Titel: Ueber die Bildung von wasserfreier Schwefelsäure bei Verbrennung von Schwefelkies, nach Scheurer-Kestner und Anderen; von Friedr. Bode in Haspe.
Autor: Friedrich Bode
Fundstelle: Band 218, Jahrgang 1875, S. 322
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Ueber die Bildung von wasserfreier Schwefelsäure bei Verbrennung von Schwefelkies, nach Scheurer-Kestner und Anderen; von Friedr. Bode in Haspe. Bode, über die Bildung von wasserfreier Schwefelsäure bei Verbrennung von Schwefelkies. Im Bulletin de la Société chimique, 1875 t. 23 p. 437 theilt Scheurer-Kestner einige Versuche mit, aus denen gefolgert wird, daß die wasserfreie oder starke Schwefelsäure, welche in den aus brennenden Schwefelkiesen erhaltenen Röstgasen enthalten ist, sich nicht bildet durch Zersetzung von schwefliger Säure, auch nicht durch directe Oxydation der letzteren auf Kosten des vorhandenen Sauerstoffes – ich verweise in Bezug auf die Versuche, welche zu diesen negativen Resultaten geführt haben, einfach auf die angegebene Quelle – sondern durch Oxydation der schwefligen Säure bei Gegenwart von Eisenoxyd. Scheurer-Kestner füllte ein 40cm langes Platinrohr mit Schwefelkiesabbränden, die vorher durch eine fortgesetzte Behandlung mit Luft unter Erwärmung vollständig von noch rückständigem Schwefel befreit waren. Man ließ so lange Luft durch das erwärmte Rohr streichen, bis eine Lösung von Chlorbarium, die hinter demselben vorgeschlagen war, völlig klar blieb und keine Trübung durch Bariumsulfat mehr zeigte. Man ließ alsdann schweflige Säure durch das gefüllte Platinrohr gehen, welches nunmehr bis zu einer Temperatur, wie sie in Schwefelkiesöfen herrscht, erhitzt wurde. Vor dem Eintritte in das rothglühende Rohr mußte das Gas noch 2 Ballons mit Chlorbariumlösung passiren, von welchem im ersten etwa bereits vorhandene Schwefelsäure zurückgehalten wurde, während der zweite auswies, daß die Absorption im ersten vollständig erfolgt sei. Als man in dem so vorgerichteten Apparat die noch eingeschlossene Luft nunmehr durch die gereinigte schweflige Säure verdrängte, wurden aus dem erhitzten Rohre in eine dahinter gelegte Vorlage mit Chlorbariumlösung weiße Dämpfe ausgetrieben, die schnell verschwanden und die Lösung trübten. Als aber dann nach dem Austreiben der Luft nur noch schweflige Säure allein durch das Rohr ging, hörte die Trübung auf. Läßt man durch den in gleicher Weise hergerichteten Apparat schweflige Säure mit dem doppelten Volum Luft gemengt strömen, so geht aus der erhitzten Röhre ein stark mit weißen Dämpfen beladenes Gasgemenge hervor, und es entsteht in der vorgeschlagenen Lösung von Chlorbarium ein reichlicher Niederschlag. Der Versuch gibt dasselbe Resultat, Wenn man die schweflige Säure vorher noch durch Chlorcalcium trocknet. Ist die Temperatur des Platinrohres weniger hoch, so bleibt etwas Schwefelsäure als Eisensulfat zurück. Soweit einstweilen über die Ergebnisse der Versuche von Scheurer-Kestner, die elegant angestellt, in ihrem letzten Theile eigentlich nur Bekanntes bestätigen. Denn schon von Wöhler ist, lange vor Kuhlmann (auf welchen sich Scheurer-Kestner bezieht) auf die Eigenschaft des Eisenoxydes aufmerksam gemacht worden, in der Wärme andere Körper zur Aufnahme von Sauerstoff zu disponiren; sodann besitzen wir aber seit nunmehr fast 20 Jahren von Plattner in Freiberg (Die metallurgischen Röstprocesse. 1856) die bündigsten Versuche, welche bestätigen, daß schweflige Säure, beim Vorhandensein von Sauerstoff unter Anwendung von Wärme, nicht allein bei Gegenwart von Eisenoxyd, sondern einer ganzen Reihe anderer Körper in Schwefelsäure übergeführt wird. Plattner constatirt zunächst (a. a. O. S. 97), daß beim schwachen Glühen einer Glasröhre, durch welche man ein Gemenge von 2 Vol. schwefliger Säure und reichlich 5 Vol. atmosphärischer Luft treten läßt, sich keine Schwefelsäure bildet; als aber ein Platindrahtspirale in das Rohr eingeschoben wurde, zeigten sich schon beim schwachen Rothglühen Dämpfe von Schwefelsäure, das Gemenge von schwefliger Säure und Luft „mochte trocken oder feucht in die Glasröhre geleitet werden.“ Sodann wendete Plattner folgende Substanzen in fein vertheiltem Zustande an: metallisches Gold und Silber, metallisches Eisen, Magneteisenstein, Rotheisenstein, metallisches Kupfer, Rothkupfererz, Kupferoxyd, Bleioxyd, Zinkoxyd, Kobaltoxyd, Nickeloxydul, Manganoxydoxydul, Aetzkalk, Kochsalz, und erhielt mit diesen sämmtlichen Substanzen eine Umwandlung von schwefliger Säure in Schwefelsäure beim Vorhandensein von Sauerstoff, ob nun das Gemenge von schwefliger Säure und Sauerstoff feucht oder trocken zur Anwendung kam. Die Nutzanwendung aller dieser Versuche wird von Plattner in folgendem Satz zusammengefaßt: „Es ändert sich diejenige Menge der bei der Oxydation der Schwefelmetalle frei werdenden schwefligen Säure, welche mit den gleichzeitig entstehenden Metalloxyden noch in unmittelbarer Berührung ist, bei der vorhandenen erhöhten Temperatur auf Kosten der zur Oxydation der Schwefelmetalle zuströmenden atmosphärischen Luft, unter Ausscheidung des Stickstoffes, in Schwefelsäure um, und verbindet sich entweder als solche sogleich mit den bereits gebildeten Metalloxyden, sobald dieselben geneigt sind, bei der Temperatur, die sie angenommen haben, sich in schwefelsaure Metalloxyde zu verwandeln, oder sie wird dampfförmig frei.“ Dieser Satz paßt auf alle die verschiedenen Erscheinungen, welche bei der Anzahl der aufgeführten Substanzen eintraten; er schließt auch Alles in sich, was Scheurer-Kestner angibt, speciell den Gehalt der Kiesabbrände an Schwefelsäure, als man die Temperatur des Platinrohres mäßiger gehalten hatte. – Der Versuch mit Kochsalz darf als ein Vorversuch zu dem Hargreaves'schen Verfahren der Sulfatbereitung angesehen werden. Bis dahin sind Plattner und Scheurer-Kestner in Uebereinstimmung. Sie sind es auch noch völlig in Bezug auf die Versuche, nach welchen schweflige Säure sich nicht zersetzt und keine Schwefelsäure gebildet wird, wenn man sie allein oder mit Luft gemengt durch eine erhitzte Röhre gehen läßt. Indessen zieht Plattner aus seinen (S. 97) angegebenen Versuchen für die Röstprocesse keine Folgerungen (er schließt aus diesem und dem anderen Versuche mit der Platinspirale nur dies, daß sein Apparat für die Untersuchungen, die er ausführen wollte, zweckmäßig sei), während Scheurer-Kestner aus seinem analogen Versuche folgert, daß die in den Röstöfen gebildete wasserfreie Schwefelsäure nicht durch Zersetzung von schwefliger Säure entstehen könne. Und dies ist zu weit gegangen, weil der Versuch erstens nur mit schwefliger Säure allein und sodann unter Verhältnissen angestellt ist, welche denjenigen, auf die er übertragen ist, sehr wenig entsprechen. Plattner nämlich fährt fort, daß wenn sich aus den erwähnten Untersuchungen auch mit Bestimmtheit das angeführte Resultat ziehen läßt: „so liegt doch noch die Vermuthung nahe, daß die bei der Oxydation der Schwefelmetalle frei werdende schweflige Säure unter gewissen Umständen, und zwar bei Mangel an einer hinreichenden Menge von atmosphärischer Luft, vielleicht manchen mit ihr in Berührung befindlichen Metalloxyden Sauerstoff entziehe und sich dadurch ebenfalls in Schwefelsäure umändere.“ Daß dies in der That der Fall ist, läßt sich durch Versuche im Kleinen sehr leicht nachweisen. „Man darf nur (S. 101) trockenes, schwefligsaures Gas über verschiedene Metalloxyde leiten, während man dieselben bei Abschluß von atmosphärischer Luft in einer Glasröhre bis zum anfangenden Glühen erhitzt.“ So wurde beim Behandeln von Kupferoxyd, Bleioxyd, Eisenoxyd (welches „sofort eine Zerlegung der schwefligen Säure in Schwefelsäure und Schwefel bewirkte“) und Zinkoxyd immer Schwefelsäure, theils frei, theils gebunden nachgewiesen (unter Bildung von sublimirtem Schwefel, Schwefelmetall und eventuell Veränderung der angewendeten Oxyde zu Verbindungen mit weniger Sauerstoff). Durch diese Versuche „wird auch zugleich mit angedeutet, daß gasförmige schweflige Säure bei Abschluß von atmosphärischer Luft schon durch bloße Berührung mit glühenden starren Substanzen in Schwefelsäure und Schwefel zerfallen kann.“ Daß dies wirklich stattfindet, beweist Plattner durch fernere Versuche mit metallischem Eisen, metallischem Silber, metallischem Kupfer, Eisenmonosulfuret (welches sehr reichlich), Schwefelzink (das sehr wenig Schwefelsäure bildet) und Quarz. Ich muß es mir versagen, noch weiter auf Plattner's Ausführungen einzugehen und verweise einfach auf das angeführte ziemlich wenig bekannte Buch dieses ausgezeichneten Hüttenmannes, aus welchem auch der mit Schwefelmetallen arbeitende Schwefelsäurefabrikant sich sehr viel Nützliches entnehmen kann. Man sieht aber bereits aus den wenigen daraus gemachten Mittheilungen, daß die Frage über Entstehung der wasserfreien Schwefelsäure bei der Schwefelkiesverbrennung bereits beantwortet und, wie mir scheint, sehr gründlich erschöpft ist. Auch Fortmann (1868 187 155) hat vor einigen Jahren Untersuchungen über das Thema der wasserfreien Schwefelsäure, welche bei Verbrennung von Schwefelkies entsteht, veröffentlicht, und weitere Mittheilungen in Aussicht gestellt, die ich bisher jedoch nicht angetroffen habe. Er gibt bei einem Schwefelkies von 50,21 Proc. Schwefel einmal 16,72 Proc., dann 18,07 Proc. (sogar 40,13 Proc.) Schwefel an, welcher bei der Röstung, wie er sie vornahm, sich in Schwefelsäure verwandelt hatte. Es waren diese Zahlen allen Fabrikanten, mit welchen ich über die Versuche sprach, exorbitant, und wenn im Großen ähnliche Verhältnisse stattfänden, so könnte man leicht versucht sein, auf dieser Grundlage Nordhäuser Vitriolöl zu bereiten, dessen Herstellung gegenwärtig mit einigem Feuer von verschiedenen Seiten angestrebt wird. Schon E. Kopp hat (nach Wagner's Jahresbericht für 1868, S. 168) darauf aufmerksam gemacht, inwiefern vielleicht Fortmann's Resultate zu hoch ausgefallen sein könnten. Ich muß es dahin gestellt sein lassen, in wie weit Kopp's Einwand hier etwa zutrifft. Vielleicht geben aber Fortmann's Versuche, verbunden mit Angaben von Plattner, an sich schon einen Fingerzeig zur Erklärung der erhaltenen hohen Beträge an Schwefelsäure. Fortmann wendete nämlich einen sehr reichen (51,21 proc.) Schwefelkies und diesen noch überdies im „Zustande des zartesten Pulvers“ an. Das Pulver war in eine Glasröhre gefüllt, und man ließ unter langsamem allmäligem Erhitzen mittels eines Aspirators einen „mäßigen“ Luftstrom durch das Rohr gehen. Sollte hier etwa der Fall zutreffen, daß man im Verhältniß zur ganzen Menge des Schwefelkieses für die Luft nur wenig Berührungspunkte hatte und ein gewisser Luftmangel vorhanden war, bei welchem Eisenmonosulfuret sowohl, wie auch Eisenoxyd nach Plattner (S. 102 und S. 104) reichlich zur Bildung von Schwefelsäure betragen, während der abgeschiedene Schwefel noch zu schwefliger Säure verbrennen konnte? Fortmann erwähnt auch noch sehr richtig, daß auch bei Schwefelverbrennung sich wasserfreie Schwefelsäure bildet. Das Factum steht mit den Folgerungen, welche Scheurer-Kestner aus seinen Versuchen zieht, geradezu in Widerspruch, ist aber in völliger Uebereinstimmung mit Plattner's Ergebnissen. Scheurer-Kestner meint nun weiter, daß die Gegenwart der Schwefelsäure in den Röstgasen auch, in gewissem Grade, den Betrag an Sauerstoff erklärt, welchen man vermißt, wenn man die Röstgase, wie es zu geschehen pflegt, nahe beim Eintritte in die erste Kammer untersucht. Er schiebt diesen Abgang auf Rechnung des in der gebildeten Schwefelsäure verschwundenen Betrages an Sauerstoff, welche sich in der Gasleitung, Dank der vorhandenen Feuchtigkeit, bereits condensirt hat, und führt folgende Gasanalyse (nach Bunsen ausgeführt) an: Schweflige Säure 4,34 Sauerstoff 11,18 Stickstoff 84,48 –––––– 100,00 („Der Antheil an schwefliger Säure in diesem Gase ist sehr gering, in Folge des Zutrittes von Luft während des Ziehens der Gasprobe; aber die wesentlichen Resultate bleiben unberührt“.) Scheurer-Kestner berechnet nun aus dem Gehalte an schwefliger Säure die Zusammensetzung des Gasgemenges unter der Annahme, daß der Sauerstoff der Luft nur zur Bildung von schwefliger Säure und Eisenoxyd verwendet wird, und findet: Schweflige Säure 4,34 Sauerstoff 15,41 Stickstoff 80,25 –––––– 100,00 Resultate, denen ich nicht nachkommen kann. Denn da die schweflige Säure dasselbe Volum hat wie der Sauerstoff, welcher zu ihrer Bildung beitrug, und der Gehalt an Sauerstoff in der atmosphärischen Luft 20,96 Proc. ausmacht, so muß der Sauerstoffrest betragen 20,96 – 4,34 = 16,62, und die theoretische Zusammensetzung wäre somit: Schweflige Säure 4,34 Sauerstoff 16,62 Stickstoff 79,04 –––––– 100,00 Scheurer-Kestner schließt: „Es ist klar, daß das Verschwinden des Sauerstoffes der Bildung von Schwefelsäure unter den Bedingungen zuzuschreiben ist, welche oben angegeben sind. Nur haben mir bis jetzt directe Bestimmungen, welche das Verhältniß von schwefliger Säure zu Schwefelsäure in den Röstgasen ermitteln sollten, noch nicht so bemerkenswerthe Resultate geliefert wie die Gasanalyse. . . . . Der Antheil von Schwefelsäure scheint 2 bis 3 Proc. der gesammten schwefligen Säure nicht zu übersteigen.“ Es ist nicht allein ganz glaubhaft, sondern sogar sehr natürlich, daß die directen Bestimmungen hier mit der Gasanalyse nicht so recht übereinstimmende Resultate geben wollen. Diese Uebereinstimmung wird sich zwar wohl nahezu erreichen lassen, aber immerhin schwierig und nur durch lange Versuchsreihen und alsdann auch nur mit Berücksichtigung eines Umstandes, den Scheurer-Kestner gar nicht mit in Anschlag bringt, des Umstandes nämlich, daß eine fernere Ursache für den Abgang im Sauerstoffbetrage der Röstgase auch in dem Gehalte der Abbrände an Eisensulfaten vorhanden ist. Der hier an Schwefelsäure gebundene Sauerstoff wird wohl durch die gasanalytische Untersuchung jederzeit richtig mit zum Ausdruck gebracht, kann dies aber niemals werden durch Bestimmung der Schwefelsäure in den Röstgasen. Wie nun Plattner angibt, verbindet sich die Schwefelsäure mit den verschiedenen Metalloxyden nach dem Grade der Verwandtschaft, welche sie bei den vorhandenen Temperaturen äußern, und hieraus leuchtet ein, daß man bei Schwefelkiesröstung ziemlich verschiedene Mengen von Schwefelsäure erhalten wird, je nachdem die Temperatur hoch oder niedrig ist, und daß bei ein und demselben Schwefelkies viel und wenig Schwefelsäure in den Abbränden enthalten sein kann, je nach der Temperatur, welcher diese Abbrände ausgesetzt waren. Durch Behandeln mit Wasser – wodurch man aber nur einen Theil der Sulfate extrahirt, da es im Wasser unlösliche gibt, die sich auch in der Lauge beim Stehen an der Luft bilden – habe ich in Abbränden mit 2 bis 5 Proc. rückständigem Schwefel, erhalten aus Kiesen mit 40 bis 48 Proc. Schwefel, noch immer 3/4 bis 1 1/2 Proc. Schwefel als Schwefelsäure auslaugen können. Will man also mit der Gasanalyse möglichst übereinstimmende Resultate erhalten, so muß man sich nicht allein auf die Ermittelung der dampfförmig entweichenden Schwefelsäure beschränken. Man muß vielmehr auch die Abbrände sehr fleißig auf ihren Gehalt an Schwefelsäure untersuchen. Und auch dann ist einer Fehlerquelle noch nicht Rechnung getragen, welche darin besteht, daß nicht alle Schwefelsäure in den Abbränden an Eisenoxyd, sondern ein Theil auch an Oxydul gebunden ist, welches wiederum weniger Sauerstoff zu seiner Bildung verbrauchte als das Oxyd.