Titel: Ueber Kohlenersparniss bei Dampfmaschinen; von O. H. Müller, Civilingenieur und Maschinenbaumeister in Pest.
Autor: O. H. Müller
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 473
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Ueber Kohlenersparniss bei Dampfmaschinen; von O. H. Müller, Civilingenieur und Maschinenbaumeister in Pest. Müller, über Kohlenersparniß bei Dampfmaschinen. Man beurtheilt die Oekonomie einer Dampfmaschine gewöhnlich nach dem Kohlenverbrauch pro Pferdekraft. Es hat dies aber nur insoferne einen Sinn, als von einem bestimmten Kesselsystem, einer bestimmten Kohle, Feuerungsanlage etc., überhaupt von ganz bestimmten Nebenumständen die Rede ist; denn Dampfmaschinen brauchen unmittelbar überhaupt keine Kohle, sondern lediglich Dampf, resp. Speisewasser, dessen Verwandlung in Dampf mit der Maschine absolut nichts zu thun hat. Wenn man erwägt, wie sehr verschieden die Kohlen ihrer Heizkraft nach überhaupt sind, wie verschieden oft die Kohle einer und derselben Grube, je nach der Art des Abbaues, des Flötzes, dem längern oder kürzern Lagern an der Luft etc. ausfällt, – ferner wie viel vom Heizer, von der Construction des Kessels, von der Art des Dampfverbrauches, vom Speisewasser, ja selbst vom Wetter beim Kohlenverbrauche abhängt, so wird man zugeben müssen, daß der Kohlenverbrauch ein sehr vager Maßstab ist. Es ist also viel richtiger, den Speisewasserverbrauch zu ermitteln. Man könnte freilich auch hiergegen etwas einwenden und sagen: „Was aus dem Speisewasser durch den Kessel wird, weiß man nicht genau; es gibt Kessel, welche kaum 2 – und solche, welche mehr als 20 Proc. des Speisewasser überreißen; es gibt selbst Kesselanlagen, wo der Dampf nicht nur vollkommen trocken, sondern selbst überhitzt ist.“ Allein die Zahl der in Gebrauch befindlichen Dampftrockner, Ueberhitzer etc. und jene der abnormen Kesselconstructionen ist so gering, und der Wassergehalt des Dampfes schwankt bei der Mehrzahl der Kessel so wenig, daß man von obigen Bedenken wenigstens so lange absehen kann, bis ein brauchbarer Apparat zur Ermittlung des Feuchtigkeitsgrades ins Leben gerufen sein wird. Da nun der Kohlenverbrauch des Kessels proportional dem Dampfverbrauche der Maschine ist (mit welcher Beschränkung werden wir später sehen), und da dieser letztere innerhalb der weiten Grenzen von 6k,5 (z.B. bei mehrern Dampfern mit „Compound-Engines“ der „Pacific“ und „West India Mail Packet Company“) bis 30k pro Pferdekraft und Stunde und darüber schwankt, während die Verdampfung bei der Mehrzahl der Kessel für eine und dieselbe Kohle (nehmen wir hier eine mittlere, mit 6000c an) nur zwischen 5,5 und 8 variirt, so ist klar, daß der Kohlenverbrauch – wenigstens beim heutigen Standpunkte der Dampfmaschinentechnik – viel weniger vom Kessel und der Feuerung, als von der Maschine abhängig ist. Daß weitaus die Mehrzahl der bestehenden Dampfmaschinen viel mehr, bis zur Hälfte und darüber, an Kohle braucht, als unter den gegebenen Umständen nothwendig wäre, ist eine Thatsache. Welch riesige Summen hierdurch bei einem Kohlenverbrauche von Hunderten, oft Tausenden von Centnern per Tag bei einem einzigen Etablissement diesem und dem Nationalvermögen verloren gehen, bedarf keiner Erörterung. Zwar läßt sich nicht läugnen, daß die Maschinenbesitzer im Allgemeinen bestrebt sind, den Fortschritten der Zeit bezüglich Steigerung der Oekonomie Rechnung zu tragen; allein nur selten sind diese oder die Fabriksdirectoren mit den Vorgängen bei der Verbrennung, mit der Physik des Dampfes und mit den Grundsätzen der ökonomischen Dampfmaschinenconstruction vertraut genug, um selber die Initiative zu Verbesserungen, deren fast jede Dampfanlage fähig ist, zu ergreifen; gewöhnlich überläßt man diese dem Maschinisten. Wie schrecklich jedoch manche, ursprünglich gute Maschinen- und Kesselanlagen von derartigen „praktischen Leuten“ verballhornisirt werden, weiß Jeder, welcher in diesen Dingen Erfahrung hat. Da werden Leisten in- und auswendig an die Schieber geflickt, die Ueberlappungen weggehauen, die Excenter verdreht, die Expansionsvorrichtungen – manchmal sehr gute – cassirt (im Interesse der „Einfachheit“!), als ob die Geometrie der Steuerungen – eine der schwierigsten Disciplinen der Dampfmaschinenlehre – auf der Straße zu finden wäre. Wird dann der Kohlenverbrauch trotz den gegentheiligen Behauptungen des Maschinisten immer größer, die Leistungsfähigkeit eine immer geringere, bis es zuletzt gar nicht mehr geht, so wendet sich der Maschinenbesitzer in den meisten Fällen zunächst an einen Maschinenfabrikanten, welcher – in erster Linie Kaufmann – natürlich zu neuen, größern Kesseln und stärkern, modernen Maschinen räch, sich aber begreiflicher Weise auf tagelange Studien und Beobachtungen der fraglichen Dampfanlage, auf Indicator- und Pyrometerversuche nicht einläßt, deren Resultat allerdings vielleicht nur die Nothwendigkeit einer sehr wenig kostspieligen Aenderung der Maschine für die verlangte Leistung ergeben haben würde. Abgeschreckt durch den hohen Ueberschlag sucht er nun vielleicht einen Civilingenieur auf, dessen Aufgabe doch darin besteht, das Interesse des Industriellen wahrzunehmen, d.h. mit einem minimen Kostenaufwands einen möglichst großen Erfolg zu erzielen. Oft genug ist leider das Gegentheil der Fall, und so mancher Maschinenbesitzer, durch schlimme Erfahrungen abgeschreckt, verzichtet lieber auf die Interventionen von dieser Seite und läßt sich in keine weitern Experimente ein, – außer vielleicht, wenn der betreffende Ingenieur nicht blos moralische, sondern auch bindende materielle Garantien für den Erfolg seiner Arbeiten anzubieten im Stande ist. Und diese zu verlangen, hat der Maschinenbesitzer das Recht. Diejenigen Ingenieure, welche ihrer Sache sicher sind, können sich darauf beschränken, ihr Honorar von dem Gewinne abhängig zu machen, welchen der Maschinenbesitzer durch ihre Verbesserungen erzielt. James Watt, G. Corliß, Mc Naught, Randolph und Elder, und viele Andere sind nur in dieser Weise vorgegangen. Es sei uns hier eine kleine Abschweifung gestattet. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß hinter den in neuerer Zeit so vielfach vorkommenden Anpreisungen von kohlensparenden Rosten, Kesseln etc. meistens arge Uebertreibung, oft sogar wirklicher Schwindel steckt. Manche Sachen bedürfen eben der Reclame, um überhaupt bekannt und genannt zu werden. Wo würde sich z.B. für Revalenta arabica, Eau de Lys de Lohse, Sozodant etc. ein Publicum finden, wenn diese nicht tagtäglich in allen Zeitungen angepriesen würden? Allein unter dem Angebotenen gibt es hier und da doch auch wirklich Gutes, und wenn Manche, ja selbst technische Corporationen (wie jüngst ein bekannter Kesselverein) die Sache dadurch ins Lächerliche zu ziehen suchen, daß sie die Ersparnißprocente der einzelnen Verbesserungen addiren und dabei unter Umständen 100 und noch mehr Procente herausbekommen, so beweisen sie damit eben so viel technischen Unverstand ihrerseits, als wie sie jenen Charlatanen imputiren wollen. Nehmen wir eine Mitteldruckmaschine ohne Condensation und ohne besondere Expansionsvorrichtung – nur mit stark überdeckendem Schieber an, welche mit 0,45 Gegendruck arbeitet und durch einen gewöhnlichen Cylinderkessel mit Unterfeuerung betrieben wird. (Derartige Maschinen findet man selbst in den Centren der Industrie noch heute zu Hunderten; das gewählte Beispiel ist der Wirklichkeit entnommen.) Der Dampfverbrauch sei 25k,5 per stündliche Pferdekraft, die verwendete Kohle enthalte 5000c, die Verdampfung sei = 4, so ist der Kohlenverbrauch pro 1e = 25,5 : 4 = 6k,375. Durch einen Kessel mit Innenfeuerung (z.B. einen Lancashire-Kessel) mit 1qm,8 Heizfläche pro Pferdekraft, von guten Verhältnissen und mit einem entsprechenden Roste und Dampftrockner versehen, würde sich die Verdampfung von 4 auf 6 steigern lassen, mithin die zu erzielende Ersparniß = 33 1/3 Proc. Ein Vorwärmer mit 60 Proc. der Kesselheizfläche, wodurch das Speisewasser auf 100 bis 120° (also die Verdampffähigkeit auf 6,6) gebracht wird, erspart 10 Proc. Die Anbringung eines zweiten Dampfcylinders zur Umwandlung in eine Woolf'sche Maschine, nebst Condensation, wodurch der Dampfverbrauch von 25,5 auf 8k,5 pro Pferdestärke reducirt wird, ergäbe eine Ersparniß von 66 2/3 Proc. Obige Ziffern addirt, würden allerdings die unmögliche Zahl von 110 ergeben. – Da nun die einzelnen Sätze, wie wohl Jeder zugeben wird, richtig sind, so liegt der Fehler in der Addition. Jede einzelne Ersparniß kann sich doch immer nur auf den frühern Zustand beziehen, folglich müssen die Reductionscoefficienten mit einander multiplicirt werden, und da erhalten wir dann 100 × (0,66 × 0,90 × 0,33) = 0,20, also 80 Proc. Ersparniß, oder einen Kohlenverbrauch von 6,375 × 0,2 = 1k,253 pro Pferdekraft und Stunde – ein Resultat, welches kein gar so außerordentliches ist, und das im vorliegenden Falle auch wirklich erzielt wurde. Wir kommen nun zu der Frage: „Woher rühren die zahlreichen Irrthümer, deren man sich in dem Bestreben nach Verbesserungen einer bestehenden Dampfanlage zu schulden kommen läßt?“ Man sollte kaum glauben, wie verschiedenartig die Ansichten über gute und schlechte, – langsame und rasche Verbrennung, Zug, saturirten und überhitzten Dampf etc. selbst unter „Fachmännern“ sind. Daß so ziemlich ein Jeder seine Rost- und Kesselconstruction etc. für die besten hält, ist natürlich; aber wenn man diese Erfinder von „gutem Zuge“ selbst angesichts rothglühender Feuerthüren sprechen hört, was soll man dazu sagen! Wer einigermaßen Uebung hat, kann eine Feuerung beurtheilen, ohne das Kesselhaus zu betreten. Wenn dem Schornstein eine permanente Rauchsäule, zumal mit großer Geschwindigkeit entströmt, wenn die untere Seite der Schlacken Verkokungen oder gar unverbrannte Kohlenstücke aufweist, so hat man es mit einer forcirten, also verfehlten Feuerung zu thun. Aber wo steckt der Fehler? Wird zu viel Kohle (pro Flächeneinheit der Rostfläche) verbrannt, weil die Feuerungsanlage mangelhaft ist, oder ist die Verbrennung eine forcirte, weil der Kessel pro Gewichtseinheit Kohle zu wenig Dampf liefert, oder endlich weil der Dampfverbrauch in keinem Verhältnisse zu Kessel und Feuerung steht? – Mit andern Worten, ist die Feuerung Ursache des zu hohen Kohlenverbrauches, oder ist sie nur das Kennzeichen einer Summe von Fehlern des Kessels, der Maschine u.s.w.? Grade über diese allerwichtigste Vorfrage ist man sich in den seltensten Fällen klar. Dennoch cassirt man oft genug ohne weiters die Roste, mauert die Kessel nach anderm System ein, und baut wohl gar einen neuen, höhern Schornstein – Auslagen, die sich bei größern Kesselanlagen auf Zehntausende von Gulden belaufen –, um damit den Kohlenverbrauch schließlich um 1/5 oder 1/4 zu ermäßigen, während die einfache Beseitigung des oft excessiven Gegendruckes durch mangelhafte Condensation, verfehlte Speisewasservorwärmer, Verminderung der schädlichen Räume, Anbringung einer bessern Steuerung u.s.w. unter Aufwendung weniger Hunderte von Gulden ebensoviel erspart haben würde! Wir wollen dies an einem Falle aus der Praxis im Nachfolgenden ziffermäßig nachweisen. Eine horizontale Condensationsdampfmaschine von 60e nominell, mit Meyer'scher Expansion, bei 15 Proc. Füllung ihre normale Kraft ausübend, ohne Dampfmantel, wird betrieben durch drei gewöhnliche Cylinderkessel mit Unterfeuerung, jeder mit zwei Bouilleurs, nach dem Gegenstromprincipe eingemauert (ein vierter Kessel ist Reserve). Das Brennmaterial ist ungarische Braunkohle, ca. 4300c enthaltend. Die Dampfspannung in dem Kessel beträgt 4at,5. Es betrug hier der schädliche Raum im Cylinder 4,5 Proc., somit der Dampfverbrauch (abgesehen von der Flächencondensation im Cylinder) = 15 + 4,5 = 19,5. Dieser Cylinder wurde durch einen neuen, gleich großen mit Corlißsteuerung ersetzt, bei welchem der schädliche Raum 1,5 Proc., somit der Dampfverbrauch nur 15 + 1,5 = 16,5 beträgt. Somit betrug die Dampfersparniß durch blose Verminderung des schädlichen Raumes = (19,5 – 16,5)/19,15 = 0,15. Der gleichzeitig angebrachte Dampfmantel, durch besondere Röhrenverbindung direct von den Kesseln gespeist, während das Condensationswasser durch natürliches Gefäll in die Kessel zurückfließt, erspart unter den obwaltenden Umständen (bei nur 62m Kolbengeschwindigkeit per Minute) 7 Proc. Dazu die Vortheile der Corlißsteuerung – sehr freier Austritt, somit ein Minimum von Gegendruck, Lage der Auslaßschieber an den tiefsten Punkten des Cylinders, wodurch dieser wasserfrei erhalten wird u.s.w. – ebenfalls ca. 12 Proc., weitere 3 Proc. durch sehr sorgfältig ausgeführte Umhüllung des Cylinders und der Dampfröhren, ergibt zusammen 0,85 × 0,93 × 0,88 × 0,97 = 0,67 oder 33 Proc. Ersparniß durch den neuen Cylinder. Dadurch aber, daß der Dampfverbrauch um 1/3 geringer geworden ist, sind die Kessel, welche früher forcirt werden mußten und dadurch überkochten, in ihrer Heizfläche relativ größer geworden und arbeiten, ohne daß daran die geringste Abänderung gemacht worden wäre, nun viel günstiger, so zwar, daß die Verdampfung von 4 auf 4 1/2 gestiegen ist, und schließlich wirkt diese doppelte Verbesserung auch auf die Feuerung zurück, da statt früherer 125k jetzt nur noch 75k Kohle pro 1qm Rostfläche und Stunde verbrannt zu werden brauchen, in Folge dessen die Kohle Zeit behält, auszubrennen, während ebenso den Feuergasen Zeit gegönnt wird, ihre Wärme an den Kessel abzugeben, weil nunmehr bei stärker geschlossenen Rauchschiebern gearbeitet wird. Die obige Dampfersparniß von 0,33 gestaltete sich in Folge dieses weitern Gewinnes thatsächlich zu einer Kohlenersparniß von 0,44. Wir gelangen hier zu der wichtigen Thatsache, daß jede Reduction des Dampfverbrauches vortheilhaft auf Kessel und Feuerung zurückwirkt, so daß die Kohlenersparniß sich bedeutend größer gestaltet, als der Dampfersparniß entsprechen würde, während umgekehrt eine Verbesserung der Kessel oder Feuerungsanlage auf den Dampfverbrauch ohne Einfluß bleibt. Die Kosten der Maschinenänderung betrugen fl. 3600, somit mußte für jedes ersparte Procent ein Kapital von 3600 : 44 = fl. 81,8 aufgewendet werden. Hätte man dagegen die Maschine in ihrem frühern Zustande belassen, dagegen aber (wie es die Absicht des Besitzers war) 4 neue Lancashire-Kessel à 60qm Heizfläche, 1 Economiser mit 100qm Fläche und einen neuen größern Schornstein aufgestellt, so würden sich die Kosten sammt Kesseleinmauerung, Röhrenveränderungen und Demolirung der alten Kessel auf mindestens fl. 35000 belaufen haben, während die Verdampfung von 4 im günstigsten Falle auf 6 gestiegen wäre, was bei einem Gehalte von 4300c schon einen Wirkungsgrad von 0,90, also den höchsten bisher erreichten voraussetzt. Da dies einer Ersparniß von 1/3 entspricht, so wäre an Kapital investirt worden von 35000 : 33 = fl. 1060 für jedes erzielte Procent, d.h. ca. dreizehn Mal mehr als durch Herstellung des neuen Cylinders! Weitere Rechnungen ergeben z.B. für die blose Anlage eines Speisewasservorwärmers mit 108qm Heizfläche fl. 500 (die Herstellung besserer Roste, Verstärkung des Zuges durch einen größern Schornstein u.s.w. wollen wir beiseite lassen, da die Vorausberechnung der dadurch zu erzielenden Ersparniß zu unsicher ist) als Kapitalsaufwand für jedes ersparte Procent, und wir kommen damit auf die für den Maschinenbesitzer wichtigste Folgerung, daß es viel billiger ist, durch Einschränkung des Dampfverbrauches als durch erhöhte Verdampfung und verbesserte Feuerung Kohle zu sparen. Betrachten wir nun in Kürze diejenigen Factoren, welche Einfluß auf den Kohlenverbrauch ausüben. Es sind dies, und zwar jedes unabhängig vom andern, die Feuerungsanlage, der Kessel und die Maschine. (Fortsetzung folgt.)