Titel: Notiz über einige Wirkungen des Ozons und des Gefrierens; von Dr. Friedr. Goppelsröder, Director der Ecole de Chimie zu Mülhausen i. E.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 540
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Notiz über einige Wirkungen des Ozons und des Gefrierens; von Dr. Friedr. Goppelsröder, Director der Ecole de Chimie zu Mülhausen i. E. Goppelsröder, über einige Wirkungen des Ozons und des Gefrierens. Vergangenen Winter beobachtete Camille Köchlin, daß mit Indigo gefärbte Baumwollstücke, welche nach ihrer Passage durch verdünnte Schwefelsäure und nach dem Auswaschen in Wasser, anstatt getrocknet zu werden, im feuchten Zustand im Fabriksaale aufbewahrt wurden und hier bei Winterkälte gefroren, namentlich an den Kanten merklich entfärbt waren. Da die fraglichen Stücke nur dem Wasser und der atmosphärischen Luft ausgesetzt worden waren und zwar bei einer Temperatur, bei welcher das Wasser gefrieren konnte, so war die Ursache dieser Erscheinung in dem Einfluß eines jener Agentien oder in ihrer gemeinschaftlichen Wirkung auf das Indigoküpenblau zu suchen. Nr. 1 ist ein blau gefärbtes Stück, wie es mir von Köchlin für meine Versuche zur Disposition gestellt wurde, und ist überall gleichmäßig gefärbt. Auf dem Muster Nr. 2 habe ich nach und nach eine bedeutende Quantität destillirtes Wasser gefrieren lassen. Das Stück wurde dadurch überall ein wenig entfärbt und fleckig und zwar namentlich auf der Seite, welche dem freien Luftstrom ausgesetzt war, während die entgegengesetzte Seite, von der Mauer gegen den Luftzug geschützt, weniger verändert wurde. Die darauf befindlichen Flecken zeigten ziemlich die Krystallisationsformen des Eises, wie sie auf gefrorenen Fensterscheiben zu bemerken sind. Unter dem Mikroskop fanden sich die Baumwollfasern verändert. Das während mehrerer Tage auf ganz gleiche Weise behandelte Muster Nr. 3 zeigte noch besser die Verschiedenheit der Wirkung freier, bewegter Luft und mehr ruhiger Luft, der Wirkung der Luft unter dem Einfluß des Lichts und derjenigen im Schatten. Unter den verschiedenen Bestandtheilen der Atmosphäre sind folgende für unsern Gegenstand von Wichtigkeit: 1) Der freie Sauerstoff, der durch verschiedene Ursachen in Ozon übergehen kann; größere oder geringere Quantitäten von letzterm finden sich stets in der atmosphärischen Luft; 2) das Antozon, gebunden im Wasserstoffsuperoxyd; 3) Ammoniumnitrit und 4) Ammoniumnitrat. Das in der Luft in so geringer Menge vorhandene salpetersaure Ammoniak oder dasjenige, welches sich durch langsame Verdunstung des Wassers bei niedriger Temperatur bildet (vgl. 1874 214 258), kann nicht die Wirkungen hervorgebracht haben, wie sie uns Köchlin vorgeführt hat, und wie sie die erwähnten Stücke Nr. 2 und 3 in so auffälliger Weise veranschaulichten. Es beweist dies ein mit einem fünften Probestück angestellter Versuch; dasselbe wurde wiederholt in eine concentrirte Lösung von Ammonnitrat getaucht und diese darauf gefrieren lassen. Das Gewebe wurde Heller und fleckig, aber nicht in stärkerm Maße wie bei der Anwendung von blosem Wasser. Dasselbe Resultat (Nr. 6) wurde bei Anwendung von salpetrigsaurem Ammoniak erhalten. Die der freien Luft zugekehrte Seite war stets Heller wie die der Mauer zugewendete, aber, wie gesagt, stets im gleichen Grade wie durch Einwirkung von reinem Wasser. Eine ziemlich concentrirte Wasserstoffsuperoxydlösung brachte (auf Nr. 7) keine Wirkung hervor, als hätte das Antozon das Ozon zerstört und den Einfluß des letztern aufgehoben. Das Antozon des Wasserstoffsuperoxydes oxydirt den Indigo in Abwesenheit gewisser Körper nicht. Das freie Ozon, bei gewöhnlicher Temperatur mit dem trocknen Gewebe (Nr. 8) in Contact, erzeugt keine Veränderung; hingegen entfärbt es dasselbe in benetztem Zustande (Nr. 9). Selbst eine Temperaturerniedrigung unter 0° stört die Wirkung des Ozons nicht, wenn nur der Stoff vorher befeuchtet worden ist. Ein feucht gehaltenes Probestück Nr. 10 wurde in horizontaler Lage bei einer Temperatur unter 0° dem Einflusse von Ozon ausgesetzt, das sich durch Berührung von Phosphor mit Luft erzeugte. Die untere Fläche erlitt einen stärkern Angriff wie die obere. Meine Versuche resumirend, halte ich das freie Ozon der Atmosphäre für die Hauptursache der Entfärbung von Indigotin. Am schärfsten zeigt sich die Wirkung an jenen Stellen des Gewebes, welche am meisten dem genannten Agens ausgesetzt waren, so namentlich an den Kanten. Zudem übt aber auch die Krystallisation des Wassers beim Gefrieren eine ausgesprochene mechanische Wirkung auf Farbstoff und Faser aus. Das Küpenblau ist nicht der einzige Farbstoff, welcher durch die erwähnten Agentien angegriffen wird. Aber die verschiedenen thätigen Kräfte der Atmosphäre physikalischer und chemischer Natur sind in ihrem Einflusse von variablem Intensitätsgrad, je nach dem Charakter der Fasern und färbenden Materien. Auch die Gegenwart anderer den Farbstoff begleitender Substanzen, die Reinheit des erstern, die Art und Weise, auf welche er fixirt wurde, ob er in freiem Zustande oder in Verbindung mit einer Beize vorhanden ist, alle diese Umstände spielen eine gewisse Rolle. Das Ozon wurde für die erwähnten Versuche stets durch Phosphor in Berührung mit Wasser und atmosphärischer Luft entwickelt. Jede Spur von phosphoriger Säure und Phosphorsäure wurde aus der ozonisirten Atmosphäre entfernt. Eine Reihe Farbenmuster, welche in die ozonirte Luft getaucht wurden, nachdem man sie befeuchtet hatte, zeigten folgendes Verhalten. Cochenillenroth auf Wolle wurde durch 8tägige Einwirkung von Ozon bedeutend geschwächt, jedoch nicht entfärbt. Anilinschwarz wurde nicht verändert. Natürlicherweise war das Gewebe nicht appretirt, um den Einfluß von Säuren zu vermeiden, welche durch die Einwirkung von Ozon auf die Appretirsubstanz erzeugt werden. Anilinbraun auf Baumwolle wurde in ein gelbes Orange verwandelt. Fuchsinrosa, Hofmann'sches Blau und Violett wurden nach und nach entfärbt, ebenso wie rothes Corallin und Jodgrün. Eine Reihe von Farben, erhalten aus Lacken von Farbhölzern, und selbst Türkischroth wurden entfärbt. Ein Gewebe, das auf, mit künstlichem Alizarin gefärbtem, rothem Fond schwarze und graue Dessins zeigte, verlor allmälig das Roth bis zur vollkommenen Weiße, während die schwarzen und grauen Dessins, mittels Kohle erzeugt, widerstanden. Krappblumenviolett wird sehr schnell entfärbt und hinterläßt nur eine gelbliche Färbung. Baumwollzeug, mit Krapp in rothen, rosarothen, schwarzen, violetten und braunen Streifen gefärbt, zeigte nach einiger Zeit noch auf den Streifen, die mit Thonerde gebeizt worden waren, eine schwachrothe Färbung; eine leichte, schmutzig braunviolette Färbung auf den mit Eisen für Schwarz gebeizten, und endlich ein leichtes, schmutziges Braunroth auf den mit einer Mischung von Eisen und Thonerde gebeizten Streifen, während die violetten Streifen nur noch schwach gelblich gefärbt (von der Eisenbeize her) erschienen. Ich füge hinzu, daß die organischen Farbstoffe, welche ich bis jetzt in dieser Richtung untersucht habe, dem Ozon bei Abwesenheit von Wasser sehr wohl widerstanden. Das feuchte Ozon übt dagegen eine sehr energische Wirkung auf die organischen Farbstoffe (natürliche und künstliche) aus. Der active Sauerstoff, obgleich er nicht in reinem unverdünntem Zustand künstlich dargestellt und angewendet werden kann, spielt eine große Rolle in der Bleicherei der Spinnfasern. Die zu verschiedenen Zwecken angewendete Rasenbleiche beruht hauptsächlich auf der Einwirkung des Ozons, sei dieses in freiem Zustande oder gebunden im Nitrat oder Nitrit des Ammoniaks oder im Wasserstoffsuperoxyd, welche Verbindungen sich bilden, während die feuchten Stücke der Luft ausgesetzt sind. Die wohlfeile Erzeugung einer so schwach ozonisirten Atmosphäre, daß die Stärke der Faser nicht darunter leidet, könnte nicht nur für gewisse Bleichzwecke von hohem Nutzen sein, sondern hätte auch ihre besondere Wichtigkeit für die Entwicklung gewisser Farben in einer viel kürzern Zeit, als dies mit bioser atmosphärischer Luft möglich ist. Ich werde Versuche in dieser Richtung noch fortsetzen. Heute erwähne ich nur ein Anilinschwarz, erzeugt durch Aufdrucken einer Mischung von salzsaurem Anilin, Salmiak, Verdickungsmittel, Schwefelkupfer und chlorsaurem Kali und Einwirkenlassen von ozonisirter Luft. In verschiedenen Versuchen hat sich das Schwarz in 1 bis 1 1/2 Stunden entwickelt. Anfangs glaubte ich, eine beschleunigte Einwirkung würde dem Gewebe schaden, aber die schnelle Entwicklung der Farbe ist im Gegentheile günstig. Um z.B. in einer Oxydationskammer Ozon zu entwickeln, glaube ich als bestes Mittel bis jetzt die Maschine von Gramme vorschlagen Zu können. Indem man den elektrischen Funken in der Oxydationskammer durch einen in einer großen Zahl von Punkten unterbrochenen Conductor schlagen läßt, könnte man auf diese Weise zweifelsohne eine genügende Menge Ozon entwickeln, um damit denselben Effect hervorzurufen wie durch Ozon, das man durch langsame Oxydation des Phosphors erhält; zudem wäre ja die Anwendung des letztern nicht ohne Gefahr. Durch Elektrolyse des Wassers bilden sich ebenfalls nicht unbedeutende Quantitäten activen Sauerstoffes am positiven Pol, und diese Zersetzung kann ebenfalls durch eine besondere Art Gramme'scher Maschinen hervorgerufen werden. Die bis jetzt bekannten galvanischen Säulen würden sehr günstige, doch mit zu großen Kosten verknüpfte Resultate geben. Nächstens werde ich Mittheilung machen über die höchst interessante Einwirkung des galvanischen Stromes auf organische Substanzen verschiedener Reihen, namentlich der aromatischen. Was den Einfluß des Gefrierens auf Farbstoffe und Beizen, auf Lacke, Verdickungsmittel und Appreturen, auf rohe, gebleichte, gebeizte, gefärbte und bedruckte Gewebe anlangt, so bleibt hierin noch viel zu arbeiten übrig. Die Veränderungen können physikalischer und chemischer Natur sein. Bekannt ist der schädliche Einfluß des Gefrierens auf die Alizarinpaste, die Thonerdegallerte, den Cochenillenlack, die gebeizten Gewebe etc. Alle einschlägigen Thatsachen sind wissenschaftlich noch nicht genügend aufgeklärt. (Nach dem Bulletin de la Société industrielle, Mai 1875 S. 225.) H. Schmid.