Titel: Ueber die zur Ernährung der Pflanzen geeignetste Form des Stickstoffes; von Professor Jul. Lehmann.
Fundstelle: Band 217, Jahrgang 1875, S. 231
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Ueber die zur Ernährung der Pflanzen geeignetste Form des Stickstoffes; von Professor Jul. Lehmann. Lehmann, über die zur Ernährung der Pflanzen geeignetste Form des Stickstoffes. Trotz der vielen Versuche, welche über diesen Gegenstand bereits angestellt worden sind, fehlen doch noch genaue Anhaltspunkte, um entscheiden zu können, ob die Pflanzen zur Bildung ihrer stickstoffhaltigen Bestandtheile auch das Ammoniak in gleich vortheilhafter Weise wie die Salpetersäure verwerthen können. Es ist wohl kaum nothwendig zu erwähnen, daß ein sicherer Aufschluß darüber nicht allein wissenschaftliches, sondern auch praktisches Interesse hat. Um einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage liefern zu können, hat Verfasser zuvörderst eine Anzahl von Vegetationsversuchen mit Mais und Buchweizen in wässerigen Nährstofflösungen angestellt. Die letzteren hatten in Bezug auf ihren Gehalt an mineralischen Nährstoffen für jeden Versuch die gleiche Zusammensetzung; der wesentliche Unterschied bestand nur darin, daß den Lösungen der einen aus acht Gläsern bestehenden Reihe der Stickstoff in der Form von Salpetersäure (als salpetersaurer Kalk), der anderen, gleichzähligen Reihe die gleiche Menge dieses Elementes aber in der Form von Ammoniak (als schwefelsaures Ammoniak) zugesetzt worden war. Die verschiedene Wirkung des Ammoniaks und der Salpetersäure auf die Vegetation der Buchweizenpflanzen konnte hierbei deutlich wahrgenommen werden. Unter dem Einfluß eines salpetersauren Salzes wurden zwei so vollkommene Buchweizenpflanzen in wässerigen Lösungen herangebildet, wie solche sonst nur in einem sehr guten Ackerboden erzielt werden können,Die beiden besten Pflanzen hatten eine Länge von 130, resp. 140cm und bildeten 204, resp. 152 vollständig reife, neben 34, resp. 22 unvollkommen ausgebildeten Samen aus. Das Gewicht der ganzen Pflanzen incl. Samen betrug im lufttrockenen Zustande 28,924, resp. 25g,607, und hatte eine Vervielfältigung des Saatgewichtes um das 1377, resp. 1219fache stattgefunden. während der Stickstoff in der Form von Ammoniaksalz nur ein ganz unvollkommenes Wachsthum veranlaßt hatte. Noch interessantere Erscheinungen in Bezug auf die Wirkung der einen oder anderen Form des Stickstoffes stellten sich bei Maispflanzen heraus, welche am 19. Juni als Keimpflänzchen in gleiche Nährstofflösungen gebracht worden waren. Die Salpetersäure-Pflanzen zeigten schon nach 8 Tagen (26. Juni) den Charakter einer sehr mangelhaften Ernährung in allen ihren Organen. Ganz entgegengesetzt verhielten sich die Ammoniak-Maispflanzen; ihre Wurzeln, Stengel und Blätter entfalteten sich gleich von Haus aus außerordentlich üppig, und machten jene Pflanzen im Allgemeinen den Eindruck einer völlig normalen Ernährung und erfreuten durch ihren üppigen Stand das Auge eines jeden Beschauers. Die geschilderten Charaktere der Pflanzen beider Versuchsreihen änderten sich plötzlich nach 41 tägiger Vegetationsdauer; sämmtliche Salpetersäure-Pflanzen waren mit einem Male völlig ergrünt, ohne daß irgend ein Wechsel in den äußeren Lebensverhältnissen der Pflanzen stattgefunden hatte. Von diesem Tage an nahm ihr Wachsthum einen schnellen und unverändert günstigen Verlauf. Gerade umgekehrt verhielten sich vom gleichen Zeitpunkt an die Ammoniak-Pflanzen. Ihre Blätter verloren ihre gesunde Farbe, die ganze Pflanze bekam ein krankhaftes Ansehen. Während die Salpetersäure-Pflanzen bis 15. September in normalster Weise ihre Entwicklung durchliefen, standen diese Pflanzen als ein Bild des Jammers den kräftigen Salpetersäure-Pflanzen gegenüber. Auch die Erntegewichte der Salpetersäure-Pflanzen zeigten, daß dieselben eine völlig normale Entwickelung genommen. Durch Versetzen krankhafter Salpetersäure-Pflanzen der ersten Periode in ammoniaksalzhaltige Nährlösung wurden dieselben binnen zwei Tagen zu lebhaftem Ergrünen gebracht, während umgekehrt gesunde Ammoniak-Pflanzen in einer Lösung von salpetersaurem Natron alsbald bleichsüchtig und krankhaft wurden. In der zweiten Hälfte der Vegetationszeit, in welcher sich ergeben hatte, daß die Maispflanzen zu ihrem vollkommenen Gedeihen den Stickstoff in der Form von Salpetersäure bedürfen, führten derartig angestellte Versuche auch stets zu den entsprechenden Resultaten. Diese Experimente wurden vielfältig wiederholt, und hatte man es dabei ganz in der Hand, durch den Wechsel der Stickstoffverbindung in der Nährstofflösung die Pflanzen bleichsüchtig oder wieder völlig gesund zu machen. Bei ferneren Untersuchungen, welche Verfasser über den Einfluß der Salze des Ammoniaks und der Salpetersäure auf die Entwickelung des Tabaks in humusfreiem Kieselsand anstellte, und bei denen, neben einer vollständigen mineralischen Nährstoffbeigabe der nöthige Stickstoff theils in Form von Ammoniak (als schwefelsaures Ammoniak), theils in der Form von Salpetersäure (als salpetersaures Natron), gegeben ward, ließ sich abermals deutlich wahrnehmen, wie verschieden die Ammoniaksalze, im Vergleich zu den salpetersauren Salzen, auf die Ausbildung einer Pflanzenart einwirken. Die Ammoniak-Pflanzen bewahrten von Anfang bis zu Ende des Versuches den Charakter gesunder Pflanzen, ihre Stengel und Blätter waren stets saftig und genügend grün, und das Wachsthum der einzelnen Pflanzen war ein gleichmäßig normal verlaufendes. Die Salpetersäure-Pflanzen hingegen blieben in der ersten Hälfte der Vegetationszeit hinter den Ammoniakpflanzen weit zurück, und ihre bleiche Farbe gab ihnen ein krankhaftes Aussehen; jedoch in der zweiten Hälfte fand bei ihnen entschieden ein Umschwung zum Besseren statt; sie färbten sich grün und ihr Wachsthum wurde sichtlich ein kräftigeres. Trotzdem war zuletzt ihre Production an Pflanzenmasse eine verhältnißmäßig sehr geringe. Die ohne Stickstoffdüngung gewachsenen Pflanzen, welche eine dritte Versuchsreihe bildeten, machten vollständig den Eindruck ungenügend ernährter Pflanzen, und man konnte bei ihnen mit Bestimmtheit behaupten, daß ihre mangelhafte Ausbildung nur durch den Mangel an Stickstoff in der Nahrung veranlaßt worden war. Aus den Endresultaten ergab sich, daß, bei gleichem Gehalt des Bodens an mineralischen Nährstoffen, durch einen Zusatz von Stickstoff in der Form von Salpetersäure über die 3 fache Menge, in der von Ammoniak aber über die 6 fache Menge lufttrockener Pflanzensubstanz erzeugt worden war, als ohne Stickstoffdüngung. Es ist demnach für den quantitativen Erfolg der Düngung beim Tabakbau durchaus nicht gleichgiltig, in welcher Form der Stickstoff dem Boden einverleibt wird. Nach jenen Versuchen zu urtheilen, bedingen die Ammoniaksalze, in Verbindung mit genügenden Mengen mineralischer Nährstoffe, einen ganz bedeutend höheren Ertrag als die salpetersauren Salze, was für die Tabakcultur besondere Beachtung verdienen dürfte. Auch aus diesen im Boden angestellten Versuchen scheint wiederum (wie auch aus den in wässeriger Nährstofflösung mit Mais ausgeführten Versuchen) hervorzugehen, daß es Pflanzenarten gibt, welche zu einer kräftigen Entwickelung in der ersten Hälfte ihrer Vegetationszeit unbedingt Ammoniaksalze bedürfen, während sie in der letzten Hälfte den Stickstoff in der Form salpetersaurer Salze nöthig haben; denn die Salpetersäure-Pflanzen des Tabaks fingen auch erst in der zweiten Hälfte an, sich zu kräftigen und eine gesündere Farbe anzunehmen. Daß die Ammoniak-Pflanzen in der letzten Hälfte ihres Wachsthums ebenso gleichmäßig und kräftig fortwuchsen, wie in der ersten Hälfte, dürfte wohl nur seinen Grund in der bis dahin im Boden theilweise erfolgten Oxydation des Ammoniaks zu Salpetersäure resp. zu salpetersaurem Ammoniak haben, was in den oft gewechselten, stets frisch bereiteten Nährstofflösungen, in welchen sich die Maispflanzen befanden, nicht eintreten konnte. Weiter stellte Verfasser noch Versuche an, über die Aufnahme des Stickstoffes durch die gelbe Lupine. Es gibt keine Kulturpflanze, welche verhältnißmäßig so reich an Stickstoff ist und trotzdem in den stickstoffärmsten Böden so vollkommen kräftig gedeiht, wie die Lupine. In den sterilen Kieselsandböden der Haidegegenden Norddeutschlands entwickelt sie sich noch ganz vortrefflich; dabei ist es aber völlig unaufgeklärt, wie und woher sie die ihr nöthigen großen Stickstoffmengen bezieht. Um dieser Frage näher treten, und vor Allem, um entscheiden zu können, welche Differenzen in der Entwickelung der Lupinenpflanze stattfinden, wenn sie einestheils in einem ganz stickstoffarmen Kieselsandboden, anderentheils in dem gleichen, aber mit stickstoffhaltigen Salzen vermischten Boden cultivirt wird, wurden vom Verfasser mehrere dahinzielende Versuche ausgeführt. Dieselben wurden mit dem gleichen Kieselsand und sonst auch in gleicher Weise wie die Versuche mit Tabak angestellt. In dem mit salpetersaurem Natron gedüngten Sande fand verhältnißmäßig die kräftigste und gleichmäßigste Entwickelung der Lupinen statt, und man glaubte annehmen zu müssen, daß die so üppig entwickelten Pflanzen dieser Reihe auch die größte Körnerernte ergeben würden; dies fand jedoch nicht statt. Die Düngung mit salpetersaurem Natron hatte nur viel Kraut, aber verhältnißmäßig wenig Samen gebildet. Die auf dem mit schwefelsaurem Ammoniak gedüngten Sande befindlichen Lupinen zeigten schon, nachdem sie 3 bis 4 Blätter entfaltet hatten, ein sehr dürftiges Aussehen. Ihre Blätter schrumpften theilweise zusammen und wurden gelb. Mehrere Pflänzchen starben schnell ab und die übrigen vegetirten kümmerlich fort. Aber im Juli trat auch bei diesen letzteren ein kräftiges Wachsthum ein; sie entfalteten dann viele Blüthen, aus welchen völlig normale Samen heranreiften. Am meisten Interesse erregten die ohne Stickstoffdüngung cultivirten Lupinenpflanzen. Sie hielten in ihrem Wachsthum in den ersten Wochen gleichen Schritt mit den Salpetersäure-Pflanzen, blieben jedoch in den nächsten 10 Wochen hinter diesen etwas zurück, holten aber später das Versäumte wieder derartig nach, daß, wenn man zuletzt die besten Pflanzen beider Parcellen mit einander verglich, nur ein geringer Unterschied wahrgenommen werden konnte. Hierbei ist allerdings noch zu bemerken, daß bei Salpetersäuredüngung eine größere Anzahl sehr vollkommen ausgebildeter Pflanzen zu finden war, als bei der stickstofffreien Düngung; aber dennoch ergab letztere die größte Körnerernte, was auch aus beifolgender Zusammenstellung der Resultate ersichtlich ist. Parc. I(ohne Stickstoff) Parc. II(mit Ammoniak) Parc. III(mit Salpetersäure) Körnerertrag 143 133 128g. Aus diesen Ergebnissen geht deutlich hervor, daß die Lupine, selbst in einem ganz stickstoffarmen Boden wachsend, sich dennoch die zu ihrer vollkommenen Entwickelung nöthigen, beträchtlichen Mengen von Stickstoff zu verschaffen und sie zu Pflanzensubstanz zu verarbeiten vermag. In Folge dessen kann auch die Lupine mit vollem Recht als billigster Stickstofffabrikant für sterile Kieselsandböden angesehen werden, bei denen, um sie auch für andere Nutzflanzen culturfähig zu machen, eine Bereicherung an stickstoffhaltigen Pflanzennährstoffen zu einer der wesentlichen Bedingungen gehört. Bringt man die Resultate obiger Vegetationsversuche mit der Frage in Beziehung, in welcher Form die Lupine den im Boden enthaltenen Stickstoff am besten aufzunehmen und zu verarbeiten vermag, so braucht man darüber kaum noch in Zweifel zu sein. Denn, daß die Lupine die im Boden befindlichen Ammoniaksalze (mit Ausschluß des salpetersauren Ammoniaks) als solche nicht zu ihrer vollen Entwickelung zu verwerthen vermag, ja selbst unter Einfluß derselben in einen bleichsüchtigen und kümmerlichen Zustand kommt, haben die Versuche zur Genüge ergeben; ebenso sicher ist aber auch aus denselben hervorgegangen, daß die salpetersauren Salze auf ihr Wachsthum einen günstigen Einfluß äußern. Dafür spricht nicht allein der directe Versuch mit salpetersaurem Natron, sondern auch der indirecte mit Ammoniak. Bei letzterem ist nur speciell zu berücksichtigen, daß das dem Boden beigemischte Ammoniak bereits zu der Zeit, zu welcher die Lupinen anfingen, kräftig zu gedeihen, wenigstens theilweise in Salpetersäure übergeführt war, was auch durch Untersuchung des betreffenden Bodens nachgewiesen werden konnte. In letzterem Boden begann ein kräftiges Wachsthum der Lupinen erst nach Verlauf von ca. 10 Wochen, somit nach einer Zeit, während welcher ein Theil des Ammoniaks zu Salpetersäure verbrannt war. Wenn alle bereits oben besprochene Vegetationsversuche mit Buchweizen, Mais, Tabak und Lupine vorerst nur als Vorversuche in Betracht kommen können, so dürften sie doch schon zu der Annahme berechtigen, daß einige Pflanzenarten zu ihrer normalen Entwickelung den Stickstoff nur als Salpetersäure verwerthen können (Salpetersäure-Pflanzen), andere dies aber nur in der zweiten Hälfte ihrer Vegetationszeit zu thun vermögen, während sie in der ersten Hälfte zum kräftigen Wachsthum des Ammoniaks (Ammoniak-Pflanzen) bedürfen. Hierdurch dürfte die Erscheinung – wenn auch vielleicht nur theilweise – eine Erklärung finden, daß einzelne Culturpflanzen in mit frischem Stallmist gedüngtem Boden vortrefflich gedeihen, andere aber nur dann in gleicher Weise, nachdem der Stallmist einer ein-, zwei- oder dreijährigen Verwesung im Boden anheimgefallen ist. Im frischen Stallmist ist der für die Pflanze aufnehmenbare Stickstoff bekanntlich als Ammoniaksalz enthalten, welches erst nach längerer Zeit im Boden zu Salpetersäure verbrennt und in dieser Form dann der im Wachsthum genügend vorgeschrittenen Pflanze als geeignetstes stickstoffhaltiges Nährstoffmaterial zu dienen vermag. (Biedermann's Centralblatt für Agriculturchemie, 1875 S. 403.)