abwechselnd hergestellt und von hier in die Vorrathreservoire H geleitet, woraus die Pumpe B durch die Röhren b die Kalklösung entnimmt. Nachdem die innige Mengung in C stattgefunden und die Reaction vollendet ist (die Größe des Mischers C wird hierdurch bestimmt), gelangt das Wasser mit dem Niederschlage durch die Röhre E auf die Filter D. Aus diesen läuft das klare gereinigte Wasser durch F in das Reservoir J, von wo es in die Kessel gelangt. Die Anwendung des Apparates ist also einfach und derselbe leicht zu handhaben. Da das zu reinigende Wasser in dem vorliegenden Falle – wie erwähnt – arm an Gyps und Magnesiasalzen ist und die Kessel mit 4 bis 5 Atmosphären Spannung arbeiten, so genügt die Anwendung des Kalkes. Gilt es, ein Wasser von seinem Kalk und Magnesiasalzen soweit zu befreien, als es in Folge der Löslichkeitsverhältnisse dieser sogen, unlöslichen Niederschläge möglich ist, so wird die Anwendung mehrerer Reagentien nöthig und in Folge dessen auch der Apparat etwas complicirter. Ich hoffe in kurzer Zeit in der Lage zu sein, die Resultate der Wasserreinigung mittheilen zu können, welche in der Vöslauer Kammgarnspinnerei mit unserer Methode erzielt werden. Es wird dort seit einem halben Jahre das an Gyps und Magnesia reiche Wasser für die Wäscherei und Kesselspeisung gereinigt, wobei die Härte des Wassers von 28° (280 Milligrm. Calciumoxyd im Liter Wasser) auf 2 bis 3° herabgebracht wird. Laboratorium von Prof. Bauer; December 1874.

Tafeln

Tafel Taf. IV
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