Titel: Zur Flammentheorie; von Dr. Hart Heumann.
Autor: Hart Heumann
Fundstelle: Band 221, Jahrgang 1876, S. 263
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Zur Flammentheorie; von Dr. Hart Heumann. Heumann, zur Flammentheorie. Im Anschluß an eine frühere, diesen Gegenstand betreffende Abhandlung (1875 217 199) theile ich in Nachstehendem die Ergebnisse der weiter fortgesetzten Untersuchungen mit. Es galt zunächst, den Einfluß der Wärmeentziehung auf leuchtende Flammen genauer zu studiren, aber es schien gerathen, eingedenk der in der vorigen Abhandlung dargelegten, außerordentlich complicirten Verhältnisse in den Leuchtflammen, vor Allem die Wirkung der Wärmeentziehung auf die Flammengase an sich – ohne Rücksicht auf Lichtstärke – zu prüfen und erst dann auch die Veränderungen der letztern in Betracht zu ziehen, wenn die Wirkung der Wärmeentziehung auf die Flammengase selbst als bereits bekannte Grundlage benützt werden kann. Hierher gehören einige sich auf die Distanz zwischen Flamme und Brenner beziehende Erscheinungen, welche, obgleich schon länger bekannt, doch bis jetzt noch keine genügende Erklärung gefunden haben. Bei genauer Beobachtung einer Gasflamme ist es leicht, zu erkennen daß die Flamme den Brennerrand nicht unmittelbar berührt, sondern etwa 1mm hoch über demselben schwebt. Dreht man den Gashahn fast völlig zu, so wird jener Zwischenraum deutlicher und größer; aber auch an der hellen Schnittbrennerflamme läßt er sich gut wahrnehmen, wenn man den das Auge blendenden, leuchtenden Theil der Flamme so viel als möglich durch einen Schirm verdeckt. Ganz die gleiche Erscheinung bietet eine Kerze, denn deren Flamme berührt den Docht nicht direct, sondern umgibt denselben in geringer Entfernung. R. Blochmann Liebig's Annalen der Chemie, Bd. 168 S. 345. welcher sich mit der Erklärung jener Erscheinung befaßte, fand, daß der Zwischenraum an Ausdehnung zunimmt, wenn dem Leuchtgas vor der Verbrennung ein indifferentes Gas wie Stickstoff oder Kohlensäure beigemischt wird, und daß der verstärkte Druck, welcher sich bei seinen Versuchen geltend machen konnte, nicht die Ursache für das Abheben der Flamme ist, weil dasselbe auch eintritt, wenn jenes Gasgemenge unter sehr schwachem Drucke ausströmt. Auf Grund dieser Beobachtungen spricht Blochmann die Vermuthung aus, daß im untersten Theile jeder Flamme eine „momentane Verbrennung“ stattfinde, aber erst so hoch über dem Brenner, wo sich das ausströmende Gas bereits mit der erforderlichen Luftmenge gemischt hat, – eine Erscheinung, welche bei der sogen. chemischen Harmonika besonders auffallend zu beobachten sei. Die Vergrößerung jener Distanz in Folge der Verdünnung des Leuchtgases durch indifferente Luftarten wäre dann darin begründet, daß die Constanz der Flamme für diese „momentane Verbrennung“ einen bestimmten Gehalt an brennbarem Gas bedinge, weshalb bei verdünntem Leuchtgas erst ein viel größeres Volum des ausströmenden Gases sich mit Luft mischen müsse, ehe die Flamme existiren könne. Dieser etwas gezwungenen Erklärungsweise Blochmann's halte ich folgende Beobachtungen entgegen. Außer zwischen Flamme und Brennerkopf zeigt sich ein ganz ebensolcher Zwischenraum überall da, wo ein kalter Gegenstand die Flamme berührt. Diese Distanz ist um so größer, je kälter der Gegenstand und je mehr das Leuchtgas durch indifferente Luftarten z.B. Kohlensäure verdünnt ist. Enthält die durch Kohlensäure (z.B.) entleuchtete Flamme einen bedeutenden Ueberschuß dieses Gases, so reißt ein in solche Flamme gebrachter, dicker Metalldraht um sich herum ein um so größeres Loch in dieselbe, je mehr Kohlensäure zugeführt wird. Diese Thatsachen weisen darauf hin, daß die Wärmeentziehung des die Flamme berührenden Gegenstandes die Ursache des erwähnten Zwischenraumes, die Ursache des Erlöschens der Flamme in der Nähe des kalten Gegenstandes sein muß. Da es ganz gleichgiltig ist, welcher Theil der Flamme abgekühlt wird, so muß auch der ihre Basis berührende Brennerkopf in der nämlichen Weise wirken. Weshalb jene Abstände bei der durch indifferente Gase stark verdünnten Flamme größer werden, beruht nur auf der an und für sich niedrigem Flammentemperatur, welche dadurch veranlaßt wird, daß die in der Zeiteinheit zur Verbrennung gelangende Leuchtgasmenge ihre Wärme auf die große Quantität des inerten Gases zu vertheilen hat. Ist die Temperatur der Flamme also selbst schon niedrig, so genügt eine geringe Abkühlung durch den berührenden Gegenstand, um die Flamme in weiterm Umkreis unter die Entzündungstemperatur des Gases abzukühlen; folglich erlischt die Flamme in dieser ausgedehntem Strecke. Wenn also die Wärmeentziehung die Ursache jener Zwischenräume ist, so müssen diese verschwinden, sobald der die Flamme berührende Gegenstand stark erhitzt wird. Der Versuch bestätigt vollkommen diese Folgerung und somit auch die Voraussetzung. Während eine indifferentes Gas im Ueberschuß enthaltende (und darum nicht leuchtende) Flamme durch Einführung eines kalten Eisendrahtes auf eine große Strecke rings um denselben erlischt, schließt sich die ringförmige Oeffnung allmälig immer mehr, sobald der Draht (der nicht zu dick sein darf) durch die Flamme selbst stärker erhitzt wird; glüht er endlich, oder wurde der Draht von vornherein glühend gemacht, so ist kein Zwischenraum mehr zu beobachten: die Flamme legt sich dann dicht um ihn an. Um in analoger Weise den Abstand zwischen Flamme und Brenner zu prüfen, lasse man Leuchtgas und Kohlensäure gleichzeitig durch eine aus Platinblech gerollte Röhre austreten, zünde das Gas an und regulire den Kohlensäurezufluß so, daß der Zwischenraum zwischen der Mündung des Brennerrohres und der blauen Flamme deutlich zu beobachten ist. Wird jetzt die Platinröhre in der Nähe ihres offenen Endes durch eine untergestellte Bunsen'sche Lampe zum Glühen erhitzt, so verschwindet jene Distanz vollständig. Diese Versuche bestätigen also nicht nur die Richtigkeit der vorgetragenen Anschauungsweise, sondern der zuletzt erwähnte schließt auch die Möglichkeit völlig aus, daß das Auftreten jener Zwischenräume außer durch die Wärmeentziehung vielleicht noch in untergeordneterer Weise durch eine Ursache im Sinne der Blochmann'schen Erklärung veranlaßt sein könnte; denn selbst bei stark durch indifferentes Gas verdünntem Leuchtgase legt sich die Flamme an ein glühendes Brennerrohr dicht an, während eine Wirkung nach Blochmann's Ansicht durch Erhitzen des Brenners vielleicht etwas vermindert, aber nicht aufgehoben werden könnte. Demnach scheint mir der Schluß gerechtfertigt zu sein: Der Umstand, daß eine Flamme weder den Brennerrand (oder den Docht) berührt, noch sich an einen sonstigen kalten Gegenstand dicht anlegt, hat seine Ursache in der wärmeentziehenden Wirkung auf die glühenden Flammengase. Das Gas wird hier unter seine Entzündungstemperatur abgekühlt; also erlöscht die Flamme in der Nähe des berührenden Gegenstandes. Es wird hier am Platze sein, einer ähnlichen Erscheinung zu gedenken, welche sich beim Entzünden von Weingeist oder Leuchtgas zeigt, wenn diese Brennmaterialien mit großer Geschwindigkeit aus einer Röhre ausströmen. Seit langer Zeit ist ein Experiment der sogen. leuchtende Springbrunnen bekanntVgl. Frick: Physikalische Technik, S. 640., welcher hergestellt wird, indem man Weingeist in einem starken metallenen Heronsball bei geschlossener Röhre zum Sieden erhitzt und erst dann den Hahn öffnet, wenn der kochende Weingeist mit bedeutender Gewalt an die Zimmerdecke emporgespritzt wird. Nähert man nun der Ausströmungsröhre eine Flamme, so brennt der Weingeist nur an der Decke weiter, der Strahl selbst aber bleibt dunkel; soll auch er brennen, so muß die Ausflußröhre mit einer Schale umgeben sein, in welcher sich etwas brennender Alkohol befindet. In Ermanglung eines derartigen Apparats stellte ich einen ähnlichen Versuch in folgender Weise an. Eine kupferne Flasche wurde zu 1/3 mit Weingeist gefüllt und mit einem Stopfen geschlossen, welcher eine knieförmig gebogene Glasröhre trug, deren horizontaler Arm in eine 3mm weite Spitze auslief. Nachdem der Stopfen mittels Draht festgebunden war, wurde der Weingeist zum stärksten Kochen erhitzt. Der mit Heftigkeit ausströmende Dampf ließ sich entzünden und bildete eine große rauschende Flamme, deren Basis 10 bis 12cm von der Röhrenspitze entfernt war. Diesem Versuch möchte ich eine neuere Beobachtung von F. Benevides Annales de Chimie et de Physique, 1873 Bd. 28 S. 358. zur Seite stellen, welche ergab, daß die Flamme comprimirten Leuchtgases nicht an der Oeffnung der Ausströmungsröhre beginnt, sondern erst in der Entfernung von mehrern Centimetern. Der genannte Autor constatirte durch Versuche, daß die Temperatur dieses dunkeln Raumes (l'espace obscur) eine sehr niedrige ist, – jedenfalls eine Thatsache, welche sich von selbst versteht, denn das Gas kann hier nicht heißer sein als an jeder Stelle der Röhrenleitung, weil ja der Verbrennungsproceß erst da beginnt, wo die Flamme sichtbar ist, also weiter stromabwärts. Benevides fand sich veranlaßt, das Entstehen jenes Zwischenraumes als eine Folge der mechanischen Wirkung des Gasstromes anzusehen, welcher die Luft auf eine gewisse Entfernung hin zurückstoße. Hierdurch fehle in einer bestimmten Ausdehnung der nöthige Sauerstoff und die Verbrennung könne hier nicht stattfinden. Wenn die Ausflußröhre eng und die Geschwindigkeit des Gasstromes sehr groß ist, so mache das heftige Zurückschieben (refoulement) der Luft die Verbrennung überhaupt unmöglich und die Flamme erlösche völlig. Ich muß gestehen, von dieser Erklärungsweise wenig befriedigt zu sein; mindestens bleibt es mir unverständlich, daß die Flamme aus dem Grunde nicht existiren könne, weil der Sauerstoff zurückgestoßen würde und also Sauerstoffmangel das Erlöschen bedinge. Dieses Verhältniß findet ja im Innern jeder Flamme statt – nicht blos der des comprimirten Leuchtgases – und ist bekanntlich die Ursache, daß die Flammen in ihrem Innern kalt sind, daß sie keine solide, sondern Hohl-Kegel glühenden Gases bilden. Dieses Zurückschieben der Luft gilt aber selbstverständlich nur für einen kleinen Raum, an dessen äußerer Grenzfläche die chemische Vereinigung, der Verbrennungsproceß, stattfindet. In Folge der Diffusion zwischen Gas und Luft wird die Berührungsfläche zur mehr oder weniger dicken Schichte, in welcher beide Gase in dem erforderlichen Verhältniß gemischt sind und so die Flammenwand bilden können. Es sind dies so bekannte Dinge, daß es unnöthig sein würde, daran zu erinnern, hätte nicht Benevides, ohne sie zu berücksichtigen, seine Theorie aufgestellt. Durch vermehrten Gasdruck wird nur der kalte Theil der Flamme vergrößert und somit Seitenwand und Spitze weiter hinausgeschoben, an der Seitenfläche aber kann der Flammenmantel nicht in Folge des Zurückschiebens der Luft erlöschen, was doch bei dem Benevides'schen Versuch der Fall ist; eine Grenzzone aus brennbarem Gasgemisch muß ja unter allen Umständen stets vorhanden sein. Warum sich in dieser Grenzzone die Entzündung nicht nach rückwärts fortpflanzt, ist demnach die zu beantwortende Frage, für welche jene von Benevides gegebene Erklärung als unzulässig zurückgewiesen werden muß. Als Ursachen jenes bedeutenden Zwischenraums zwischen dem Brenner und der Flamme eines stark comprimirten Gases scheinen mir zwei Factoren von ganz verschiedener Art bezeichnet werden zu müssen: die vom rasch nachströmenden Gase verursachte WärmebindungDie vom Brennerrand ausgeübte Wärmeentziehung kann sich nur auf dessen nächste Umgebung erstrecken, nicht aber auf jene bedeutende Entfernung hin. und das Verhältniß zwischen der Geschwindigkeit des Gasstromes und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung. Letzterer Umstand wurde auch von Benevides nebenbei berührt, jedoch nicht in dessen Theorie aufgenommen. Was zunächst die wärmeentziehende Wirkung betrifft, welche der rasche Gasstrom auf den untersten Theil der Flamme ausübt, so möchte ich diese als eine doppelte bezeichnen. Die nahe über dem Brenner sich bildende Flammenschichte wird im Innern durch den Gasstrom in ähnlicher, wenn auch der schlechtem Wärmeleitungsfähigkeit wegen in bedeutend geringerer Weise wie durch einen eingeschobenen Metallstab abgekühlt und auf eine gewisse Strecke hin ausgelöscht werden, d.h. die Flammenschicht im untern Mantel wird von Innen nach Außen hin dünner. Ferner saugt der energisch ausfließende Gasstrom, wie Benevides fand, und wie auch nicht zu bezweifeln ist, von außen Luft herbei; diese dringt bei großer Ausströmungsgeschwindigkeit im Uebermaß in den untern Theil des Flammenmantels ein und wirkt so Wärme entziehend von außen her auf denselben. Diese Wirkungen der mit Heftigkeit herbeigezogenen Luft und des kalten Gasstromes unterstützen sich also und können unter Umständen die Ursache dafür abgeben, daß die Flamme in der Nähe des Brenners erlöscht und erst weiter stromabwärts, wo die Geschwindigkeit des sich immer mehr ausbreitenden Gasstromes genügend vermindert ist, fort zu existiren vermag, weil hier die Abkühlung nicht mehr so energisch stattfindet. Daß bei sehr bedeutender Ausströmungsgeschwindigkeit der Gasstrom überhaupt nicht mehr zur Entzündung gebracht werden kann, resp. daß die vorhandene Flamme bei sehr vermehrtem Gasdruck durch den eigenen Gasstrom ausgeblasen wird, erklärt sich hiernach in der Weise, daß zunächst in Folge der vergrößerten Wärmeentziehung ein immer wachsender Abstand zwischen Flamme und Brenner entsteht, und daß in diesem langen Zwischenraum ein sehr bedeutendes Uebermaß an Luft eingesaugt wird, bis der Gasstrom schließlich, wenn sich seine Geschwindigkeit genügend vermindert hat, bereits so stark durch Luft verdünnt ist, daß er überhaupt nicht mehr entzündet werden kann. Die somit versuchte Erklärung des Abstandes zwischen Brenner und Flamme des rasch ausströmenden Gases setzt voraus, daß jener sich verkleinert oder verschwindet, sobald der Gasstrom schon vor der Entzündung auf höhere Temperatur erhitzt wird. Der directe Versuch bestätigt diese Voraussetzung, denn die einige Centimeter weit abstehende Flamme des aus einem Platinrohr heftig ausströmenden Weingeistdampfes kehrte nach der Röhrenmündung zurück, wenn das Platinrohr zum Glühen erhitzt wurde; auch zweifle ich nicht, daß, wenn der von Benevides angegebene Versuch mit stark erhitztem Leuchtgas angestellt wird – etwa indem man das ausfließende Gas längere glühende Röhren passiren läßt, bevor man es entzündet –, kein oder nur ein viel geringerer Zwischenraum entstehen wird. Apparate zu derartigen Versuchen stehen mir indeß nicht zur Verfügung. Obwohl sich durch die wärmeentziehende Wirkung des Gasstromes jene Erscheinungen erklären lassen, bin ich doch geneigt, diese Wirkung für sehr gering zu halten; die Beobachtung, daß der Abstand der Flamme des Weingeistdampfes sofort verschwindet, wenn man der Ausströmungsöffnung ein ganz kleines Flämmchen nähert, weist darauf hin, daß die Uebertragung der Entzündung hier eine wichtige Rolle spielt, da die Erhitzung des Gasstromes durch jenes Flämmchen nur eine sehr unbedeutende ist. Als eine zweite Ursache für das Entstehen jenes Zwischenraumes bei stark comprimirtem Gase wurde das Verhältniß zwischen Ausströmungs- und Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung bezeichnet. Um ein klares Bild dieser Factoren zu erhalten, stelle man sich vor, die Flamme des mit Gewalt ausströmenden Gases schwebe in der Entfernung einiger Centimeter von der Röhrenmündung. Es wirft sich nun die Frage auf: Warum kehrt die Flamme nicht zum Brenner zurück, d.h. warum pflanzt sich die Entzündung nicht an der Berührungsfläche des Gasstromes und der Luft rückwärts nach der Brennerröhre hin fort? Die Continuität einer Flamme beruht in der fortgesetzten Entzündung der nächstliegenden brennbaren Bestandtheile durch die Wärme, welche die vorher entflammten Theile entwickeln. Diese Fortpflanzung der Entzündung geschieht selbstverständlich nach allen Richtungen hin, insofern nur ein entzündungsfähiges Gemisch vorhanden ist, und da auch im Zwischenraum zwischen Flamme und Brenner ein solches sich an der Berührungsfläche von Luft und Gas befindet, so muß die Entzündung auch rückwärts fortschreiten – und doch scheint es nicht so. Ich sage, es scheint nicht so, weil wir zu leicht geneigt sind, die Flamme als etwas ruhig für sich Bestehendes zu betrachten, und nicht bedenken, daß sie ein kleiner Theil eines raschen Gasstromes ist, der uns nur eine kurze Strecke – so lange er glüht – sichtbar wird. Erinnern wir uns an die Construction der Magnesiumlampen, bei welchen der Draht durch ein Uhrwerk in dem Maße vorgeschoben wird, als er verbrennt. Hierdurch bewirkt man, daß die Flamme stets an demselben Platze, dem Focus des Hohlspiegels, bleibt. Wird das Uhrwerk sistirt, so brennt die Flamme immer weiter am Drahte zurück; schiebt man letztern zu rasch vor, so wird auch die Flamme weiter hinausgerückt. Auf ihrem Platze bleibt sie nur dann, wenn der Draht eben so rasch vorrückt, als die Flamme zurückbrennen würde, wäre jener unbeweglich. Das Zurückweichen der Flamme ist durch die Fortpflanzung der Entzündung bedingt; es wird um so rascher geschehen, je höher die Verbrennungstemperatur und je niedriger die Entzündungstemperatur des Körpers ist. Die Entzündungsgeschwindigkeit steht somit in directem Verhältniß zur Differenz jener beiden Temperaturen und ist auch in umgekehrter Proportion abhängig von dem Unterschied zwischen der Entzündungstemperatur und der ursprünglichen Temperatur des Körpers vor erfolgter Entzündung. Durch vorheriges Erhitzen des Brennstoffes kann also die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung gesteigert werden; sie ist unendlich, sobald die Anfangstemperatur die Entzündungstemperatur erreicht hat; sie wird vermindert durch Erniedrigung der Verbrennungstemperatur, z.B. durch Beimengung indifferenter Gase. Die Entzündungsgeschwindigkeit wird Null, sobald die Verbrennungstemperatur bis zur Entzündungstemperatur herabgesunken ist. Außer von den genannten Größen ist die Entzündungsgeschwindigkeit noch abhängig von der specifischen Wärme und der Wärmeleitungsfähigkeit des brennenden Körpers; daß auch Oberfläche und die Größe des Querschnittes von Einfluß sind, ist wohl denkbar, ließe sich aber bei vergleichenden Versuchen eliminiren. Für den Fall, daß sich die Wärmeentziehung von Seiten des raschen Gasstromes und der äußern Luft für die Bildung des erwähnten Zwischenraumes als unwesentlich event. als eliminirbar erweist, könnten vergleichende Versuche vielleicht interessante Beziehungen zwischen der Entzündungsgeschwindigkeit verschiedener Brennstoffe und deren Entzündungs- und Verbrennungstemperaturen ergeben. Für feste Körper, z.B. Magnesium, ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung gleich der Geschwindigkeit, mit welcher der Draht vorgeschoben werden muß, damit die Flamme auf dem nämlichen Platze bleibt. Auch könnte die Zeit bestimmt werden, welche verläuft, bis die Flamme das andere Ende des Drahtes erreicht hat, dessen Länge bekannt sein muß u.s.f. Leicht brennbare Flüssigkeiten würde man in eine Rinne gießen und die Zeit beobachten, welche verstreicht, bis die am einen Ende der Rinne eingeleitete Entzündung bis zum andern Ende fortgeschritten ist. Bei nur am Docht brennenden Flüssigkeiten hätte man Zeugstreifen von bestimmter Länge damit zu tränken und ebenfalls die Zeit zu notiren, welche bei horizontaler Lage (z.B. auf gespannten Drähten) nöthig ist, bis auch das andere Ende des Zeugstreifens vom Feuer erfaßt wird. Mit Hilfe derartiger Versuche ließe sich ein relativer Zahlenausdruck für die Feuergefährlichkeit brennbarer Flüssigkeiten etc. gewinnen. Für Gase könnte die Ausströmungsgeschwindigkeit für einen bestimmten Abstand der Flamme vom Brenner oder der Abstand für eine bestimmte Stromgeschwindigkeit ermittelt werden; um indeß von der je nach der Natur der Gase wechselnden Stromgeschwindigkeit in einer bestimmten Entfernung vom Brenner unabhängig zu sein, wäre es wohl zweckmäßiger, gerade diejenige Geschwindigkeit zu messen, bei welcher die Flamme eben vom Brenner abgehoben wird.Diese Bemerkung soll nur ein Hinweis sein, auf welche Art sich solche Beobachtungen anstellen lassen; in Ermanglung der nöthigen Apparate muß ich die Ausführung jener Versuche leider Andern überlassen. Die Entzündungsgeschwindigkeit ist seither selten Gegenstand der Untersuchung gewesen; R. Bunsen Poggendorff's Annalen, Bd. 131 S. 166. bestimmte die Entzündungsgeschwindigkeit in reinem Knallgas zu 34m, in Kohlenoxydknallgas zu nicht ganz 1m; auch die Arbeit von Demondésier und Schlösing Fortschritte der Physik, 1862 S. 333. Die Originalquelle (L'Institut, Journal universel etc. 1862) war mir nicht zugänglich. handelt vom Verhalten des Kohlenoxydknallgases, also gleichfalls von einem vorher zubereiteten explosiven Gasgemenge. Die Flamme eines in der Luft frei brennenden Gases wurde indeß noch keiner Prüfung unterzogen. Aus naheliegenden Gründen ist in diesem Falle die Entzündungsgeschwindigkeit eine bei weitem geringere als in einem regelrechten Gemisch aus Gas und Luft, so daß bei Leuchtgas z.B. ein recht rascher Gasstrom sie leicht übertreffen kann. Die Geschwindigkeit desselben ist dicht an der Brennermündung am bedeutendsten und nimmt in Folge des Luftwiderstands bei größerer Entfernung davon ab. An all den Punkten, wo die Geschwindigkeit des Gasstromes größer ist als die der Entzündungsfortpflanzung, kann die Flamme nicht für sich fortexistiren, weil jedes durch eine sonstige Wärmequelle entzündete Gasmolecül eine größere Strecke weggetrieben wird, als sich die Entzündung in der nämlichen Zeit stromauf fortpflanzt.Schon Sainte-Claire-Deville (Comptes rendus, 1865 t. 60 p. 884) erklärte in dieser Weise die Thatsache, daß in dem innern Kegel, welcher eine Kohlenoxydknallgasflamme zeigt, keine Verbrennung stattfindet. Ist indeß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung größer als die Stromgeschwindigkeit, so wird die Basis der Flamme gegen den Brenner hin zurückrücken; sie wird in derjenigen Entfernung vom Brenner stationär bleiben, wo die Geschwindigkeit des Gasstromes genau gleich der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung ist. Danach richtet und verändert sich also, vielleicht ganz ausschließlich, der von Benevides beobachtete Abstand der Flamme vom Brenner. Dieser Abstand ist stets vorhanden, wenn an der Röhrenmündung der Gasstrom rascher ist als die Fortpflanzung der Entzündung; besitzt letztere die größere Geschwindigkeit, wie es bei unseren gewöhnlichen Leuchtapparaten der Fall ist, so tritt die Flamme bis zum Brenner zurück; daß sie ihn nicht unmittelbar berührt, hat eine andere, bereits besprochene Ursache: die wärmeentziehende Wirkung des Brenners auf die Flamme. Ich möchte hier noch eines ganz analogen Versuches gedenken, bei welchem, obwohl von großer Geschwindigkeit des Gasstromes nicht die Rede ist, die Flamme dennoch erst in bedeutender Entfernung vom Brenner zu existiren vermag. Wird Luft durch Benzol geblasen, oder Kohlensäure durch Aether geleitet, so lassen sich die erhaltenen Gemische der Gase mit den Dämpfen entzünden und liefern Flammen, welche weit von der Ausströmungsröhre abstehen. Hierbei hängt die Distanz außer von der Ausströmungsgeschwindigkeit auch von dem Verhältniß zwischen brennbarem Dampf und inertem Gase ab. Diese Flammen verhalten sich im Uebrigen denjenigen sehr rascher Gasströme ganz analog, und die für letztere gegebenen Erklärungsweisen finden auch hier ihre Anwendung. Obwohl die Ausströmungsgeschwindigkeit gering, so ist doch der Abstand zwischen Flamme und Brenner eine Function der Differenz der Strom- und der Entzündungsgeschwindigkeit, und letztere kann im vorliegenden Falle, wie leicht nachzuweisen, nur eine außerordentlich geringe sein; ein mäßig rascher Gasstrom dürfte sie darum leicht übertreffen und sonnt die Veranlassung zur Bildung eines größern Abstandes der Flamme vom Brenner werden.Vgl. Liebig's Annalen der Chemie, 1876 Bd. 181 S. 129. Hierher gehört auch die Jedermann bekannte Erscheinung des Abhebens der Flamme einer eben entzündeten Petroleumflachbrennerlampe, auf welche der Glascylinder noch nicht aufgesetzt ist. Die Flamme wird in geringer Höhe über dem Docht durch die Messinghaube vollkommen unter die Entzündungstemperatur abgekühlt, d.h. in einer gewissen Strecke völlig ausgelöscht. Während unterhalb der Haube der untere Theil der Flamme noch fortexistirt, tritt ein dichter Rauch aus dem Schlitz – ein Gemenge von unverbrannten Dämpfen mit den Verbrennungsproducten der untern Flammenhälfte. Wird die Rauchsäule entzündet, so tanzt die entstehende Flamme mehrere Centimeter hoch über der Messinghaube; denn die Entzündungsgeschwindigkeit ist im vorliegenden Fall offenbar außerordentlich gering, da die Rauchsäule aus brennbaren dichten Dämpfen, Kohlensäure und Wasserdampf besteht; erniedrigt man ihre Temperatur noch mehr, indem man die Rauchsäule erst eine etwa 10cm lange Röhre passiren läßt, so erscheint sie viel dichter, und die Flamme schwebt in noch viel größerer Entfernung (10cm und darüber) über der Röhrenmündung. In diesem Falle läßt sich deutlich erkennen, daß der Rauch dicht unterhalb des schwebenden Flämmchens durch dessen strahlende Wärme zuvor in durchsichtiges Gas verwandelt wird, ehe er verbrennt, d.h. in die Flamme eintritt. Beim Entzünden einer Petroleumflachbrennerlampe ist also die abkühlende Wirkung der Messinghaube zunächst die Ursache für die Bildung jener Rauchsäule, welche dem Innern der gleichsam abgeschnittenen Flamme entquillt. Der Flammenmantel stößt an die Blechkappe an, wird von derselben zurückgehalten und abgekühlt und ist darum nicht mehr im Stande, die Entzündung continuirlich nach oben hin fortzupflanzen. Der untere Flammentheil producirt stets neue brennbare Gase und Dämpfe und spielt also die Rolle des Retortenfeuers in den Gasfabriken. Natürlich erhitzt sich die Messinghaube bald durch die untere Flamme, und die abkühlende Wirkung läßt nach; da somit die Rauchsäule eine höhere Temperatur behält, so muß der Flammenabstand kleiner werden, und in der That ist derselbe beim Anzünden der Lampe am größten und nimmt rasch ab. Erhitzt man die Messinghaube zum Glühen und setzt sie erst dann auf die gehörig regulirte Lampe, so reißt die Flamme nicht aus einander. Die alltägliche Erfahrung zeigt, daß sich beim Aufstülpen des Cylinders die vorher aus einander gerissene Flamme sofort zusammenschließt; der Grund dafür ist darin zu suchen, daß die Flamme in Folge des vermehrten Luftzuges in die Länge gestreckt und bedeutend schmäler wird, so daß sie die Wände des Schlitzes in der Messingkappe nicht mehr berührt, außerdem erhöht sich die Flammentemperatur und beschleunigt sich die aufsteigende Bewegung der glühenden Gase, also lauter Umstände, welche dem wärmeentziehenden Einfluß der Messinghaube entgegen wirken. – Die oben beschriebenen Versuche lassen sich, wie dargethan wurde, auf zweierlei Art erklären, von welchen die zuerst angeführte die Wärmeentziehung von Seiten des Gasstromes und der äußern Luft als Ursache des oft so bedeutenden Zwischenraumes zwischen Flamme und Brenner ansieht; wie angedeutet, spricht jedoch die Wahrscheinlichkeit dafür, daß jene Wirkung sehr gering ist, und daß die der Entzündungsgeschwindigkeit überlegene Stromgeschwindigkeit wenn nicht als einzige, so doch als wichtigste Veranlassung jenes Abstandes anzusehen sein wird. Die Entscheidung dieser Frage ist indeß noch weitern Versuchen vorzubehalten. Die Hauptpunkte vorstehender Mittheilung lassen sich in Folgendem zusammenfassen: 1) Die Erscheinung, daß eine Gasflamme den Brennerrand, die Kerzenflamme den Docht nicht unmittelbar berührt, ist, entgegen der Erklärungsweise R. Blochmann's, ebenso wie die Thatsache, daß eine Flamme sich niemals an kalte Körper dicht anlegt, in der wärmeentziehenden Wirkung des berührenden Gegenstandes begründet. Die Flammengase werden auf eine gewisse Strecke hin unter ihre Entzündungstemperatur abgekühlt; also erlöscht die Flamme in diesem Umkreis. 2) Der bedeutend größere Abstand, welcher sich zwischen der Flamme eines sehr rasch ausströmenden Gases oder derjenigen eines mit viel indifferenten Luftarten gemengten brennbaren Dampfes und der Brennermündung zeigt, kann nicht durch die von F. Benevides angegebenen Gründe verursacht sein; er ist vielmehr außer durch die abkühlende Wirkung des Gasstromes und der äußern Luft auch – und wahrscheinlich vorzugsweise – dadurch bedingt, daß die Stromgeschwindigkeit in der Nähe der Brenneröffnung größer ist als die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung. 3) Für den Fall, daß sonstige Einflüsse unwesentlich sind, ist an demjenigen Querschnitt des Gasstromes, an welchem die weit abstehende Flamme beginnt, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung gleich der daselbst herrschenden Stromgeschwindigkeit. Unter obiger Voraussetzung wird sich hiernach die Entzündungsgeschwindigkeit für verschiedene in der Luft brennende Gasarten oder Dämpfe experimentell ermitteln lassen, und da diese Größe eine Function der Differenz zwischen Entzündungs- und Verbrennungstemperatur des brennbaren Körpers ist, so dürften auch über diese Punkte vielleicht Aufschlüsse und Relationen zu gewinnen sein.Nach Schluß dieser Arbeit kommt mir eine interessante Abhandlung E. Mallard's (Annales des Mines, 1875 S. 355) zu, in welcher zum Zweck des Studiums der Theorie der Grubenlampen die Entzündungsgeschwindigkeiten in explosiven Gemischen aus Grubengas resp. Leuchtgas und Luft nach der auch von Bunsen für Wasserstoff- und Kohlenoxydknallgas benützten Methode bestimmt sind. Verfasser findet z.B. für ein Gemenge von 0,086 Vol. Grubengas auf 1 Vol. Luft die Entzündungsgeschwindigkeit = 0g,041, für ein Gemenge aus 0,3 Vol. Leuchtgas auf 1 Vol. Luft = 0m,097 in der Secunde; dies sind zwar die ungünstigsten der untersuchten Mischungsverhältnisse, aber sie zeigen aufs Deutlichste, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung durchaus nicht immer so bedeutend ist, wie man sich oft vorzustellen pflegt. Verfasser discutirt gleichfalls die Beziehungen zwischen Entzündungsgeschwindigkeit und der Entzündungs- und Verbrennungstemperatur in explosiven Gasgemischen. 4) Bei festen und flüssigen Körpern brennbarer Natur ist die Entzündungsgeschwindigkeit leicht durch directe Versuche zu ermitteln, und die zu erhaltenden Resultate können als relative Zahlenausdrücke für die Feuergefährlichkeit jener Brennstoffe angesehen werden. Darmstadt. Chemisches Laboratorium des Polytechnicums.