Titel: Die Fabrikation des essigsauren Natron und der reinen Essigsäure aus Holzessig; von Ernst Dollfus.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 265
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Die Fabrikation des essigsauren Natron und der reinen Essigsäure aus Holzessig; von Ernst Dollfus. Nach der Deutschen Industriezeitung, 1875 S. 412. Dollfus, über die Fabrikation des essigsauren Natron und der reinen Essigsäure aus Holzessig. Der bei der Verkohlung des Holzes in verschlossenen Gefäßen gewonnene Holzessig wird von seinem Holzgeistgehalte durch fractionirte Destillation befreit, wie dies bereits früher (1874 214 62) beschrieben worden ist, und hierauf behufs einer weitern Reinigung vom Theergehalte der Rectification unterworfen. Dieser destillirte Holzessig bildet eine ziemlich wasserhelle Flüssigkeit und hält gewöhnlich ca. 2 bis 2 1/2° B.; man füllt ihn in hölzerne Standgefäße und sättigt ihn darin mit calcinirter Soda. Da durch die frei werdende Kohlensäure beim Sättigen die Flüssigkeit lebhaft schäumt, so darf man die Soda nur in kleinen Portionen eintragen und darf die Standgefäße nur zu 2/3 ihres Inhaltes mit Holzessig anfüllen, um ein Uebersteigen zu vermeiden. Während des Sättigens scheiden sich vielfach theerige Körper aus, die man sorgfältig durch Abschäumen mittels eines kupfernen Schäumlöffels entfernt. Zeigt die Probe mittels Lackmus, daß die Säure vollständig neutralisirt ist, so hört man mit Eintragen von Soda auf, rührt die Flüssigkeit mit einer hölzernen Krücke gut auf und überläßt sie dann der Ruhe. Hierbei sammelt sich noch viel Theer an der Oberfläche, den man sorgfältig abschäumt. Nach 24stündigem Stehen läßt man die geklärte Lauge von holzessigsaurem Natron in fläche Abdampfpfannen von Gußeisen oder starkem Eisenblech fließen und dampft sie darin über freiem Feuer ein. In manchen Fabriken, besonders französischen, verwendet man zur Heizung dieser Pfannen vielfach mit Vortheil die abziehenden Verbrennungsgase der Verkohlungsapparate. Man dampft so lange ein, bis die Flüssigkeit kochend 27° B. zeigt, und kann während des Eindampfens noch viel Theer abschäumen, welcher sich an der Oberfläche ausscheidet. Nach erfolgter genügender Concentration füllt man die Lauge in Krystallisationsgefäße von Eisenblech; dieselben sind ca. 2m lang, 1m breit und 0,5m hoch und haben eine nach vorn geneigte Lage, sowie über dem Boden an der tiefsten Stelle eine Ausflußöffnung, welche mit einem Holzstopfen verschlossen ist. Die Gefäße müssen an einem möglichst kühlen Ort stehen; nach zwei Mal 24 Stunden, im Winter nach kürzerer Zeit, ist die Krystallisation des rohen essigsauren Natron vollständig erfolgt. Man zieht den Holzstopfen heraus, läßt die Mutterlaugen ablaufen und die Krystallmassen gut abtropfen, entfernt sie dann aus den Gefäßen und gibt sie in gußeiserne Kessel, um sie nochmals zu lösen und umzukrystallisiren. Man setzt der Salzmasse nur die zum Lösen genau nöthige Quantität Wasser hinzu, damit die Lauge, wenn alles gelöst ist, kochend 27° B. zeigt, und kann hierbei mit Dampf oder directem Feuer erhitzen. Zeigt die Lösung die angegebene Stärke und ist alles Salz gelöst, so entleert man die Kessel und füllt die Laugen in Krystallisirgefäße von der vorher beschriebenen Art, um sie darin dem Krystallisiren zu überlassen. Nach 1 bis 2 Tagen ist die Krystallisation vollständig vor sich gegangen, und man läßt nun wiederum die Mutterlaugen sorgfältig abfließen und trennt die Salzmasse durch Abtropfenlassen auf hölzernen Horden sorgfältig von etwa noch damit gemengten Mutterlaugen. Das so erhaltene holzessigsaure Natron ist nun zwar bedeutend reiner und theerfreier als das Product der ersten Krystallisation, es ist aber noch immer vom Theergehalt gelblich gefärbt und bedarf um vollständig rein und farblos erhalten zu werden, einer weitern Reinigung. Hierzu gibt es zwei verschiedene Methoden, welche beide in der Praxis Anwendung finden und von denen jede ihre besondern Vortheile bietet, ohne jedoch frei von Mängeln zu sein, so daß es schwer zu bestimmen sein dürfte, welche dieser Methoden die vortheilhaftere ist. Die eine Reinigungsweise besteht darin, daß man das holzessigsaure Natron einem Schmelzproceß unterwirft (vgl. 1822 9 441. 1852 124 434), bei welchem die theerigen Beimengungen möglichst zerstört werden, und verfährt man zu diesem Behufe folgendermaßen. Man verwendet zwei gußeiserne Kessel von ziemlich flacher Form, welche dicht neben einander stehen und mit directem Feuer erhitzt werden. In den einen, der nur zum Entwässern des Salzes dient, bringt man das holzessigsaure Natron der zweiten Krystallisation und erhitzt dasselbe darin, indem man die Kessel anheizt. Das Salz schmilzt alsbald in seinem Krystallisationswasser, wird wieder leicht flüssig und beginnt lebhaft zu schäumen, so daß man es stetig rühren muß, um das Uebersteigen zu vermeiden. Indem das Wasser sich verflüchtigt, verwandelt sich die Flüssigkeit sehr bald in eine trockene, pulverige Masse von wasserfreiem Natronsalz; entweichen keine Wasserdämpfe mehr und ist der Kesselinhalt vollständig trocken geworden, so mäßigt man das Feuer und trägt das entwässerte Salz in den daneben stehenden Kessel ein, der zum eigentlichen Schmelzen dient. Wasserfreies essigsaures Natron hat, wie bekannt, die Eigenschaft, auf 320° erhitzt, zu schmelzen, ohne daß die organische Verbindung wesentlich angegriffen würde; dagegen werden bei einer so hohen Temperatur die theerigen Körper zerstört, welche das holzsaure Natron verunreinigen. Diese Eigenschaft des essigsauren Natron benützt man zu seiner Reinigung und heizt zu diesem Zwecke den zweiten Kessel stark an, nachdem man ihn, wie erwähnt, mit dem entwässerten Salz gefüllt hat. Mit einer eisernen Krücke rührt man die Masse sorgfältig um, damit eine möglichst gleichmäßige Erhitzung derselben stattfindet. In manchen Fabriken hat der Kessel, der zum Schmelzen dient, eine mechanische Rührvorrichtung und kann dann derselbe mit einem eisernen Deckel verschlossen werden, wodurch man Abkühlung vermeidet und den Schmelzproceß nicht unwesentlich beschleunigt. Diese Einrichtung hat jedoch den großen Nachtheil, daß man den Gang des Schmelzens nicht so gut überwachen und verfolgen kann, als wenn man in offenen Kesseln schmilzt. Aber gerade ein möglichst sorgfältiges Ueberwachen der Schmelzung ist Haupterforderniß bei diesem Verfahren, denn erhitzt man nicht genügend, so wird das Schmelzgut nicht gleichmäßig erwärmt, und es bleiben darin unzersetzte theerige Producte zurück, die später das Fabrikat verunreinigen; erhitzt man jedoch zu stark, so geht die Zersetzung weiter und das essigsaure Natron wird verbrannt, indem es unter Acetonentwicklung in kohlensaures Natron übergeht, so daß merkliche Einbuße an Material entsteht. Letzterer Umstand ist wohl beim sorgfältigsten Betrieb nie ganz zu vermeiden, doch ist es, da man die Grenze nicht immer ganz genau einzuhalten vermag, jedenfalls gerathener, eher etwas zu stark zu erhitzen als zu schwach, weil man dann sicher ist, daß auch alle Theerkörper nunmehr vollständig verkohlt sind. Mit der Zeit setzen sich im Kessel, namentlich am Boden desselben, ziemlich starke Krusten einer grauen Masse an; dieselbe besteht aus wasserfreiem kohlensauren Natron, gemischt mit Kohle, und man muß diesen Körper von Zeit zu Zeit durch Aushacken des Kessels daraus entfernen. Sobald das Natronsalz unter dem Einfluß der Hitze im Kessel zu einer dünnen, durchaus gleichmäßigen Flüssigkeit geschmolzen ist und man beim Umrühren keine Klumpen mehr verspürt, so ist dies ein Zeichen, daß der Proceß zu Ende ist; man entfernt das Feuer und kellt mit einem eisernen Schöpflöffel das geschmolzene essigsaure Natron möglichst schnell aus dem Kessel, indem man es behufs seiner Lösung entweder gleich in heißes Wasser einträgt (was aber mit Vorsicht geschehen muß, weil dadurch, daß die heiße Schmelze mit dem Wasser in Berührung kommt, jähe Erhitzung eintritt und Explosionen bewirkt werden können), oder man füllt dasselbe in cylindrische Gefäße aus Eisenblech, sogen. Dämpfer, die man, wenn sie voll sind, mit einem Deckel verschließt und worin das Salz erkaltet. Sobald der Kessel entleert ist, füllt man ihn wieder von Neuem mit essigsaurem Natron, welches man vorher in dem daneben stehenden Kessel auf die beschriebene Art entwässert hat, und kann so ununterbrochen mit beiden Kesseln arbeiten. Bei einiger Uebung gelingt es leicht, in der gleichen Zeit zu entwässern, wie zu schmelzen, so daß beide Kessel fortwährend in Thätigkeit bleiben können, wodurch eine nicht unwesentliche Ersparniß an Brennmaterial erzielt wird. Ist das geschmolzene Salz in den Dämpfern erkaltet, so entleert man dieselben durch einfaches Umkippen, wodurch der Inhalt herausfällt; die Schmelze bildet jetzt eine poröse Masse von grauer Farbe mit Silberglanz auf dem Bruch; sie zieht in der Luft begierig Wasser an und zerfällt dann schnell zu Pulver. Um sie zu zerkleinern, muß man sie in möglichst frisch bereitetem Zustande zerschlagen und, um sie wieder zu lösen, in Kessel mit heißem Wasser bringen. Die Lösung filtrirt man auf Leinenfiltern, wobei die verkohlten Verunreinigungen auf dem Filter zurückbleiben und bei einer richtig geleiteten Operation das Filtrat farb- und geruchlos abfließt. Ist dasselbe indessen noch gefärbt, so ist dies ein Zeichen, daß man den Schmelzproceß nicht gehörig durchgeführt hat, und man erhält dann beim Krystallisirenlassen kein reines Product; man muß in diesem Falle die Lauge vom essigsauren Natron mit Knochenkohle behandeln, bis sie vollständig entfärbt ist, was Mühe und Kosten verursacht, die man sämmtlich vermeidet, wenn man das Salz gut geschmolzen hat. Die wasserhelle Lauge bringt man in eiserne Pfannen und dampft sie darin so weit ein, bis sie kochend 24° B. zeigt; hierauf füllt man sie in Krystallisationsgefäße aus Eisenblech von der beschriebenen Form und läßt darin an einem kühlen Ort die Krystallisation vor sich gehen, wobei man nach 1 bis 2 Tagen ganz reine farblose Krystalle von essigsaurem Natron erhält. Die Krystalle trennt man durch Abtropfenlassen von den Mutterlaugen und bringt sie auf Horden, um sie bei mäßiger Temperatur zu trocknen. Man muß indessen darauf bedacht sein, daß die Trocknungstemperatur + 30° nicht überschreitet, denn sonst verliert das Salz Krystallwasser, verwittert und wird unscheinbar von Aussehen. Aus diesem Grunde trocknen wohl die meisten Fabrikanten das Salz nicht ganz vollkommen und bringen es immer in etwas feuchtem Zustande in den Handel, wodurch dasselbe an Aussehen wesentlich gewinnt; doch darf der Wassergehalt 2 bis 3 Proc. nicht übersteigen. Neuerdings verwendet man statt des Trockenverfahrens durch Erwärmen vielfach Ausschleudern des Salzes mittels des Centrifugalapparates, und gelingt es auf diese Weise durch längeres oder kürzeres Ausschleudern ein ziemlich trockenes Product zu erzielen. Die erhaltenen Mutterlaugen dampft man nochmals auf die angegebene Concentration ein, läßt sie dann krystallisiren und erhält in der beschriebenen Weise noch ein Quantum reines essigsaures Natron. Die nunmehr resultirenden Mutterlaugen sind indessen bereits zu sehr gefärbt, um durch nochmaliges Eindampfen und Krystallisirenlassen reines Product zu ergeben. Man vereinigt sie daher mit dem holzsauren Natron der zweiten Krystallisation, um sie zur Trockne einzudampfen und neuerdings zu schmelzen. In manchen Etablissements verwendet man in neuerer Zeit bei der Krystallisation des reinen essigsauren Natron Krystallisationsgefäße, worin eine mechanische Rührvorrichtung angebracht ist. Dadurch, daß die Laugen während des Krystallisirens in steter Bewegung erhalten werden, bewirkt man schnellere Abkühlung und Beschleunigung der Krystallbildung. Namentlich scheiden sich aber dann meist nur ganz kleine Krystalle aus, die für reiner gelten, weil sie in sich nicht soviel Mutterlaugen gebunden halten wie die großen Krystalle des essigsauren Natron, welche beim ruhigen Stehen der Lauge sich bilden. Nun ist es eine bekannte Erfahrung, daß die Verunreinigungen, namentlich etwa noch vorhandene Theerkörper, beim Krystallisiren des essigsauren Natron in den Mutterlaugen bleiben, so daß man mit Hilfe dieser Vorrichtung ein reineres Product erzielt. Uebrigens enthält bekanntlich der Holzessig neben Essigsäure stets noch in kleinen Mengen die Homologen der einatomigen Fettsäurereihe, Propionsäure, Buttersäure etc.; da die Natronsalze dieser Säuren schwerer krystallisirbar (weil leichtlöslicher) als das essigsaure Natron sind, so gelingt es, auf die angegebene Weise ein Product zu erhalten, welches ziemlich frei von diesen Körpern ist, indem dieselben in die Mutterlaugen gehen. (Fortsetzung folgt.)