Titel: Das Schweissen des Eisens; von A. Ledebur in Groeditz.
Fundstelle: Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 78
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Das Schweissen des Eisens; von A. Ledebur in Groeditz. Ledebur, über das Schweißen des Eisens. Wenn man zwei Stücke von schmiedbarem Eisen (Schmiedeisen oder Stahl) in dem teigigen Zustande, welcher einen Uebergang zwischen dem festen und flüssigen Aggregatzustande dieses Metalles bildet, mit rein metallischen Flächen fest auf einander preßt, so vereinigen sich dieselben zu einem einzigen Stücke. Wenn man auf eine angewärmte, metallisch reine Stelle eines eisernen Gußstückes anhaltend einen Strahl flüssigen Gußeisens laufen und das letzte flüssige Eisen allmälig auf dieser Stelle erkalten läßt, so vereinigt sich dasselbe mit dem Gußstücke gleichfalls zu einem einzigen Stücke. — Man nennt den ersten Vorgang Schweißen des schmiedbaren Eisens, den letzteren Schweißen des Gußeisens. Durch das Schweißen des Gußeisens ist man im Stande große, durch Bruch beschädigte Theile eines Gußstückes, z. B. abgebrochene Zapfen an Walzen, durch neue zu ersetzen. Man hat schon mannigfache und oft sehr gekünstelte Erklärungen für das Schweißen des schmiedbaren wie des Gußeisens versucht, dabei aber selten beobachtet, daß täglich um uns herum im gewöhnlichen Leben eine Reihe ganz ähnlicher Processe vor sich gehen, für welche man eine Erklärung nicht versucht hat und auf welche jene Erklärungen des Schweißens schlecht passen würden. W. M. Williams hat als Analogien des Schweißens schmiedbaren Eisens das Zusammenkleben zweier Stücke Schusterpech, Glaserkitt, Thon und Glas angeführt (vergl. 1874 214 163). Glaserkitt und Thon lassen, streng genommen, eine Parallele mit dem Eisen nicht zu. Beide bestehen aus einer großen Menge einzelner, zwar winzig kleiner, aber doch selbstständiger Körperchen, welche durch Beimengen einer Flüssigeit (Wasser, Glycerin u. a.) „Bindekraft“ erhalten. Es ist bekannt, daß die Flüssigkeiten eine oft bedeutende Adhäsion an feste Körper zeigen. Diese Adhäsion bewirkt das Zusammenhalten des Kittes, des Thones, des Formsandes in Gießereien. Ein Stück Eisen aber bildet einen einzigen, völlig gleichartigen Körper, und beim Schweißen tritt unmittelbar Eisen auf Eisen. Ich möchte dagegen als besonders charakteristische Analogien für das Schweißen des Eisens das Wachs und das Glas nennen. Beide Körper sind im kalten Zustande hart, spröde; gestatten aber eine Vereinigung mehrerer Stücke zu einem Ganzen, sobald die Sprödigkeit durch Erwärmung aufgehoben und dadurch die Möglichkeit einer Formveränderung durch Pressen, Drücken, Stoßen in solchem Maße erreicht ist, daß ein eigentliches Zerreißen, Splittern, Brechen des Körpers nicht mehr stattfindet. Analogien für das Schweißen bieten uns diejenigen Körper, welche nicht allmälig, sondern plötzlich aus dem festen in den flüssigen Zustand übergehen. Ich nenne als Beispiele das Wasser und das Stearin. Läßt man auf eine Eisfläche Wasser laufen und zwar so lange, bis die obere, gewöhnlich verunreinigte Eisschicht zu schmelzen beginnt, und läßt dann das Wasser auf dem Eise erstarren, so vereinigt es sich mit demselben zu einem Ganzen. Die Bildung der Eiszapfen an unseren Dächern bietet ein anschauliches Beispiel dafür. Denselben Vorgang können wir täglich an unseren Stearinlichtern wahrnehmen, wenn das geschmolzene Stearin an dem Lichte hinabläuft und dort durch Stauung allmälig ganz erhebliche, aus einem Stücke bestehende Auswüchse bildet. Ich glaube, daß alle diese Vorgänge, das Schweißen des schmiedbaren und des Gußeisens inbegriffen, sich auf ein einziges, sehr einfaches Naturgesetz zurückführen lassen. Ein jeder fester Körper verdankt seinen Aggregatzustand der Cohäsion seiner Molecüle, d. h. der zwischen ihnen thätigen Anziehungskraft, welche das Zerfallen des Körpers verhindert. Zertheilt man nun einen festen Körper durch Zerreißen, Schlagen, Schneiden, oder dergl. in zwei Theile, so hebt man auf den Trennungsflächen jene Cohäsion gewaltsam auf, und es gelingt nicht ohne Weiteres, sie durch einfaches Zusammenfügen der getrennten Halsten wieder herzustellen und die Hälften zu einem Ganzen zu vereinigen, weil 1) ein so festes Zusammenpressen, wie zur Herstellung der Cohäsion der getrennten Molecüle erforderlich sein würde, in den meisten Fällen ein Zertrümmern des starren Körpers zur Folge haben würde; 2) die Trennungsflächen in Folge mechanischer Aenderungen bei der Trennung — Splittern, Bersten, Ausscheiden von Spänen und ähnlichen Vorgängen, wenn auch nur im kleinsten, dem Auge nicht wahrnehmbaren Maße — nicht mehr absolut genau aufeinander schließen; und 3) sehr häufig chemische Vorgänge auf den Trennungsflächen (Oxydation) sofort deren ursprüngliche Beschaffenheit verändern. Kann man diese Hindernisse der Vereinigung beseitigen, so tritt die Cohäsion zwischen den Molecülen beider Hälften wieder in Wirkung. Legt man z. B. zwei Spiegelscheiben mit ihren Flächen auf einander, so ist es, ohne sie zu zerbrechen, oft unmöglich, sie wieder auseinander zu bringen. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß auch zwei Spiegelscheiben niemals absolut ebene Flächen, sondern stets, wenn auch ungemein kleine, doch im Vergleich mit der Größe der Molecüle erhebliche Unebenheiten besitzen, welche einer vollständigen Cohäsion entgegenwirken. Wenn man nun aber im Stande ist, durch starkes Zusammenpressen der an und für sich weichen, oder durch Erhitzung in einen weichen, dehnbaren Zustand versetzten gleichartigen Körper ein ebenso inniges Aneinanderlagern der Molecüle zu bewirken, wie in einem ungetheilten Körper, so tritt das Gesetz der Cohäsion auch zwischen den Molecülen der vorher getrennten Körper in Geltung, und sie bilden zusammen ein Ganzes. Oder wenn man von zwei Körpern gleichen Stoffes, welche an und für sich spröde die Eigenschaft besitzen, ohne vorher zu erweichen, plötzlich in den flüssigen Aggregatzustand überzugehen (Gußeisen, Wasser, Stearin) den einen im flüssigen Zustande mit dem anderen, auf eine dem Schmelzpunkte nahe Temperatur erwärmten Körper in dauernde, unmittelbare Berührung bringt und dadurch den Molecülen beider eine innige Aneinanderlagerung ermöglicht, so vereinigen sie sich gleichfalls zu einem Ganzen. Wenn man zwei Stücke Blei, also einen weichen dehnbaren Körper, mit metallisch reinen Flächen aufeinander bringt und mit einem Hammer fest zusammenschlägt, so vereinigen sie sich schon in der Kälte zu einem Stücke. Wenn man zwei Stücke Glas so weit erhitzt, daß es seine Sprödigkeit vollständig verliert und zu einer weichen plastischen Masse wird, so läßt es sich schon durch geringen Druck zu einem Ganzen vereinigen. Bei dem schmiedbaren Eisen ist zur Vereinigung Weißglut nöthig. Außer der leichteren Formveränderung der erst in Weißglut völlig plastischen Masse wird noch ein anderer Zweck dadurch erreicht. Jedes Eisen überzieht sich im glühenden Zustande an der Luft sofort mit einer Oxydschicht, welche die Vereinigung zweier Stücke durch Schweißen — die Herstellung der Cohäsion zwischen den Molecülen gänzlich verhindern würde. Die vollständige Entfernung dieser Oxydschicht zwischen den sich berührenden Flächen ist deshalb erste Bedingung für das Gelingen des Schweißens; und man bewirkt diese Entfernung, indem man aus dem entstandenen Oxyd durch Bestreuen mit Quarzsand eine leichtflüssige Schlacke bildet und diese Schlacke dann durch starkes Hämmern oder Pressen der auf einander gelegten Eisenstücke herausquetscht. Dieses Herausquetschen kann aber nur dann gelingen, wenn das Eisen weich genug ist, um den Durchgang zu gestatten, und andererseits ist die Schlacke erst flüssig genug in hoher Temperatur. Schwieriger als das Schweißen des Schmiedeisens und Stahles ist das Schweißen des Gußeisens. Es spricht hierbei der Umstand mit, daß das flüssig gewesene, also stärker erhitzte Gußeisen in einem anderen Verhältnisse schwindet als die andere starre Hälfte, und daß durch diese verschiedene Schwindung leicht eine Lostrennung der verbunden gewesenen Theile eintreten kann; daß ferner bei dem Berühren des festen und flüssigen Metalles die Aneinanderlagerung der Molecüle nicht immer eine so innige ist, als wenn beide Körper im teigartigen Zustande auf einander gepreßt werden, und daß sogar ein „Abschrecken“ des flüssigen Eisens stattfindet, wenn dasselbe durch Wärmeentziehung seitens der kälteren Hälfte plötzlich zum Erstarren kommt. Denn einestheils befinden sich ja die Molecüle des festen Eisens in engerer Zusammenlagerung als die des flüssigen, und anderentheils finden bekanntlich beim Schmelzen resp. Erstarren des Gußeisens Vorgänge statt, welche höchst wahrscheinlich sogar auf die atomistische Zusammensetzung der Molecüle verändernd einwirken. Deshalb ist es Hauptbedingung bei dem Schweißen des Gußeisens, so lange einen ununterbrochenen Strahl flüssigen Eisens über die zu schweißende Stelle zu leiten, bis die Oberfläche derselben selbst zu schmelzen beginnt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit eines anderen Vorganges erwähnen, welcher unzweifelhaft auf ähnliche Ursachen zurückzuführen ist, nämlich die Verbindung von Metallen und anderen Körpern durch Löthen, Kitten, Leimen. Auch hier wird durch den flüssigen Zustand des nach beendigter Operation erstarrenden Bindemittels eine innige Aneinanderlagerung der — in diesem Falle verschiedenen — Molecüle der zu vereinigenden Körper und des Bindemittels bewirkt und dadurch eine gegenseitige Attraction dieser Molecüle hervorrufen. Man nennt diese Attraction verschiedenartiger Molecüle Adhäsion zum Unterschiede von der Cohäsion gleichartiger Molecüle. Auch bei diesen Arten der Verbindung mehrerer Körper zu einem Ganzen kann der Zweck nur dann erreicht werden, wenn bei dem Festwerden des Bindemittels, sei es durch Erkaltung oder durch chemische Vorgänge, keine erheblichen Aenderungen seines Volumens (Schwindung) eintreten, und wenn die zu verbindenden Flächen rein waren. Daher die Anwendung des Borax, Salmiaks oder Löthwassers zur Entfernung der Oxyde beim Löthen der Metalle. Bei guter Ausführung aber überwiegt bekanntlich nicht selten die Adhäsion an den Verbindungsstellen die Cohäsion der verbundenen Körper selbst. (Berg- und hüttenmännische Zeitung, 1875 S. 45.)