Titel: Profilograph von J. Obermaier, freiresignirter kgl. Bezirksgeometer in Nürnberg.
Autor: Hausenblas
Fundstelle: Band 215, Jahrgang 1875, S. 208
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Profilograph von J. Obermaier, freiresignirter kgl. Bezirksgeometer in Nürnberg. Mit Abbildungen auf Taf. V [d/1]. Obermaier's Profilograph. Der Profilograph von Obermaier verwirklicht dieselbe Idee wie das gleichbezeichnete Instrument von Oberlieutenant Marian, welches in diesem Journal (1874 213 394) besprochen wurde; das Instrument hat nämlich ebenfalls die selbstthätige graphische Darstellung eines mit ihm befahrenen Profils zum Zweck. Sein Princip stimmt mit dem des Marian'schen Instrumentes vollkommen überein, indem auch bei ihm die Fixirung eines Punktes durch zwei auf ein rechtwinkeliges System bezogene Coordinaten als Ausgangspunkt festgehalten ist, also auch hier wieder die Darstellung des Profils durch die Combination der rechtwinkelig zu einander erfolgenden Bewegungen eines Papierstreifens und Zeichenstiftes erzielt wird; die erstere ist dem cosinus, die letztere aber dem sinus des jeweiligen Terrainwinkels proportional, und die Aenderungen desselben werden durch ein Pendel angezeigt. Verschieden ist jedoch die Art und Weise, wie jede Aenderung der Pendellage zur gleichzeitigen Modificirung der Bewegung des Papierstreifens und Zeichenstiftes benützt wird; da diese das Charakteristische des Instrumentes ist, gehen wir auf sie zunächst ein. Auf einer continuirlich rotirenden Achse befinde sich ein Zahnrad, aus welchem einige aufeinanderfolgende Zähne entfernt sind, so daß also zwischen zwei Zähnen eine größere Lücke gebildet ist. In dieses Rad greife ein zweites mit voller Zähnezahl; die Bewegung des letzteren wird nothwendig eine intermittirende sein müssen und der von ihm zurückgelegte Weg nur dem gezahnten Theil des Umfanges des treibenden Rades gleichkommen, wenn dieses selbst eine ganze Umdrehung gemacht hat. Verhält sich nun bei letzterem der ganze Umfang zum gezahnten Theil desselben wie die Länge einer schiefen Ebene zur Länge ihrer Basis, so wird sich als solche der vom getriebenen Rade zurückgelegte Weg darstellen, sobald das treibende Rad die Länge der schiefen Bahn durchlaufen hat. Ebenso kann man die Wahl derart treffen, daß das erwähnte Verhältniß gleichkommt dem zwischen Länge und Höhe einer schiefen Ebene, in welchem Falle das getriebene Rad die Höhe derselben anzeigt, sobald das treibende ihre Länge zurücklegt. Denkt man sich nun mehrere Räder von gleichem Durchmesser und gleicher Theilung aneinander gereiht, von denen das erste volle Zähnezahl hat, die nächsten aber allmälig größer werdende Lücken in vorgedachter Weise erhalten haben, bis endlich das letzte Rad gar keine Zähne besitzt, so repräsentiren diese einen Cylinder, welcher an einer Stelle vollständig, an der entgegengesetzten gar nicht und in den zwischenliegenden Orten nur theilweise gezahnt erscheint. Bringt man dann das Gesetz, nach welchem die Zu- oder Abnahme der gezahnten Umfangstheile erfolgt, in Einklang mit dem Gesetz der Aenderung der cosinuse, resp. sinuse der Winkel von 0 bis 90°, so wird ein Zahnrad von möglichst geringer Breite, welches auf dem Cylinder eine seiner Längsachse entsprechende Verschiebung erhalten kann, bei einer Umdrehung des letzteren eine Theilbewegung ausführen, welche je nach seiner momentanen Lage dem cosinus, resp. sinus des bezüglichen Winkels proportional sein muß. Läßt man nun den Cylinder auf einer schiefen Ebene rollen, und macht man gleichzeitig die Stellung des getriebenen Rades in geeigneter Weise von der Lage eines Pendels abhängig, so ist sofort klar, daß man auf diese Weise zur Darstellung der Horizontal-, beziehungsweise Verticalprojection (dem cosinus oder sinus entsprechend) der schiefen Bahn gelangen kann; aus der gleichzeitigen Combination der beiden ergibt sich dann die Darstellung der schiefen Bahn selbst. Nach dem Gesagten und unter der ferneren Vorausschickung, daß Obermaier den gezahnten Cylinder „Gradrolle“, das von demselben getriebene Rädchen aber „Vermittelungsrad“ nennt, gelangen wir mit Beziehung auf die Fig. 16 bis 18 zur detailirten Beschreibung des Instrumentes. Dasselbe ruht auf einem zweirädrigen Karren, dessen hinteres Rad seine Bewegung von der Achse O durch die Kegelräder 1 bis 4 zunächst auf die „Gradrolle“ A überträgt; die Rotation von A theilt sich durch das „Vermittelungsrad“ a dem Stirnrad 8 mit, dessen Zahnbreite gleich der Länge der „Gradrolle“ ist, und von der Achse des letzteren durch die Kegelräder 9 und 10 der Schraube ohne Ende 11. Diese greift in das Wurmrad 12, welches auf der Achse des Cylinders C sitzt, um welchen sich ein auf die Rollen d und e gewickelter Papierstreifen legt; derselbe wickelt sich bei der Bewegung von C von einer der beiden letzteren ab, auf der anderen aber auf, wobei er durch Gewichte, welche an den Rollen f und h hängen, in Spannung erhalten wird; statt der Gewichte kann auch eine Galle'sche Kette die drei Rollen umspannen. Die Bewegung der Achse O theilt sich ferner durch die Kegelräder 1, 2, 5 bis 7 den „Gradrollen“ BD und von einer derselben dem „Vermittelungsrade“ b mit. Dieses steht mit dem breiten Stirnrade 13, letzteres mit dem Rade 14 in Eingriff, auf dessen mit Schraubengewinde versehener Achse die Mutter 15 sitzt, welche den Zeichenstift E trägt; die Längsbewegung desselben erfolgt parallel zur Längsachse des Cylinders D, also senkrecht zur Bewegungsrichtung des Papierstreifens. Die Stellung der „Vermittelungsräder“ a und b auf den zugehörigen „Gradrollen“ ist nun auf folgende Weise vom Terrainwinkel (oder der damit zusammenfallenden Pendellage) abhängig gemacht. Das in Spitzen aufgehängte und durch die Rolle o geführte Pendel P trägt an seinem oberen Ende das gezahnte Segment 16, welches bei jeder Aenderung der Pendellage die durch das Prisma p geführte Zahnstange z und damit gleichzeitig die „Vermittelungsräder“ a und b verschiebt, da diese ihre Lagerung in mit der Zahnstange fest verbundenen Gabeln finden. Die „Gradrolle“ A ist in der Mitte voll gezahnt, die Zahnbreiten nehmen symmetrisch gegen beide Enden im Sinne der cosinuse ab, die von A abgeleitete Bewegung des Papierstreifens muß also dem cosinus des Terrainwinkels proportional sein. Die „Gradrollen“ B und D dagegen sind an den äußeren Enden voll gezahnt, während die Abnahme der Zahnbreiten im Sinne der sinuse gegen die Mitte zu gleichmäßig erfolgt; die von B und D aus auf den Zeichenstift übertragene Bewegung muß also dem sinus des Terrainwinkels entsprechen. Da überdies die den Winkeln von 90 bis 0° genügende Rolle B und die den Winkeln von 0 bis 90° entsprechende Rolle D in Folge der Anordnung der Kegelräder 6 und 7, auf deren Achsen sie sitzen (Fig. 18), entgegengesetzte Drehung erhalten, so wird der Zeichenstift bei steigendem Terrain sich in anderem Sinne bewegen als bei fallendem, und es sind somit alle Bedingungen erfüllt, welche zur Wiedergabe des Profils nothwendig gestellt sind. Bei größeren und plötzlichen Aenderungen des Terrainwinkels oder in Folge von Stößen würde das Pendel P in Oscillationen gerathen; obwohl nun bei der raschen Aufeinanderfolge derselben in positivem und negativem Sinne das Pendel das arithmetische Mittel, also den richtigen Terrainwinkel anzeigen wird, ist es doch wünschenswerth, diese Schwingungen auf ein Minimum zu reduciren. Dies erzielt Obermaier dadurch, daß er ein zweites Pendel Q (Fig. 17) anordnet, welches an einem Querstück zwei das Pendel P umgreifende Federn m und n trägt, gleichzeitig aber die wirksame Länge des letzteren durch das Gewicht g verkürzt, so daß es kürzere Schwingungsdauer hat als Q. Bei eintretenden Oscillationen stößt P soweit an die Federn m und n, wodurch es sehr bald zur Ruhe gebracht wird. Bezüglich der Karrenconstruction sei nur erwähnt, daß die beiden Räder in gesonderten eisernen Rahmen sitzen, welche je eine horizontal liegende Scheibe tragen; die gemeinschaftliche verticale Achse der letzteren stellt eine drehbare Kuppelung der Rahmen her, was mit Rücksicht auf Wendungen der Traçe nöthig ist. Bei geradlinigen Strecken wird die Drehbarkeit mittels eines zweiten durch die Scheiben gesteckten Kuppelungsbolzens aufgehoben. Um nun die Functionirung des Apparates zu beleuchten, so sei zunächst seine Bewegung auf horizontalem Terrain vorausgesetzt. Die „Vermittelungsräder“ befinden sich hierbei in der Mittellage, a also auf dem vollgezahnten Theil der „Gradrolle“ A, seine Bewegung kommt daher dem ganzen Umfange der „Gradrolle“ gleich (cos 0 = 1); b dagegen befindet sich zwischen B und D, steht also außer Eingriff und kann deshalb keine Bewegung auf den Zeichenstift übertragen (sin 0 = 0). Der Stift beschreibt somit eine Gerade, parallel zur Bewegungsrichtung des Papierstreifens. Wäre dagegen der Terrainwinkel 90°, so befänden sich die „Vermittelungsräder“ an den Enden der „Gradrollen“; a und mit ihm der Papierstreifen wäre somit in Ruhe (cos 90 = 0), während sich auf b der ganze Umfang einer der beiden „Gradrollen“ B oder D übertragen würde (sin 90 = 1). Der Stift müßte dann eine Gerade senkrecht zur Bewegungsrichtung des Papierstreifens beschreiben. Ebenso ist die Bewegung von Stift und Papier bei jedem anderen Terrainwinkel leicht abzusehen; es mag jedoch bemerkt werden, daß die vom Stift in diesem Falle beschriebene Linie der intermittirenden Bewegung der „Vermittelungsräder“ wegen kleine Brechungen aufweisen wird, die sich jedoch mit Rücksicht auf den kleinen Maßstab des gelieferten Profilbildes (1 : 1000) und die großen Uebersetzungen zwischen den „Vermittelungsrädern“ und Papier und Stift kaum bemerkbar machen. Mit dem Apparat kann man Profile von 6000 bis 10.000 Meter Länge ohne Unterbrechung aufnehmen; bemerkenswerthe Stellen können durch einen Druck auf den hierzu besonders eingerichteten Schreibstift markirt werden. Zur Controle des gelieferten Profils ist ein Zählwerk angebracht, welches den zurückgelegten Weg anzeigt; ein zweites Zählwerk registrirt den vom Schreibstift zurückgelegten Weg, wodurch es ermöglicht ist, größere Höhen zu messen, als es die Papierbreite gestattet. Die Zählwerke können überdies mit einem Glockensignalapparat in Verbindung gesetzt werden, um den Führer des Profilographen auf die erfolgte Zurücklegung bestimmter Längen- oder Höhendimensionen aufmerksam zu machen. Beim Vergleich des vorbeschriebenen Profilographen von Obermaier und desjenigen von Marian ergibt sich, daß ersterer nicht nur den Vorzug größerer Einfachheit, sondern auch den der größeren Solidität für sich in Anspruch nehmen darf. Unbedingte Sicherheit in der Bewegung des Papierstreifens und Zeichenstiftes ist vor allem erforderlich, und diese ist gerade beim Marian'schen Apparat in Frage gestellt, da bei letzterem diese Bewegungen von Frictionsscheiben abgeleitet werden, welche durch Stöße – und solchen ist ja der Apparat beständig ausgesetzt – nur zu leicht in ihrer Thätigkeit beeinträchtigt werden können. Der Zahnrädermechanismus Obermaier's dagegen gewährt diese Sicherheit jedenfalls in vollem Maße. Selbst der größeren Empfindlichkeit des Marian'schen Profilographen darf kaum besondere Wichtigkeit beigelegt werden, da die Genauigkeit, mit welcher das Pendel die Terrainwinkel zu reproduciren im Stande ist, niemals mit der außerordentlichen Empfindlichkeit der übrigen Theile gleichen Schritt halten kann. Der Obermaier'sche Profilograph (welcher in Bayern am 31. December 1873 patentirt wurde) gibt die Längen bis auf 1/5 Procent genau an, die Genauigkeit der Höhen dagegen wächst mit den Neigungswinkeln des Terrains. Die Ausführung des Instrumentes hat der Mechaniker C. Schuckert in Nürnberg übernommen. Hausenblas.

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