Titel: Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Collegium Carolinum in Braunschweig.Ueber die Krystallisation von Metalloxyden aus dem Glase; von Dr. P. Ebell.
Fundstelle: Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 155
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Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Collegium Carolinum in Braunschweig.Ueber die Krystallisation von Metalloxyden aus dem Glase; von Dr. P. Ebell.S. 65 Z. 11 v. u. ist statt „Dauer“ zu lesen „Dünne“. (Schluß von S. 70 dieses Bandes.) Ebell, über die Krystallisation von Metalloxyden aus dem Glase. 4) Mit Braunstein geschmolzenes Glas. Ganz in derselben Weise wie beim Eisenglas verfuhr man bei den Versuchen zur Herstellung eines entsprechenden manganhaltigen Glases, indem man den Hautefeuille'schen Glassatz mit ausgesuchtem, feingepulvertem Pyrolusit versetzte. Mit 150 Th. dieses letztern auf 450g Satz erhielt man unter keinen Umständen Ausscheidungen. Es entstand auch bei verlangsamter Abkühlung ein, als Masse gesehen, schwarzes Glas von ausgezeichnetem Glanz (das entsprechende Eisenglas weit hinter sich lassend) und einem violetten Reflex. Die Färbung ist so intensiv, daß nur sehr dünne Splitter unter dem Mikroskop durchsichtig erscheinen und zwar mit violetter Farbe. Stufenweise verstärkter Versatz mit Pyrolusit gab anfangs ein Glas wie das vorher beschriebene, zuletzt aber ein Glas, welches in Proben aus dem Tiegel genommen (also verhältnißmäßig rasch erkaltet) gut geflossen, in dünnen Splittern unter dem Mikroskop nicht mehr violett, sondern von einem eigenthümlichen tiefen Braun und von einer äußerst feinen Ausscheidung getrübt erschien. Dieses Glas, der künstlich verlangsamten Abkühlung unterworfen, lieferte eine reichlichst mit Krystallen durchsetzte Schmelze, aber von einer eigenthümlichen, bei dem Schmelzen mit Eisenoxyd nicht vorgekommenen Beschaffenheit. Die im Tiegel erkaltete Masse, mitten durch in zwei Hälften getheilt (durch einen Sprung durch die Achse des Tiegels), zeigte zwei im Ansehen völlig heterogene Massen, die eine die Außenseite des Blockes, die andere den Kern bildend: die äußere an der Tiegelwand etwa einen Finger dick, schwarz, strahlig krystallinisch, braunsteinähnlich opak mit wenig Glanz (sie überzog auch die Oberfläche des Glases, aber in schwächerer Schichte von ungleicher Dicke und wavellitartige Halbkugeln bildend); — die innere, von der äußern gleichmäßig umgeben, hellbraungelb ins fleischfarbige stechend, mit leichten Andeutungen von krystallinischem Gefüge und von zahlreichen zerstreuten, weit aus einander liegenden, schwarzen, Tannenbaum ähnlichen Krystallen durchsetzt; das Ganze mattglänzend, steinartig opak, manchen krystallinischen Felsarten auffallend ähnlich im Habitus. Beide Schichten, scharf abgegrenzt von einander, ohne Uebergang, ließen sich auch durch Hammerschläge nicht von einander trennen. Sie sprangen im Gegentheil stets wie eine einzige homogene Masse, so daß selbst kleine Splitter von der Grenze beider Schichten noch halb aus der hellen und halb aus der dunklen Masse bestanden. Der für das unbewaffnete Auge so auffallende Unterschied der beiden Schichten verschwindet unter dem Mikroskop. Die schwarze Schichte löste sich schon bei 80 bis 120facher Vergrößerung in eine helle, durchsichtige Grundmasse mit eingesprengten schwarzen Krystallen auf, ganz wie die fleischfarbene Schichte. Die schwarze Schichte ist dasselbe mikroskopisch, was die fleischfarbene makroskopisch. Ein großer Theil der von einem Punkte ausgehenden Strahlen der schwarzen Masse verliert unter dem Mikroskop den anscheinenden Zusammenhang und löst sich schon bei mäßiger Vergrößerung vollständig in eine Reihe kleiner, compacter, aber sehr verwachsener Krystalle, getrennt in heller Grundmasse eingebettet. Selbst eine an der Oberfläche der hellen Schichte vorgefundene wavellitartige Halbkugel zeigte genau dieselbe Anordnung.Dieser Fall illustrirt in ausgezeichneter Weise die Täuschungen, deren man sich bei Vernachlässigung des Mikroskops aussetzt. Nicht leicht würde ein Beobachter aus der Untersuchung mit dem blosen Auge hier auf etwas anderes, als auf die derbe Form des Körpers schließen, dessen größere Krystalle in der hellen Schichte zerstreut liegen. Ein bedeutsamer Wink für das chemische Studium der Entglasung! Die Grundmasse beider Schichten, der schwarzen wie der hellen, ist durchsichtig, aber deutlich von einer feinen, unter dem Mikroskop als Punkte erkennbaren Ausscheidung getrübt. Diese Punkte, sowie die Krystalle sind undurchsichtig und reflectiren das auffallende Licht grauweiß, mit ähnlichem Glanze wie die im Eisenglas erzeugten. Mit der mikroskopischen Analyse geht die chemische Hand in Hand. Die beim Aufschließen mit Alkali in der Glühhitze bleibenden Krystalle lösen sich bei längerm Kochen mit Mineralsäure zuletzt vollkommen, sowohl bei der schwarzen, als bei der hellen Schichte. 0g,6835 des Glasflusses gaben 0,318 Kieselerde, 0,0086 Thonerde, 0,021 Kalk und 0,3035 Schwefelmangan; ferner 1g,063 der hellen Schichte: 0,488 Kieselerde, 0,0132 Thonerde, 0,0335 Kalk und 0,440 Schwefelmangan; eine andere Probe der weißen Schichte = 1g,321 lieferte 0,370 alkalische Chlorüre mit 0g,2012 Chlor. Daraus berechnet sich in Procenten: schwarze helle Schichte Schichte I II Kieselerde 46,53 45,91 Kalk 3,07 3,15 Thonerde 1,26 1,24 Mangan, metallisch 28,08 26,05 Natron 7,65 Kali 8,56 Es besteht mithin kein wesentlicher Unterschied; die Verschiedenheit der beiden Schichten ist nur das Spiegelbild der ungleichen Erkaltung. In der äußern, rascher erkalteten Schichte blieben die Krystalle klein und dicht gesäet, so daß das Ganze dem unbewaffneten Auge als homogene schwarze Masse erscheint. Die langsamere Erkaltung der inneren Schichte ließ der Krystallisation Zeit, große isolirte Individuen zu bilden. Die Krystalle lassen sich nicht mit Fluorwasserstoff aus der Grundmasse abscheiden, widerstehen aber hinreichend der Aufschließung mit Alkali. Ein Theil der hellen Schichte, mäßig fein zerrieben (um die eingeschlossene Krystalle besser zu conserviren), mit Natroncarbonat in der Glühhitze aufgeschlossen, gab eine Schmelze, welche, wiederholt mit Wasser ausgekocht, dann mit verdünnter Schwefelsäure behandelt (wobei sich der zu Mehl zerriebene Theil der Krystalle löste), die derbern Krystalle rein zurückließ. Die abgeschiedenen Krystalle sind in Masse gesehen braunroth bis braun, von schwachem Glanz und entwickeln mit Salzsäure Chlor. Folgendes ist das Ergebniß der Analyse: 0g,292 Krystalle gaben 0,296 Oxyd-Oxydul, entsprechend 101,3 Proc. Die Krystalle sind daher, denen des Eisenglases entsprechend, Mn3O4. Der zugesetzte Pyrolusit, bei der Schmelzhitze Sauerstoff abgebend, ist zum Theil als MnO in die Glasmasse chemisch gebunden eingegangen, während ein anderer Theil als Mn3O4 krystallinisch sich abgeschieden hat. Aus dem Betrag des an Mangan gebundenen Sauerstoffes der Schmelze ließe sich das Verhältniß berechnen, in welchem beide Oxyde vorhanden sind. Insofern der Sauerstoff, nur als Ergänzung zu 100 gefunden, alle Bestimmungsfehler zu tragen hat, anderseits aber schon geringe Abweichungen im Sauerstoff große Tragweite haben, hat eine solche Berechnung keinen Werth — in dem vorliegenden Falle um so weniger, als die Alkalien in einer besondern Probe bestimmt werden mußten und die Menge der ausgeschiedenen Krystalle voraussichtlich in zwei Proben verschieden ist. Nur so viel ersieht man aus der oben mitgetheilten Analyse, daß der Gehalt an Manganoxydul über den an Oxyd-Oxydul weit überwiegen muß. 5) Mit Thonerde geschmolzenes Glas. Die Thonerde zu diesem Glas ist aus Ammoniakalaun dargestellt, und zwar durch Glühen und Auswaschen des Glührückstandes zur Entfernung des letzten noch beigemengten Antheils von Sulfaten, bis zum Verschwinden der Schwefelsäurereaction. Die Thonerde gilt zwar für einen das Glas strengflüssig machenden Bestandtheil, wird aber doch in auffallend großer Menge im feurigen Fluß zu einem wohlgeflossenen Glase aufgenommen. Gesteigerte Zusätze von Thonerde zu dem Satz von Hautefeuille, obwohl man gleich anfangs schon zu starken Gaben gegriffen, gaben erst Ausscheidungen bei künstlich verlangsamtem Erkalten, als man gleiche Theile Glassatz und Thonerde (je 150g) zusammenschmolz. Das Glas war, als Masse betrachtet, nicht durchsichtig, aber auch kein Email, sondern eine durchscheinende, wachsartige, schwach ins graugrün ziehende Schmelze. Unter dem Mikroskop erschienen dünne Splitter oder Dünnschliffe völlig durchsichtig, eine farblose Grundmasse, in allen Richtungen mit ebenfalls farblosen durchsichtigen Krystallen durchsetzt. Die Krystalle, scharf von der Grundmasse getrennt und glänzender als diese, wohlausgebildet, schon bei schwächster Vergrößerung deutlich in allen Umrissen, Kanten und Ecken erkennbar, hatten zweierlei Habitus. Ein Theil hatte die Form von dünnen Blättchen, welche nach einer oder der andern Seite verloren ausgingen, wie halb angefressen, oder unfertig gebildet; ein anderer Theil, rund und scharf begrenzt, bestand aus kleinern Individuen, bei denen keine Dimension wesentlich vorherrscht. Die Krystalle gleichen, bis auf Farbe und Größe, sehr denen des Chromaventurin. Nach dem Aufschließen mit Fluorwasserstoff hinterließ die Schmelze einen Rückstand, welcher nun dem blosen Auge schon krystallinisch flimmernd erschien. Durch Digestion mit verdünnter Säure, denen die Krystalle gut widerstehen, gereinigt, stellten sie unter dem Mikroskop ein Gemenge der Krystalle von beiderlei Habitus dar, frei von fremdartigen Beimengungen. Es gelang die Krystalle durch Glühen mit Kaliumbisulfat (drei Stunden lang) ohne Rückstand aufzuschließen: 0g,6074 gereinigte Krystalle, so aufgeschlossen, lieferten 0g,606 Thonerde, entsprechend 99,85 Proc. Die Krystalle sind also in ihrem Bestande nicht verschieden, sondern durchaus reine krystallisirte Thonerde. Schlußfolgerungen. Nach den mitgetheilten Beobachtungen steht fest, daß die Oxyde des Zinns, dann die des Eisens und Mangans, des Chroms und Aluminiums in bedeutender Menge von dem Glase in der Weißglut zu klarem Flusse aufgenommen und bei langsamer Erkaltung theilweise wieder krystallinisch ausgeschieden werden; Eisen und Mangan als Oxyd-Oxydul, Chrom und Alumininm, ebenso das Zinn, unverändert als Oxyde. Ein anderer Theil der in das Glas eingeführten Metalloxyde bleibt unausgeschieden in der amorphen glasigen Grundmasse zurück. Zwei Möglichkeiten liegen hier vor: entweder war das zugesetzte Metalloxyd in feurigem Fluß in seinem ganzen Betrage chemisch gebunden, und die krystallinische Ausscheidung ist Folge einer chemischen Zersetzung; oder das zugesetzte Metalloxyd wird von dem Glase nur zu einem gewissen Betrage chemisch gebunden, der Ueberschuß aber einfach von dem schmelzenden Glase gelöst. Im letzten Falle sind die Ausscheidungen lediglich der durch Abkühlung in Krystallen anschießende Theil des gelöst gewesenen Oxydes. Die letztere Erklärung ist ungezwungener und wahrscheinlicher; die Aufnahme der Metalloxyde durch das Glas in den verschiedensten Verhältnissen verliert dadurch alles Auffallende. Wenn schmelzendes Glas ein Lösungsmittel für Metalle als solche ist, warum sollte es nicht ebenso gut ein Lösungsmittel für Metalloxyde sein, sobald ihre Menge das Maß überschreitet, in welchem sie von der Kieselerde gebunden werden können? Bei der Annahme, daß alles vom Glase aufgenommene Metalloxyd in feurigem Flusse chemisch gebunden ist, hat die Capacität der Kieselerde kaum noch eine bestimmte Grenze, sie muß von Temperaturgrad zu Temperaturgrad eine andere sein. Auch das Verhältniß des auskrystallisirten Theils des Metalloxydes zu dem im Glase verbleibenden bietet Schwierigkeiten für diese Annahme. So gaben: 1g,570 des beschriebenen Thonerdeglases 0,361 ausgeschiedene Krystalle und 0,584 Thonerde in der glasigen Grundmasse; die beiden letzten Quantitäten entsprechen keinem einfachern Verhältniß als 5 zu 8 Atome, wenn man nicht wiederum zur Annahme seine Zuflucht nehmen will, daß die durch chemische Zersetzung frei gewordene Thonerde nur zum Theil auskrystallisirt und der Rest ungebunden gelöst bleibt. Ferner spricht der Umstand, daß die Ausscheidung von Metalloxyden in Krystallen in hohem Grade von der Zeit abhängt und nicht blos von der Temperatur, mehr für Lösung als chemische Bindung. Denn selbst diejenigen Glasflüsse, die beim Abkühlen im Tiegel unmittelbar nach dem Schmelzen noch völlig klar blieben, gaben, mehrere Tage lang in der Muffel bei der Temperatur eben beginnender Erweichung geglüht, krystallinische Ausscheidungen. Endlich gibt die Farbe der Gläser mit Ausscheidungen einen Fingerzeig. Während bei geringerm Versatz mit Braunstein, d. h. so lange das Mangan noch chemisch gebunden wird, die Farbe violett oder rosenroth ist, ist sie in dem Glas mit auskrystallisirtem Oxyd-Oxydul eine ins Graue ziehende Fleischfarbe, offenbar die Mischfarbe der Farbe des chemisch gebundenen und des als Oxyd-Oxydul nach der Abscheidung der Krystalle noch gelöst zurückbleibenden Mangans. Die Annahme, daß im Glase neben gebundenen auch freie Metalloxyde vorhanden sind, daß das Glas unter Umständen nicht blos erstarrte Silicate, sondern erstarrte Lösung von Metalloxyden in geschmolzenen Silicaten vorstellt, wird sich nicht wohl zurückweisen lassen. Die beschriebenen Erscheinungen sind für die Metallurgie, in Bezug auf die Natur der Schlacken, und für die Geologie in Bezug auf die Bildung der Silicatgesteine, wohl der Beachtung werth. Die Anwendung muß den Fachleuten überlassen bleiben; aber soviel ist experimentell als Thatsache festgestellt, daß in feurigem Fluß begriffene Silicate freie, an keine Kieselerde gebundene Metalloxyde krystallinisch ausscheiden können; ebenso daß die Beschaffenheit der aus feurigem Fluß hervorgegangenen Silicate in hohem Grade von der Dauer der Abkühlung abhängen und danach gänzlich verschieden ausfallen, bald als ein homogener Fluß, bald als ein Gemenge von sehr heterogenen Bestandtheilen erscheinen kann. Die beschriebenen Glasflüsse bildeten vor dem Erkalten ein völlig homogenes Glas, die des Eisens und Mangans sogar ein sehr leicht- und dünnflüssiges, die des Zinns, des Chroms und der Thonerde ein zähflüssiges; sie gehen auch wieder rückwärts in ein solches homogenes Glas über, sobald sie hinreichender Hitze ausgesetzt werden. Wenn daher ein Silicat oder Gemenge von Silicaten z. B. Magneteisen enthält und dieses Magneteisen sich im Schmelzen wieder auflöst, so schließt der letztere Umstand keineswegs die Möglichkeit aus, daß dieses nämliche Magneteisen umgekehrt aus den nämlichen Silicaten im feurigen Fluß durch Erkalten auskrystallisirt.