Titel: Untersuchungen über die Umwandlung des Stabeisens zu Stahl; von Boussingault. (Auszug).
Fundstelle: Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 420
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Untersuchungen über die Umwandlung des Stabeisens zu Stahl; von Boussingault. (Auszug). Aus den Comptes rendus, 1874 t. LXXVIII p. 1458. Boussingault, über die Umwandlung des Stabeisens zu Stahl. Man verwandelt das Eisen in Stahl durch Cementiren desselben in Holzkohle. Das dabei angewendete Verfahren ist zu bekannt, als daß eine Beschreibung desselben nothwendig wäre; ich erinnere daher nur daran, daß das zu Stäben von 1 bis 2cm ausgereckte Eisen mit Holzkohlenpulver in Kästen aus feuerfesten Ziegelsteinen von 4cbm,9 Fassungsraum aufgeschichtet wird. Zwei derartige in einem Ofen angebrachte Kästen enthalten ungefähr 27 000k Eisen und 3500k Kohlenlösche. Versuche, welche auf meine Bitte von Brustlein, Ingenieur der Hüttenwerke von Unieux, ausgeführt wurden, beweisen, daß Eisen und Holzkohle bei Hellrothglühhitze 20 Tage und 20 Nächte lang im Contact mit einander sind. Ziehen wir die zum Anheizen des Ofens bis zur erforderlichen Temperatur und die zum Erkalten desselben nöthige Zeit mit in Rechnung, so stellt sich heraus, daß eine Cementation vom Anbrennen an ungefähr einen Monat dauert. Wenn das Eisen aus den Cementirkästen kommt, so zeigt es sich sowohl in seinem äußeren Ansehen, als in seiner chemischen Zusammensetzung verändert. Seine Oberfläche ist mit Blasen von verschiedener Größe und verschiedener Anzahl bedeckt, nach denen das erhaltene Product als Blasenstahl (acier poule, blistered steel) bezeichnet wird. Das Stabeisen hat seine körnige, bez. sehnige Textur, seine charakteristische bläuliche Farbe, seine Zähigkeit verloren. Der Blasenstahl ist hart, spröde; sein Korn zeigt einen gelblichen oder mehr oder weniger dunkelgrauen Schimmer, je nach dem ihm mitgetheilten höheren oder niedrigeren Kohlungsgrade, welchen das geübte Auge eines Werkmeisters mit einer Genauigkeit zu beurtheilen vermag, die durch die Analyse fast jedesmal bestätigt wird. Wenn die Kohlung im Maximum eingetreten ist, so zeigt der Blasenstahl auf dem Bruche eine wellige Anordnung seiner Massetheilchen, sowie die weiße Farbe und den Glanz des Silbers. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, nachzuweisen, worin der Blasenstahl von Stabeisen verschieden ist, d. h. ich versuchte die Beschaffenheit und die Menge der Substanzen zu bestimmen, welche das Metall bei der Cementation abgegeben, beziehungsweise aufgenommen hat. Auf den ersten Blick scheint es sehr leicht zu sein, einen Eisenstab vor und nach dem Cementiren zu analysiren; als ich mich aber im J. 1870 an diese Arbeit machte, bemerkte ich bald, daß es leichter sei, die Frage zu stellen, als sie zu lösen. So mußte ich namentlich auf die eingehende Untersuchung der Methoden, mit deren Hilfe die verschiedenen Stoffe, welche, und zwar oft in sehr geringer Menge, vom Stabeisen und vom Stahle aufgenommen werden, zu bestimmen sind, viel Zeit verwenden. [In einem besonderen Kapitel meiner Abhandlung erläutere ich die von mir angewendeten Methoden zur Bestimmung des Kohlenstoffes (in seinen beiden allotropischen Zuständen), des Siliciums, des Schwefels, des Phosphors, des Mangans und des Eisens.] Begreiflicher Weise hatte ich viele Schwierigkeiten zu überwinden; ich kann jedoch versichern, daß die größte von allen darin bestand, das Eisen mit derselben Genauigkeit quantitativ zu bestimmen, wie den Kohlenstoff und das Silicium; auf diese Weise wird die genaue Bestimmung des Eisens zur unerläßlichen Controle jeder Roheisen-, Stabeisen- und Stahlanalyse. Es ist mir gelungen, die Menge des Eisens bis fast auf 0,2 bis 0mg,1 zu bestimmen, und zwar nach der volumetrischen Methode von Margueritte — mit der Abänderung jedoch, daß ich zur Oxydation von 1g Metall eine Lösung von übermangansaurem Kali anwendete, welche so verdünnt war, daß sie das Volum von 340 bis 350cc hatte, daß somit 0cc,1 dieser Lösung einem Eisengehalte von 0,2 bis 0mg,3 entsprach. Um mich den Analytikern verständlich zu machen, will ich hier nur angeben, daß ich, um ein so großes Volum von Chamäleonlösung, wie das bei meinem Verfahren anzuwendende ist, rasch messen zu können, die Pipette von Stas benützte, deren man sich beim Probiren des Silbers auf nassem Wege bedient (1869 191 172.) Der Fassungsraum dieser Pipette ist 300cc; die Oxydation wird mit Hilfe der Gay-Lussac'schen Bürette vollendet, aus welcher man Chamäleonlösung bis zum Eintritte der Endreaction zusetzt; am Schlusse der Operation hat die Flüssigkeit das Volum von 1l. Erster Versuch. Von einer Stange von Stabeisen, welches aus einem mit einer Möllerung von Spatheisenstein und Rotheisenstein (Hämatit) aus den Gruben von Ria (Departement der östlichen Pyrenäen) bei Holzkohlen erblasenen Roheisen gepuddelt worden war, wurden zwei Stücke, Nr. 1 und Nr. 2, abgehauen. Nachdem dieselben mit der Hobelmaschine abgeschlichtet worden, wurden sie in einen Cementirkasten eingesetzt, und zwar Nr. 1 in jenen Theil des letzteren, wo die Temperatur am wenigsten hoch, Nr. 2 dagegen in den Theil, in welchem die Hitze am stärksten sein mußte. Nach vollendeter Cementation zeigten beide Stäbe mehrere große Blasen und eine ziemlich bedeutende Unzahl von kleineren Bläschen und Austreibungen. Die zwischen diesen Protuberanzen befindlichen Räume waren mit einer Menge von kleinen, nur mit Hilfe der Loupe wahrnehmbaren Pünktchen bedeckt. Aeußerlich zeigten die Stäbe auf ihrer ganzen Oberfläche eine metallische, dunkelgraue Farbe und waren gleichmäßig mit einem äußerst dünnen Graphithäutchen überzogen, welches die Finger wie gewöhnliches Reißblei beschmutzte. Stab Nr. 1. Stab Nr. 2. g g Vor der Cementation 4949,55 5124,00 Nach der Cementation 4994,20 5199,60 ––––––––––––––––––––– Gewichtszunahme 44,65 75,60 Im Eisen wurden nachgewiesen: Vor der Cementirung. Nach der Cementirung. Nr. 1. Nr. 2. Eisen 0,99100 0.98200 0,97650 Gebundener Kohlenstoff 0,00118 0,00995 0,01512 Silicium 0,00105 0.00107 0,00120 Schwefel 0,00012 0,00006 0,00005 Phosphor 0,00100 0,00125 0,00130 Mangan 0,00222 0,00220 0,00218 Nicht bestimmte Stoffe 0,00343 0,00347 0,00365 –––––––– –––––––– –––––––– 1,00000 1,00000 1,00000. Zusammenstellung der Versuchsresultate. Textabbildung Bd. 216, S. 423 Daten; Stab Nr. 1; Vor der Cementation; Nach der Cementation; Differenz; Stab Nr. 2; Vor der Cementation; Nach der Cementation; Differenz; g; g; g; g; g; g; Gewicht des Stabes; Eisen; Kohlenstoff; Silicium; Schwefel; Phosphor; Mangan; Nicht bestimmte Substanzen; 10,99 Der Mangangehalt des Stabeisens wurde nur vor der Cementation direct bestimmt; im Stahle wurde er berechnet. In beiden Fällen überstieg die Gewichtszunahme der Stäbe in Folge des Cementirens die Gewichtsmenge des bei der letzteren Operation gebundenen Kohlenstoffes. Die Gewichtsmengen des aufgenommenen Siliciums und Phosphors, sowie die der hinzugekommenen, nicht bestimmten Bestandtheile betrugen etwas mehr, als die Gewichtsmengen des ausgeschiedenen Eisens und Schwefels. Zweiter Versuch. Cementirung eines schwedischen Stabeisens. Ein Stück von einem Stäbe schwedischen, mit der Marke L versehenen Stabeisens wurde mit Hilfe des Schleifsteines abgeschlichtet und dann in einen Cementirkasten eingesetzt. Dieses seiner vortrefflichen Qualität wegen berühmte Eisen zeigte ein sehr feines Korn. Der aus demselben erhaltene Blasenstahl war auf seiner ganzen Oberfläche mit Graphit überzogen, welcher ein äußerst dünnes Häutchen bildete und an den Fingern abfärbte; der Ueberzug ließ sich durch leises Reiben entfernen. An dem ganzen Stabe zählte ich 35 ziemlich große Blasen und zahlreiche, mit dem unbewaffneten Auge kaum wahrnehmbare kleine Bläschen. Durch die Feile wurde eine silberweiße metallische Oberfläche blosgelegt. g Vor der Cementation wog der Stab 2000,45 Nach der Cementation wog der Stab 2026,22 –––––––– Gewichtszunahme 25, Zusammensetzung. Vor dem Cementiren. Nach dem Cementiren. Eisen 0,99450 0,98170 Kohlenstoff 0,00300 0,01580 Silicium 0,00016 0,00030 Schwefel 0,00015 0,00005 Phosphor 0,00057 0,00065 Mangan 0,00090 0,00070 Nicht bestimmte Substanzen 0,00072 0,00080 –––––––– –––––––– 1,00000 1,00000 Zusammenstellung der Versuchsresultate. Daten. Vor der Cementation. Nach der Cementation. Differenzen. g g g Gewicht des Stabes 2000,45 2026,22 + 25,77 Eisen 1989,45 1989,14 - 0,31 Kohlenstoff 6,00 32,01 + 26,01 Silicium 0,32 0,61 + 0,29 Schwefel 0,30 0,10 - 0,20 Phosphor 1,14 1,32 + 0,18 Mangan 1,80 1,42 - 0,38 Nicht bestimmte Substanzen 1,44 1,62 + 0,18 Die Gewichtszunahme des Stabes betrug etwas weniger als die Menge des beim Cementiren gebundenen Kohlenstoffes. Man sieht sich zu der Frage veranlaßt, ob die in den vorstehenden Zusammenstellungen der erhaltenen Versuchsresultate nachgewiesenen geringen Differenzen nicht etwa von Fehlern herrühren, die bei den Analysen begangen wurden, — von Fehlern, welche, so gering sie sich auch anschlagen lassen, nothwendiger Weise in Folge der großen Zahlen sich häufen müssen, insofern die Resultate der mit wenigen Gramm Substanz ausgeführten Analysen in Wirklichkeit auf Metallstäbe von 1 bis 5k Schwere angewendet werden. Begreiflicher Weise nimmt das Eisen während des Cementationsprocesses, abgesehen vom Kohlenstoff, auch Silicium und Phosphor auf, welche in der Holzkohlenasche enthalten sind, wogegen es Schwefel und Spuren von Arsen, welches letztere bei der Analyse übersehen wurde, abgibt; dagegen würde anzunehmen fein, daß man in einem cementirten Stabe das ganze Eisen wieder finden müßte, welches er vor seiner Cementation enthielt — und zwar aus dem Grunde, weil nicht wohl einzusehen ist, in welchem Zustande ein Theil dieses Metalles eliminirt werden könnte; indessen wurde bei allen drei Versuchen ein, Wenn auch allerdings nur sehr geringer, so doch constanter Eisenverlust beobachtet, und zwar betrug derselbe: bei dem Eisen von Ria Nr. 1 0,00014 bei dem Eisen von Ria Nr. 2 0,00008 bei dem schwedischen Eisen 0,00016. Um den Einfluß etwaiger bei der Analyse begangenen Fehler aufzuheben oder doch wenigstens abzuschwächen, und namentlich um zu entscheiden, ob wirklich Eisen verloren gehen könne, war es räthlich, zunächst den Kohlenstoff in der Gesammtmenge eines reinen Stabeisens zu bestimmen, welches hierauf cementirt wurde, und dann, nachdem eine Gewichtszunahme constatirt worden, das Cementirpulver auf einen Eisengehalt zu prüfen. Der in Bezug auf den Kohlenstoff begangene Fehler konnte nicht größer geworden sein, allein ich mußte sehr geringe Eisenmengen zur Analyse verwenden — ein Uebelstand, der übrigens durch die Benützung einer sehr feinen, 0mg,1 angebenden Waage vermindert werden mußte. Cementation des reinen Stabeisens. — I. Das zu dem Versuche benützte reine Eisen war von Obrist Caron dargestellt worden; ich hatte allen Grund zu der Annahme, dasselbe als rein zu betrachten, da ich selbst mittels der sorgfältigsten Untersuchungen in ihm nichts Anderes als Eisen aufzufinden vermochte. Das Eisen war in einem Porzellanrohre in einem das letztere durchstreichenden Strome von gereinigtem Wasserstoff geschmolzen und dann zu Draht ausgezogen worden. Eine Spirale von diesem Drahte wurde vier Stunden lang in frisch ausgeglühtem Holzkohlenpulver bei lebhafter Kirschrothglut cementirt. g Die Probe wog vor dem Cementiren 1,6878 Die Probe wog nach dem Cementiren 1,7111 –––––––– Gewichtszunahme 0,0233. Nach der Cementation war das Eisen an der Oberfläche, die keine Blasen zeigte, mit einer ganz dünnen Graphitschicht überzogen; das Korn war stahlartig und auf dem Bruche zeigten sich kleine glänzende krystallinische Flächen. In der ganzen Masse der cementirten Spirale fand ich: g Gebundenen Kohlenstoff 0,0223 Graphit Kohlenstoff 0,0008 –––––––– Gesammter Kohlenstoffgehalt 0,0231. Die durch die Cementation vermittelte Gewichtszunahme überstieg sonach die Menge des fixirten Kohlenstoffes um 0g,0002. Diese Differenz, deren richtige Bestimmung ich verbürgen zu können glaube, rührt wahrscheinlich von mehreren aus der Holzkohlenasche abstammenden Substanzen her, sofern sie nicht von der Eliminirung einer sehr geringen Eisenmenge resultirte. In der That haben mehrere Versuche den Beweis dafür geliefert, daß die Asche der Cementirungskohle ein wenig Eisen aufnimmt; oft zeigt sich ihr ursprünglicher Eisengehalt verdoppelt. Wahrscheinlich wird das Eisen in Form von Chlorid eliminirt, da in der Holzkohle Chloralkalien enthalten sind. Thatsächlich steht fest, daß, wenn man der Cementirungskohle etwas Chlornatrium (als Kochsalz oder Steinsalz) beimengt, die Asche der ersteren einen beträchtlichen Eisengehalt zeigt. Ausscheidung des Schwefels bei der Cementation. Aus der Zusammenstellung der Versuchsresultate ergab sich, daß das Eisen beim Cementiren mehr als die Hälfte feines Gehaltes an Schwefel verloren hatte. In meinem Laboratorium ausgeführte Analysen liefern den Beweis, daß diese Ausscheidung von Schwefel constant stattfindet. Nachstehend folgen die mit verschiedenen schwedischen Stabeisensorten der besten Marken erhaltenen Ergebnisse. Schwefelgehalt des Stabeisens. Marken der Stäbe. Vor dem Cementiren. Nach dem Cementiren. S. 0,00040 0,00021 J. B. mit Krone 0,00055 0,00019 A. G. L. 0,00030 0,00017 L. 0,00015 0,00005. Demnach würde die Wirkung der Cementation, abgesehen von der Kohlung des Eisens, auch in einer theilweisen Eliminirung des in dem Metalle enthaltenen Schwefels bestehen. Diese Abscheidung von Schwefel setzt sich auch während der zur Erzeugung von Gußstahl ausgeführten Schmelzung des Blasenstahles fort. In Folge dieses Umstandes enthält Gußstahl von vorzüglicher Qualität keinen Schwefel mehr oder höchstens nur Spuren davon; dafür sprechen die nachstehenden Ergebnisse der Analysen verschiedener ausgezeichneter Gußstahlsorten. Schwefelgehalt. Gußstahl von J. Holtzer, ausgereckt und nochmals cementirt 0,0000 Werkzeuggußstahl von Firth 0,0000 Steier'scher Gußstahl 0,0001 Geschützstahl von Unieux 0,0001 Stahl von J. Holtzer, mit Glockenmarke, vierkantig Spuren Huntsman-Stahl, vierkantig Spuren Stahl von J. Holtzer, mit Glockenmarke, von rundem Querschn. 0,0001 Huntsman-Stahl, rund 0,0001 Demnach enthält der Tiegelgußstahl nur Spuren von Schwefel und im Allgemeinen so geringe Mengen von Phosphor, daß sie der Analyse entgehen. Dies geht aus der Analyse der Stahlsorten hervor, Welche für die Fabrikation von schneidenden Instrumenten, namentlich von Drehstählen, als sehr vorzüglich anerkannt sind. Stahl von Holtzer. Huntsman-Stahl. Eisen (bestimmt) 0,9873 0,9874 Gebundener Kohlenstoff 0,0116 0,0115 Silicium 0,0006 0,0011 Schwefel Spuren Spuren Phosphor 0,0000 0,0000 Mangan 0,0010 0,0008 –––––––– –––––––– 1,0005 1,0008. Aus sämmtlichen in meiner Abhandlung angeführten Beobachtungen und Analysen geht eine Thatsache hervor, welche ich hier besonders hervorheben zu müssen glaube, — die Thatsache nämlich, daß die als vorzüglich betrachteten Gußstahlsorten wirklich nur Eisen und Kohlenstoff enthalten. In dem Maße, als ihre Qualität an Vorzüglichkeit zunimmt, vermindert sich ihr Schwefelgehalt und verschwindet gänzlich. Im Allgemeinen sind derartige Gußstahlsorten frei von Phosphor; Mangan sowie Silicium sind nur in sehr geringer Menge vorhanden, welche selten ein Tausendtel übersteigt. H. H.