Titel: Ueber die Herstellung von Wasserglas aus Infusorienerde; von F. Capitaine.
Autor: F. Capitaine
Fundstelle: Band 222, Jahrgang 1876, S. 363
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Ueber die Herstellung von Wasserglas aus Infusorienerde; von F. Capitaine. Capitaine, über die Herstellung von Wasserglas aus Infusorienerde. Die Vorschläge und Versuche, Wasserglas aus Infusorienerde herzustellen, sind bekanntlich schon über 20 Jahre alt (vgl. 1857 143 210) 237). Liebig bezeichnete jene Methode sogar als die rationellste der Wasserglasfabrikation. Dennoch ist die Anwendung der Infusorienerde zu jenem Zwecke bisher eine außerordentlich beschränkte geblieben. Außer vereinzelten Versuchen, namentlich Kalisilicat daraus zu bereiten, hat sich die Wasserglasindustrie durchaus ablehnend gegen diese Form der löslichen Kieselsäure verhalten. So sehen wir denn noch immer jene beiden Methoden der Silicatbereitung in ausschließlicher Geltung, von denen die eine, welche wir die englische nennen können, das Wasserglas durch Kochen von Feuerstein in kaustischen Laugen herstellt, während die andere, auf dem Continente gebräuchliche, erst ein Glas aus Sand, Soda, Sulfat und Kohle sich erschmilzt und dasselbe unter Dampfdruck in eine wässerige Lösung bringt. Die vorzugsweise Anwendung des Feuersteins in England erklärt sich aus seinem dortigen massenhaften und billigen Vorkommen, und selbst in Deutschland, namentlich in Norddeutschland, vermöchte wohl bei gleichem chemischem Verhalten die Infusorienerde mit dem billigern Flint nicht zu concurriren. Indessen hat die erstere dem Feuerstein gegenüber den großen Vorzug einer leichtern Löslichkeit. Flint liefert, in Cubikcentimeter große Stücke gebrochen und mit einer kaustischen Lauge von 1,25 bis 1,3 spec. Gew. während 6 bis 8 Stunden unter einem Dampfdruck von 4 1/2 bis 6at gekocht, immer nur ein sehr alkalisches, ätzendes Glas. Das Verhältniß des Alkalis zur Kieselsäure darin ist annähernd das von 1 : 2. Hingegen erzielen wir mit Infusorienerde schon durch Laugen von 1,2 spec. Gew. und 3at Dampfspannung in 3 bis 4 Stunden ein viel neutraleres Glas, dessen Kieselsäuregehalt das Dreifache des Alkalis beträgt. Der Vortheil liegt also auf der Hand. Während die Feuersteinmethode in der Praxis nur äußerst schwierig ein Silicat zu liefern vermag, welches dem aus Glasschmelze erzielten sich in Bezug auf den Kieselsäuregehalt an die Seite stellen kann, ist dies der Infusorienerde sehr leicht möglich. Der Umstand, daß es der letztern noch nicht gelungen ist, die Glasschmelze zu verdrängen, beruht in der That mehr auf zufälligen äußeren Verhältnissen. Zunächst müßte die Infusorienerde, um Wasserglas herzustellen, calcinirt werden – ein langwieriger Proceß, weil kaum eine Spur der in der natürlichen Erde vorkommenden organischen Stoffe bei dem Calciniren zurückbleiben darf, indem sonst mit Lauge nur eine mißfarbige, bräunliche oder gelbliche Lösung erzielt wird, welche der Handel ungern aufnimmt. Die außerordentlich voluminöse Erde, welche eine so geringe Leitungsfähigkeit für Wärme hat, läßt sich in der That nur schwierig calciniren, ein Umstand, welcher die Wasserglasfabrikanten schon aus ökonomischen Gründen vor ihrer Anwendung zurückschrecken ließ. Erst seitdem in allerneuester Zeit die Erde zu einem verhältnißmäßig billigen Preise vollständig calcinirt in den Handel gebracht wird (von der Firma Grüne und Hagemann, Unterlüß per Eschede), erscheint es passend, die Frage nochmals anzuregen, ob nicht die nasse Methode mittels Infusorienerde der Glasschmelze vorzuziehen sei. Verfasser hat eine Reihe von Versuchen im Großen vorgenommen. Die dabei angewendete Lauge wurde theils durch Auflösen fester kaustischer Soda, theils durch aus Soda hergestellter Lauge bereitet. Am zweckmäßigsten erschien es, die Lauge von 1,22 bis 1,24 spec. Gew. zu verwenden. Mit dieser wurde ein Digestor mit Rührwerk, wie er hier und da in der Wasserglasfabrikation benützt wird, zu etwa 60 Proc. seines Volums gefüllt und alsdann die erforderliche Menge gut calcinirte Erde, während das Rührwerk arbeitete, zugegeben. Das Quantum Erde läßt sich zunächst theoretisch ziemlich genau berechnen, wenn man erwägt, daß 1 Gew. Th. Natronhydrat etwa 2,8 Gew. Th. chemisch reiner Infusorienerde löst; falls beim ersten Versuche die Quantitäten nicht ganz richtig gegriffen waren, so lassen sich dieselben doch leicht richtig feststellen, da die calcinirte Erde nur sehr wenig in ihrer Zusammensetzung wechselt. Einer Lauge von der angegebenen Stärke genügt, um einen ziemlich weichen Brei zu bilden, welcher dem Rührwerk keinen großen Widerstand entgegensetzt. Wird nun Dampf zugelassen, so geht die Auflösung, sobald der Digestor mit etwa 3at Spannung arbeitet, sehr rasch von statten, so daß schon nach ungefähr 3 Stunden die vollständige Lösung der Kieselsäure erreicht ist. Man lernt diesen Zeitpunkt durch Erfahrung leicht an der Farbe der Lösung erkennen, sowie daran, daß sich die Probe sehr rasch klärt. Die Farbe der suspendirten fremden Bestandtheile ist alsdann eine dunkel ziegelrothe. Hat man jedoch einen Ueberschuß von Infusorienerde angewendet, oder ist noch nicht lange genug gekocht, so ist die Farbe weißröthlich, und die Lösung klärt sich nicht durch Absetzen. Schon bei einem geringen Ueberschuß an ungelöster Kieselsäure bleibt die Lösung dauernd trübe und läßt sich auch durch Filtriren nur schwierig von der überschüssigen Erde befreien. In der Praxis ist es jedoch sehr leicht möglich, jenen Uebelstand zu vermeiden und stets ein gleiches, sich leicht klärendes Product zu erzielen. Eines jedoch bleibt zu beachten. Hat man nämlich eine zu starke Lauge benützt, etwa von 1,3 spec. Gew., so resultirt ein Wasserglas von ungefähr 1,22 bis 1,25 spec. Gew.; eine solche Lösung läßt den suspendirten feinen Sand und namentlich das Eisenoxyd, welches in der Erde vorkommt, nur sehr langsam sich absetzen, so daß kaum eine Woche dazu hinreicht. Es ist deshalb räthlich, keine zu starken Laugen anzuwenden, damit schließlich eine Lösung von höchstens 1,18 spec. Gew. erhalten wird. Daß das erzielte Wasserglas ein etwas geringeres specifisches Gewicht zeigt als die dazu verwendete Lauge, erklärt sich aus der Menge des beim Lösen condensirten Dampfes. Ist die Lösung schwerer als 1,18 spec. Gew., so ist es am besten, durch nachträglichen Wasserzusatz das specifische Gewicht auf 1,16 bis 1,18 herabzudrücken. Das Klären geht alsdann sehr rasch von statten, so daß schon nach 24 Stunden ein vollkommen blankes und helles Product erhalten wird. Der sich absetzende Schlamm, aus Sand und Eisenoxyd bestehend, ist in seiner Quantität dem beim Lösen von Glasschmelze entstehenden allerdings etwas überlegen, läßt sich jedoch leicht auswaschen und liefert auch mit verdünntem Wasserglase einen vortrefflichen Anstrich. Für die Bereitung von Kaliglas, welches namentlich zu chirurgischen Zwecken einen möglichst hohen Gehalt an Kieselsäure erfordert, leistet Infusorienerde vorzügliche Dienste. Man muß in diesem Falle den Digestor allerdings 1 bis 2 Stunden länger gehen lassen und das Quantum Infusorienerde um 10 bis 15 Proc. größer nehmen als bei gewöhnlichem Silicat; doch kann man auf diese Weise eine Lösung herstellen, welche so kieselsäurereich ist, daß sie schon bei 1,32 spec. Gew. zu gelatiniren beginnt. Ebenso läßt sich die Infusorienerde in Verbindung mit Flint leicht verarbeiten. Entweder stellt man sich mittels Flint zunächst ein ätzendes Glas her und verarbeitet dasselbe in einem zweiten Digestor mit Infusorienerde zu einem neutralern Silicat, oder man benützt einen und denselben Digestor und fügt, nachdem man den Dampf der Flintlösung abgeblasen, die erforderliche Menge Erde bei, worauf man den Digestor nochmals 1 bis 2 Stunden in Thätigkeit setzt. Was nun die ökonomische Seite der Sache betrifft, so haben wir gefunden, daß bei einer rationellen Selbstbereitung der kaustischen Lauge aus Soda und im Hinblick auf den niedrigen Preis der calcinirten Infusorienerde, die nasse Methode überall mit der Glasschmelze concurriren kann, wo die Transportkosten dieselbe nicht mehr als 15 bis 20 Proc. ihres Einkaufspreises vertheuern. Ihr Hauptvortheil liegt in der Umgehung der Schmelzöfen und der damit verbundenen Unannehmlichkeiten.