Titel: Feuerungsanlage mit Unterwind von constantem Druck, System Tissot und Verdié; beschrieben von T. Ramdohr.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 388
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Feuerungsanlage mit Unterwind von constantem Druck, System Tissot und Verdié; beschrieben von T. Ramdohr. Mit Abbildungen auf Taf. IX [b.d/1]. Tissot u. Verdié's Feuerungsanlage mit Unterwind von constantem Druck. Die Frage wegen der Herstellung wirklich rationeller Feuerungsanlagen ist in der That zu einer brennenden geworden, und sie wird hoffentlich im Interesse der gesammten Industrie nicht früher von der Tagesordnung verschwinden, als bis sie dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft und Technik entsprechend so gelöst worden ist, daß für alle Verhältnisse sichere Normen zur höchsten Ausnützung der Brennstoffe vorhanden sind. Ohne Zweifel darf man die allgemeine Einführung der directen Gasfeuerung Vgl. Gasfeuerung für Dampfkessel; von Ponsard, * 1875 216 199. Desgl. von Müller und Fichet, 1875 218 406. als das letzte nothwendige Ziel aller derartigen Bestrebungen im Voraus bezeichnen; indeß sind, gewissermaßen als Zwischenstationen, auch solche Feuerungsanlagen der Beachtung werth, welche ohne wesentlichen Umbau vorhandener Einrichtungen eine hohe Ausnützung des Brennstoffes gewährleisten. Zu dieser Klasse von Neuerungen gehören die von Tissot und Verdié angegebenen Planrostfeuerungen mit Unterwind von constanter Pressung, von denen wir nach Armengaud's Publication industrielle, v. 22 p. 473 eine für Dampfkessel mit bestem Erfolge ausgeführte Anlage nachstehend beschreiben. Tissot und Verdié gehen von dem ganz richtigen Grundsatze aus, daß nur ein kleiner Theil derjenigen Wärme, welche nothwendiger Weise durch den Schornstein entweichen muß, um den zur hinreichenden Zuführung frischer Luft erforderlichen Zug herbeizuführen, dazu erforderlich ist, um die gleiche Menge von Luft auf mechanischem Wege mit dem Brennstoff in Berührung zu bringen. Sie benützen deshalb den Schornstein nicht mehr als Mittel zur Hervorbringung des Zuges, sondern nur als Canal zur Abführung des Ueberschusses an Verbrennungsproducten aus den Feuerzügen, in welchen letztern sie alle durch den Verbrennungsproceß erzeugten Gase unter einer gewissen Pressung möglichst lange festzuhalten und bis auf das Aeußerste auszunützen suchen. Feuerthüren und Aschenfall sind möglichst luftdicht geschlossen, und durch einen Ventilator wird unter den Rost atmosphärische Luft mit einem Druck von 4 bis 5cm Wassersäule geblasen, während der Schieber vor dem Schornstein nur so weit als unumgänglich nothwendig geöffnet ist. Die erzielten Resultate sind allerdings außerordentlich günstig, wie wir weiter unten sehen werden, müssen aber zum Theil auf Rechnung der ungewöhnlich umfassenden Ausnützung der Wärme durch Unterkessel (Bouilleurs) und die in Frankreich mit Recht sehr beliebten großen Vorwärmer oder Nebenkessel geschrieben werden, wie wir sie bei der zur Prüfung der neuen Einrichtung gewählten Dampfkesselanlage in der Spinnerei und Weberei von F. Lelarge in Rheims vorfinden. In den Fig. 2 bis 4 ist die mit der neuen Einrichtung versehene Kesselanlage in verschiedenen Ansichten und Schnitten, und in den Fig. 5 bis 10 sind Details der wichtigern Theile des Windzuführungsapparates dargestellt. Jeder Dampferzeuger besteht aus einem Haupt- oder Oberkessel A mit drei Unterkesseln oder Bouilleurs B und vier seitlich in den Abgangsfeuerzügen gelagerten Vorwärmern oder Nebenkesseln C. Diese acht zusammengehörigen Kesseltheile empfangen das Speisewasser der Reihe nach und zwar streng nach dem Princip der Gegenströmung, so daß das Wasser in den untersten Vorwärmer zuerst und in die zunächst vom Feuer berührten Unterkessel zuletzt gelangt. Je zwei zusammengehörige Vorwärmer stehen durch senkrechte Rohre h, h (Fig. 4), der zweite steht mit dem dritten durch das Rohr i (Fig. 3) und endlich der oberste Vorwärmer mit dem Hauptkessel A durch das in letztern von oben eintretende und bis nahe zum Boden unter Wasser tauchende Rohr j (Fig. 2 und 4) in Verbindung. – Die gesammte Heizfläche beträgt für jeden Dampferzeuger 133qm. Die Verbrennungsproducte bewegen sich zunächst an den in einem gemeinschaftlichen Feuerzuge liegenden drei Unterkesseln entlang, werden unter dem Oberkessel in zwei durch eine gemauerte Zunge von einander getrennten Zügen c und c' gleichzeitig nach vorn geführt, ziehen von da aus in den Canal d, welcher die beiden obern Vorwärmer enthält, wieder nach hinten, gelangen endlich in dem Canal e, in welchem die beiden untern Vorwärmer liegen, wieder nach vorn und von hier aus schließlich in die Canäle f und f', welche sie durch den gemeinschaftlichen Fuchs g dem Schornstein zuführen. N, N sind die Register, welche, wie schon bemerkt, nur sehr wenig geöffnet werden. In je einer Wange der Aschenfälle mündet ein Luftzuführungscanal G, welcher sich von dem mit dem Blasrohre des Ventilators H communicirenden gemeinschaftlichen Canal G' abzweigt. Das Blasrohr geht quer durch einen Canal I hindurch, welcher seinerseits durch die beiden Oeffnungen I' mit den Abgangsfeuerzügen f und f' in Verbindung steht und von ihnen durch die kleinen Schieber i' abgeschlossen werden kann. Der Zweck dieser Einrichtung wird weiter unten näher besprochen. Lage und Anordnung zum Betriebe des Ventilators H ergeben sich aus den Zeichnungen von selbst; allenfalls wäre darauf aufmerksam zu machen, daß die Umdrehungsgeschwindigkeit des Flügelrades während des Betriebes durch Anwendung der beiden Riemenkegel J und J' veränderlich gemacht worden ist, und die Verschiebung des Treibriemens durch den Ausrücker t, t' bewirkt wird. In der Nähe eines jeden Kessels findet sich in dem Windcanal G ein als Windvertheiler zu bezeichnender Apparat K angebracht, dessen Details aus den Fig. 5 und 6 ersichtlich sind. Diese Vorrichtung ermöglicht es, die Windzuführung unter den Rost mittels der Drosselklappe k zu reguliren und außerdem mittels Oeffnung der Klappe l einen Theil des Windes durch den Canal L (Fig. 2) der hohlen und mit Düsen in ausgerüsteten Feuerbrücke L' zuzuführen. Hierdurch wird nicht allein durch innigere Mischung des Sauerstoffes mit den aus dem Brennstoff entwickelten Gasen eine vollständigere Verbrennung überhaupt erzielt, sondern es gestattet diese Einrichtung auch, daß während der Beschickung des Rostes mit frischem Brennmaterial die Drosselklappe k gänzlich geschlossen und dennoch eine erhebliche Windmenge zu dem Brennstoff gelangen und namentlich zur Verbrennung der während der Aufgabe des letztern auftretenden Kohlenwasserstoffe dienen kann. Die Drosselklappe k ist durch den Hebel k' beweglich, welcher in Knaggen, bezieh. Einschnitte des Bogens k'' fixirt werden kann. Durch den Ventilator wird aber dem Brennstoff nicht nur frische Luft zugeführt, sondern dieselbe wird auch vorher dadurch angewärmt, daß man sie bei ihrem Eintritt in den Canal G' mit einem Theile der heißen, auf dem Wege zum Schornstein befindlichen Verbrennungsproducte mischt, welche durch Vermittlung des Canals I und der Oeffnungen I'' aus den Abgangszügen f und f' entnommen werden. Die Heranziehung dieses Theils der Verbrennungsproducte erfolgt dadurch, daß man den Ventilatorwind bei seinem Eintritt in den Canal G' in derselben Weise saugend wirken läßt, wie dies bei jedem Strahlapparate (Dampfstrahlpumpe, Dampfstrahlgebläse u.s.w.) der Fall ist. Zu diesem Behuf ist die in der Giebelwand des Windcanals G' für das Blasrohr ausgesparte Oeffnung nach beiden Seiten hin conisch erweitert und die Menge der durch den Windstrom anzusaugenden und mitzureißenden Verbrennungsgase mittels des auf dem Blasrohre durch den Bügel M' verschiebbaren Ringes M regulirbar gemacht worden (Fig. 7 und 8). Ohne auf eine Kritik dieser Wiederzuführung von Verbrennungsproducten einzugehen, deren Werth dem Referenten mindestens nicht zweifellos erscheint, muß man doch die Wahrscheinlichkeit einer verhältnißmäßig vollkommenen Verbrennung mittels der soeben beschriebenen und im Ganzen sehr einfachen Vorrichtungen zugeben. Denn gerade dadurch, daß bei fast gänzlich geschlossenem Schornsteinregister N die Verbrennung nur langsam und unter einem gewissen Druck erfolgt, welcher in sämmtlichen Feuerzügen nahezu derselbe ist, wird eine sehr innige Mischung der zugeführten atmosphärischen Luft mit den aus dem Brennstoff entwickelten Gasen herbeigeführt, welche bei der durch den gewöhnlichen Schornstein bewirkten und meistens sehr schnellen Gasbewegung innerhalb der Feuerzüge nur in weit geringerm Maße erreicht werden kann. Die Richtigkeit dieser Annahme ergibt sich u.a. auch aus der in unserer Quelle enthaltenen Mittheilung, daß stets eine durchaus vollkommene Rauchverbrennung vorhanden sei. Zu bedauern ist nur, daß Beobachtungen über die chemische Zusammensetzung der Verbrennungsproducte nicht angestellt worden sind, obgleich dieselben mit Hilfe des von Orsat (*1875 217 220) angegebenen ApparatesVgl. auch Ramdohr: Die Gasfeuerung oder die rationelle Construction industrieller Feuerungsanlagen (G. Knapp'sche Verlagsbuchhandlung. Halle a. d. S. 1875); ferner Weinhold, 1876 219 420. leicht ausgeführt werden können und den besten Aufschluß über den Werth einer jeden Feuerungsanlage geben. Bevor wir schließlich die mit dieser neuen Einrichtung erzielten Betriebsresultate besprechen, möge der Vollständigkeit wegen noch in Kürze der in Fig. 9 und 10 näher abgebildeten Vorrichtung gedacht werden, welche die Erfinder als hydraulischen Regulator bezeichnen, die aber in der That nur ein ziemlich unbequemer Indicator für die Windpressung ist, welcher einfacher und billiger durch ein mit Wasser oder Oel gefülltes offenes Manometer zu ersetzen sein würde. Aus dem Windcanal G führt ein U-förmig nach unten gebogenes Rohr O' in die auf einer Wandconsole ruhende gußeiserne Flasche O, in welcher jenes Rohr unter Wasser taucht. Der Deckel der Flasche ist durchbrochen, damit der äußere Luftdruck auf die Wasseroberfläche wirken könne. Seitlich an der Flasche befindet sich ein zwischen Coulissen verschiebbares Abflußrohr o. Die in den Canälen vorhandene Windpressung bewirkt selbstverständlich ein Herabdrücken des Wasserspiegels innerhalb der Ausmündung des Rohres O' und ein entsprechendes Steigen desselben in der Flasche O. Uebersteigt die Windpressung die beabsichtigte und durch das Abflußrohr o im Voraus fixirte Maß, so erfolgt ein Abfluß des Wassers aus o. Nachstehende Tabelle enthält eine Zusammenstellung der an den betreffenden Dampfkesseln vor und nach der Einrichtung der neuen Heizung sorgfältig beobachteten Betriebsresultate, und zwar in Durchschnittszahlen aus mehrtägigen Beobachtungsreihen. Textabbildung Bd. 219, S. 393 Mittlere Beobachtungszahlen; Art der Beobachtungen; bei der gewöhnlichen Feuerung; bei Anwendung des Systems Tissot und Verdié; Kohlenverbrauch; In 3 Tagen; In 6 Tagen; Wirkliches Gewicht der verbrauchten Kohlen Wasser- und Aschengehalt derselben Kohlenverbrauch pro 1 Stunde Arbeitszeit; 1 qm Rostfläche; 1 qm Heizfläche; Verbrauch an Speisewasser; Gesammtverbrauch; Verbrauch pro 1 Stunde Arbeitszeit; 1 qm Heizfläche; Temperatur des Wassers; Verdampfung; Dampfspannung im Kessel; Verdampfung pro 1 k Steinkohle, ohne Berücksichtigung der Temperatur d. Wassers; auf das Gewicht der rohen Steinkohle berechnet; unter Abrechnung des Wasser- und Aschengeh Nach dem uns vorliegenden Berichte enthalten die umfangreichen und nach allen Richtungen hin sorgfältig geführten Original-Beobachtungstabellen noch eine Reihe von Zahlen, aus denen sich Folgendes ergibt. Nimmt man an, daß der nach Abrechnung des Wasser- und Aschengehaltes verbleibenden wirklichen Kohle 8000c entsprechen, so werden von denselben für die Dampfbildung bei der gewöhnlichen Rostfeuerung nur etwa 66 Proc., bei der nach dem System Tissot und Verdié dagegen etwa 82 Proc. nutzbar gemacht. Die Zahl von 10k,96 verdampften Wassers auf 1k reiner Kohle ist ein Mittelwerth, dessen äußerste Grenzen durch die beobachteten, bez. berechneten Zahlen von 9k,84 auf 11k,92 ausgedrückt werden. Die Reduction der Temperatur des Speisewassers auf 0° ergibt eine Verdampfung pro 1k reiner Kohle bei der gewöhnlichen Feuerung von 8k,34 und bei der umgeänderten von 10k,45 (anstatt der in der Tabelle enthaltenen Angaben von 8k,77 und bez. 10k,96).

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