Titel: Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur E. Pfuhl, Lehrer am Polytechnicum in Langesalza.
Autor: E. Pfuhl
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 171
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Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur E. Pfuhl, Lehrer am Polytechnicum in Langesalza. Mit Abbildungen. (Nachdruck vorbehalten.) (Fortsetzung von S. 437 des vorhergehenden Bandes.) Pfuhl, über die Jute und ihre Verarbeitung. b) Das Vorspinnen. Hierunter versteht man die fernere Verarbeitung des wie beschrieben vorbereiteten Rohmaterials und die Umwandlung desselben in einen dicken, lose zusammen gedrehten Faden, Vorgespinnst, Vorgarn (Rove) genannt. Zunächst werden die in den Risten noch zu bandartigen Bündelchen vereinigten, parallel neben einander liegenden Fasern der Pflanzenstenge auf Karden oder Krempeln von einander getrennt, in einzelne zerlegt, von den etwa anhaftenden dunklen Basttheilchen, dem Staube und den ganz kurzen Fäserchen, die sich bei der Zertheilung von selbst bilden, befreit und in kürzere, den Dimensionen der folgenden Maschinen entsprechende, möglichst gleiche Längen zerrissen, sodann aber zu einem continuirlichen Bande vereinigt. Bei diesem Zertheilungs- und Zerreißungsprocesse wird die ursprüngliche parallele Lage der einzelnen Fasern mehr oder weniger gestört. Da dieselbe aber in dem fertigen Garn unbedingt wieder vorhanden sein muß, weil von ihr wesentlich die Glätte und Gleichmäßigkeit desselben abhängt, so muß die folgende Behandlung der erzeugten Bänder dieselbe möglichst wieder herzustellen suchen, dabei eine weitere Zertheilung der Fasern, eine Verfeinerung der Kardenbänder und Ausgleichung ihrer durch ungleichmäßige Auflage hervorgerufene Verschiedenheit in der Dicke durch wiederholtes Strecken und Doubliren auf Streckmaschinen bewirken. Das von der letzten Streckmaschine abgelieferte Band wird hierauf nochmals auf der Spindelbank gestreckt und bis zu einem gewünschten Grade verfeinert, sodann aber sofort etwas zusammen gedreht, um die gegenseitige Lage der Fasern in dem jetzt sehr schwachen dünnen Bande zu sichern und demselben die für das Feinspinnen nöthige Festigkeit zu geben. Man nennt diesen Proceß auch das Vorspinnen im engern Sinne. Der erste Theil des Vorspinnprocesses wird also durch Karden oder Krempeln bewirkt, und ist die oben beschriebene Arbeit, welche diese Maschinen auszuführen haben, wesentlich verschieden von der, welche Flachs-Heede-Karden verrichten. Bei Verarbeitung der Flachs-Heede, die aus ungleich langen, verhältnißmäßig kurzen und verworren durch einander liegenden Fasern besteht, liegt der Schwerpunkt der Kardirung (des Krempelprocesses) in der Entwirrung, Auflockerung, sowie in der einigermaßen parallelen Lagerung derselben und ihrer Ueberführung in Bandform unter Ausscheidung der anhängenden Schäbentheilchen. Es ergibt sich hieraus, daß die in diesem Sinne wirkenden arbeitenden Theile der Flachsheede-Karde in recht großer Anzahl vorhanden, und daß ihre Geschwindigkeiten derart bemessen sein müssen, daß das Material möglichst oft, lange und intensiv der Einwirkung derselben ausgesetzt ist, um das erwähnte Resultat in genügendem Maße zu erreichen. Wenn man dagegen die Kardirung der Juteristen vergleicht, welche ganz andere, oben beschriebene Ziele verfolgt und zu deren Erreichung es genügt, das Material nur kurze Zeit und in möglichst schonender Weise der Einwirkung der arbeitenden Theile der Karden auszusetzen, so ergibt sich von selbst eine andere Anordnung in der Anzahl, Lage und Geschwindigkeit derselben, wie die folgende Betrachtung näher ergeben wird. Die Juteristen gelangen zunächst zur Verarbeitung auf die Vorkarde und werden deren Bänder einer nochmaligen Kardirung auf der Feinkarde unterworfen. Beide Karden sind in Bezug auf ihre Construction nicht unwesentlich von einander verschieden. Die Vorkarde, Mulden- (Schalen-) Vorkarde (shell breaker card) besteht aus einer zumeist 4 Fuß (1m,219) im Durchmesser habenden rotirenden Trommel von 6 Fuß (1m,829) Breite, welcher das auf einem endlosen Tuche, Tische (table) ausgebreitete Material durch eine Walze zugeführt wird, die sich in einer gußeisernen Mulde (Schale) bewegt. Entweder unterhalb oder oberhalb der Speisewalze (shell feeder) sind mit dem Umfange der Trommel und unter sich in naher Berührung zunächst je zwei Walzenpaare angeordnet, jedes aus einer sogenannten Arbeits- und Wendewalze (worker and stripper) bestehend, und folgt auf diese noch eine größere Walze, die Abnehmewalze (doffer). Die Trommel und sämmtliche Walzen sind mit Nadelbeschlägen versehen. Der von den Walzen frei gelassene Trommelumfang ist fast durchweg mit einem ziemlich dicht anschließenden Holzmantel umgeben. Die Bearbeitung des Materials findet zunächst zwischen Trommel und Muldenzuführung, sodann aber zwischen den zwei auf der obern oder untern Hälfte der Trommel angeordneten Walzenpaaren statt, so daß etwa nur die Hälfte des Trommelumfanges zur Wirkung kommt, weshalb man diese Karden halb circular (half circular) nennt. Das bearbeitete Material geht an die Abnehmewalze über, aus welcher es durch ein mit flachen Riffeln versehenes eisernes Abzugswalzenpaar (fluted iron doffing roller) als ein zusammenhängendes Vließ abgenommen, durch ein nach unten zu schmäler werdendes, seitlich begrenztes Leitblech (conductor) herabgleitet, in die Bandform übergeführt und schließlich durch ein Ablieferungswalzenpaar (delivering roller) verdichtet und in eine Blechkanne abgegeben wird. Je nachdem die Vorkarden zur Verarbeitung verschieden feinen Materials dienen, unterscheiden sich dieselben von einander in Hinsicht der feinern oder gröbern Nadelbeschläge und der Geschwindigkeiten der einzelnen Walzen zu einander, die sonstige Construction ist bei allen gleich. Eine halbcirculare Mulden-Vorkarde (half circular shell breaker card) ist auf Tafel VIII [a.b/1] in Fig. 1 bis 3 in Seitenansicht, Längenschnitt und Vorderansicht in 1/24 natürlicher Größe dargestellt; Figur 4 [a/2] zeigt den Räderbetrieb von der Abzugswalze nach der Abnehmewalze besonders. Auf dem Auflegetisch z, der aus einem endlosen, durch ein Bret unterstützten, über zwei Rollen gehenden Tuche besteht, werden mit den Wurzelenden voran gleichzeitig drei bis vier Risten neben einander derart aufgelegt und ausgebreitet, daß sie möglichst gleichmäßig die ganze Auflegefläche bedecken, weshalb es unbedingt nöthig ist, das jede einzelne Riste zusammenhaltende Jutefaserband zu durchschneiden. Es erfolgt hier zugleich die Mischung verschiedener Sorten, indem dieselben ristenweise neben einander gelegt werden. Die Risten gelangen zwischen Mulde s und Speisewalze S und werden der Trommel T zugeführt. Diese, sich dicht an der innern Kante der Mulde vorbeibewegend, wirkt zertheilend und zerreißend auf das Material und nimmt die abgerissenen Fasern mit nach unten, bis sie in den Bereich der Nadeln der ersten Arbeitswalze A₁ gelangen, deren Nadeln entgegengesetzt wie die Trommelnadeln geneigt sind, und deren Umfangsgeschwindigkeit bedeutend geringer als die der Trommel ist. Beide Umstände bewirken, daß ein Theil der aus den Trommelnadeln hervorstehenden Fasern von den Nadeln des Arbeiters erfaßt und festgehalten werden, und müssen daher die gleichzeitig noch von erstern gehaltenen Fasern bei der Weiterbewegung derselben neuerdings zerrissen und zertheilt werden. Bei diesem Processe füllen sich allmälig die Nadeln des Arbeiters, welcher vermöge seiner langsamen, ausweichenden Bewegung immer neue leere Nadelflächen der Trommel darbietet. Bei der Drehung des Arbeiters gelangt das von ihm aufgenommene Material in den Bereich der vor ihm angeordneten Wendewalze W₁, die sich mit größerer Umfangsgeschwindigkeit bewegt, und deren Nadeln gegen den Rücken der Nadeln des Arbeiters wirken, so daß aus ihnen die Fasern abgezogen und auf die des Wenders übertragen werden Da jedoch die Umfangsgeschwindigkeit der Trommel größer als die des Wenders ist und ihre Nadeln ebenfalls gegen den Rücken der Nadeln des letztern arbeiten, so werden die vom Wender aufgenommenen Fasern wieder an die Trommel übergehen müssen, um theilweise den beschriebenen Proceß nochmals durchzumachen. Der zweite Arbeiter A₂ und Wender W₂ wirken in derselben Weise. Die bearbeiteten Fasern werden alsdann durch die Abnehmewalze D von der Trommel abgenommen. Die Nadeln dieser Walze müssen daher wie die der Arbeitswalzen den Trommelnadeln entgegen stehen und muß ihre Umfangsgeschwindigkeit ebenfalls geringer als die der Trommel sein. Die Umdrehungsrichtung der Abnehmewalze D ist der der Trommel entgegengesetzt, so daß ihr Nadelbeschlag an der Berührungsstelle langsam gegen den Trommelbeschlag zurückweicht. Aus den Nadeln der Abnehmewalze nehmen eiserne, flach geriffelte Abzugswalzen w, w' von der Breite der Trommel das Material in Form eines zusammenhängenden Vließes ab; dieses gleitet dann über das nach unten zu schmäler werdende Leitblech und wird durch dessen aufgebogene Ränder immer mehr zusammengezogen den 8 Zoll (203mm) breiten Ablieferungswalzen P, P' in Bandform übergeben, zwischen welchen es durch den Druck der obern Walze verdichtet und in eine vorgesetzte Blechkanne K als ein 5 Zoll (127mm) breites Band abgeliefert wird. Die obere Walze des Abzugs- und Lieferungswalzenpaares (doffing roller- and delivering rollerpressing) stehen mit den die Bewegung erhaltenden untern durch Räder derart in Verbindung, daß die gegenseitigen Abwickelungen gleich sind. Die durchschnittliche Länge der Fasern beträgt jetzt 18 bis 22 Zoll (457 bis 559mm), und ist die Zertheilung bereits so weit erfolgt, daß zu Bündelchen vereinigte Fasern nicht mehr vorkommen. Die Trommel ist oberhalb zwischen der Speise- und der Abnehmewalze, sowie zwischen ersterer und dem ersten Wender mit hölzernen, ziemlich dicht an den Umfang derselben anschließenden Deckeln (covers) versehen, welch letztere dazu dienen, ein Herabfallen der noch an dieser Stelle sehr langen Fasern aus den Nadeln der Trommel zu verhindern. Auch die beiden Wendewalzen sind aus demselben Grunde theilweise mit Deckeln umgeben, und bewegt sich am Umfange des ersten Wenders noch eine Blechwalze G (tin roller), um das lange Material in die Nadeln desselben etwas einzudrücken. Die zwischen dem zweiten Wender und der Abnehmewalze befindlichen weiter abstehenden Deckel, sowie die obern zuerst erwähnten, haben lediglich eine Bedeckung der Nadelbeschläge zum Zweck. Zwischen dem ersten Arbeiter und dem zweiten Wender ist der Trommelumfang frei, und erfolgt hier die Abscheidung der schwerern, nicht theilungsfähigen Wurzelenden, der Basttheilchen, des Schmutzes und der leichten und kurzen bei der Zerreißung sich bildenden Fasern. Die längern Fasern, welche zufällig hier auch mit herabfallen, werden später abgeschieden und besonders weiter verarbeitet. Wie im Anfange erwähnt, ordnet man auch die Arbeits- und Wendewalzen auf der obern Hälfte der Trommel an; doch ist diese Anordnung nicht beliebt und in Deutschland gar nicht gebräuchlich; – sie mag wohl manche Nachtheile mit sich führen. Die Trommel und die Walzen werden fast stets mit Holzbeschlägen versehen und nur da, wo man die Wirkung der Arbeiter und Dosier möglichst verstärken will, wendet man auch Lederbeschläge mit stärker gekrümmten, kräftigen Nadeln an. Eine derartige Beschlaggarnitur ist in natürlicher Große auf Tafel VIII [a.b/3] in Fig. 5 bis 13 dargestellt. Figur 5 gibt den Querschnitt einer Leiste mit Nadeln für die Speisewalze der Vorkarde und Figur 6 die obere Ansicht eines Stückes derselben; die Lage der Nadeln ist hieraus deutlich erkennbar, sie stehen in doppelt versetzten Reihen, und ist die Stärke der Nadeln Nr. 12. Die Figur 7 zeigt den Querschnitt einer Leiste des Trommelbeschlages. Die Nadeln sind hier in einfach versetzten Reihen angeordnet. Die Entfernung derselben in der Längenrichtung der Leiste beträgt 7/16 Zoll (11mm,1), die Nummer der Nadeln ist 14. Dicht unter diesem Beschlage ist in Figur 8 ein Stück Lederbeschlag im Längenschnitt (d. i. Querschnitt der Walze) für die Arbeitswalzen dargestellt und läßt sich aus der gegenseitigen Stellung der beiden Beschläge sofort die Wirkung der Nadeln gegen einander bei der Bewegung erkennen. Die stark gekrümmten Nadeln dieses Beschlages bestehen aus Doppelhäkchen der Drahtnummer 10, die in einfach versetzten Reihen in das 3 Zoll (76mm) breite Leder eingesetzt sind, wie der Querschnitt des Beschlages (Längenschnitt der Walze) in Figur 9 erkennen läßt. Bei Anwendung dieses Beschlages wird ein Herabfallen der einmal aufgenommenen Fasern bei der Drehung des Arbeiters nicht eintreten können, und ist die Wirkung desselben gegen den Trommelbeschlag eine sehr energische. In Figur 10 [a.b/3] ist der Querschnitt einer Beschlagleiste für die Wendewalze zu sehen, bei welcher die Nadeln in vierfach versetzten Reihen angeordnet sind. Die Nadelnummer ist 15 und beträgt die Entfernung derselben in der Längenrichtung der Leiste 3/8 Zoll (9mm,5). Fig. 11 und 12 zeigen schließlich den Abschnitt eines Lederbeschlages für die Abnehmewalze und zwar den Längenschnitt des Beschlages (im Querschnitt der Walze) bezieh. eine Hinteransicht des gerade gestreckten Leders, in welchem die Nadelhäkchen eingesetzt sind, deren Drahtnummer 16 ist, und welche in doppelt versetzten Reihen stehen. Die auch bei diesem Beschlage ziemlich dicht stehenden und stark gekrümmten Nadeln vermögen verhältnißmäßig viel Material aufzunehmen und entlasten daher den Trommelbeschlag fast vollständig. Die Lederbeschläge für die Arbeits- und Abnehmewalzen zeigen neben ihren Vortheilen die schon früher bei Besprechung der Teazerbeschläge (Bd. 222 S. 433) bemerkten Uebelstände, bedürfen deshalb einer regelmäßig wiederholten Untersuchung ihrer Beschaffenheit. Zur Verarbeitung gewisser Sorten Abfall und ordinärer Jutesorten benutzt man auch für den Trommelschlag Nadeln, deren Querschnitt einen Rhombus bildet, wie Figur 13 [b/3] angibt, und die sehr widerstandsfähig sind. Der Antrieb der arbeitenden Theile der vorher beschriebenen Karde geschieht in folgender Weise. Auf der Achse der Trommel, hinter der Antriebsscheibe R₁ (Fig. 1 und 3), sitzt die Betriebsscheibe a zur Bewegung der mit gleich großen Scheiben b, b₁ versehenen Wendewalzen; der Treibriemen geht über diese und die Leitscheibe c. Auf der andern Seite wird von der Trommelachse aus durch das Geschwindigkeitswechselrad (speed wheel) y, das Transportrad t und durch Rad d die Drehung an das auf der Achse der untern Lieferungswalze w sitzende Rad e, zugleich aber auch die Zwischenräder t₁, t₂ auf Rad f und die untere Lieferungswalze P vermittelt. Das mit Rad d fest verbundene Uebersetzungsrad g überträgt die Bewegung auf Rad h, welches auf der Achse der zweiten Arbeitswalze sitzt, und geht von diesem durch Zwischenrad t₃ auf das ebenso große Triebrad h₁ des ersten Arbeiters über. Die sich am Umfange der ersten Wendewalze bewegende Blechtrommel G erhält von der Achse des ersten Arbeiters durch die Räder i und 1 ihre Bewegung. Auf der andern, der Riemenscheiben-Seite sitzt auf der untern Abzugswalze w (Fig. 3 und 4) das Rad m, von welchem durch die Uebersetzungsräder n, o und p die Abnehmewalze D bewegt wird. Die Speisewalze S erhält die Bewegung ebenfalls von der Trommelachse aus durch Rad y, Transporteur t₄, die Uebersetzungsräder g, r und x und durch das auf ihrer Achse sitzende Rad u. Das Rad x kann ausgewechselt werden und heißt Verzugswechselrad (draft wheel), weil es die Geschwindigkeit der Einzugswalze und also den zwischen dieser und der Abzugswalze herrschenden Verzug bestimmt. Von der Achse der Einziehwalze wird durch Räder u₁ und u₂ die Betriebswalze des Speisetuches bewegt. Sämmtliche Walzen sind derart gelagert, daß man die gegenseitige Lage derselben unter einander und zur Trommel etwas stellen kann. Die Anordnung der Putzleisten, der Bekleidungen u.s.w. geht aus den angeführten Abbildungen hervor. (Fortsetzung folgt.)